Nerf Herder rocken Berlin

Nerf Herder sagt wahrscheinlich den wenigsten etwas. Aber das Buffy Theme kennen alle. Und wer hat es geschrieben? Eine Punkkapelle, bestehend aus vier geekigen, bebrillten Pollunderträgen mit leichtem Bauchansatz, die im Moment ihre Europatournee absolvieren - Nerf Herder nämlich. Aus reiner Neugier fand ich mich also mit einigen Freunden am 1.7.2003 im Berliner Wild at Heart in Kreuzberg ein, um herauszufinden, wie Nerd Herder sonst so klingen. Nachdem wir uns einen Sitzplatz in dem engen, finstren und verrauchten (kurzum: gemütlich wilden) Club gesichert hatten, hieß es zunächst natürlich warten. Nach ungefähr einer Stunde enterten ein paar junge Leute die Bühne, die aussahen wie eine gerade gegründete Schülerband. Sie griffen zu Gitarre, Bass, Schlagzeug und ihren Blasinstrumenten (Trompete und Posaune), stellten sich als No Comply aus England vor und fingen dann an mit flotten Ska Rhythmen das Wild at Heart anzuheizen. Der erste Schülerbandeindruck täuschte gewaltig: Alle hüpften, rockten und sprangen wild auf der reichlich kleinen Bühne hin und her und kannten keine Scheu vor ihrem Publikum. Laut, schnell und gut gelaunt absolvierten sie ihr halbstündiges Set. Schon nach dem zweiten Song war die Frontfrau Kelly Kemp komplett durchgeschwitzt und auch das Publikum war kaum noch ruhig zu halten. Schnelle Rhythmen, wilde Einlagen der Bläser und Kemps melodische und doch toughe Stimme ergaben einen beeindruckenden Soundmix und macht in jedem Fall neugierig auf mehr von der jungen englischen Band. Nach ungefähr eienr halben Stunden verabschiedeten sich No Comply und es hieß wieder warten.

Irgendwann gegen elf betraten dann vier Personen die Bühne, die aussahen wie der Vorstand des örtlichen Schachclubs. Nerf Herder-Frontmann Parry Gripp erschien mit weißem Hemd, gestreiftem Schlips und roter Strickweste. Vervollständigt wurde das Outfit durch eine Brille mit fettem schwarzem Rahmen. Gripp schnappte sich eine Gitarre mit psychedelisch weiß-schwarzem Spiralendesign und stellte die Band als Nerf Herder vor ("W-e a-r-e Nörf Hörder."). Und obwohl die Vier schon seit Anfang Juni in Europa unterwegs sind, waren bei ihrem Gig keine Ermüdungserscheinungen zu bemerken. Routiniert brachten sie ihre punkig-eingängigen Songs zum Besten. Mittlerweile hatte sich das Wild at Heart auch gut gefüllt: Es war voll, aber nicht "crowded". Mit dem Steigen der allgemeinen Stimmung kletterte auch das Thermometer, so dass Gripp sich bald mit laszivem Hüftschwung seiner Strickweste entledigte und sich kess den Schlips über die Schulter warf.

Man ahnt es schon: Nerf Herder sind vor allem Stimmungskanonen. Gripp gab mit viel Freude an der Sache sein Deutsch zum besten und man mag die Seriösität seiner Unterrichtsquellen stark bezweifeln: Von "Faulpelz" bis "Leberkäse" reichte sein Vokabelreichtum. Krönung seines Ausflugs in die deutsche Sprache war aber wohl eine freie Improvisation auf den Text "Ich hab ein so kleines Glied... so klein... so klein." Glücklicherweise blieb er dabei angezogen und illustrierte den Text nur indem er das "so klein" mit den Händen zeigte. Auch Songeinlagen wie "I'm a Pervert" bewiesen eindrucksvoll, dass man sich vom Schlips-und-Kragen Image auf keinen Fall täuschen lassen sollte.

Irgendwann wurde dann auch das Buffy Theme gespielt und es erwies sich, dass sich dazu gut moshen lässt. Und da es viel zu kurz ist, wurde es kurzerhand ein zweitesmal gespielt - diesmal in doppelter Geschwindigkeit. Das hatte zur Folge, dass es nicht nur im ansehnlichen Moshpit gleich vor der Bühne immer heißer wurde. Auch im Rest des Clubs lief der Schweiß in Strömen. Selbst Gripp bemerkte hin und wieder wie heiß ihm sei - zog aber das Hemd nicht auch noch aus.

Als sich Nerf Herder der Hitze ergaben und ihr letztes Lied ankündigten beschloss das Publikum sie nicht einfach so gehen zu lassen. Mehrere Zugaben mussten her. Parry Gripp wagte sich todesmutig in die Mitte der tobenden Menge und wurde kräftig hin-und hergeschüttelt. Auch "Oz with the horn" von der Vorband No Comply wurde noch einmal auf die Bühne gerufen, um bei einem Song Nerf Herder zu verstärken. Gekrönt wurden die Zugaben dann durch eine künstlerische Einlage dreier Zuschauer, die ein love-sandwich nachstellen mussten. Wer sich darunter jetzt nichts vorstellen kann, muss wohl einfach eins ihrer folgenden Konzerte besuchen!

Als wir völlig durchgeschwitzt das Wild at Heart verließen, waren wir uns einig, dass der spontane Einfall, Nerf Herder live zu sehen, sich mehr als gelohnt hatte. Gerade bei einem so kleinen gemütlichen Clubgig macht dieser Gute-Laune-Punk besonders viel Spaß. Dass No Comply und Nerf Herder gut aufgelegt waren, war sofort zu merken - und diese Stimmung übertrug sich auch aufs Publikum. Es wurde gesungen, geklatscht, gemosht - eben einfach gefeiert. Da Nerf Herder noch eine Weile in Europa unterwegs sein werden, gibt es also noch einige Chancen, die Vier live zu erleben. Man sollte sie sich auf keinen Fall entgehen lassen!

Wer Lust auf Nerf Herder bekommen hat, hier die restlichen Tourtermine:

5.7.2003 Chur, Safari Beat Club
7.7.2003 Wien, Arena
10.7.2003 Leoben, Cafe Spektakel
11.7.2003 Ebersberg, AJZ
12.7.2003 Dusseldorf, Benrather Hof
13.7.2003 Sjock Festival
14.7.2003 Peet, Het Pourt Huis
15.7.2003 Cambridge, Boat House
16.7.2003 Bradford, Rio
17.7.2003 Manchester, Roadhouse
18.7.2003 Sheffield, Corporation
19.7.2003 Middlesbrough, Empire
20.7.2003 Cardiff, Barfly

Nerf Herders offizielle Seite > http://www.nerfherder.net
Nerf Herders Label > Honest Don
No Complys Seite > http://www.nocomply.co.uk

Michelle