AUTOR: AngelsBlue (Angels_Blue@web.de)
TITEL: Schatten der Vergangenheit
FREIGABE: Wer die Serie schaut, kann's auch lesen
SPOILERS: Die Geschichte spielt nach der 4. Staffel Buffy und der 1. Staffel Angel! Es sind Spoiler zu verschiedenen Folgen aus beiden Serien enthalten!
DISCLAIMER: I do not own all characters of Buffy The Vampire Slayer and Angel The Series, they all belong to Joss Whedon, the WB Network, Mutant Enemy, etc.
The song at the end of the story ist „Wild Horses“ from The Sundays. But I own Kayleigh, she's all mine!
FEEDBACK: Bitte, bitte!!!! Ich freue mich immer über eure Meinung! Euer Feedback gibt mir die Motivation weiterzuschreiben.
KOMMENTAR: Die Geschichte ist hauptsächlich als B/A Romanze angelegt. Sollte sie gut ankommen, plane ich eine Fortsetzung.


 

Schatten der Vergangenheit
 

Kapitel Eins

Los Angeles - schillernde Metropole, die Stadt der Engel, endlose hohe Gebäude, bunte Lichter, die die Nacht erhellen. Eine Stadt voller Leben, voller Menschen und unbemerkt von allen wandelt ein Geschöpf der Nacht unter ihnen. Ein einsamer Streiter gegen die Mächte der Finsternis, ein Untoter, der die Lebenden vor seiner eigenen Rasse schützt, ein Engel der Nacht.

*****

Angel wanderte durch die nächtlichen Straßen von Los Angeles. Sein Kopf rauschte, alles ging durcheinander. Er fühlte sich unwohl inmitten der Menschenmassen, die auch zu später Stunde die Straßen noch bevölkerten. Lieber blieb er in einer solchen Laune wie im Moment zuhause in seinem Appartement und dachte nach. Doch sein Appartement war in Flammen aufgegangen und momentan lebte er bei Cordelia. Sie hatte sich verändert, doch eines war geblieben: Ihre spitze Zunge, wenn er in einer Ecke saß und über sein 'Leben' nachdachte. Sie würde es nicht dulden, wenn er wieder 'Mr. Brooding Guy' spielte, wie sie es oft so treffend bezeichnete.
Also hatte er diesen nächtlichen Spaziergang vorgezogen. Er mußte nachdenken, einen klaren Kopf kriegen. Eigentlich hatte er allen Grund, seine düstere Stimmung erstmal abzulegen. Nach Wesley's Prophezeiung hatte er nun endlich wieder ein Ziel vor Augen. Die Wiedererlangung der Menschlichkeit. Doch er mußte sich nun erstmal klar werden, was das eigentlich für ihn bedeutete. Oh ja, er haßte sein Dasein als Vampir, die Grenzen, die es ihm im Leben unter Menschen aufzeigte. Aber es gab auch gute Seiten daran. Die Fähigkeit, die Menschen vor Dämonen zu schützen war eine dieser guten Seiten. Er hatte schon einmal erlebt, wie hilflos er dem als Mensch gegenüberstand und er war sich nicht sicher, ob er diese Hilflosigkeit noch einmal würde ertragen können.
Und dann war da Buffy....Seit er sie kennen- und lieben gelernt hatte, war der Wunsch menschlich zu sein ins Unermeßliche gewachsen. Nichts hatte er sich mehr herbeigesehnt als eine winzige Chance auf eine gemeinsame Zukunft. Wie unglaublich nahe war er dieser Zukunft gekommen, als ihn das Blut des Mohra Dämon die Menschlichkeit zurückgab - bis er sie auf eigenen Wunsch wieder aufgab. Aus Liebe, um Buffy vor dem sicheren Tod zu bewahren. Er ließ die Zeit zurückdrehen und aus dem Menschen Angel wurde wieder der Dämon, der Krieger gegen die bösen Mächte. Er hatte an diesen Erinnerungen schwer zu tragen und war froh darum, daß Buffy ohne Erinnerungen an ihren Tage als normales menschliches Paar weiterleben konnte. Sie hatte es geschafft, sich neu zu orientieren, eine neue Liebe zu finden. Nicht, daß es ihn nicht schmerzte, das über alles geliebte Mädchen in den Armen eines anderen zu wissen. Aber die Gewißheit, daß sie Geborgenheit fern von ihm gefunden hatte, beruhigte ihn doch ein wenig. Alles was er wollte war, sie glücklich zu wissen. Doch mit ihrer Liebe zu ihm war auch der Wunsch nach Menschlichkeit weitgehend verschwunden. Wozu sollte diese 'Belohnung' noch dienen, wenn die einzige Frau, die er jemals geliebt hatte, einem anderen gehörte? Er wußte einfach nicht mehr, ob er glücklich über diese Wende seines Schicksals sein sollte. Wesley, Cordelia - beide erwarteten von ihm, sich zu freuen. Und nun lief er hier durch die Nacht, unsicher, was er überhaupt vom Leben wollte.
Ein Geruch riß Angel aus seinen Gedanken. Er schaute auf und sah, daß ihn sein Weg bis zur Brücke geführt hatte, die sich weit über den Fluß erstreckte. Er hob den Kopf und nahm wieder diesen Geruch wahr....die Luft roch nach Angst, nach Adrenalin. Nie könnte ein Mensch diesen Geruch wahrnehmen, doch er alarmierte Angel's Sinne auf's äußerste. Er schaute sich um, doch hier außerhalb der Stadt mit ihren Bars, Discos und Läden war es totenstill. Über ihm überquerten die Autos die Brücke, doch hier auf dem Fußweg konnte er keine Menschenseele entdecken. Er ging weiter Richtung Brückenmitte und schließlich sah er sie.
Ein Mädchen, schätzungsweise 20 Jahre, stand auf dem Brückengelände und starrte ins schwarze Wasser. Sie war eine zierliche Erscheinung, nicht sehr groß und so schlank, daß sie fast zerbrechlich wirkte. Angel konnte ihre enorme Angst fast körperlich spüren. Er erschauderte. Diese junge Frau schien entschlossen, ihrem Leben ein Ende zu setzen und es war an ihm, das zu verhindern. Er fühlte eine plötzliche Unsicherheit. Vampire, Dämonen, damit konnte er umgehen. Doch soziale Kontakte zu knüpfen gehörte nicht unbedingt zu den Gebieten, auf denen er richtig gut war. Seine Gedanken überschlugen sich. Es würde ihm nicht viel Zeit bleiben, er mußte sie auf sich aufmerksam machen, bevor sie vor seinen Augen in die reißenden Fluten sprang, und das ohne sie zu erschrecken. Er beschloß, gegen seine Gewohnheit sich allem nahezu lautlos zu nähern anzukämpfen und ging schweren Schrittes auf das Mädchen zu.
Sein Versuch zeigte Erfolg, die lauten Schritte lenkten die Aufmerksamkeit der jungen Frau auf ihn. Sie drehte den Kopf mit den langen, dunklen Haaren und blickte ihn an.
„Kommen sie nicht näher oder ich springe!“, drohte sie, doch in ihren Augen glaubte Angel einen anderen Satz lesen zu können: 'Bitte hilf' mir!'. Er dachte angestrengt darüber nach, was jetzt die richtige Antwort darauf sei, während er erwog, ob er schnell genug sei, sie zu packen, bevor sie in die Tiefe stürzte. Doch selbst wenn es ihm gelingen würde, Zwang würde in diesem Fall wohl gar nichts ausrichten.
„Was es auch ist, das sie bedrückt, es ist es nicht wert!“ Angel biß sich auf die Lippen, sobald der Satz gesagt war. Welch dummes Klischee! Das Mädchen wandte sich von ihm ab und starrte wieder ins Wasser unter sich.
„Was wissen sie schon von meinen Problemen,“ flüsterte sie. „Ich weiß, wie überwältigend sie manchmal sein können, aber ich weiß auch, das man sie besiegen kann. Wenn man nur will.“ Er trat lautlos ein paar Schritte näher. „Und wenn ich nun sage, daß ich nicht will?“ erwiderte das Mädchen. „Ich würde es nicht glauben. Niemand wirft sein Leben so gleichgültig weg.“ „Ich habe kein Leben mehr!“ Angel schluckte, das war ein harter Brocken. Und ausgerechnet er mußte auf dieses verzweifelte Mädchen treffen. Er wünschte sich, er wäre gewandter im Umgang mit den Menschen und mit Worten. „Magst du mir erzählen, was dich so bedrückt, daß du nur diesen Ausweg siehst? Glaub' mir, der Tod ist nicht immer die Erlösung, die er zu sein scheint.“ Die junge Frau wandte sich wieder Angel zu und blickte ihn mit verzweifelten Augen fragend an.
„Mein Name ist Angel, wie darf ich dich nennen?“ ging der Vampir in die Offensive. Tränen begannen in ihren Augen zu schimmern. Angel trat vorsichtig näher und streckte dann seine Hand aus. Unendlich langsam legte sie die ihre hinein und kletterte mit Angel's Hilfe zurück über das Brückengeländer. Als sie wieder sicheren Boden unter den Füßen verspürte, brach sie weinend zusammen.
Lange Zeit hockten sie so auf dem Boden. Angel sprach nicht, hatte nur seine Arme schützend und Trost spendend um dieses unglückliche Mädchen gelegt. Schließlich beruhigte sie sich etwas und blickte ihn mit roten, verquollenen Augen an.
„Angel ist ein seltsamer Name für jemanden von deiner Statur.“ sagte sie leise. Angel lächelte. „Du hast mir noch immer nicht deinen Namen verraten.“ „Kayleigh, aber du kannst mich Kay nennen.“ „Also Kay, was treibt dich dazu, mitten in der Nacht auf Brückengeländer zu klettern?“ Das Mädchen blickte Angel lange an und meinte dann: „Ist eine lange Geschichte und ich möchte dich ungerne damit langweilen.“ Sie drehte sich von ihm weg und stand auf. Angel ergriff ihre Hand und zwang sie, ihn wieder anzusehen. „Ich hatte heute nacht nichts besonderes mehr vor und ich liebe langweilige Geschichten.“ Der Vampir schenkte Kay sein unwiderstehliches Lächeln und sie entspannte sich zusehends. „Komm', ich spendiere dir einen Kaffee zum Aufwärmen.“ Kay drückte dankbar Angel's Hand und stutzte. „Du hast verdammt kalte Hände,“ stellte sie fest. Angel nickte. An einem lauen Sommerabend wie diesem fiel seine niedrige Körpertemperatur immer am meisten auf. „Schlechter Kreislauf.“ murmelte er und zog Kay mit sich zum nächsten Taxistand.
 
 

Kapitel Zwei

Magst Du mir erzählen, was dich bedrückt?“ fragte Angel. Er saß mit Kay in einem kleinen, durchgehend geöffneten Imbiß. Vor ihnen standen zwei Tassen mit dampfendem Kaffee. Kay nahm einen großen Schluck und seufzte. „Ist nicht so ganz einfach zu erklären, Angel. Es ist alles eine lange Geschichte. Warum gibst du dir überhaupt eine solche Mühe mit einer wildfremden Person? Deine Bürgerpflicht ist doch eigentlich getan.“ Angel schaute sie an, sein Blick sagte mehr als tausend Worte. Kay senkte den Kopf. „Ich glaube, dein Name ist doch mehr als passend. Du bist wirklich ein Engel. Ich kann es einfach nicht glauben, daß ich versucht bin, einem Fremden mein ganzes verpfuschtes Leben anzuvertrauen.“ Angel reichte über den Tisch und ergriff die Hand des Mädchens. „Ich bin ein guter Zuhörer.“ sagte er mit sanfter Stimme und Kay begann zu erzählen.
Ihre Geschichte erschien Angel wie die vieler anderer verzweifelter Mädchen. Zerrüttetes Elternhaus, Alkohol und eine viel zu frühe Flucht in die Arme eines Mannes auf der verzweifelten Suche nach Liebe, Geborgenheit und ein wenig Wärme auf dieser Welt, die dem Mädchen zeit ihres kurzen Lebens immer nur ihre kälteste Seite gezeigt hatte. Doch als sie von dem Mann erzählte in den sie all ihre Hoffnungen gesetzt hatte, blieb in Angel das Gefühl zurück, daß Kay ihm nicht die ganze Wahrheit offenbarte. Er glaubte nicht daran, daß Kay ihr Leben hatte beenden wollen, nur weil ihr Freund sich plötzlich von ihr abgewendet hatte. Sicher bedarf es für viele Menschen nicht mehr als das, um zu verzweifeln, aber sein Instinkt sagte ihm, daß hier mehr dahintersteckte.
Die beiden redeten bis der nahende Sonnenaufgang Angel drängte, das Gespräch zu beenden. Kay schien sich auch weitgehend beruhigt zu haben, so daß er es für ungefährlich hielt, sie nach Hause zu bringen. Er begleitete sie bis zur Türe und verabschiedete sich. Kay drehte den Schlüssel und die Tür sprang auf. Bevor sie hinein ging fiel sie Angel noch mal um den Hals und flüsterte: „Danke! Ich schätze, ich habe dir mein Leben zu verdanken!“ Angel erwiderte die Umarmung und drückte Kay dann seine Visitenkarte in die Hand. „Ruf' sofort an, wenn du in Schwierigkeiten bist. Ich bin jederzeit für dich da, ob Tag oder Nacht.“ 'Am besten in der Nacht,' fügte er in Gedanken hinzu. Kay schaute auf die Karte in ihrer Hand und lachte. „An einen Privatdetektiv bin ich geraten? Ich melde mich, Angel!“ Sie ging hinein, doch bevor sie die Türe hinter sich schloß, steckte sie noch einmal den Kopf heraus und meinte: „Du solltest wegen deines Kreislaufs mal einen Arzt konsultieren, es sind ja nicht nur deine Hände kalt!“ Damit fiel die Tür ins Schloß.
Angel blieb noch eine Weile vor dem Haus stehen, bis die Morgendämmerung ihn zwang, sich schnellstens auf den Heimweg zu machen.

*****

„Buffy!“ Willow stieß ihrer Freundin den Ellbogen in die Seite. Buffy erschrak. „Was?“ „Du träumst! Wenn du die Prüfung nächste Woche bestehen willst, solltest du besser aufpassen.“
Sie seufzte. Irgendwie war sie in den letzten Tagen nicht mehr sie selber. Obwohl es auf dem Höllenschlund derzeit erstaunlich ruhig zuging, fühlte sie sich gestreßt. Alles schien ihr über den Kopf zu wachsen. Alles? Nun, im Grunde wuchs ihr nur die Beziehung zu Riley über den Kopf. So sehr sie sich auch einredete, mit ihm glücklich zu sein, in der letzten Zeit wollte es einfach nicht mehr funktionieren. Der letzte Besuch von Angel in Sunnydale hatte sie wieder verwirrt.
Damals waren die Dinge so angespannt gewesen, daß es ihr nicht sofort aufgefallen war. Nachdem aber Adam besiegt und das Verhältnis zu den Freunden wieder entspannter war, merkte sie es umso deutlicher. Plötzlich war es wieder wie zu Anfang, als Angel Sunnydale verließ. Sie hörte seine Stimme, sah ihn plötzlich in wildfremden Personen. Doch das schlimmste war, wenn sie Riley küßte, wünschte sie sich nur, die Augen zu öffnen und Angel vor sich zu sehen. Sie schaffte es einfach nicht, ihn endlich zu vergessen.
Dabei hatte sie keine andere Wahl. Angel hatte sie verlassen und die wenigen Male, die sie sich seither wiedergesehen hatten, waren meistens wenig erfreulich verlaufen. Wieder spürte sie Willows Ellbogen mit ihren Rippen kollidieren. „Mensch Buffy, du träumst noch immer! Was beschäftigt dich bloß so sehr?“ Buffy zeigte der Freundin ein schiefes Lächeln. „Du würdest es nicht wissen wollen, Will.“ sagte sie, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit endlich der Vorlesung zu.
 
 

Kapitel Drei

Cordelia stand vor dem Spiegel und trug Mascara auf. Zwischendurch fiel ihr Blick immer wieder auf die Uhr. Es war schon hell draußen und Angel war noch nicht zurückgekehrt. Nicht immer direkt ein Grund zur Sorge, denn er war mit der Zeit ein Spezialist darin geworden, die ganze Stadt durch die Kanalisation zu durchqueren. Trotzdem war sie doch immer wieder unruhig, wenn er die ganze Nacht fort blieb. Vor allem, wo er doch momentan keinen Fall zu bearbeiten hatte.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Spiegelbild zu, als eine wohl vertraute Stimme direkt hinter ihr erklang. „Morgen, Cordelia!“
Sie fuhr erschrocken zusammen, ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen. Erbost drehte sie sich um und zischte Angel zu: „Würdest du...DAS...bitte...NIE WIEDER tun?!“ „Tut mir leid, soll nicht wieder vorkommen.“ Angel versuchte, zerknirscht zu wirken, konnte aber ein Lächeln nicht ganz unterdrücken. „Nun sieh' dir das an!“ Sie zeigte auf einen dicken schwarzen Strich Mascara, der ihre Schläfe zierte. „Weißt du eigentlich, wie schwer das Zeug wieder abgeht? Wo warst Du überhaupt so lange?“
Angel erzählte ihr von dem unvorhergesehenem Zwischenfall, als sich Cordelia plötzlich an den Kopf faßte. Sanft fing Angel sie auf, bevor sie fallen konnte. Als ihr Blick langsam wieder klarer wurde, knieten sie beide auf dem Boden. Wie aus dem Nichts wurden ihr ein Glas Wasser und eine Schmerztablette gereicht. „Danke, Phantom Dennis!“, murmelte sie. „Was hast du gesehen?“ wollte Angel wissen. „Ein Mädchen, in einem roten Backsteinhaus, Riverside 1152, Wohnung 3 D, ich konnte Panik spüren, blankes Entsetzen.“ Angel stockte. „Riverside 1152, sagst du?“ Cordelia nickte. „Kayleigh!“, rief Angel nur aus und schnellte zur Tür.

*****

„Was ist eigentlich in der letzten Zeit mit dir los, Buffy?“ Willow schaute ihre Freundin durchdringend an. Die beiden Freundinnen saßen zusammen auf ihrem Zimmer. Buffy hatte nach der Vorlesung ihre Bücher geschnappt und war geradewegs nach Hause gegangen. Willow hatte sich entschlossen, ebenfalls auf die nächste Vorlesung zu verzichten, um ihr zu folgen. Das veränderte Verhalten ihrer Freundin machte ihr Sorgen. Buffy seufzte. „Ach, Willow, wenn ich dir sage, was mich in der letzten Zeit so beschäftigt, wirst du mich für verrückt halten. Ich kann's ja selber kaum glauben.“ Willow hockte sich zu Buffy auf's Bett und ermutigte sie erneut. „Du kannst es mir ruhig sagen. Wir sind doch Freundinnen.“ Buffy blickte das rothaarige Mädchen ernst an und entschloß sich dann doch, ihr Herz zu erleichtern.
„Es ist Angel. Ich muß in der letzten Zeit immer häufiger an ihn denken. Er fehlt mir.“ Willow zog erstaunt die Brauen hoch. „Angel? Ich dachte, du seist über ihn hinweg?“ „Das dachte ich auch, Willow. Aber irgendwie habe ich langsam das Gefühl, ich habe mir da selber etwas vorgemacht.“ Sie schluckte hart, als ihr plötzlich die Erinnerung an ihren letzten Besuch in Los Angeles durch den Kopf schoß. Die Erinnerung an die harschen Worte, die sie Angel damals an den Kopf geworfen hatte. Wen hatte sie damit überzeugen wollen? Angel? Oder doch nur sich selber?
„Und Riley?“ unterbrach Willow ihre Gedanken. „Riley......Riley ist ein lieber Kerl. Er hat mir über eine sehr schwere Zeit hinweggeholfen. Vielleicht liebe ich ihn auch auf meine Art, aber es ist nicht das, was ich mit Angel hatte. Er gibt mir nicht dieses besondere Gefühl, dieses Prickeln am ganzen Körper. So sehr ich es auch wollte, ich konnte bei seinen Küssen, seinen Berührungen nie das empfinden, was ich bei Angel empfand. Ich wollte mit ihm glücklich sein, wollte mir selber einreden, die Beziehung mit ihm sei das beste, was mir je passiert ist und doch konnte er mir Angel nie ersetzen. So sehr ich es auch verdrängte, Angel war und ist immer ein Teil von mir. Die wenigen Male, die ich ihn wiedergesehen habe, waren die Hölle. Ich wünschte mir nur, ihn zu umarmen und ihn nie wieder loszulassen. Und doch mußte ich mich zusammenreißen und ihm das Gegenteil von dem sagen, was ich eigentlich fühlte. Ich glaube, ich habe ihm sehr weh getan.“ Lautlos begannen die Tränen über ihr Gesicht zu laufen. Willow nahm sie in den Arm und hielt sie fest. „Du liebst ihn immer noch genau so wie früher.“ stellte sie fest. Buffy nickte und unter Tränen gestand sie: „Ich glaube, ich habe nie aufgehört, ihn zu lieben. Es war reiner Selbstschutz. Ich meine, verstehst du mich? Es ist nicht so, als ob ich Riley nie geliebt hätte, im Gegenteil. Aber es ist wie.....wie......Eiscreme! Ich liebe Eiscreme und Riley ist wie.....Vanille-Eis und Angel ist Stracciatella mit Sahne!“ Willow mußte schmunzeln. „Ich kann dich verstehen. Ihr beide zusammen, das hatte etwas ganz besonderes.“ „Ach, Willow, was soll ich nur tun?“ Sie legte ihren Kopf in Willow's Schoß und ließ den lange angestauten Tränen freien Lauf.

*****

Angel hatte Glück. Der Ausgang vom Kanal mündete in einer dunklen Gasse zwischen zwei hohen Gebäuden. Die brennende Mittagssonne konnte ihn hier nicht erreichen. Zudem befand sich hier auch der Notausgang des Gebäudes Nr. 1152. Als die Tür auf seine vorsichtigen Versuche sie zu öffnen nicht nachgeben wollte, trat er sie kurzerhand ein. Er hastete die Treppen hinauf in den 3. Stock. Hoffentlich war ihr noch nichts geschehen, hoffentlich öffnete sie die Türe, denn sonst hatte er keine Chance, ihr zu helfen. Der öffentlich zugängliche Flur des Gebäudes machte ihm keine Probleme, doch Kay's Wohnung würde er ohne Einladung nicht betreten können. Er hob die Hand, um anzuklopfen, als er Kay's verzweifelte Schreie hörte. Kurz entschlossen trat er auch die Wohnungstüre ein. Die Tür gab sofort nach und er sah einen großen, kräftigen Mann, der Kay am Handgelenk hinter sich her zog. Ihre Nase blutete und ihr linkes Auge zierte eine große Platzwunde.
„Laß' sie los!“ brüllte Angel. In seinem Kopf brodelte es, er mußte diesen Typen irgendwie herauslocken, denn er sah keine Chance, nach drinnen zu gelangen. Der Kerl blickte auf und sah ihn aus eiskalten Augen herausfordernd an. Er ließ Kay's Arm los und kam auf Angel zu. „Bingo!“ dachte der und trat vorsichtig einige Schritte zurück. Der Mann lächelte eisig. „Das habe ich gern. Meine Privatsphäre stören, meine Wohnung demolieren und dann kalte Füße kriegen.“ „Angel! Lauf' weg!! Er ist gefährlich!“ schrie Kay. Der breitschultrige Typ schaute zwischen ihr und Angel hin und her. „Oh, ihr kennt euch. Wie nett!“ „Angel, verdammt! Lauf'!“ brüllte Kay wieder. „Ja Angel, lauf'!“ imitierte der Kerl die Frauenstimme. „Wenn du so kämpfst, wie dein süßer Name vermuten läßt, solltest du dich besser aus dem Staub machen.“ Angel stand noch immer gegen die Wand gelehnt. Er kämpfte verzweifelt darum, die Fassung zu bewahren. Diese Hilflosigkeit brachte ihn in höchste Rage. Er biß auf die Zähne und schluckte schwer. Es war wichtig, jetzt einen klaren Kopf zu bewahren. „Komm' doch raus und überzeuge dich selbst von meinem Kampfstil!“ forderte er den Mann heraus. Der lachte herzhaft und packte Kay erneut grob am Arm, so daß sie einen leisen Schmerzensschrei ausstieß. „Weißt du was? Komm' du doch rein und zeig' mir, was du drauf hast!“ „Danke für die Einladung!“ stieß Angel erleichtert aus und schnellte vor. Ehe der Kerl reagieren konnte, hatte er ihn schon mit festem Griff an der Kehle gepackt. „Was sagst du jetzt?“ zischte Angel wütend. Der Mann keuchte. „Was ich jetzt sage?“ er ließ Kay los, griff unter seine Jacke und zog ein langes Messer hervor. „Ich sage, laß' mich und meine Frau in Ruhe!“ damit stieß er Angel das Messer mit einem Ruck in den Unterleib. „Angel!“ rief Kay entsetzt. Der Vampir ließ los und krümmte sich, er fiel zu Boden.
„Eric, was hast du getan? Was hast du getan?“ Kay sprang auf und bearbeitete den viel größeren und kräftigeren Mann mit ihren Fäusten. „Du hast ihn getötet!“ Eric lachte nur und schnappte Kay's Handgelenke. „Na und? Er hätte sich ja nicht einmischen brauchen. Geschieht ihm recht, deinem neuen Herzbuben.“ Eric kehrte Angel den Rücken zu und nun sah er die beste Gelegenheit zu kontern. Mit einem leisen Stöhnen zog er sich das Messer aus dem Bauch und stand auf. Blitzschnell packte er den bulligen Mann von hinten und hielt ihm das Messer an die Kehle. „Weißt du,“ zischte er mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme, „ich bin eigentlich ein sehr geduldiger Mensch, aber ich hasse es, wenn jemand versucht, mich umzubringen.“ Eric ließ Kay erneut los und antwortete: „Du wirst es nicht mehr lange schaffen, auf deinen Beinen zu stehen. Du verblutest und wirst nicht die Kraft haben, mich noch lange so zu halten.“ Er griff Angel's Arme und versuchte, sie von seiner Kehle wegzuziehen. Er war sehr kräftig, doch Angel parierte mühelos. Eric erstarrte. „Was....?“ begann er und Angel fiel ihm ins Wort. „Nun, was soll ich sagen...Ich bin hart im Nehmen und ein äußerst schlechter Bluter. Kay? Ruf' die Polizei!“
 

Kapitel Vier

Die Polizisten verließen mit Eric in Handschellen die Wohnung. Angel stand an der Wand gelehnt, eine Hand gegen die Wunde am Bauch gedrückt. „Du brauchst einen Arzt, Angel.“ sagte Kay besorgt, doch Angel hob abwehrend die Hände. „Es ist nicht so schlimm. Er hat nicht richtig getroffen, das Messer ist an meinem Gürtel abgerutscht. Es ist nur eine Schnittwunde.“ „Nur eine Schnittwunde? Er hat das Messer bis zum Schaft in deinen Unterleib gehauen!“ Sie trat an ihn heran und schob den Arm zur Seite, den Angel schützend vor die Wunde hielt. „Laß' mich mal sehen.“ Angel hob zögernd sein T-Shirt hoch. Er wußte, daß die Heilung der tiefen Fleischwunde schon begonnen hatte, aber nicht, wie weit sie schon fortgeschritten war. Sollte die Wunde auch nur noch halb so tief sein, wie sie ursprünglich gewesen war, so würde er größte Mühe haben, Kay davon abzuhalten, ihn ins Krankenhaus zu verfrachten. Kay schaute sich die Wunde skeptisch an. „Seltsam, ich hätte schwören können.....“ Sie blickte Angel fragend an. „Bin ein guter Schauspieler.“ entgegnete er achselzuckend. „Danke jedenfalls für deine Hilfe. Er hätte dich töten können.“ „Wohl kaum.“ murmelte er unhörbar. „Bitte?“ „Nichts, ich habe es gerne getan. Aber ich glaube, du schuldest mir eine Erklärung.“ „Eine Erklärung?“ „Ja, denn ich denke, das alles paßt recht wenig zu der Geschichte, die du mir heute morgen erzählt hast.“ Kay schaute ihn flehend an. Er faßte sie mit beiden Händen an den Schultern. „Kay, ich möchte dir helfen, aber das kann ich nur, wenn du mir die Wahrheit sagst.“ Kay schossen Tränen in die Augen, sie senkte den Blick. „Mir kann niemand helfen. Du siehst doch, ich bringe allen nur Tod und Verderben.“ Sie begann zu schluchzen. Angel nahm sie in den Arm und drückte sie fest an sich. „Vertrau' mir bitte. Ich werde alles tun, um dir zu helfen.“ Kay schüttelte den Kopf, ihre Antwort kam nur stockend. „Nein, wenn ich...dir alles erzähle, dann....dann wirst auch du.....sterben. Eric ist....viel gefährlicher....als du glaubst. Angel widersprach. „Ich bin auch gefährlicher, als er glaubt. Er ist nur ein Mensch, ein sehr böser. Ich denke, ich werde schon mit ihm fertig.“ Er strich ihr sanft über das dunkle Haar. „Keine Sorge, ich bin ein großer Junge, ich kann auf mich aufpassen.“ Kay blickte ihm in die Augen. Diese geheimnisvollen, braunen Augen schienen sie gefangen zu nehmen. Noch nie war sie einem Menschen mit einer solchen Ausstrahlung begegnet. Und er war nett zu ihr, obwohl er sie kaum kannte. Nicht zu erwähnen, daß er verdammt gut aussah.
„Es ist eine seltsame Geschichte, du wirst mir nicht glauben.“ versuchte sie noch einmal, ihn abzulenken, doch Angel ließ sich nicht beirren. „Laß' es auf einen Versuch ankommen. Ich halte nicht vieles für unmöglich.“ Kay seufzte und setzte sich auf die Couch.
„Es begann, als ich zehn war. Die Träume...“ sie stockte. „Die Träume?“ forderte Angel sie auf, weiter zu erzählen. „Ja, Träume vom Tod. Erst nur selten, dann wurde es häufiger. Es dauerte einige Zeit, bis ich herausfand, daß es Visionen sind. Träume, die wahr werden. Und immer steht der Tod im Mittelpunkt. Ich träume von Erdbeben, Zugunglücken, Flugzeugabstürzen und alles wird wahr. Als ich 14 war, wollten meine Eltern mit meinem Bruder und mir in den Urlaub fahren. In der Nacht davor träumte ich von einer Massenkarambolage auf der Autobahn, die sie benutzen wollten. Ich habe alles versucht, damit sie nicht fahren, doch sie lachten nur. Niemand glaubte mir, denn ich hatte noch nie über diese Träume gesprochen. Ich fuhr nicht mit. Meine Eltern erlaubten, daß ich bei meinen Großeltern blieb. Sie fuhren alleine mit Michael und starben nur Stunden später bei diesem Unfall. Meine Großeltern kümmerten sich fortan um mich, doch sie waren nicht mehr wie früher. Ich hatte das Gefühl, sie gaben mir die Schuld am Tod meiner Eltern und meines Bruders. Als ich dann ein halbes Jahr später einen Traum von einem Busunglück hatte, war es ganz vorbei. Meine Oma wollte an diesem Morgen mit dem Bus zu ihrer Schwester fahren. Ich begleitete sie zur Haltestelle und erkannte den Bus aus meinem Traum. Schreiend und weinend brachte ich sie dazu, nicht einzusteigen. Sie war sehr wütend auf mich und als wir zuhause im Radio von dem Unfall erfuhren, bei dem viele der Passagiere starben, war sie außer sich. Sie beschimpfte mich als Ausgeburt der Hölle, die nur Tod und Verderben über die Menschen bringt. Noch am selben Tag brachte sie mich in ein Heim.“ Kay schluckte. Die Erinnerungen schienen sie zu überwältigen. Angel nahm ihre Hand, sagte aber nichts und so fuhr sie fort. „Im Heim war es schrecklich. Ich fühlte mich so alleine und verlassen. Die Träume machten mir immer mehr Angst. Mit 18 lernte ich dann George kennen. Endlich gab es in meinem Leben wieder jemanden, der mich liebte, dem ich etwas bedeutete. Ich beschloß, ihm von diesen Träumen zu erzählen, denn ich wollte keine Geheimnisse vor ihm haben. George verstand mich. Meine Gabe war ihm unheimlich, doch er akzeptierte es und er liebte mich. Eines nachts träumte ich von einem Unfall, in den zwei Autos verwickelt waren. Ein weißer Mercedes und ein grüner Rover. Ich wußte den Traum nicht zu deuten. Morgens fuhr George zur Arbeit, was ich nicht wußte war, er fuhr nur die 2 km bis zu seinem Arbeitskollegen. Von dort aus fuhren die beiden zusammen zur Arbeit. Georges Freund besaß einen weißen Mercedes. Er war auf der Stelle tot. George starb zwei Tage später im Krankenhaus, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben.“ Kay sank schluchzend in sich zusammen. Angel strich ihr immer wieder beruhigend über's Haar. „Und wer ist Eric?“ fragte er. „Eric traf ich ein Jahr nach Georges Tod. Ich stürzte mich Hals über Kopf in eine Beziehung mit ihm. Wir heirateten schon nach fünf Monaten. Eric ist ein brutaler Mensch. Er ist der Überzeugung, er könne Geld aus meiner.....'Begabung' machen. Leider habe ich erst spät gemerkt, wie er wirklich ist. Vor zwei Wochen habe ich ihn verlassen, aber wohin ich auch gehe, er findet mich. Deshalb wollte ich all dem gestern ein Ende setzen. Mein Leben besteht nur aus Gewalt und Tod. Manchmal schlafe ich nächtelang nicht, aus Angst vor weiteren Träumen. Ich wollte diesen Wahnsinn einfach nur noch beenden.“ Sie schaute Angel an. „Du hältst mich jetzt sicher für verrückt, was?“ „Nein, überhaupt nicht. Ich glaube dir.“ Kay blickte erstaunt. „Die meisten halten mich für übergeschnappt, wenn ich von meinen Träumen erzähle.“ Angel nickte. „Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als der Mensch sich vorstellt. Viele wollen nicht glauben, selbst, wenn sie's vor der Nase haben.“ „Ja,“ stimmte Kay zu. „Mir fällt es selber schwer, zu akzeptieren. Ich meine, das ist doch nicht normal. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin ein Monster. Aber Monster gibt es nicht! Ich suche verzweifelt nach logischen Erklärungen und kann sie nicht finden.“ Sie begann wieder zu weinen. „Shshsht,“ tröstete Angel, „es wird alles gut.“

*****

Ein Klopfen an der Türe riß Buffy aus ihren Gedanken. Willow war vor einer guten Stunde in die Bibliothek gegangen, um noch ein wenig für die kommende Prüfung zu lernen. Buffy hatte es vorgezogen, auf ihrem Zimmer zu bleiben, da sie sich momentan ohnehin nicht auf Bücher hätte konzentrieren können.
Es klopfte noch mal und Buffy stand auf, um die Türe zu öffnen. „Hi Buffy!“, grüßte der groß gewachsene blonde Mann. „Riley!“ erwiderte Buffy. Ausgerechnet jetzt mußte er ihr einen Besuch abstatten. „Wow, diese überschwengliche Freude!“ bemerkte Riley. „Was ist los?“ Buffy blickte ihn ausdruckslos an. „Nichts, warum?“ „Nur so ein Gefühl.“ Er griff in seine Tasche und zog zwei Karten hervor. „Schau, ich wollte dich überraschen.“ Sie schaute ihn fragend an und er reichte ihr die Karten. „Premiere vom neuen Actionstreifen mit Schwarzenegger. Absolute Rarität, morgen abend um 20.00 Uhr.“ Stolz lag in seinen Augen. „Danach habe ich einen Tisch in Sunnydale's bestem Restaurant reserviert.“ Buffy schaute ihn noch immer mit großen Augen an. Er war einfach süß. Wieviel Mühe er sich gab, ihr Herz vollkommen zu gewinnen und doch wußte sie nun, daß er es nie schaffen würde. Er tat ihr beinahe leid. „Riley, ich....“, begann sie. Sein erwartungsvolles Lächeln machte es ihr schwer, die Worte herauszubringen. „...ich kann nicht.“ „ Du kannst nicht?“
„Nein, ich....ich habe gerade ein Ticket für den Bus nach LA heute nachmittag gebucht.“ Riley's Lächeln gefror auf seinem Gesicht. „Du fährst nach LA?“ Buffy nickte. „Du besuchst deinen Vater?“ Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage. Zu leicht wäre es, ihn einfach in diesem Glauben zu lassen, doch es wäre unfair. Buffy hatte sich zu dem Besuch in LA entschieden, weil sie klare Fronten schaffen wollte. Sie brauchte ein klärendes Gespräch mit Angel, mußte wissen, ob es nicht noch eine letzte Chance für ihre Liebe gibt. Ein letzter Versuch, ihr Gefühlsleben in den Griff zu bekommen. Sollte dieser Versuch fehlschlagen, konnte sie nicht einfach wieder nach Hause kommen und ihre Beziehung mit Riley wieder aufnehmen, als sei nichts gewesen. Sie mußte jetzt und hier damit anfangen, klare Fronten zu schaffen.
„Nein, ich besuche Angel.“ Riley starrte sie an, seine Gesichtszüge verhärteten sich. „Angel?“ stieß er hervor. „Das ist nicht dein Ernst! Was willst du dort?“ Buffy stöhnte innerlich. Ein Streit mit Riley war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. „Angel ist ein Freund“, erwiderte sie ruhig, „brauche ich noch mehr Gründe, ihm einen Besuch abzustatten?“ „Angel ist ein verdammter Vampir und falls du's vergessen haben solltest, du bist die Jägerin! Und die sind nicht mit Vampiren befreundet, sondern töten sie!“ Ärger stieg in Buffy hoch. „Angel ist anders, du weißt das.“ „Oh ja,“ höhnte er, „er ist anders. Er ist nicht brutal, wie alle anderen Vampire. Er hat mich nicht zusammengeschlagen bei unserem letzten Treffen.“ Buffy mußte schwer schlucken, um ihre Fassung zu bewahren. Angel war ein rotes Tuch für Riley und das nicht nur aufgrund der Tatsache, daß er ein Vampir war. „Ich denke, du vergißt bei allem, wer damals wen angegriffen hat. Ich werde morgen nach LA fahren, weil ich einige wichtige Dinge mit Angel zu klären habe. Und du wirst mich sicher nicht daran hindern.“ Riley schaute Buffy ernst an und er begriff plötzlich, was er schon seit Buffy's letztem Besuch in LA geahnt hatte.
„Du kannst ihn nicht vergessen. Du hegst noch immer Gefühle für diesen Vampir.“ Sie hielt seinem Blick stand und antwortete: „Ja, aber das heißt nicht, das ich nichts für dich fühle. Bitte, verstehe mich. Wir haben uns damals nie richtig ausgesprochen, haben nie richtig Lebwohl gesagt. Es gibt so viele Dinge zwischen uns, die ungesagt blieben und ich habe festgestellt, daß ich nie zur Ruhe kommen werde, wenn wir sie nicht endlich klären. Bitte.....!“. Mit flehenden Augen sah sie ihn an. Einen Moment lang kämpfte er mit dem Bedürfnis, diesen Raum auf der Stelle und ohne ein weiteres Wort zu verlassen. Doch er blieb. „Das zu verstehen, Buffy, ist vielleicht ein wenig zu viel verlangt. Aber ich akzeptiere es. Tu was immer du für richtig hältst, aber gehe nicht davon aus, daß ich dich mit offenen Armen wieder willkommen heiße, wenn dein Ex-Freund nicht so reagiert, wie du es dir wünschst.“ Mit diesen Worten warf er die Kinokarten auf Buffy's Bett, drehte sich um und ging ruhig und gefaßt zur Tür. Bevor er sie hinter sich schloß, drehte er sich noch mal um und sagte leise zu ihr: „Gute Reise, Buffy!“ Sie nickte und schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln.
„Danke!“

*****

Angel erwachte aus einem unruhigen Schlaf. Nachdem er nach Hause gekommen war, hatte er sich erstmal ein paar Stunden Ruhe gegönnt. Er hörte Stimmen im Wohnzimmer, so stand er auf, zog sich an und ging hinein. Cordelia und Wesley saßen über ein paar Bücher gebeugt und diskutierten über deren Inhalt. Als sie Angel bemerkten blickten beide zu ihm auf. „Gibt es Neuigkeiten?“ erkundigte sich der Vampir, doch beide schüttelten den Kopf. „Ich kann im Moment beim besten Willen keinen Hinweis auf irgend etwas außergewöhnliches im Zusammenhang mit diesem Mädchen finden.“ meinte Wesley. Angel wirkte nachdenklich. „Die 'Powers That Be' schicken Cordelia keine Vision, damit ich eine junge Frau vor ihrem gewalttätigen Ehemann rette. Da steckt mehr dahinter.“ Wesley nickte und klappte sein Buch zu. „Du solltest sie im Auge behalten.“ Cordelia stand auf. „Oh ja, tu das. Wes, kommst du mit?“ Angel blickte die beiden fragend an und Cordelia erklärte bereitwillig: „Wir wollen in die Bibliothek, noch ein paar Bücher besorgen und eventuell im Computer einiges nachschauen.“ Er lächelte dankbar, die beiden waren einfach unbezahlbar. Cordelia öffnete die Tür und fuhr erschrocken zurück. Vor ihr stand eine junge Frau, die Hand erhoben, um an die Haustüre zu klopfen. Auch sie schreckte zurück, gewann aber ihre Fassung rasch wieder. „Bin ich hier richtig bei 'Angel Investigation'?“ Cordelia nickte und trat zur Seite um sie hereinzubitten. „Vorübergehend, ja. Komm' doch rein.“ Über ihre Schulter rief sie: „Angel! Besuch für dich!“ Angel kam an die Türe, vorsichtig darauf bedacht, die letzten Sonnenstrahlen des Tages, die durch die Tür drangen, zu meiden.
„Kay! Was führt dich hierher? Gibt es Schwierigkeiten?“ Kay verneinte und schaute sich fragend um. „Ah, Kay, das hier sind Cordelia und Wesley, meine Assistenten. Das hier ist Cordelia's Wohnung. Mein Büro ist leider kürzlich ein Opfer der Flammen geworden und bis wir etwas neues gefunden haben, arbeiten wir hier.“ Kay reichte Cordy und Wesley die Hand. „Mein Name ist Kay. Freut mich, sie kennenzulernen.“ Cordelia zog Wesley energisch nach draußen. „Freut uns auch, Kay. Leider müssen wir los, wir sehen uns später.“ Wesley warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. „Cordelia, was du tust ist unhöflich!“ Sie ignorierte ihn völlig und zog ihn am Ärmel komplett nach draußen. „Wesley, du mit deiner übertriebenen britischen Höflichkeit. Hast du nicht gemerkt, daß sie mit Angel alleine sprechen wollte? Wesley rückte peinlich berührt seine Brille zurecht. „Cordelia, deine Feinsinnigkeit in den letzten Tagen erstaunt mich immer wieder.“ „Mich auch!“ grinste sie.
Unsicher stand Kay vor Angel und lächelte ihn scheu an. Sie sah besser aus als am Vormittag, stellte er fest. Sie schien sich etwas ausgeruht zu haben und ihr feines, ebenmäßiges Gesicht war sorgfältig geschminkt. „Kann ich dir irgend etwas anbieten?“ erkundigte er sich und geleitete sie ins Wohnzimmer. „Ein Tee wäre schön.“ Angel ging und holte eine Kanne Tee aus der Küche. „Das sind die Vorteile eines Briten im Team.“ lächelte er. „Es ist immer genug Tee im Haus.“ Er goß Kay und sich selber eine Tasse ein. „Nun erzähle mal, was bedrückt dich?“ Kay zögerte. „Mir fiel zuhause irgendwie die Decke auf den Kopf. Ich hatte ein wenig Angst, fühlte mich beobachtet und außerdem wollte ich.....ich....ich wollte dich wiedersehen.“ Angel stockte. „Du wolltest.... mich wiedersehen?“ Scheu blickte Kay zu Boden, er konnte sehen, wie ihre Wangen erröteten. „Ich....war alleine zuhause und....und mußte ständig an dich denken. Du hast mir aus einer verdammt brenzligen Situation geholfen und das gleich zweimal. Ich habe noch nie jemanden wie dich getroffen. Du.....“ „Kay!“ unterbrach Angel. Er fühlte sich gar nicht wohl in seiner Haut. Was ihm zu seinem Glück noch gefehlt hatte, war genau das, das dieses labile Mädchen sich ihn ihn verliebte. Er sah sie ernst an. Sie erwiderte den Blick und fuhr fort. „Du denkst, ich verwechsle Dankbarkeit mit Liebe, aber das ist es nicht. Du bist der, auf den ich so lange gewartet habe. Endlich ein Mensch unter all den Monstern, die mir mein Leben schwer gemacht haben.“ Gott, wenn du wüßtest, wie wenig Mensch und wieviel Monster ich wirklich bin, schoß es Angel durch den Kopf. „Ich mag dich wirklich, Angel, aber keine Angst. Ich bin realistisch, ich bin einfach nur froh, jemanden getroffen zu haben, dem ich endlich mal vertrauen kann.“ Sie stand auf und ging auf ihn zu. Angel wußte nichts zu sagen, wußte nicht, wie er reagieren sollte. „Kay, ich....“ Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. „Sag nichts, ich will mich einfach nur bedanken.“ Sie küßte ihn sanft. Gefühle übermannten den Vampir. Er wußte, er durfte das nicht zulassen, aber er stand wie erstarrt. Dieses lange vermißte Gefühl geliebt zu werden, er konnte Kay verstehen und war einen Moment lang versucht, den Kuß zu erwidern. Es wäre so einfach, dem Gefühl nachzugeben, so einfach, dieses Mädchen glücklich zu machen und sich selber auch einmal erlauben zu vergessen. Buffy hatte eine neue Liebe gefunden, hatte er nicht auch ein Recht dazu? Buffy....Buffy....alle seine Gedanken kreisten um sie und nur um sie. Würde er sie jemals vergessen können?
 

Kapitel Fünf

Buffy stand vor dem ausgebrannten Gebäude. Ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen. „Angel!“ kam es leise über ihre Lippen. Was war hier geschehen? Ein Schauer lief über ihren Rücken. Was, wenn ihm etwas passiert war? Mit einer schnellen Handbewegung verwarf sie den Gedanken wieder. Sie wollte diese Möglichkeit gar nicht in Erwägung ziehen. Ihr fiel Cordelias Wohnung ein. Wo war sie auch noch? Cordy hatte es einmal beiläufig am Telefon erwähnt, als sie Willow um Hilfe mit dem Computer bitten wollte. Fieberhaft dachte sie nach, dann fiel es ihr endlich ein und sie begann zu rennen. Sie wollte weg von dem Druck, den die Angst um Angel auf sie legte. Weg von dem Gefühl, als hätte eine eiserne Faust ihr Herz erbarmungslos im Griff und mit jedem Meter, den sie rannte, drückte diese Faust stärker zu. Mehr als je zuvor wußte sie, daß sie Angel liebte und nur ihn. Mehr als je zuvor wußte sie, daß sie ihn zurückhaben wollte, daß sie ein Leben ohne ihn nicht würde meistern können.
Völlig außer Atem stand sie schließlich vor Cordy's Haustüre. Sie hob die Hand, um zu klopfen und bemerkte, daß die Türe nur angelehnt war. Vorsichtig trat sie ein. Die Szene die sich ihr bot, verschlug ihr die Stimme. Dort stand Angel und küßte eine andere Frau! Sie glaubte spüren zu können, wie ihr Herz in tausend kleine Stücke zerbrach.

*****

Während Angel noch mit den Gefühlen kämpfte, die in ihm hochstiegen, bemerkte er plötzlich die Anwesenheit einer anderen Person im Raum. Er löste sich von Kay und blickte auf. „Buffy!“ stieß er erstaunt hervor. Buffy stand noch immer wie erstarrt, sie konnte es nicht glauben. Angel in den Armen einer anderen Frau, das war etwas, was sie nie für möglich gehalten hätte. „Angel.“ murmelte sie. Er kam ein paar Schritte auf sie zu. „Was...was führt dich hierher?“ Die Situation war ihm sichtlich unangenehm. Als Buffy nicht antwortete, nahm er Kay bei der Hand und zog sie nach vorne. „Buffy, das ist Kay, eine...eine Klientin.“ Buffy verzog das Gesicht. „Küßt du alle deine Klienten?“ stieß sie scharf hervor. Angel entschloß sich, Buffy's aufsteigende Wut erst einmal zu ignorieren. „Kay, das ist Buffy Summer, sie....“ er stockte. „Sag es ruhig,“ unterbrach Buffy und reichte Kay mit eiskaltem Gesichtsausdruck die Hand. „Ich bin seine Ex-Freundin.“ Kay blickte zwischen den beiden hin und her. Sie fühlte die immense Spannung, die plötzlich den Raum füllte und sie war sich sicher, daß zwischen diesen beiden noch lange nicht alles ' Ex ' war. „Ich denke, es ist alles geklärt, Angel. Ich gehe dann besser nach Hause. Wir sehen uns morgen?“ Angel nickte abwesend. Er begleitete sie zur Türe. Als er zurück ins Wohnzimmer kam, stand Buffy noch immer auf derselben Stelle. Er machte eine einladende Handbewegung Richtung Sofa. „Setzen wir uns doch.“ sagte er mit sanfter Stimme. „Ich stehe lieber!“ entgegnete sie bissig. Angel zuckte mit den Schultern. „Du hast mir noch nicht gesagt, was dich hierher führt. Was ist los?“ Buffy schaute ihn mit gefährlich blitzenden Augen an. „Was los ist, fragst du? Ich sage dir was los ist. Du tust die ganze Zeit über, als würdest du mächtig unter unserer Trennung leiden, machst mir ein schlechtes Gewissen wegen Riley und doch finde ich dich jedesmal wenn ich vorbeischaue in den Armen einer anderen Frau vor. Erst war es Faith und nun diese.......diese.....“ „Kay!“ half Angel ihr aus. Er schien immer noch die Ruhe selbst, was Buffy noch mehr aus der Fassung brachte. „Was? Keine Entschuldigung? Kein ' Es ist nicht so wie es aussah ' ? Verdammt Angel, welches Spiel spielst du hier?“ Angel drehte sich weg und ging zur Couch, wo er sich hinsetzte. Dann begann er ruhig: „Sieh mal Buffy. Ich weiß nicht, was du erreichen willst. Soll ich mich schlecht fühlen? Bist du nur glücklich, wenn du weißt, daß ich dir hinterher trauere, dich vermisse? Kommst du nur vorbei, um dich zu überzeugen, daß ich noch immer unter unserer Trennung leide? Wenn dem so ist, dann kannst du jetzt wieder gehen und ganz beruhigt sein, denn ich leide tatsächlich noch darunter.“ „Ach,“ entgegnete sie verächtlich. „das sah mir gerade nicht danach aus. Oder ging's wieder   mal um die Rettung einer armen, verlorenen Seele? Rettest du nun schon Seelen durch deine Küsse?“ Angel seufzte. „Du hast dich so verändert, Buffy. Ich erkenne dich kaum wieder. Warum bist du so zynisch?“ Mit entschlossenem Gesichtsausdruck trat sie ein paar Schritte näher. „Denk doch mal nach, Angel! Was kann denn wohl schuld daran sein? Wer hat mich denn durch eine Hölle der Gefühle geschickt?“ Angel sprang auf. „Oh nein, Buffy! Ich lasse mir nicht die Schuld daran in die Schuhe schieben, daß du dein Leben nicht mehr im Griff hast und all diene Freunden sich von dir auf die Füße getreten fühlen. Ich kann nicht für alles büßen, was bei dir im vergangenen Jahr schief gelaufen ist.“ Die ruhige Fassade, die er bis dahin bewahrt hatte, begann zu bröckeln, als er fortfuhr.
„Ich denke, ich trage genug Schuld auf meinen Schultern, ohne deine noch mit zu tragen. Du hast mir bei deinem letzten Besuch klar gemacht, wie glücklich du nun ohne mich bist. Du hast mir gesagt, wieviel besser Riley für dich ist als ich es jemals war. Und du hast mit deinen Worten mein Herz gebrochen. Nun erzähle mir nicht, ich hätte dich jetzt verletzt!“ 'Na prima' dachte Buffy. Sie hätte doch nicht herkommen sollen. Irgendwie schienen alle Zusammentreffen mit Angel nach dem gleichen Schema zu verlaufen. Sie hatte so sehr auf ein vernünftiges, klärendes Gespräch gehofft. Und doch, er hatte Recht mit dem was er sagte. Sie hatte ihn glauben lassen, etwas viel besseres gefunden zu haben, als ihre Liebe es gewesen war. Gott, wie weh muß sie ihm getan haben. „Angel, ich...“ begann sie, doch er fuhr ihr ins Wort. „Nein! Bitte, ich möchte nichts mehr hören. Du hast mich vor einiger Zeit gebeten, dich in Ruhe zu lassen, erinnerst du dich? Damals, als ich dir helfen wollte und dich nicht wissen ließ, daß ich dort war und auch als ich nach Sunnydale kam um mich für mein Verhalten auf der Polizeiwache zu entschuldigen. Nun frage ich mich ernsthaft, warum hältst du dich nicht an deine eigenen Regeln?“ Er war laut geworden bei den letzten Sätzen. Buffy konnte seinen Schmerz fast körperlich fühlen. Und doch brachte seine Art sie fürchterlich in Rage. Es hatte all ihren Mut gebraucht, sich zu dieser Reise zu entschließen und sie hatte sich den Empfang bei weitem anders vorgestellt. Wütend schnellte sie vor und schlug mit den Fäusten auf Angels Brustkorb ein. „Wer hat denn hier wen verlassen? Wer hat die Trennung beschlossen und wer ist nach LA geflohen? Das war nicht ich! Und damals hast du einen Dreck um meine Gefühle gegeben! Ich habe Höllenqualen gelitten, wäre am liebsten gestorben, um nicht noch einen einzigen weiteren Tag ohne dich leben zu müssen. Ich habe dir alles gegeben, habe mein Leben für dich riskiert, als du im Sterben lagst und trotzdem hast du mich verlassen.....ohne mir Lebwohl zu sagen.“ Heiße Tränen liefen über ihr Gesicht. Angel packte ihre Hände und hielt sie sanft fest. Seine eigene Wut war verraucht, ihr emotionsgeladener Ausbruch hatte ihn bis ins tiefste Innere berührt. Mit leiser Stimme sagte er: „Ich wollte dich nie verletzen. Ich habe diese Entscheidung zu deinem eigenen Besten getroffen, um dir eine Zukunft zu geben, dir ein normales Leben zu ermöglichen, so wie du es verdienst. Deine Gefühle waren mir sehr wichtig und dich leiden zu sehen war genauso schmerzhaft für mich, wie es für dich war. Aber ich hoffte, du würdest eine neue Liebe finden. Und das hast du ja mit Riley auch getan.“ Buffy senkte den Kopf. „Oh ja, Riley. Ich wollte ihn lieben, wollte mir vormachen, diese neue Liebe sei so viel besser als das was wir hatten, und am Anfang habe ich es auch geglaubt. Mir kamen die ersten Zweifel, als ich trotzdem jedesmal in deiner Nähe nervös wurde. Ich wußte, wenn du auch nur eine Minute zu lange bleiben würdest, würde ich Riley für immer vergessen.“ Sie hob den Kopf wieder und blickte ihm fest in die Augen. „Angel, ich liebe dich! Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben und du trittst meine Gefühle mit Füßen!“ Angel nahm Buffy's Hand und hielt ihren Blick. „Ich liebe dich auch.“ Buffy gab einen verächtlichen Laut von sich. „Du liebst mich? Nein! Liebe heißt für den anderen zu kämpfen, nicht aufzugeben, egal was auch kommen mag. Liebe bedeutet, jemanden an seiner Seite zu haben, der in jeder Situation für einen da ist.“
Angel wirkte verletzt, diese harten Worte schmerzten ihn zutiefst. „Aber ich bin jederzeit für dich da Buffy, das weißt du!“ Buffy lachte auf. „Oh ja, wenn irgendeine dunkle Gefahr droht, ist mein schwarzer Ritter zur Stelle. Doch sobald diese Gefahr gebannt ist, fliehst du wieder und ich bin alleine. Hat dich je interessiert, daß ich deine Hilfe auch auf andere Weise brauche? Nicht nur im Kampf gegen das Böse. Oh Gott, wie oft hätte ich dich in diesen langen einsamen Stunden kurz nach unserer Trennung gebraucht. Damals fühlte ich mich alleine in meinem Zimmer dem Tod oft näher als in allen meinen Kämpfen. Aber danach hast du nie gefragt, du hast einfach aufgegeben und mich mit meinem Schmerz allein gelassen. Nein Angel, sag mir nicht, du würdest mich lieben, denn deine Liebe war scheinbar nicht stark genug um um unser Glück zu kämpfen.“
Sie drehte sich von ihm weg und ließ sich auf dem Sessel nieder. „So einfach ist das nicht, Buffy!
Unser Problem ist nicht zu lösen. Wir können nicht zusammen sein ohne alle deine Freunde und vielleicht sogar die ganze Welt zu gefährden.“ Sie schaute zu ihm auf. „So? Ein unlösbares Problem? Haben wir jemals versucht, es zu lösen? Haben wir jemals auch nur ein einziges Mal vernünftig darüber geredet? Seit deiner Rückkehr wurde dieses Thema ausdrücklich gemieden. Wir durften nicht mehr zusammen sein, uns nicht lieben und dabei blieb es. Wie viele schier unmögliche Dinge haben wir geschafft, wie viele Rätsel gelöst? Und ausgerechnet dieses Problem soll unlösbar sein? Das kann ich nicht glauben!“ Angel erstarrte. Buffy hatte Recht. Sie wußten so wenig über diesen Fluch und hatten sich doch nie die Mühe gemacht, mehr darüber herauszufinden. Warum eigentlich? Den Aufstieg des Bürgermeisters zu verhindern hatten auch viele für unmöglich gehalten und doch hatten sie es geschafft. Vielleicht hatte er sich doch zu sehr in den Wunsch verrannt, Buffy eine normale Zukunft zu ermöglichen und hatte dabei tatsächlich ihre Gefühle übergangen. „Ich habe es doch nur für dich getan, Buffy. Ich wollte dich nicht unglücklich machen, im Gegenteil. Ich wollte dich nur glücklich sehen!“ Er trat heran und hockte sich vor ihr nieder. Sie spürte, wie sein Widerstand weniger wurde und blickte ihn voller Hoffnung an.
„Ich habe es versucht, Angel, doch ich kann es nicht. Für mich gibt es kein Glück ohne dich. Ich möchte mein Leben mit dir verbringen. Und sag mir nicht wieder, du willst das nicht, denn ich weiß, es wäre gelogen. Ich weiß, wie eifersüchtig du auf Riley bist, sonst hättest du dich nicht wie ein Schuljunge benommen, als du in Sunnydale warst.“ Sie nahm seine Hand und drückte sie fest. „Bitte Angel, wenn du noch etwas für mich empfindest, dann gib' uns eine zweite Chance. Ich bin hierher gekommen, weil ich erkannt habe, daß ich ohne dich nicht leben kann. Es hat mich viel Mut gekostet, dir diesen Besuch abzustatten, nun hab' du auch den Mut, es noch mal mit mir zu versuchen.“
Angel senkte den Blick. Nur zu gerne würde er sie einfach in den Arm nehmen, ganz fest und ihr immer wieder zuflüstern, daß er sie nie wieder verlassen würde. Doch er hatte den Entschluß sie zu verlassen damals nach reiflicher Überlegung getroffen und es hatte sich nichts an ihrer Situation geändert. Er kämpfte gegen das übermächtige Gefühl an, Buffy den Wunsch zu erfüllen. Er durfte nicht, er durfte diesem Mädchen einfach keine Beziehung mit ihm zumuten. Der Wahnsinn, nie ein normales Leben führen zu können. Ein Leben in Dunkelheit zu verbringen, ein Leben mit einem Dämon an ihrer Seite. Noch war sie jung und verliebt, doch was würde sie fühlen wenn sie älter wurde und er äußerlich noch immer ein junger Mann war. Vielleicht würde sie dann anfangen, ihn zu hassen. Die Erinnerung an ihren einen perfekten Tag schoß ihm durch den Kopf, der Tag, den sie vergessen hatte und der sich so sehr in sein eigenes Gedächtnis eingebrannt hatte. Es verging kein Tag, an dem er nicht daran dachte, wie glücklich sie hätten sein können. Und einmal mehr stellte er die Richtigkeit seiner Entscheidung, wieder zum Vampir zu werden, in Frage. Denn manchmal wäre er lieber tot, als ohne sie weiter zu leben.
„Angel? Bitte sag' doch etwas!“ riß ihn Buffy's sanfte Stimme aus seinen Gedanken. „Bitte, dein Schweigen macht mich wahnsinnig!“ „Buffy, ich.....ich kann nicht. Es tut mir leid.“ Das blonde Mädchen erstarrte. Eine einzelne Träne rann langsam ihre rechte Wange hinunter. Wie in Zeitlupe stand sie auf. Ihr ganzer Körper schien zu schmerzen. Nein, sie hatte nicht damit gerechnet, daß er ihr Herz wieder brechen, sie wieder fortschicken würde. Nicht nach ihrer offenen Bekenntnis. Hatte er sie jemals wirklich geliebt?
„Du bist grausam, Angel!“ sagte sie mit leiser Stimme. „Weißt du, was ich glaube? Du bist zu wahren Gefühlen gar nicht fähig. Dein Herz ist so eiskalt wie dein ganzer Körper, deine Gefühle so tot wie du selber!“ Mit diesen Worten ging sie schnellen Schrittes zur Tür. Angel starrte ihr fassungslos hinterher. Solche harschen Worte hatte er nie von ihr erwartet. Sie trafen ihn schwer, obwohl er wußte, daß hier ihr gerade gebrochenes Herz sprach und sie das was sie sagte nicht überdacht hatte und es niemals so meinte. Hatte er einen Fehler gemacht, wieder einmal? Er lief ihr nach und packte Buffy's Schulter, bevor sie die Haustüre öffnen konnte. „Warte!“ Buffy wirbelte herum, ihr Gesichtsausdruck erinnerte ihn an jenen Tag am Strand von Santa Monica und er tat, was er auch damals getan hatte. Er schaltete den ihn immer quälenden Verstand aus und ließ sein Herz sprechen. Die beiden trafen sich in einem leidenschaftlichen Kuß. Buffy genoß diese lange vermißte Gefühl seiner kalten Lippen auf den ihren. Sie dachte an ihren ersten Kuß mit Riley zurück. Wie sie das Gefühl eines warmen Körpers an ihrem genossen hatte, den warmen Duft nach Vanille, den er verströmte. Damals dachte sie, das nichts dieses Gefühl von Wärme und Leben je übertreffen könnte. Und doch mußte sie nun feststellen, daß Angels kalte Haut, die immer leicht nach Seife roch, ihr mehr Trost spendete, als Riley's Wärme es je vermocht hatte. Sie gab sich vollkommen ihren Gefühlen hin und es war, als sei sie nach einer langen Reise endlich zuhause angekommen.
 
 

Kapitel Sechs

Das Telefon schrillte und Buffy und Angel fuhren erschrocken auseinander. Sie schauten sich lange an, bis Buffy schließlich sagte: „Willst du nicht abnehmen?“ Angel nickte und ging zum Telefon. „Hallo?“ meldete er sich. „Angel? Hier ist Kate.“ hörte er die Stimme von Detective Lockley am anderen Ende. „Kate! Was gibt's?“ „Ich wollte dich nur darüber informieren, daß wir Eric Capshaw freilassen mußten.“ Angel schluckte. „Warum, Kate? Er ist gefährlich!“ „Deshalb rufe ich dich an. Wir konnten ihn nicht länger festhalten, es fehlen Beweise.“ „Ich kümmere mich darum, danke Kate.“ Er legte auf. „Schwierigkeiten?“ erkundigte sich Buffy. Angel nickte. „Buffy, es tut mir leid. Es gibt noch so viel, was wir in Ruhe miteinander besprechen müßten, aber ich muß los. Kay ist in Gefahr.“ „Das Mädchen von eben?“ „Die Polizei mußte ihren gewalttätigen Ehemann laufen lassen. Er hat sie schon einmal fast getötet und ich fürchte, er wird es wieder versuchen.“ „Dann sollten wir schnellstens gehen und sie vor ihm finden.“ rief Buffy und ging zur Tür. Angel blickte ihr erstaunt nach. Sie drehte sich um. „Worauf wartest du? Wir waren doch immer ein gutes Team, oder?“ Ein Lächeln erschien auf seinem sonst so ernsten Gesicht. Mit ein paar schnellen Schritten war er an ihrer Seite. „Dann mal los, Partner!“ raunte er und öffnete die Türe, um sie durchzulassen.

*****

Kay stand vor der Türe und rüttelte wütend daran. Ihr war der Schlüssel abgebrochen als sie die Türe hatte aufschließen wollen, genau das, was sie jetzt noch gebraucht hatte. Sie dachte an Angel, diesem großen gutaussehenden Privatdetektiv. Nie hatte sie einen solch warmherzigen Mann getroffen und sie mußte sich eingestehen, daß sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte. Diese Buffy mußte verrückt sein, einen solchen Mann laufen zu lassen. Wie lange hatte sie dieses Gefühl, jemandem absolut vertrauen zu können, schon nicht mehr gehabt. Und ihr Instinkt sagte ihr, daß sie diesem Menschen bedingungslos vertrauen konnte, auch wenn ihn stets etwas geheimnisvolles umgab.
Seufzend drehte sie sich um und lief die kleine Treppe hinunter. Sie würde den Notausgang in der kleinen Gasse versuchen, vielleicht hatte sie Glück und er war unverschlossen.
Sie ging um das Haus herum. Diese winzige Gasse war ihr immer unheimlich gewesen und auch jetzt jagte ihr die scheinbar undurchdringliche Dunkelheit Schauer über den Rücken. Sie erspähte die kleine Tür und beeilte sich, den Türknauf zu erreichen, als sich plötzlich eine grobe Hand auf ihre Schulter legte. „Hallo Süße! So spät alleine noch unterwegs?“ Kay nahm einen scharfen Atemzug und drehte sich um. Dort stand ihr Mann und mit ihm eine ganze Reihe anderer dunkler Gestalten. „Eric!“ rief sie aus. Der Mann legte seine Hand mit festem Griff um ihren Oberarm. „Diesmal kommst du mit mir, meine Liebe. Und wie du siehst, habe ich Gesellschaft mitgebracht.“ Er machte eine weite Handbewegung und zeigte auf die Männer, die im Halbkreis um sie herum standen. „Nur für den Fall, daß Batman hier wieder auftaucht.“
„Batman ist schon da!“ ertönte Angel's Stimme über ihnen. Er hockte auf einem Fenstersims im 2. Stock des Gebäudes. Eric schaute irritiert nach oben und Angel sprang mit einem eleganten Satz hinunter, sein langer Mantel wehte wie Flügel hinter ihm her. Geschickte landete er auf seinen Füßen, direkt vor Eric. Der machte einen kurzen Wink in Richtung der anderen und ohne Zögern griffen sie an. „Vampire!“ murmelte Angel und begann zu kämpfen. Von der Straße her stürmte Buffy heran. Sie pfählte zwei Vampire von hinten und stürzte sich mit in den Kampf. Abseits von allem stand Kay, die Augen geweitet vor Entsetzen.
„Monster,“ stammelte sie, „...Vampire..., aber.....aber die existieren doch nicht!“ Eric an ihrer Seite lachte hämisch. „Es gibt so vieles, wovon du keine Vorstellung hast, mein Engel. Du bist doch selbst kein normaler Mensch, sonst wären diese Kerle wohl nicht so an dir interessiert.“ „Interessiert?“ Sie starrte verängstigt auf die Szene, die sich ihr bot. Angel und Buffy kämpften hart gegen die Überzahl an Vampiren. „Ja, sie haben mir eine Menge Geld für dich geboten und ich schwöre dir, ich werde dich abliefern.“ Er lachte hämisch beim Anblick der puren Panik in ihren Augen. Sie stand wie festgewachsen neben ihm und sah Angel und seine Freundin gegen diese Höllenkreaturen kämpfen. Er wandte ihr den Rücken zu, doch auch aus dieser Perspektive bewunderte sie seine Kraft und die Anmut seiner geschickten Bewegungen. Sie fühlte einmal mehr die Sicherheit, die seine Nähe ihr vermittelte und alles was in ihrem Kopf nun noch Platz hatte, war der Gedanke, so schnell wie möglich zu ihm zu gelangen und in seinen Armen Schutz vor dieser Welt zu suchen. Schutz vor den Dingen, die sie nie für möglich gehalten hatte.
Sie drehte sich abrupt um und riß mit Wucht ihr Knie hoch. Unerwartet getroffen an seiner empfindlichsten Stelle krümmte sich Eric wimmernd zusammen. Kay nutzte die Gelegenheit, seinem eisernen Griff zu entkommen. Mit ungeahnter Kraft und Schnelligkeit sprang sie nach vorne und schrie.

*****

Angel hockte rittlings auf einem der letzten Vampire. Er holte zum tödlichen Hieb mit dem Pflock aus und versenkte ihn mit absoluter Zielsicherheit in das Herz des Dämons. Als er unter ihm in Millionen kleinster Staubpartikel explodierte, hörte er hinter sich Kay seinen Namen schreien und drehte sich reflexartig um.
Kay stockte in ihrem Lauf. Der Atem schien ihr stehenzubleiben, als sie in das Gesicht des Mannes schaute, den sie in nur 2 kurzen Tagen so lieb gewonnen hatte und der ihr die so lange vermißte Sicherheit geben sollte. Unfähig sich zu rühren, unfähig zu verstehen was da vor sich ging, blickte sie wie hypnotisiert auf die grauenhafte Maske eines Monsters mit leuchtend gelben Augen. Ihre Gedanken rasten durcheinander, Panik kroch in ihr hoch. Nein!, dachte sie. Nein, nicht Angel! Nicht er!
Angel stand vorsichtig auf. „Kay!“ rief  und machte einen Schritt auf sie zu. Doch Kay schrie in purem Horror auf, drehte sich um und rannte um ihr Leben. Er ist ein Monster, ein Vampir. Er wird dich töten!, diese Gedanken ließen sie nicht mehr los. Bittere Tränen liefen über ihr Gesicht, sie hatte sich in einen Vampir verliebt.
Angel wollte ihr hinterher, doch von hinten griff ihn einer der verbliebenen Vampire an. Wütend schlug er zu und der Vampir ging zu Boden. Doch nur, um gleich darauf wieder auf die Füße zu springen und Angel von hinten zu packen. Als sich Angel gerade umdrehen wollte, um erneut zuzuschlagen, zerfiel der Vampir zu Staub und gab den Blick auf Buffy frei. „Das war der letzte!“ rief sie aus. Angel schluckte. „Kay ist fort!“ Buffy blickte sich um „Und ihr netter Ehemann auch.“ Angel holte aus und ließ seine Faust hart mit der Wand kollidieren. Buffy blickte in die vor Wut glühenden Augen des Vampirs. „Angel, beruhige dich! Es ist nicht deine Schuld. Wir haben getan, was wir konnten.“ Ein tiefes Grollen löste sich von seiner Kehle. „Nicht meine Schuld? Ich habe ihr  Angst eingejagt. Sie ist meinetwegen fortgelaufen!“ Buffy schüttelte den Kopf. „Nicht schon wieder. Komm', wir sollten sie suchen.“

*****

Wesley lief nervös im Wohnzimmer hin und her. „Warum ist er nie da, wenn man ihn braucht!“ murmelte er vor sich hin und Cordelia griff nach etwas, das auf dem Tisch lag und hielt es hoch. „Und warum habe ich ihm ein Handy besorgt, wenn er es immer liegen läßt.“ Er schnappte sich ein  Buch vom Tisch und blätterte darin. „Die Zeichen sind klar, ich bin sicher, daß ich mich nicht irre. Die......“ Er wurde unterbrochen, als sich die Tür öffnete. Erleichtert blickte er auf.
„Ah, Angel, gut das du da bist.“ Dann fiel sein Blick auf die zweite Person, die mit ihm den Raum betreten hatte und sagte beiläufig: „Hallo Buffy!“, ehe er sich wieder Angel zuwandte. „Ich habe einen sehr wichtigen Hinweis in Zusammenhang mit Kay gefunden und wenn mich nicht alles täuscht....“ er hielt inne und sein Blick schoß wieder zurück zu Angel's Begleitung, als sei ihm die Bedeutung seiner Begrüßung eben erst bewußt geworden. „Buffy? Was führt dich denn hierher?“ Sie lächelte „Persönliche Gründe.“
„Wow,“ meinte Cordelia, „du riechst wohl bis nach Sunnydale, wenn Angel mit einer anderen Frau alleine ist.“ Angel blickte sie vorwurfsvoll an. „Ja, ja, ist schon gut.“ Sie hielt sich eine ihrer perfekt manikürten Hände vor den Mund. „Meine Lippen sind versiegelt.“
„Wesley!“ wandte sich Angel an den früheren Wächter. „Was hast du herausgefunden?“
„Als ich nach Anhaltspunkten für den Zusammenhang von Kay's Fall mit etwaigen Mächten der Finsternis suchte, kam mir plötzlich eine alte Prophezeiung in den Sinn, das Buch von Cascara. Ein äußerst interessantes Werk, wenn ich das hier einmal erwähnen darf und zudem äußerst schwierig, eine Ausgabe davon zu ergattern. Ich darf mit Stolz behaupten, im Besitz eines der Originale zu sein. Ich bekam es vor Jahren von einem alten....“
„Wesley!“ unterbrach Cordelia mit scharfer Stimme seinen Monolog. „Komm' mit der Kurzfassung rüber, über die ausführliche Version kannst du meinetwegen später ein Buch schreiben!“ Wesley blickte sie verletzt an, rückte seine Brille zurecht und wandte sich demonstrativ nur noch Angel und Buffy zu. „Nun ja,“ fuhr er fort, „es geht in dieser Prophezeiung um Seher. Es existiert eine Macht, ähnlich der 'Powers That Be' für rein menschliche Belange. Eben allem, was nicht mit Dämonen und Kräften der Finsternis zusammenhängt. Für diese Macht wird in jedem neuen Jahrhundert ein neuer Ratgeber berufen, ein Seher, der die Gabe hat, die Vorboten des Todes zu empfangen. Durch diesen Seher soll das Gleichgewicht der Menschheit bewahrt werden. Es soll den Mächten die Gelegenheit geben, Menschen vor dem Tod zu bewahren, die sie als wertvoll empfinden. Kay kann den Tod voraussehen, wie Angel sagt, und daher vermute ich, sie ist die Auserwählte für dieses Jahrhundert.“
Angel überlegte. „Das macht Sinn, aber warum waren die Vampire hinter ihr her? Wesley, was passiert, wenn die Auserwählte vor ihrer Berufung stirbt?“ „Wenn sie stirbt, wird nicht, wie bei der Jägerin, jemand anderes an ihrer Stelle berufen, sondern es gibt ein Jahrhundert keinen Seher. Keine Warnung vor Katastrophen, ergo ein großer Vorteil für Dämonen aller Art.“
„Das heißt also, wir sollten sie schleunigst finden, bevor jemand anderes es tut.“ mischte sich Buffy ein. „Oder bevor sie es selber erledigt.“ fügte Angel düster hinzu.

*****

Kay hockte verborgen im Schatten unter einer Brücke. Den Kopf in ihren Armen vergraben weinte sie in stiller Verzweiflung vor sich hin. Innerhalb weniger Stunden war ihre Welt in Stücke gerissen worden. Hatte sie noch vor Stunden gedacht, ihre Träume seien unheimlich und die Ehe mit Eric ein Desaster gewesen, so wußte sie jetzt, daß es viel größeren Terror auf der Welt gab. All die Dinge, die sie immer als Mythen und Märchen abgetan hatte, alle waren grausame Wirklichkeit.
Aber die schlimmste aller Grausamkeiten war, daß sich eine dieser Ausgeburten der Hölle ihr Vertrauen erschlichen, und schlimmer noch, sich in ihr Herz gestohlen hatte.
Sie fragte sich, was sie alle von ihr wollten. Warum wollten sie Eric Geld für ihre Auslieferung geben. Und was hatte Angel von ihr gewollt? Angel......was für ein Affront, sich so zu nennen, wenn man davon lebte, Menschen das Blut aus den Adern zu saugen. Kay schluchzte. Sie wußte nicht wohin, wußte nicht, was ihr bevorstand und diese Ungewißheit machte sie verrückt.
 
 

Kapitel Sieben

Buffy und Angel streiften durch das nächtliche Los Angeles. Die meiste Zeit liefen sie schweigend nebeneinander her, alle Sinne geschärft und aufmerksam bis ins kleinste Detail.
Die Nachtstunden waren bereits weit fortgeschritten, als Buffy sich schließlich auf einer Parkbank nieder ließ und seufzte.
„Das ist wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen, Angel. Eine einzelne Person in einer Stadt wie  dieser hier zu finden ist nahezu unmöglich.“ Angel setzte sich an ihre Seite und vergrub den Kopf verzweifelt in seine Hände. „Wir müssen sie finden, Buffy. Sie ist verwirrt und psychisch nicht unbedingt auf der Höhe. Sie hat schon einmal versucht, sich selber zu töten und ich habe Angst, sie könnte es wieder tun. Nicht davon zu sprechen, wieviel andere auf der Suche nach ihr sind.“
Buffy legte ihre Hand auf sein Bein und wiederholte noch einmal eindringlich: „Es ist nicht deine Schuld. Du hast hart gekämpft, du hast ihr das Leben gerettet. Ohne dich hätten die Vampire sie in ihrer Gewalt.“ Angel sah auf, sein Gesichtsausdruck gepeinigt von Schmerz und Schuld. „Willst du wirklich mit mir leben?“ fragte er leise. „Mit einer Kreatur, die anderen nur Furcht und Leid zufügt? Willst du das wirklich?“ Buffy schaute ihn voller Liebe an. „Angel, warum hörst du nicht auf, dich selber so zu verurteilen? Ich weiß, es ist nicht leicht für dich, du hast viele Jahre Schuld auf dich geladen, viele Jahre grausame Sachen getan, aber die Zeit ist vorbei. Du hast dich dem Guten verschrieben und kämpfst selbstlos gegen das Böse. Immer bereit dein eigenes Leben für andere zu opfern. Du kannst nicht ändern was du bist, aber wichtig ist doch einzig und allein wie du bist. Und da kann ich nur sagen, ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der so mitfühlend, selbstlos und heldenhaft ist wie du. Und ich möchte mein Leben mit dir verbringen.“ Angel öffnete den Mund, um etwas darauf zu entgegnen, doch Buffy wehrte mit einer schnellen Handbewegung ab. „Nein! Nun komm' mir nicht wieder mit dem normalen Leben und der normalen Beziehung. Angel, was ist in meinem Leben eigentlich normal? Glaubst du wirklich, ich könnte allen Ernstes eine völlig normale Beziehung mit irgend jemandem führen? Heiraten, Kinder haben? Ist es nicht viel mehr so, daß wir beide füreinander bestimmt sind? Die Jägerin und der einzige Vampir mit einer menschlichen Seele? Wir sind die idealen Partner im Kampf gegen das Böse und mittlerweile bin ich der Überzeugung, das es so beabsichtigt ist, von einer höheren Macht. Uns beide verbindet ein Band, das stärker ist, als alles, was normale Paare je verbinden könnte. Wir sind Seelenverwandte. Egal wohin du gehst, wie lange wir getrennt sind. Keiner von uns beiden würde den anderen je vergessen können, denn wir gehören zusammen. Angel schaute sie lange schweigend an. Im tiefsten Inneren wußte er, sie hatte Recht und doch nagten die Zweifel schwer an ihm. All die Gefahren, die er für sie darstellte, all die Schmerzen, die er ihr bereitet hatte. „Buffy, ich..... ich kann das alles nicht so locker sehen, wie du es tust. Ich kann nicht vergessen, was nach unserer ersten Nacht passierte und mich quält der Gedanke, daß ich wieder aus irgendeinem Grund die Kontrolle über den Dämon in mir verlieren könnte. In der Tat ist das vor nicht allzu langer Zeit wieder geschehen.“  Buffy blickte ihn erstaunt an und Angel senkte beschämt den Kopf. „Eine Kundin, eine berühmte Schauspielerin, hatte herausgefunden, daß ich ein Vampir bin. Und sie entwickelte den verrückten Wunsch, für immer jung und schön zu bleiben. Sie setzte mich unter Drogen und lockte Angelus hervor. Hätten Wesley und Cordelia nicht so beherzt eingegriffen......, wer weiß, dann würde jetzt wahrscheinlich wieder einmal mehr das Blut eines Menschen an meinen Händen kleben.“
„Wenn du jetzt denkst, das würde meine Meinung ändern, dann hast du dich getäuscht. Ich will, daß du vernünftig und rational über unsere Beziehung nachdenkst. Und damit meine ich, ohne deine ständigen Selbstvorwürfe. Und ich bin überzeugt, du wirst zu demselben Ergebnis kommen wie ich.“
Ihre Beharrlichkeit war bewundernswert und nur zu gerne würde Angel ihr einfach nachgeben. Doch so sehr er sie auch liebte, so sehr er sie vermißte, er war sich einfach nicht sicher, ob eine gemeinsame Zukunft für sie beide das richtige war. Vielleicht sollte er lieber seinen eigenen Kampf hier fortführen, vielleicht wären sie beide irgendwann einmal fähig, einander zu vergessen, wenn sie sich nur genügend Zeit ließen. Doch in der gleichen Sekunde, in der ihm dieser Gedanke durch den Kopf schoß, wußte er auch schon, daß es eine Lüge war. Er für seinen Teil würde sie nie vergessen können. Er litt jeden Tag, jede einzelne Stunde unter der Trennung und wünschte sich oft nichts sehnlicher, als sie einfach anzurufen, um ihr zu sagen, welch großen Fehler er gemacht hatte. Er konnte die Male nicht mehr zählen, in denen er den Telefonhörer genommen und ihre Nummer gewählt hatte, nur um sofort wieder aufzulegen, meist noch, bevor das Freizeichen erklang. Er würde sie sein ganzes Leben lang nie vergessen können, denn ihr Bild, ihre Stimme, ihr ganzes Wesen war in seiner Seele eingebrannt. Er würde sie ewig lieben und bei einem Unsterblichen kann die Ewigkeit verdammt lange sein.
All seine Kämpfe gegen die Mächte der Finsternis waren ein Spaziergang verglichen mit dem Kampf, den er täglich in seinem Inneren ausfocht. Nein, nicht den Kampf gegen den Dämon in ihm, sondern der Kampf Gefühl gegen Vernunft. Konnte er denn Buffy wirklich ein Leben mit ihm zumuten? Er sah in ihre unergründlichen Augen. Augen, die ihren festen Willen widerspiegelten, ihn nicht noch einmal mit einem bloßen 'Es ist besser für dich' davonkommen zu lassen.
„Wie stellst du dir das alles vor, Buffy? Ich kann nicht einfach mit dir zurück nach Sunnydale und so tun, als sei  nie etwas geschehen. Was würden deine Freunde sagen? Xander haßt mich, Giles mißtraut mir und Willow fürchtet mich. Glaubst du wirklich, ein Neuanfang wäre eine gute Idee? Und was ist mit Riley?“ Buffy ergriff seine Hand. „Wir können es schaffen, wenn du nur willst. Willow mag dich, das hat sie immer getan. Gib' ihr etwas Zeit und sie wird dir auch vertrauen. Giles mißtraut dir längst nicht mehr so wie früher. Er war immer sehr dankbar und froh über deine Hilfe und glaub' mir, er hat dich schon mehr als einmal schmerzlich vermißt! Und Xander? Nun, Xander ist eben Xander, du kennst ihn doch. Er mag Riley nicht unbedingt mehr als dich. Bei ihm dreht sich eben alles um die Hormone.“ Angel lächelte schief und Buffy's Herz machte einen kleinen Sprung. Wie sehr sie doch sein Lächeln liebte und wie sehr es sie selbst schmerzte, daß ihm der Fluch kein wahres Glück erlaubte. Er lächelte so selten und wenn er es dann doch einmal tat, blieb über seinen wunderschönen braunen Augen immer ein Schatten von Traurigkeit. Gerade so, als müsse er sich selbst für ein flüchtiges Lächeln schuldig fühlen. Wie oft hatte sie sich schon gewünscht, sie können ihm auch nur einen kleinen Teil der gewaltigen Schuld, die auf seinen Schultern lastete, abnehmen. Statt dessen bereitete sie ihm nun noch mehr Seelenqualen, indem sie ihn bat, zu ihr zurückzukehren. Aber sie war sich so sicher, daß es für sie beide die richtige Entscheidung wäre, zusammen zu bleiben. Mehr als jemals zuvor spürte sie, daß sie zu ihm, und nur zu ihm, gehörte. Wenn sie nur wüßte, wie sie diesen sturen, dickköpfigen Vampir davon überzeugen konnte.
„Angel, liebst du mich?“ ging sie schließlich in die Offensive. „Das weißt du doch!“ antwortete er ausweichend. „Ich will es hören,“ beharrte sie, „ich will, daß du es sagst.“ Angel fühlte sich unwohl. Gefühle, die er seit einem Jahr bis in die hinterste Ecke seines Herzens verbannt hatte, drohten an die Oberfläche zu brechen. Er wußte, wenn diese Gefühle die Kontrolle über seinen Verstand erlangen, würde er Buffy nicht länger zurückweisen können. Er drückte ihre Hand und blickte ihr tief in die Augen. „Ich liebe dich, Buffy, von ganzem Herzen und es gab keinen einzigen Tag im vergangenen Jahr, an dem ich mich nicht danach gesehnt hätte, dich zu sehen, deine Stimme zu hören, deine Haut zu spüren.“ sagte er mit leiser Stimme. „Dann laß' uns einen Neuanfang wagen, Angel. Wir können es schaffen, das weiß ich. Ich liebe dich, ich brauche dich. Du bist mein Leben!“
Angel schloß die Augen, versuchte, in seine Seele zu horchen. Schließlich drehte er Buffy an den Schultern ein Stück weiter zu sich herum und sagte dann: „Ich brauche dich auch, Buffy. Ich werde darüber nachdenken, aber laß' mir etwas Zeit.“ Buffy nickte. Sie sah einen Funken Hoffnung in seinen dunklen Augen aufblitzen und das gab ihr die Kraft, zu warten. Sie hatte ihn am richtigen Punkt getroffen und sie vertraute darauf, daß er diesmal die richtige Entscheidung traf. „Du hast mir noch  nicht gesagt, was du Riley erzählen willst, wenn wir uns für eine gemeinsame Zukunft entscheiden.“ unterbrach Angel ihre Gedanken. „Ich habe mich von ihm getrennt bevor ich hierher kam.“ antwortete Buffy leise. Angel zog sie zu sich heran und ihre Lippen trafen sich in einem zärtlichen Kuß. Buffy jubilierte innerlich. Sie spürte, wie sehr er sie wollte. Sie und ein Leben mit ihr. Er würde nicht nein sagen können.
„Es wird bald hell.“ bemerkte Angel mit einem prüfenden Blick auf den noch schwarzen Himmel. Er spürte das nahende Morgengrauen. „Laß' uns heim gehen und ein wenig ausruhen, du kannst ein wenig Ruhe brauchen. Cordelia und Wesley können währenddessen die Suche fortführen.“ Beide standen auf. Angel fuhr sich mit der Hand durch's Haar und seufzte. „Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.“ „Unsinn!“ versuchte Buffy ihn zu beruhigen. Vor den Vampiren dürfte sie erstmal sicher sein und ich denke, sie ist nicht so verrückt, sich von der erstbesten Brücke ins Wasser zu stürzen.“ Angel zuckte zusammen, als hätte ihn ein Peitschenschlag getroffen. „Die Brücke! Natürlich! Sie wird versuchen, das zu beenden, was sie begonnen hat. Komm' schnell!“
Er rannte los und Buffy setzte ihm verblüfft nach. Sie konnte nur ahnen, was ihm da gerade eingefallen war und die Geschwindigkeit, die er vorlegte, ließ die Dringlichkeit der Angelegenheit kaum im Dunkeln. Selbst sie als Jägerin hatte Mühe, ihm zu folgen.
Die Brücke kam schnell in Sichtweite. Es war jene Brücke, auf der Kay sich schon einmal das Leben hatte nehmen wollen, nur zwei Tage bevor. Angel hechtete die Treppen hoch und kaum oben angekommen, sah er sie auch schon stehen. Sie stand auf exakt demselben Platz, an dem sie auch beim letzten Mal gestanden hatte. Doch nun, wußte Angel, hatte er die schlechteren Karten, denn er war nicht mehr der freundliche junge Mann, der zufällig vorbei kam, sondern eines der Monster, vor denen sie davonlief. Er stockte und wandte sich an Buffy. „Versuch' du mit ihr zu reden, ich halte mich erst einmal versteckt. Sie hat Angst vor mir.“ flüsterte er ihr zu. Buffy nickte und antwortete: „Ich gehe zu ihr. Aber Angel, du mußt versuchen, Schutz zu finden, die Sonne wird bald aufgehen.“
Angel schaute gen Himmel. „Ich werde rechtzeitig Schutz suchen!“ beruhigte er sie und Buffy näherte sich Kay. Diese schien plötzlich die Anwesenheit anderer Personen zu bemerken und drehte sich abrupt um. „Keinen Schritt näher!“ schrie sie, in ihrer Stimme lagen Schmerz und Verzweiflung. Buffy blieb stehen. „Bitte Kay, laß' uns reden.“ bat sie. „Es gibt nichts zu reden. Ich tue, was ich schon viel früher hätte tun sollen. Ich kehre nicht um und laufe in eure Falle. Ich weiß nicht, was ihr von mir wollt, aber ich weiß, es kann  nichts Gutes sein.“ Buffy machte vorsichtig einen Schritt auf das verzweifelte Mädchen zu. „Bitte Kay, Angel und ich, wir wollen dir nur helfen. Vor dir liegt eine wichtige Aufgabe.“ Kay lachte schrill auf. „Oh ja, du meinst dieses 'Halte die Welt in Balance'-Ding. Ich hatte schon gedacht, ich sei nun völlig durchgedreht, nachdem zu den Träumen auch noch diese Stimmen kamen. Ist es das, was sie wollen? Trage ich eine Macht in mir, die wichtig für diese Monster ist?“ Das bittere Lächeln verschwand von ihrem Gesicht und noch ehe Buffy etwas erwidern konnte, fuhr sie fort. „Aber keine Sorge, weder Eric noch den Vampirfreund werden jemals Nutzen daraus ziehen können.“
Damit drehte sie sich um und sprang in die Tiefe. Buffy schnellte nach vorne, doch es war längst zu spät. „Kay!“ rief sie erschrocken und sah nur noch, wie der zierliche Mädchenkörper in die reißenden Fluten eintauchte. Noch bevor sie reagieren konnte, stand Angel bereits an ihrer Seite, bereit, Kay hinterher zu springen. Buffy hielt ihn fest. „Du kannst nicht springen, Angel. Die Sonne!“ Angel sah sie flehend an. „Buffy, ich muß sie retten! Du kannst es nicht versuchen, die Strömung ist stark, ihr würdet beide ertrinken.“ Und noch ehe sie argumentieren konnte, sprang er. „Angel, nein!“ schrie Buffy ihm verzweifelt hinterher. Der Himmel färbte sich bereits und kündigte den nahen Sonnenaufgang an. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Die Panik, Angel könnte etwas geschehen nahm ihr die Luft zu atmen. Sie wußte, er konnte nicht ertrinken, doch wie wollte er sich vor der Sonne schützen und gleichzeitig dafür sorgen, daß Kay wieder sicher ans Ufer gelangte? Buffy raste die Treppen hinunter bis an das steinige Ufer des Flusses. Sie sah, daß Angel Kay fast eingeholte hatte, als sie unter Wasser verschwand. Er tauchte ebenfalls unter. Welch ein Vorteil , daß er nicht atmen mußte, so konnte er unter Wasser suchen, ohne zwischendurch auftauchen zu müssen. Mühsam durchsuchte er das trübe Wasser. Die Dunkelheit hier unten war selbst für seine Augen kaum zu durchdringen. Plötzlich streifte etwas seinen Arm und instinktiv packte er zu und stieß an die Oberfläche. Er hielt den schlaffen Mädchenkörper fest und vergewisserte sich, das ihr Kopf komplett über Wasser blieb, dann begann er mit kräftigen Zügen gegen die Strömung Richtung Ufer anzukämpfen. Er spürte das Prickeln, das die langsam aufgehende Sonne auf seinem Gesicht verursachte. Wie feine Nadelstiche fühlte er die noch kraftlosen Sonnenstrahlen, und er wußte, er mußte sich beeilen, um sich und das Mädchen sicher ans Ufer  zu bringen. Mit ihr im Arm hatte er keine Möglichkeit, unter Wasser Schutz vor der Sonne zu suchen.
Kay's Lider flatterten, als der Sauerstoff wieder ihre Lungen füllte. Sie öffnete die Augen und als ihr bewußt wurde, in wessen Armen sie lag, begann sie sich wild zu drehen und zu winden. Angel festigte seinen Griff um ihren Körper, doch je heftiger sie sich wehrte, desto mehr entfernten sie sich vom rettenden Ufer. „Kay bitte, halte still, sonst sterben wir beide!“ rief Angel ihr verzweifelt zu. Er konnte nicht gegen die Strömung und Kay ankämpfen. „Laß mich los, du Ungeheuer!“ brüllte Kay und die Panik verlieh ihr ungeahnte Kräfte. Lieber wollte sie ertrinken, als diesem Monster in die Hände zu fallen. „Kay, hör mir zu!“ versuchte Angel, zu ihr durchzudringen, doch sie schien gar nicht zu reagieren und brüllte nur weiterhin: „Laß' mich los, laß' mich los!“ Dann verstummte sie plötzlich und blickte auf Angels Arm, der ihren Kopf über Wasser hielt. Mit Wucht versenkte sie ihre Zähne in das kalte Fleisch des Vampirs. Angel schrie auf vor Schmerz und lockerte den Griff um das Mädchen, doch noch bevor Kay die Gelegenheit nutzen konnte, sich zu befreien, packte er wieder zu.
„Verdammt Kay, jetzt hör' mir zu!“ fluchte er wütend. „Ja, ich bin ein Vampir, aber ich habe jetzt nicht die Zeit, dir die ganze verdammte Story zu erzählen. Vertrau' mir einfach und halt' still, die Sonne geht auf und ich habe keine Lust, gerade heute zu Staub zu werden. Ich schwöre dir, wenn du dich weiter wehrst, sorge ich dafür, daß du bewegungsunfähig wirst und frühestens morgen wieder aufwachst....und das mit gewaltigen Kopfschmerzen!“ Kay ließ schlagartig alle Muskeln locker. Eine Erkenntnis kroch in ihr hoch, die bisher von ihrer Angst und Verzweiflung vernebelt war. Wenn Angel ihr je irgend etwas böses hätte antun wollen, so hätte er es längst getan. Und das instinktive Gefühl, ihm vertrauen zu können, das sie vom ersten Augenblick an hatte, hatte sie eigentlich auch noch nie getäuscht. Sie hielt schweigend still, während Angel in hektischen Zügen eilig ans Ufer schwamm. „Danke!“ murmelte er, seine Stimme wieder so sanft, wie Kay sie kannte.

Buffy stand am Ufer, ihr Blick schweifte ständig angstvoll zwischen Himmel und Wasser hin und her. Angel hatte das Ufer fast erreicht, als plötzlich feine Flammen den Arm entzündeten, mit dem er Kay über Wasser hielt. Er stieß ein tiefes Grollen aus und tauchte mitsamt dem Mädchen unter, um die letzten Meter unter der Wasseroberfläche zu bewältigen. Buffy rannte ins Wasser, schwamm ihm so weit entgegen, bis sie fürchten mußte, die Strömung würde sie wegreißen. Sie übernahm Kay von Angel und ließ sie auftauchen. Auch Angel steckte für Sekunden den Kopf aus dem Wasser und rief: „Wir treffen uns im Appartement!“ dann tauchte er unter und war verschwunden.
 
 

Kapitel Acht

„Er ist also ein Vampir mit Seele?“ wiederholte Kay verwundert. Sie saß zusammen mit Buffy in der warmen Morgensonne am Ufer des Flusses. Buffy nickte. Sie hatte Kay alles über Angels Fluch, ihre Berufung als Jägerin und ihrem gemeinsamen Kampf gegen das Böse erzählt. „Es tut mir so leid, in welche Schwierigkeiten ich euch gebracht habe. Ich hoffe, ihr könnte mir verzeihen.“ flüsterte Kay. Sie hielt den Kopf gesenkt, unfähig, Buffy in die Augen zu blicken. Sie schämt sich unglaublich dafür, so dermaßen die Nerven verloren zu haben. „Ich war furchtbar verwirrt, als ich begann, diese Stimmen zu hören, die von meiner Berufung sprachen. Meiner Pflicht, den Platz der alten Auserwählten einzunehmen und damit weiterhin für das Gleichgewicht der Menschheit zu sorgen.“ Buffy nahm ihre Hand. „Glaub' mir Kay, keiner kann besser nachempfinden, was du fühlst als ich. Ich habe mich lange gegen mein Schicksal die Jägerin zu sein gewehrt. Ich wollte so normal sein wie alle anderen, kein 'Freak'. Aber man lernt, damit umzugehen, glaube mir. Und nach einiger Zeit wirst du merken, wie schön es im Grunde ist, für die gesamte Menschheit Gutes zu tun.“ Kay lächelte sie dankbar an. „Du hast Recht. Ich werde mich meinem Schicksal stellen und versuchen, das Beste aus meinem Leben zu machen. Es wird mich einige Zeit kosten, damit klar zu kommen, daß es so etwas wie Vampire und Dämonen auf dieser Welt gibt.“ „Mach dir keine Sorgen, die gehören zu meinen Aufgaben. Sobald du deine Berufung angenommen und den Platz der alten Seherin eingenommen hast, werden sie dich nicht mehr belästigen. Buffy blickte das Mädchen lange an. Obwohl sie sich kaum kannten, fühlte sie sich ihr auf seltsame Art verbunden. Sie griff in ihre Tasche und förderte den Pflock zutage, den ihr einst Kendra gegeben hatte, bevor sie von Drusilla getötet wurde. „Ich möchte dir diesen Pflock schenken, Kay. Ich selber habe ihn von einer Freundin bekommen, sie nannte ihn 'Van Helsing'.“ Kay schmunzelte. „Solltest du je wieder auf einen Vampir treffen, was man ja leider nie ausschließen kann, weißt du, was du zu tun hast.“ Kay nahm ihn dankbar an. „Hast du eigentlich ein Problem damit, daß Angel ein Vampir ist?“ wandte sie sich fragend an Buffy. Die schaute sie erstaunt an. „Nein, warum?“ „Ich überlege nur, warum zwei Personen, die sich so lieben wie es bei euch den Anschein hat, auseinander gehen?“ Buffy seufzte. „Du glaubst nicht, wie oft ich mich das in der letzten Zeit schon gefragt habe.“ Sie stand auf und zog auch Kay mit sich hoch. „Komm', wir sollten gehen. Du hast da einige sehr wichtige Dinge zu erledigen.“ Kay lächelte leicht. „Da hast du wohl Recht.“

*****

„Wo ist Angel?“ fragte Cordelia verwundert, als Buffy alleine ihr Appartement betrat. Buffy's Blick wanderte zur Uhr. „Er ist nicht hier?“ Ihre Stimme klang besorgt. Cordelia verneinte. „Ich habe ihn nicht gesehen, was ist passiert?“ Buffy gab ihr eine kurze Zusammenfassung der Geschehnisse. Cordelia sprang auf. „Bist du verrückt geworden?“ fuhr sie das blonde Mädchen an. „Du läßt ihn einfach ertrinken?“ Cordelia war außer sich. Angel war ihr im vergangenen Jahr wirklich sehr ans Herz gewachsen. „Cordelia, beruhige dich!“ wehrte sich Buffy. „Angel kann nicht ertrinken!“ „Aber er ist nicht hier, verdammt!“ „Er wird kommen!“ Sie wollte zuversichtlich klingen, doch ihre Stimme zitterte leicht. Sie hatte noch lange mit Kay am Flußufer gesessen, in der Zeit hätte er längst ankommen müssen. Cordelia faßte sich an den Kopf. „Ich kann es einfach nicht glauben! Hey! Es lief alles so prima ohne dich und kaum bist du hier, ist schon der Boss verschollen!“ Buffy starrte sie entsetzt an, in ihren Augen glitzerten Tränen, die sie unbedingt zurückhalten wollte. Doch die Sorge um Angel schien ihr die Luft zu nehmen. Cordelia fuhr unerbittlich fort. „Angel ist deinetwegen schon einmal fast gestorben, sogar zur Hölle hast du ihn geschickt. Wie schaffst du es bloß immer wieder, ihn so in Gefahr zu bringen?“
„Cordelia!“ erklang Angel's dunkle Stimme von der Tür her. Er war unbemerkt eingetreten und stand nun triefendnaß und deutlich verärgert im Türrahmen. „Es ehrt mich, daß du dir solche Sorgen um mich machst, aber du solltest Buffy nicht dafür anklagen.“ „Angel!“ hauchte Buffy erleichtert und wollte ihn umarmen, doch er wehrte ab. „Bitte, laß' mich erst duschen und umziehen. Ich mußte durch einen Kanal, der Abwasser in den Fluß leitet. Ist mit Kay alles in Ordnung?“ Buffy nickte. „Ich habe mit ihr gesprochen, es geht ihr gut.“ Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verschwand im Badezimmer. Cordelia starrte ihm nach. „Wow, hat der eine Laune! Was kann ich dafür, wenn er ein Schlammbad nimmt? Wenn er weiterhin so gefühlvoll mit den Menschen umgeht, werden die PTB ihn in den nächsten 200 Jahren sicherlich nicht zum Menschen werden lassen!“ Buffy stutzte. „Was hast du gerade gesagt?“ „Das er ein wenig netter mit den Menschen umgehen sollte, die es gut mit ihm meinen!“ erklärte Cordelia und ging in die Küche. Buffy folgte ihr. „Das meinte ich nicht. Was heißt, sie lassen ihn nicht zum Menschen werden?“ Cordelia errötete leicht. „Angel wird mich umbringen, wenn er rauskriegt, daß ich mich wieder verquatscht habe. Oder zumindest wird er mich entlassen.“ „Cordy!“ mahnte Buffy. „Hör mal, vielleicht fragst du ihn einfach selber.“ Sie schnappte sich ihre Handtasche und eine Jacke. „Ich verschwinde lieber!“
Kurz nachdem sie gegangen war, kam Angel aus dem Bad. „Wo ist Cordelia?“ „Sie hat es vorgezogen, deinem Zorn vorübergehend zu entfliehen.“ antwortete Buffy. Angel zog ein Hemd über den noch nackten Oberkörper. „Ohje, ich war wohl etwas schroff.“ meinte er. „Ich glaube, deshalb ist sie nicht gegangen. Gibt es da vielleicht noch etwas, was du mir sagen solltest?“ Angel schaute sie fragend an. „Was?“ „Nun, irgend etwas mit Vampiren, die wieder zu Menschen werden vielleicht?“ Angel stutzte. „Ich glaube, es ist wirklich besser, daß sie gegangen ist!“ meinte er dann. „Warum? Weil sie ehrlich ist, im Gegensatz zu dir?“ entgegnete Buffy scharf. „Buffy! Es geht hier um eine Prophezeiung, nach der ich nach der Erfüllung meiner Vorsehung wieder zum Menschen werden soll. Doch keiner weiß, wann das sein wird.“ Sie schaute ihn unendlich traurig an. „Und deshalb fandest du es nicht wichtig genug, es mir zu erzählen?“ Angel fühlte sich unwohl. Er hatte damit gerechnet, daß sie wütend wurde und ihn anschrie, doch mit ihrer offensichtlichen Enttäuschung und der tiefen Traurigkeit hatte er nicht gezählt. „Ich.....ich wollte keine falschen Hoffnungen in dir wecken. Nicht, bevor wir nicht genau wissen, wie und wann das alles passieren soll.“ „Aber es gibt uns völlig neue Perspektiven für die Zukunft!“ ereiferte sich Buffy. Angel widersprach. „Das tut es nicht. Es könnte in 100 Jahren geschehen!“ „Oder in einem!“ Angel drehte sich von ihr weg und murmelte. „Und ich weiß nicht, ob ich damit klar komme.“ „Angel!“ rief Buffy entsetzt. „Ist es nicht das, was du dir am meisten wünschst?“ Unfähig sie anzusehen, drehte er ihr immer noch den Rücken zu. „Das war mein größter Wunsch, ja. Aber es sind Dinge geschehen, von denen du nichts weißt, die mich daran zweifeln ließen, daß es so gut für mich.....oder für uns...wäre.“ Sie trat näher und preßte ihren Körper an seinen Rücken. Ihre warmen Hände, die sich vorbei an seinem noch geöffneten Hemd auf seinen nackten Bauch legten, schickten Schauer über seine kalte Haut. „Welche Dinge?“ hauchte sie sanft. Er bedeckte ihre schmalen Hände mit seinen großen, kräftigen und antwortete ebenso sanft. „Vertrau mir, wenn ich dir sage, du würdest es nicht wissen wollen.“ „Wie soll es weitergehen, Angel?“ wollte Buffy wissen. Sie lehnte ihren Kopf fest an seinen Rücken. Angel genoß ihre Nähe. Sie fühlte sich so gut an, so warm und voller Leben. Ohne sie war er wirklich nichts weiter als ein Untoter. Wenn er nur wüßte, was richtig und was falsch war. Er hatte solche Angst, diesem Mädchen noch einmal weh zu tun. Sie hatte seinetwegen schon so viel gelitten, aber tat er ihr nicht noch mehr weh, wenn er einfach aus ihrem Leben verschwand, sie im Stich ließ? Er hatte seine Menschlichkeit für ihr Leben geopfert, doch wer sagte ihm, daß sie nicht trotzdem sterben würde? Schließlich war er weit weg und konnte sie nicht beschützen wie er es eigentlich wollte. Er drehte sich um und sah ihr ins Gesicht. Ihre grünen Augen baten ihn stumm, ihr die so ersehnte Antwort zu geben. Er fluchte innerlich. Warum gab es soviel, das ihnen im Weg stand? Oder glaubte er nur, das all diese Dinge ihrer Beziehung im Weg standen? Sollte er einfach nur ein wenig zuversichtlicher sein, so wie Buffy es war? Sollte er auf seine Gefühle, auf ihre Liebe zueinander vertrauen? Doch diese Liebe hatte nicht verhindert, daß aus ihm wieder einmal ein gewissenloses Monster wurde, sie hatte nicht verhindert, daß er hilflose Menschen getötet und Buffy's Freunde gequält hatte. Wie übermächtig doch die Angst in ihm war, wieder die Kontrolle zu verlieren.
„Buffy, ich bewege mich Tag für Tag auf einem verdammt dünnen Seil. Mein ganzes Leben lang wird es für mich ein Balanceakt bleiben.“ Sie schaute zu ihm auf und erklärte fest: „Und ich will dich dabei stützen!“ Sie lehnte sich an seine breite, muskulöse Brust und er vergrub sein Gesicht in ihren blonden Haaren, atmete den Duft tief ein. Er seufzte. „Angel, du hast einmal gesagt, du warst nie ein Kämpfer. Wie wäre es, wenn du jetzt damit anfängst?“ Sie wollte ihn wieder anschauen, doch er hielt ihren Kopf an seine Brust gepreßt und schwieg.
„Bin ich es nicht wert zu kämpfen?“ fragte sie schließlich ängstlich und nun endlich ließ er sie los und schaute sie fest entschlossen an. „Du bist es wert zu sterben!“ antwortete er, bevor er sie leidenschaftlich küßte. Ihre Hände liebkosten seinen Oberkörper und sie ließen sich zu Boden fallen. Angel genoß die sanften Berührungen, die Liebe, die aus ihnen sprach. Wie sehr hatte er das vermißt, wie sehr hatte er diese Leidenschaft vermißt. Er streichelte ihr Gesicht, ihr Haar und bedeckte sie mit Küssen. Es würde Lösungen geben, es würde einen Weg geben, diesen unglückseligen Fluch zu umgehen. Es mußte einen Weg geben.
„Ich liebe dich!“ flüsterte er in ihr Ohr und Buffy lächelte überglücklich. Wie wertvoll waren diese drei Worte für sie. Worte, die so selten über seine Lippen kamen. Er war ein Meister darin, seine eigenen Gefühle zu verbergen. „Ich liebe dich auch, Angel. Mehr als alles auf der Welt.“ Bevor eine Welle der Leidenschaft ihn überrollen konnte, löste sich Angel von Buffy und kniete sich vor sie. Auch Buffy setzte sich auf. Amüsiert beobachtete sie, wie sich sein Brustkorb heftig hob und senkte. „Was?“ fragte Angel. Buffy schmunzelte. „Für jemanden, der eigentlich keinen Sauerstoff braucht, bist du ganz schön außer Atem!“ Er lächelte. „Du machst mich atemlos!“ Mit einem Satz sprang er auf und reichte ihr die Hand. Buffy ließ sich hochziehen und schmiegte sich wieder eng an den so vertrauten Körper. „Wir schaffen das!“ murmelte sie zufrieden. „Diesmal werden wir es schaffen.“ Angel nickte und umschlang den schlanken Mädchenkörper mit seinen starken Armen. Buffy hatte Recht, sie waren füreinander bestimmt und Schwierigkeiten waren dazu da, sie aus dem Weg zu räumen. Schon zu seinen Lebzeiten war er immer nur vor Problemen davon gerannt. Der übermächtige Vater hatte ihm schon früh das Selbstbewußtsein geraubt. Es war höchste Zeit, sich endlich seinen eigenen Problemen zu stellen, anstatt nur die von anderen zu lösen. Er wollte Buffy gerade einen zärtlichen Kuß auf die Lippen drücken, als es an der Tür klopfte. Buffy stöhnte. „Ich komme!“ rief Angel und knöpfte hastig sein Hemd zu, bevor er die Türe öffnete.
„Kay!“ rief er erfreut. „Komm' doch rein!“ Sie betrat die Wohnung. Buffy blickte sie erstaunt an. Das war nicht mehr das unsichere Mädchen, das Angel heute morgen aus dem Wasser gezogen hatte. In nur wenigen Stunden schien sie völlig verändert. Sie wirkte plötzlich reifer, erfahrener und in ihren Augen lag ein Glühen, das vorher weder sie noch Angel je bemerkt hatten. Ihre ganze Gestalt schien von innen her zu leuchten. „Ich wollte mich bei euch bedanken.“ sagte sie und ihre Stimme klang wie die eines Engels, beruhigend und sanft. „Ganz besonders bei dir!“ sie blickte Angel an und reichte ihm die Hand. Sofort bemerkte Kay sein Zögern und lächelte. „Keine Sorge, ich habe keine Angst mehr. Ich weiß jetzt, wie wertvoll du für das Gleichgewicht von Gut und Böse bist....wie wichtig ihr beide seid. Und ich weiß jetzt, daß du auf der richtigen Seite stehst. Danke für alles.“ Angel nahm ihre zierliche Hand. „Ich habe gerne geholfen, Kay. Ich vermute, du hast diene Berufung angenommen?“ Kay nickte. „Deshalb wollte ich euch beiden Lebwohl sagen. Mein Platz ist nun nicht mehr hier, das unterscheidet mich von dir, Buffy.“ Sie lächelte die Jägerin an. Buffy kam näher und umarmte Kay flüchtig. „Alles Gute.“ hauchte sie. „Das wünsche ich euch auch, dir und deinem Angel.“ Mit einem wissenden Gesichtsausdruck schaute sie von einem zum anderen. „Eins möchte ich euch noch mit auf den Weg geben. Nur wenige Leute bekommen eine zweite Chance im Leben, laßt sie nicht ungenutzt verstreichen, denn wer weiß, ob es eine dritte geben wird. Jeder hat seine Bestimmung auf Erden, seht zu, daß ihr eure erfüllen könnt.“ Sie drückte Angel einen flüchtigen Kuß auf die Wange und ging. Buffy und Angel schauten ihr eine Weile sprachlos nach, dann meinte Buffy: „Ich hasse Leute, die immer so geheimnisvolle Andeutungen machen und in Rätseln sprechen!“ Angel legte den Arm um ihre Schultern. „Und ich dachte, du hättest mich von Anfang an geliebt?!“ entgegnete er mit gespielter Enttäuschung. „Falsch gedacht, Mr. Cryptic Guy!“ grinste sie.
 
 

Kapitel Neun

„Nun komm' schon, Angel!“ drängte Cordelia. „Ich weiß ja, wie sehr du diene dunklen Zimmer liebst, aber wenn Buffy morgen früh schon wieder abfahren muß, dann laß' uns heute noch einmal in den Club gehen!“ Angel sah zu Buffy hinüber. „Was denkst du, Buffy? Hast du Lust?“ Sie grinste den Freund verschmitzt an. „Nun, da es wohl für uns - noch - nicht so angebracht ist, eine Nacht alleine vor dem Kaminfeuer zu verbringen, ist ausgehen wohl erste Wahl.“ „Hervorragend!“ stimmte Wesley zu. „Nicht, daß ein Abend bei einem gepflegten Spiel 'Scrabble' mit vier Personen nicht eine absolute Herausforderung wäre, aber verglichen mit der Möglichkeit, noch einmal das Tanzbein zu schwingen....!“
„Prima!“ rief Cordelia. „Dann sind wir uns ja einig.“ Sie stürzte zur Badezimmertür. „Ich gehe duschen und mich zurecht machen, bevor Angel das Bad wieder für Stunden blockiert. Buffy, du ahnst ja nicht, wie lange er immer braucht. Er ist da schlimmer als jede Frau.“ Sie machte eine theatralische Geste und schloß die Tür hinter sich. „Du bist eitel?“ fragte Buffy feixend. Angel lachte. „Du mußt Cordelia nicht alles glauben.“ Er zog sie an sich und sie seufzte. „Ich werde das vermissen. Verflixte Prüfung, wahrscheinlich werde ich sie ohnehin verhauen. Kannst du nicht mitfahren und mir Beistand leisten?“ Angel strich ihr über's Haar. „Du weißt, das geht nicht. Ich kann hier nicht Hals über Kopf weg. Über's Wochenende komme ich zu Besuch, versprochen.“ „Wehe, wenn nicht!“ drohte sie spielerisch. Die beiden saßen zusammen auf dem Sofa und Buffy lehnte selig ihren Kopf an seine Schulter. So sehr sie es auch haßte, Angel gleich wieder verlassen zu müssen, noch nie war ihr die Trennung von ihm so leicht gefallen. Die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft erfüllte ihr Herz und nachdem sie und Angel stundenlang alle Probleme ausdiskutiert hatten, die zwischen ihnen standen, fühlte sie sich so frei wie schon lange nicht mehr in ihrem Leben. Auch in Angel war eine erstaunliche Veränderung vorgegangen. Seit er sich entschlossen hatte, der Stimme seines Herzens zu folgen, schien er unbeschwerter und zeigte häufiger das Lächeln, das Buffy so sehr an ihm liebte.

  *****

Der Club war voller Menschen. Nicht unbedingt ein Ort, an dem Angel sich normalerweise besonders wohl fühlte. Doch heute hatte er beschlossen, den Abend zu genießen.
„Er ist glücklich, Wesley!“ flüsterte Cordelia dem ehemaligen Wächter zu. „Ja, schön zu sehen. Ich denke, das gibt ihm den letzten Rest Lebenswillen zurück. Er hat wieder ein Ziel und das ist gut.“ „Zu dumm, daß es für uns bedeutet, wir sind über kurz oder lang unseren Job los.“ Cordelia schien besorgt. „Darüber mache ich mir keine Gedanken. Er wird weiterhin das Böse bekämpfen und wir werden ihm weiterhin dabei helfen. Wo, das ist doch absolut unwichtig.“ Sie sah ihn strahlend an. „Du hast Recht, Wes. Angel würde uns nie im Stich lassen.“
Angel stand mit Buffy an der Bar und beide genossen stillschweigend die Nähe des anderen, als die ersten Takte eines ihnen wohl vertrauten Liedes erklangen.

Childhood living
Is easy to do
The things that you wanted
I bought them for you
Graceless lady
You know who I am
You know I can't let you
Slide through my hands

Angel nahm Buffy's Hand. Mit Erstaunen registrierte sie den Claddagh-Ring an seinem Finger, das Herz deutete auf ihn. Er steckte ein perfektes Duplikat an ihren Finger. Sie schluckte. Der Ring, den er ihr zu ihrem 17. Geburtstag geschenkt hatte! Woher hatte er ihn?
„Tanzt du mit mir?“ fragte er leise und lächelte sie strahlend an.

Wild horses
Couldn't drag me away
Wild, wild horses
Couldn't drag me away

Erinnerungen stiegen in ihr hoch. Erinnerungen an ihren letzten gemeinsamen Tanz zu genau diesem Lied. Unbemerkt stiegen ihr Tränen in die Augen, als Angel sie zur Tanzfläche geleitete.

I watched you suffer
A dull, aching pain
Now you decided
To show me the same
No sweeping exits
Or offstage lines
Can make me feel bitter
Or treat you unkind

Mit einem Finger fing Angel sanft eine Träne auf. Sie schmiegte sich eng an seine Brust und das Dejá-vu Gefühl in ihr verstärkte sich. Sie schluchzte leise.

Wild horses
Couldn't drag me away
Wild, wild horses
Couldn't drag me away

„Was ist?“ hörte sie Angel's Stimme zärtlich in ihr Ohr flüstern. „Nichts, nur Erinnerungen.“

Faith has been broken
Tears must be cried
Let's do some living
After we die

Buffy löste sich von Angel und blickte ihn mit glasigen Augen an. „Das ist kein schlechtes Zeichen, oder? Diesen Tanz haben wir schon einmal getanzt und was danach kam, war nicht so erfreulich.“ Angel schwieg, nahm sie nur fester in den Arm und sagte schließlich mit fester Stimme: „Nein, kein schlechtes Zeichen, sondern ein Neuanfang. Dies ist nicht unser letzter Tanz, sondern der erste von vielen. Ich lasse dich nie wieder alleine!“
Glücklich und erleichtert schmiegte die Jägerin ihren Kopf wieder fest an die Brust des Vampirs, während sie sich rhythmisch zu den Klängen der Musik bewegten. Ein verliebtes Pärchen, ganz wie alle anderen auf der Tanzfläche, ganz so, wie sie immer sein wollten....ganz normal - und zusammen.

Wild horses
Couldn't drag me away
Wild, wild horses
We'll ride them some day
 
 
 

ENDE