Episode 8.22



Same Old World, Part 2

 

 

 

 

Von Stefan & Mel

 

 

 

Co-Autoren: Yamato, Cthulhu

Bebilderung: HotWitch und Stefan

Folgenbilder: Stefan

 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von www.slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch ihre Partnerseiten pj-firepower.com, buffy-online.com und slayerworld.info. Weiterhin bedankt sich das Projekt für Unterstützung bei ihren Partnerseiten slayerzone.de, virtuelleserienonline.de, entertainyou.net, sowie bei allen weiteren Partnern.

 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount

 

 

 

 

Giles (V.O.): Was bisher geschah…

 

 

Überblende: Die Schlacht zwischen Jägerinnen und Dämonen in Malkuth beginnt. Die Scoobies versuchen die Lage zu schlichten, werden aber im Kampfgetümmel getrennt. – 8.20

Mo (V.O.): „In jeder Generation werden Hunderte von Jägerinnen geboren. Hunderte von Mädchen, um sich den Dämonen, dem Bösen und den Mächten der Finsternis entgegenzustellen...” – 8.18

 

Überblende: Giles und Willow befinden sich im neuen Ratsgebäude bei einer Konferenz. Giles stellt den anderen die Wächterin Lily Usher, eine gute Bekannte aus seiner Vergangenheit, vor. – 8.01

Lily (V.O.): „Die Welt ist voller Jägerinnen. Das Gleichgewicht hat sich verschoben." – 8.01

 

Überblende: Giles und Lily halten einander eng umschlungen, und küssen sich leidenschaftlich. Giles' Jackett fliegt über den Küchentisch, seine Hände beginnen, ihre Bluse zu öffnen. – 8.07

Lily (V.O.):Und hat es etwas gebracht? Sind Vampire bereits ausgerottet? Dämonen vor dem Aussterben bedroht? Nicht dass ich wüsste. Oh, Rupert und seine fantastischen Ideen... sein Reformationswahn... alles verrückte Ideen, die uns nicht weiterführen.“ – 8.15

 

Überblende: In einer dunklen Lagerhalle trifft sich das ehemalige Ratsmitglied Weatherby mit einer geheimnisvollen, maskierten Person. – 8.02

Lily (V.O.):Sie bringen uns weg vom alten Kurs, von Dingen, die unsere Vorfahren mühsam aufgebaut haben. Ich kann und werde es nicht zulassen, dass unser Erbe so in den Schmutz gezogen wird...“ – 8.15

 

Der Bildschirm wird schwarz. Im Hintergrund hören wir das allmählich stärker werdende Prasseln von Feuer.

Das Orakel (V.O.): „Sie ist der Schlüssel.“ – 8.17

 

Überblende: Dawn pfählt einen Vampir in einer dunklen Gasse in London. – 8.01

Dawn (V.O.): „Ich bin wohl irgendwie eine Jägerin... und ich habe keine Ahnung, wie ich es Buffy sagen oder wie ich mich verhalten soll.“ – 8.06

 

Überblende: Lily hält Dawn in einer magischen Energiekugel gefangen und will sie als Schlüssel benutzen, um die alten Regeln wieder herzustellen. – 8.15

Lily (V.O.): „Nennen wir es... die Wiederherstellung der alten Gesetze. Eine Jägerin in der Hand und unter der Kontrolle von vielen Wächtern.“– 8.15

 

Überblende: Lily beschwört die Reiter des Todes. Kurz bevor sie das Ritual beenden kann, wird sie von den Scoobies gestört und muss abbrechen. – 8.15

Das Orakel (V.O.): „Ihr habt eine alte Macht entfesselt, statt Neues gegen das Alte zu vertauschen.“ – 8.17

 

Überblende: Buffy, Faith, Kennedy und Dawn haben Visionen von den vier Reitern, die durch die Macht über die Naturgewalten Chaos und Zerstörung herbeiführen. – 8.15

Akira (V.O.): „Einer kam…“ – 8.01

Magier (V.O.): „… über sie…“ – 8.03

D’Hoffryn (V.O.): „… und alles was zurück blieb…“ – 8.09

Kapitän Raynolds (V.O.): „… war reine Erde.“ – 8.11

 

Überblende: Drei der vier Reiter brechen aus ihren Kontinenten hervor und hinterlassen auf ihrem Weg nach Cleveland eine Spur der Verwüstung. – 8.15

Das Orakel (V.O.): „Mächtige Wesen wurden befreit, die für immer verborgen hätten bleiben sollen und nun Unheil über diese Welt bringen werden. Eine Katastrophe nach der anderen wütet, während drei Reiter den einen suchen, der ihnen die Macht gibt, alles zu bereinigen.“ – 8.17

 

Überblende: Lily befragt das Orakel. – 8.17

Lily (V.O.): „Und mein Problem mit der Jägerin? Ich spreche von Buffy. Die Jägerin, die mir im Weg steht…“ – 8.17

 

Der Bildschirm wird erneut dunkel. Zu hören ist nur das immer unruhiger werdende Rauschen von Wasser.

Das Orakel (V.O.): „Sie wird der Schlüssel sein. Lasst sie gegen die Reiter kämpfen und seht, was passieren wird.“ – 8.17

 

Überblende: Lily reißt die Macht im Rat an sich und beginnt damit, Jägerinnen für ihre dunklen Pläne zu manipulieren, indem sie sie durch Drogen zu willenlosen Kampfmaschinen macht. – 8.17

Lily (V.O.): „Hunderte von Jägerinnen aus aller Herren Länder, und jede von ihnen steht unter dem Kommando des Wächterrats – meines Rats. Innerhalb von vierzehn Tagen kann ich etwa zweihundert von ihnen mobil machen. Das sollte wirklich genügen, um jede Dämonenstadt in den Staub zu stampfen!“ – 8.18

 

Überblende: Der Kampf in Malkuth geht weiter und fordert viele Opfer. Buffy wird dabei überwältigt und anschließend von Lily dazu benutzt, den vierten Reiter zu beschwören. – 8.20

Lily (V.O.): „Die Reiter werden die Welt nicht vernichten. Sie werden sie reinigen. Alles Unreine wird vergehen. Wenn sie ihren Ritt vollendet haben, wird eine schöne neue Welt entstehen, eine strahlende, reine Erde. Auf der wieder die alten Gesetze gelten.“ – 8.20

 

Überblende: Der vierte Reiter bricht aus dem Höllenschlund hervor und vereinigt sich über dem Erie-See mit seinen Kameraden. Zusammen richten sie eine Welle der Vernichtung in Cleveland an und unterscheiden dabei nicht zwischen Dämonen und Menschen. – 8.21

Lily (V.O.):Wenn wir dabei Opfer bringen müssen, dann müssen wir es eben! Es ist unvermeidlich, wie es unvermeidlich ist, dass jeder Mensch irgendwann einmal sterben muss!“ – 8.10

 

Überblende: Lily tötet Vi mit einem von Samielles geweihten Pfeilen. – 8.13

Silent Hill Eve (V.O.): „Du wirst sie nicht retten können!” – 8.03

 

Überblende: Faith und Evil-Eve kämpfen in Silent Hill gegeneinander. – 8.03

Silent Hill Eve (V.O.): „Du wirst nie gewinnen, Faith!“ – 8.03

 

Überblende: Faith, Ronah und Robin sehen sich Kimberly und einer Gruppe Jägerinnen gegenüber. Während Faith Ronah das Leben rettet, wird Robin von einem von Kims Pfeilen getötet. – 8.20

Silent Hill Eve (V.O.): „Ganz egal was du machst… du bist schuld am Tod deiner Freunde.“ – 8.03

 

Überblende: Faith bricht im Wohnwagen zusammen und hat erneut eine Vision von Evil-Eve. – 8.21

Faith (V.O.):Ich hab’ damals in Silent Hill eine Eve getroffen, die haargenau aussah wie Xanders kleine Schlampe, aber sie war ein Dämon, und hat uns beinahe alle umgebracht.“ – 8.15

 

Überblende: Xander lernt in seinem Büro seine attraktive Kollegin Eve Cronenberg kennen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Beziehung. – 8.08

Magier (V.O.): „Sie ist menschlich.“ – 8.15

 

Überblende: Eve wird in ihrer Wohnung von dem Magier überfallen und nach Malkuth entführt, wo ihr ein uralter Dämon eingepflanzt wird. – 8.20

Zaddik Babette (V.O.): „Es ist nicht mehr deine Gefährtin, mit der wir es zu tun haben…“ – 8.21

 

Überblende: Der Eve-Dämon stürmt das Verletztenlager von Malkuth, doch Xander schafft es, ihre Aufmerksamkeit auf sich zurichten und sie in eine Falle zu locken. Mit Hilfe der Dämonin Babette gelingt es ihm, seine Freundin von dem Alten zu befreien. – 8.21

Lily (V.O.):Wir haben es nie darauf angelegt einzelne Menschen zu retten, seit Anbeginn des Rates nicht.“ – 8.10

 

Überblende: Willow hat eine Vision von einer Jägerin in Not, die sich auch auf ihren Körper auswirkt. – 8.03

D’Hoffryn (V.O.):Die Verbindung zu den Jägerinnen ist Teil der Aufgabe einer Hüterin. Nur, wenn sie die Gefühle der Jägerin versteht, kann sie diese zu einem reifen, verantwortungsbewussten Menschen erziehen.“ – 8.19

 

Überblende: Willow vollführt in Malkuth einen Zauber, der sie mit allen Jägerinnen verbinden soll, um diese aus Lilys Einfluss zu befreien. Nach vollendeter Tat bricht sie unter Schmerzen zusammen. – 8.20

D’Hoffryn (V.O.):Es war nie vorgesehen, dass eine einzige Hüterin für so viele Jägerinnen verantwortlich ist. Diese Aufgabe ist nicht zu bewältigen. Sie wird dich das Leben kosten.“ – 8.19

 

Überblende: In einer seltsamen Zwischenwelt trifft Willow auf die letzte Hüterin der alten Generation und diese erklärt ihr, was es mit ihrer Existenz auf sich hat. – 8.21

Hüterin (V.O.):Es gab eine Prophezeiung, in der von der „Erweckung“ gesprochen wurde. Sie besagte, dass, nachdem die letzte Hüterin ihre Augen für immer geschlossen haben wird, eine neue, mächtigere Generation von Hüterinnen erwacht, geleitet von einer, die die Regeln für immer ändern wird.“ – 8.21

 

Überblende: Der Kampf in Malkuth wird angesichts der einströmenden Wassermassen des Erie-Sees gestoppt und die Jägerinnen suchen das Weite. Lilys Plan ist fehlgeschlagen und sie muss fliehen. – 8.21

Lenhardt (V.O.): „Wir können es uns nicht leisten unser Gesicht zu verlieren, gerade jetzt nicht. Ich habe vorgeschlagen Ms. Usher aus all ihren Ämtern zu entheben.“ – 8.21

 

Zum dritten Mal wird der Bildschirm schwarz. Ein intensiver werdendes zischendes Geräusch wie von eisiger Luft erfüllt die Stille.

Das Orakel (V.O.): „Sie wollte nur hören, was sie hören wollte.“ – 8.21

 

Überblende: In der Zwischenwelt trifft Willow auf Tara und ist angesichts dieser Begegnung sichtlich verwirrt. – 8.21

Willow (V.O.): „Tara, bitte, du musst mir einfach antworten. Wo bin ich hier? Bin ich gestorben?“ – 8.21

 

Überblende: Willow und Tara gehen am Strand spazieren. Tara steckt Willow liebevoll eine Rose ins Haar. – 8.21

Tara (V.O.): „Du bist nicht tot.“ – 8.21

 

Überblende: Warren findet die bewusstlose Willow und bringt sie trotz seines großen Hasses auf sie zu ihren Freunden in Gewahrsam. – 8.21

Andrew (V.O.):Ich lebe in der Realität. Ich bin real, Warren ist real. Und dass wir zusammen sind, unsere Filme gucken und auf Cons gehen... das ist einfach unser Leben, und es hat nichts mit Unreife oder Abhängigkeit zu tun.“ – 8.14

 

Überblende: Andrew findet heraus, dass Warren Malkuth verraten hat und setzt ihn danach mit Gift außer Gefecht. – 8.20

Xander (V.O.): „Dann stimmt es also, dass du hinter unserem Rücken gemeinsame Sache mit diesem... diesem psychopathischen Frauenmörder machst?“ – 8.14

 

Überblende: Warren beobachtet passiv das Geschehen in Malkuth, ehe er unbemerkt in der Dunkelheit verschwindet. – 8.21

Hüterin (V.O.): „Dort wo es gute Menschen gibt, gibt es auch immer schlechte. Wo Treue und Ehre eine Rolle spielen, fruchtet Verrat und Egoismus…“ – 8.21

 

Überblende: Lily ist auf dem Weg sich abzusetzen, als die vier Reiter die Mauer ihres Appartements durchbrechen, um sich den Purificatio-Talisman zu besorgen. – 8.21

Reiter (V.O.): „Wo ist der Talisman?“ – 8.21

 

Überblende: Lily lässt den Talisman in den Gully fallen, nachdem er für sie wertlos geworden ist. – 8.13

Tara (V.O.): „Die Reiter haben ihre Aufgabe vor vielen tausend Jahren schon einmal wahrgenommen. Doch diese Reinigung bedeutet nicht zwangsfrei, dass die Welt für die Menschen wieder lebenswerter wird. Im Gegenteil... viele überlebende, reine Kreaturen könnten wieder mächtiger werden und erneut die Vorherrschaft übernehmen – sofern überhaupt auch nur ein Mensch überlebt." – 8.21

 

Überblende: Buffy besucht auf Giles’ Anraten hin das Orakel. – 8.21

Das Orakel (V.O.): „Dadurch, dass du ihr dein Blut gegeben hast, um sie zu erschaffen, hast du es erst möglich gemacht, den Schlüssel zum Sieg in den Händen zu halten.“ – 8.21

 

Überblende: Buffy und der Unsterbliche stellen in Rom gemeinsame Nachforschungen über ein womöglich wichtiges Amulett an. Dabei kommen sie sich näher. – 8.19

Buffy (V.O.): „Welchen Sieg meinst du?“ – 8.21

 

Überblende: Im Wächterhaus zeigt Buffy den anderen eine leere Papierrolle, welches in dem Amulett des Unsterblichen verborgen war. Als Dawn sie in die Hände nimmt, glüht sie auf und eine selbst für Giles unbekannte Schrift wird sichtbar. – 8.20

Das Orakel (V.O.): „Den Sieg über die vier Alten.“ – 8.21

 

Überblende: Dawn trifft auf Akira, der ihr erklärt, dass ihre Schlüssel-Kräfte im kommenden Kampf von entscheidender Wichtigkeit sind und ihr zeigen will, wie sie sie nutzen kann. – 8.21

Akira (V.O.): „Es wird Zeit zu lernen, Dawn.“ – 8.21

 

Der Bildschirm wird ein letztes Mal dunkel. Wir vernehmen lediglich das immer lauter werdende Rumpeln der Erde.

Das Orakel (V.O.): „Lernt den Schlüssel zu benutzen.“ – 8.21

 

 

TEASER

 

Cleveland, Friedhof

Noch immer dieselbe Nacht

Ein starker Wind ließ die alten Bäume auf dem Friedhof ächzen und stöhnen. Das Gebüsch an den Wegen duckte sich unter dem Wind und vereinzelt rissen sich Blätter los, die in die Höhe getragen wurden. Inhalte von Mülleimern wurden spielend leicht vom Wind ergriffen und über den leeren, dunklen Friedhof getrieben, bis sie sich im Gestrüpp verfingen. Die Gräber wirkten unbeeindruckt vom Sturm, nur das eine oder andere Totenlicht wurde gelöscht.

 

Eine alte, vergilbte Zeitung wurde vom Wind über die Gräber gejagt, vorbei an kürzlich verstorbenen Ehemännern, Großvätern, Müttern, Kindern, weiter über einen alten Teil des Friedhofes, wo längst vergessene Pioniere Clevelands beerdigt lagen, verfing sich kurz an einem alten Grabstein auf einem Veteranengrab und wurde vom Wind schließlich weiter gezerrt, bis sie erneut auf einem Grabstein hängen blieb, wo sie den größten Teil der Inschrift verdeckte. Nur ein schlichtes Vivian war zu erkennen…

 

Ehe der Wind die Zeitung erneut aufgriff begann der Regen. Kleine Wasserbäche zwischen dem Kies auf den Wegen entstanden, Erde auf den Gräbern schwamm davon und die Sicht über das Gebiet wurde verschleiert von einem dichten Vorhang aus kalten Regentropfen.

 

Das Eisentor am Eingang des Friedhofes schlug im Wind auf und zu, quietschte dabei unerträglich und ließ die vier Pferde, gewaltige Streitrosse, unruhig mit ihren Hufen scharren. Das Wetter gefiel selbst diesen höllischen Reittieren nicht, die weitaus Schlimmeres gewöhnt waren. Doch der Boden zu ihren Hufen war bereits vom Regen durchweicht und kleine Rinnsaale flossen über den hier betonierten Weg nach draußen auf den Gehsteig, wo sich das Wasser über den Rand in einen offenen Kanalschacht ergoss...

 

Flashback nach der Beerdigung der Jägerin Nadine

Lily streckt Buffy die Hand entgegen. „Auf gute Zusammenarbeit?“

 

„Auf den Waffenstillstand.“

 

Die beiden Frauen lösen ihre Hände und sind völlig unbewusst Richtung Ausgang gegangen.

 

„Ich geh zurück zu Giles, nach Dawn sehen“, sagt Buffy unschlüssig.

 

„Ich muss noch einmal zurück...“ Lily weißt zum Grab, das jetzt verlassen ist, und Buffy nickt.

 

Lily sieht Buffy hinterher, bis sie um die nächste Straßenecke gebogen ist. Erst dann öffnet sie ihre Handtasche und zieht den Purificatio-Talisman heraus. Sie wirft den nutzlos gewordenen Talisman einen letzten Blick zu, ehe sie ihn mit einem raschen Wurf in den Gully zu ihren Füssen befördert.

Ende Flashback

 

... Lily, sichtlich erschöpft, rutschte mehr die Eisenleiter des Kanalschachtes hinunter, als dass sie sicher einen Fuß vor den anderen hätte setzten können. Über ihr stiegen zwei der Reiter nach und unter ihr sprangen die beiden anderen bereits in das übel riechende, schmutzige Abwasser von Cleveland.

 

Sie konnte nicht fassen, wie sie sich in diese Situation hatte bringen können. Aber hatte sie eine Wahl gehabt? Die Reiter verlangten nach dem Talisman – jenem magischen Objekt, von dem sie annahm, er diente nur zur Bindung einer mächtigen Dämonin und den sie nach getanem Werk achtlos in den Gully hatte fallen lassen. Natürlich hatte sie das den Vieren nicht genau so erzählt. Im Gegenteil. Sie hatte ihnen weismachen können, dass sie ohne sie den Talisman hier unten nie finden würden. Aber was würde erst mir ihr geschehen, wenn die Reiter dahinter kamen, dass sie sie nur an der Nase herumgeführt hatte?

 

Als Lily das Ende der Leiter erreichte, zögerte sie mit dem Sprung in die dunkle Brühe, aber da der heutige Tage sowieso alles andere als erfolgreich verlaufen war, kam es auf eine ruinierte Hose in der Nacht auch nicht mehr an. Und vielleicht blieb ihr gar nicht mehr all zu viel Zeit, um sich darüber wirklich Sorgen machen zu können. Also sprang sie. Angewidert verzog Lily das Gesicht, als Wasser hoch spritzte und ihr Gesicht benetzte. Mit missmutigem Blick zu den beiden Dämonen vor sich, strich sie sich eine zerzauste Haarsträhne hinter das Ohr.

 

Es gab möglicherweise noch eine Chance für sie, aber da die Reiter bisher nicht viel mit ihr gesprochen hatten, baute sie nicht all zu sehr darauf. Aber ein Versuch war es wert:

 

„Darf ich die ehrenwerten Dämonen daran erinnern, dass sie ihr Hiersein nur mir verdanken?“ Die beiden Dämonen wandten ihren Kopf zu Lily. Als ihr nur kalte Augen entgegen starrten, packte sie die Wut und ließ sie ihre vorsichtige Wortwahl vergessen. „Wäre ich nicht gewesen, würdet ihr noch immer in euren Dreckslöchern feststecken und auf den ersehnten Tag der Befreiung warten. Und wäre ich nicht gewesen, hättet ihr euren Vierten im Bunde niemals zu euch holen können. Es ist allein mir zu verdanken. Ein wenig Entgegenkommen von euch wäre da nur recht und billig.“

 

Inzwischen waren auch die beiden anderen Dämonen ins Wasser gesprungen und ohne auf ihre Worte zu achten, stieß ihr der asiatische Dämon die behandschuhte Hand in den Rücken, so dass sie ein paar Schritte nach vorne taumelte. Es war also sinnlos mit den Dämonen zu verhandeln. Frustriert knipste Lily ihre Taschenlampe an und zeigte mit dem Lichtstrahl in den Gang. Eine aufgescheuchte Ratte huschte aus dem Lichtkegel und Lily schüttelte es erneut.

 

„Wir müssen da lang. Der Talisman ist sicher vom Wasser mitgerissen worden...“

 

„Ihr solltet daran denken, dass wir kurzen Prozess machen werden, wenn es sich hier nur um eine Hinhaltetaktik handelt“, unterbrach sie überraschend der indianische Dämon mit einer tiefen, bedrohlichen Stimme, die Lily erschaudern ließ.

 

„Oder um ein Spiel“, fügte der afrikanische Reiter mit sonderbar knarrender Stimme hinzu.

 

„Wir sind die wahren Herrscher dieser Welt und haben es nicht nötig mit Kreaturen wie Ihr es seid zu verhandeln“, sagte der europäische Dämon mit dröhnender Stimme.

 

„Ihr bleibt nur so lange am Leben, bis wir uns überzeugt haben, dass Ihr uns nicht an der Nase herumführt“, schloss der Asiate den Kreis.

 

Lily blieb nichts anderes übrig, als laut und frustriert die Luft auszustoßen, ehe sie ergeben und geschlagen in der Mitte der vier Dämonen durch das Wasser zu waten begann. Vielleicht wurde es Zeit für Plan B.

 

Cleveland

Selbe Nacht

Etwas lag in der Luft.

 

Große Ereignisse warfen ihre Schatten voraus.

 

Das hätte er auch ohne die offensichtlichen Anzeichen wie zerstörte Straßenzüge, leere Häuser, fliehende Menschen und Dämonen bemerkt. Schließlich wurde man nicht so alt wie er, wenn man nicht ein gewisses Gespür für derartige Entwicklungen hatte.

 

Der Unsterbliche machte sich allerdings um sein Überleben keine Sorgen. Bisher hatte er schließlich alles überstanden.

 

Allerdings sorgte er sich durchaus um die Welt. Eine Apokalypse wäre das Letzte, was er gebrauchen konnte, schließlich gefiel ihm die Welt so, wie sie war. Insbesondere, weil er nicht daran dachte, Einfluss oder Macht, wie subtil sie auch sein mochte, an die Alten abzugeben.

 

Und natürlich gab es da noch einen anderen Faktor... eine gewisse blonde Frau, die es ihm durchaus angetan hatte. Auf jeden Fall war ihre Gesellschaft interessant, gerade ihre Uneinigkeit mit sich selbst machte sie zu einer faszinierenden Person.

 

Von Liebe würde er nicht sprechen – er hatte genug Erfahrung in diesen Dingen, um so gut wie nie davon zu sprechen – aber eine gewisse Anziehungskraft war schon vorhanden.

Allerdings war dies nur ein eher unwesentlicher Grund, weshalb er nach Cleveland gekommen war. Vielmehr ging es ihm darum, die Truppe um die Jägerin mit neuen Informationen zu beliefern, um die Apokalypse rechtzeitig aufhalten zu können.

Wie gesagt, der Gedanke an den bevorstehenden Umsturz gefiel ihm nicht. Und selbst kämpfen?

 

Nein, danke, an diesen Kreaturen würde er sich sicher nicht die Finger schmutzig machen.

Das war schon lange nicht mehr sein Stil.

 

Plötzlich hörte er hinter sich ein leises Fauchen und das Geräusch von mehreren Schuhen, die auf das nasse Pflaster trafen.

 

Vier Vampire. Dem Lärm nach Neulinge.

 

Der Unsterbliche seufzte. Leider war seine Fahrgelegenheit dem allgemeinen Chaos zum Opfer gefallen, weshalb er nun zu Fuß gehen musste. Was die Wahrscheinlichkeit solcher Begegnungen erhöhte.

 

„Denkt darüber nach“, sagte er sanft, ohne sich umzudrehen. Langsam schritt er weiter die Straße entlang.

 

Ein Vampir knurrte verärgert auf und stürzte sich auf ihn.

 

Der Unsterbliche schien sich überhaupt nicht zu bewegen, dennoch verfehlte ihn der Sprung, woraufhin der Angreifer lautstark gegen einen Zaun krachte.

 

Der Unsterbliche musterte den Vampir. Es war ein Jugendlicher, kaum älter als 16 Jahre, gekleidet in eine abgerissene Jeans und eine Lederjacke. Gerade richtete er sich fluchend wieder auf und starrte sein erwähltes Opfer an.

 

Dieser lächelte noch immer, obwohl der Vampir  sein dämonisches Konterfeit zeigte und ihm den Furcht erregendsten Blick zuwarf, dessen er fähig war.

 

Neulinge. Er hatte richtig geraten.

 

Betont langsam drehte er sich um und musterte die anderen drei Vampire. Zwei Männer, eine Frau. Sie wirkte in ihren Bewegungen selbstsicherer, sich ihrer dämonischen Kraft bewusst. Sie hatte im Gegensatz zu ihren ebenfalls sehr jungen Begleitern – der ältere der beiden war vielleicht gerade 21 geworden – auf ihre vampirische Maske verzichtet. Außerdem war sie darauf bedacht, unauffällig zu wirken, während die beiden anderen Kleidung gewählt hatten, die aus ihrer Sicht wohl „cool“ wirkte. Der rechte trug einen langen Ledermantel, während der andere sich für eine ähnliche Lederjacke wie sein unglücklich gestürzter Begleiter entschieden hatte.

 

Poseure.

 

Er sah sich kurz um – es wäre jetzt äußerst unpassend gewesen, wenn eine Jägerin aufgetaucht wäre, egal, zu welchem Lager sie gehörte. Heute wollte er ungern Blut vergießen, dazu war seine Stimmung zu gut. Außerdem würde es seinen Anzug ruinieren.

 

Dann lächelte er erneut und wandte sich direkt an die offensichtliche Anführerin.

Mylady, würde es Euch etwas ausmachen, Eure... Lakaien... zurückzupfeifen? Ich bin nicht in der Stimmung für einen Kampf.“

 

„Was hab ich davon?“, gab sie zurück. Ihr Tonfall war eiskalt. Gut. Ruhig und beherrscht. Eine Eigenschaft, die für Wesen wie sie überlebenswichtig war.

 

„Ihr und Eure Lakaien überlebt diese Nacht.“

 

„So weit kommt’s noch“, zischte sie und spuckte aus.

 

Der Unsterbliche seufzte. Hatte er sie doch überschätzt. Er sah manchmal einfach zu viel in den Leuten – lebende und tote...

 

Der Kerl mit der Lederjacke griff ihn mit einem unbeherrschten Faustschlag an. Ehe der Vampir wusste, wie ihm geschah, hörte er ein scharfes Knirschen und ein furchtbarer Schmerz fuhr durch seinen Arm, der nun in einem unnatürlichen Winkel vom Körper abstand.

Aufstöhnend ging er in die Knie.

Die Vampirin starrte den Unsterblichen verwirrt an. Er schien sich überhaupt nicht bewegt zu haben.

 

Fast zeitgleich griffen ihn die beiden anderen an. Der Vampir, der ihm in den Rücken fallen wollte, sah sich plötzlich auf dem Boden vor dem Unsterblichen liegend, während der andere zurückgeschleudert wurde und krachend auf dem Asphalt landete.

 

„Ich bluffe nicht. Wenn ich etwas sage, meine ich es auch so. Ich habe Euch nichts getan. Ihr solltet einfach Eurer Wege ziehen.“

 

Er trat auf sie zu und veränderte sich. Die Vampirin wurde blass und wich entsetzt zurück.

Es war keine körperliche Verwandlung, wie sie bei manchen Vampiren oder Dämonen üblich war. Auch an seiner Körperhaltung oder dem sanften, freundlichen Lächeln in seinem Gesicht änderte sich nichts.

 

Aber auf einer unterbewussten, verborgenen Ebene ließ er eine Maske fallen. Der Anblick war weitaus schrecklicher als der vieler Dämonen. Seine Augen... sie waren das Zentrum dieses schleichenden Grauens, welches von ihm ausging. Auch hier gab es keine körperliche Veränderung, aber nun konnte man durch sie hindurch sehen... auf eine lichtlose Öde, eine vollkommene Finsternis jenseits von Gut und Böse, jenseits von jeglichen Grenzen, jenseits von allem.

 

Zwei der männlichen Vampire verschwanden schreiend in der Nacht, doch die Anführerin blieb stehen, wenn sie auch zitterte wie Espenlaub. Der letzte ihrer Begleiter kauerte sich entsetzt zu ihren Füßen.

 

Nun war er doch wieder beeindruckt.

 

B-bist du wie w-wir? Ein G-G-geschöpf der Finsternis?“, stammelte sie, woraufhin der Unsterbliche den Kopf schüttelte.

 

„Ihr seid jung. Über wahre Finsternis müsst Ihr noch viel lernen. Nehmt dies als Eure erste Lektion.“

 

Der Vampir am Boden riss entsetzt die Augen auf, als schattenhafte Wolken tiefster Finsternis aus dem Boden quollen, und ihn schnell einhüllten.

Schnell war er in der Dunkelheit verschwunden.

 

Für einige Sekunden war es totenstill. Dann zerriss ein lauter, schmerzerfüllter Schrei die Luft. In der Wolke aus tiefster Dunkelheit bewegte sich etwas und ein lautes Reißen und Knirschen war zu hören.

 

Der Vampir schrie und schrie... und dann war er still.

 

Die Dunkelheit verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Zurück blieb nur ein Häufchen Staub und ein großer Blutfleck.

 

Die Vampirin starrte den Unsterblichen fassungslos an. Dieser wiederum lächelte immer noch sein hintergründiges Lächeln, als er sich ihr näherte und sie ein zweites Mal musterte.

Sie war hübsch. Stark. Und sie hatte zwar Angst, ließ sich davon aber nicht beherrschen.

 

„Ihr habt großes Potential, Mylady. Wie ist Euer Name?“

 

L-Lucy“, hauchte die Vampirin verwirrt.

 

„Nun... Lucy... wenn Ihr die nächsten... 20 Jahre überleben solltet, kommt nach Rom. Ich könnte Euch beibringen, Euer Potential besser zu nutzen... Mehr zu werden als ein bloßes Raubtier der Nacht.“

 

Als er ihren verwirrten Gesichtsausdruck sah, beeilte er sich schnell hinzuzufügen: „Ihr müsst Euch jetzt noch nicht entscheiden, aber Ihr solltet das Angebot in Erwägung ziehen. Ich warte auf Euch.“

 

Mit diesen Worten wurde er wieder vollends normal und drehte sich ohne ein weiteres Wort um, einer im Augenblick wichtigeren Verabredung entgegen.

 

 

AKT 1

 

Am nächsten, sehr frühen Morgen (Morgengrauen)

Bürogebäude

„Okay, hier ist es.“ Dawn, die die kleine Gruppe Jägerinnen anführte, blieb an einer Straßenecke stehen und zeigte im Morgengrauen auf ein großes Gebäude vor ihnen, das offensichtlich leer stand. Im unteren Stock klebten große Immobilien-Aufkleber, die den Verkauf ankündigten. Wenn es hier einmal eine Verschwörung gegeben hatte und Lily mit den Jägerinnen einen finsteren Plan ausgeheckt hatte, würden ihre Chancen hier etwas zu finden sicherlich ziemlich gering sein.

 

Buffy trat neben ihre Schwester und blickte an dem Gebäude hinauf. „Sieht verlassen aus.“

 

„Das war es auch, als Shin und ich hier waren. Die Aufkleber sind allerdings neu. Lily scheint keine Zeit verschwendet zu haben“, meinte Dawn.

 

„Sie hat genug Dreck am Stecken, den sie verbergen muss“, schnauzte Faith etwas aggressiv hinter Buffy’s Schwester, die ihren Kopf zurück wandte und Faith, Ronah und Kennedy kurz musterte.

 

„Das ist allerdings wahr. Also, können wir?“

 

Die drei nickten entschlossen und ließen sich dann von Dawn, gefolgt von Buffy, über die Straße auf die Rückseite des Gebäudes führen. Der Verkehr war noch ziemlich ruhig und sie waren auf ihrem Weg hierher nur wenigen Passanten begegnet, die ihren Zug oder die Straßenbahn frühzeitig erwischen wollten. Es gab keinen Grund, sich über Augenzeugen Sorgen machen zu müssen.

Sie selbst hatten nach dem gestrigen Tag und der Nacht eigentlich Schlaf nötig gehabt, aber Spuren und Beweise für Lilys schändliches Spiel zu finden war viel wichtiger als der eigene Erholungsschlaf.

 

Shin und ich sind über das Dach in das Gebäude eingedrungen“, erklärte Dawn den anderen, während sie um das Gebäude schlichen.

 

„Auch ’ne Möglichkeit“, meinte Ronah. „Aber die Tür sieht auch gut aus, oder?“ Sie zeigte dabei auf eine Eisentür vor ihnen.

 

Sie sah robust aus und Buffy zog zweifelnd ihre Stirn kraus. „Ich schätze, die sieht nicht nur unüberwindbar aus, sondern ist es auch“, dabei zog sie probehalber am Türknauf. Die Tür bewegte sich nicht.

 

„Verdammt“, fluchte Faith enttäuscht und sah am Gebäude hinauf. Das Dach schien immer mehr zur Alternative zu werden.

 

„Kein Grund zur Panik.“ Kennedy legte Dawn eine Hand auf die Schulter und zog sie zur Seite. „Dann suchen wir eben einen anderen Weg in das Gebäude.“

 

„Wieso machen wir es so umständlich? Ein gezielter Tritt und wir sind drinnen.“ Faith machte Anstalten auszuholen, wurde aber rasch von Buffy zurückgerissen.

 

„Und wenn sie da drinnen einen Sicherheitsdienst haben, der nach dem Rechten sieht, bis sie das Gebäude verkauft haben?“ Buffy schüttelte den Kopf. „Es muss einen anderen Weg geben.“

 

„Ja, wie wäre es damit?“ Ronah hatte sich inzwischen etwas auf der Rückseite umgesehen und eine Kellerklappe gefunden. „Ist auch unverschlossen“, grinste die dunkelhäutige Jägerin und machte für die anderen eine einladende Handbewegung.

 

Faith starrte einen Moment lang noch Buffy an, die nicht recht wusste, ob sie die dunkelhaarige Jägerin verärgert hatte oder es einfach an ihrer Stimmung lag. Sie wollte sie deswegen nicht verurteilen – sie wusste ja selbst nur zu gut, wie es sich anfühlte den Menschen zu verlieren, den man liebte. Daher ließ sie Faith rasch los, setzte ein liebenswürdiges Lächeln auf und meinte heiter: „Na, auf was warten wir noch?“

 

Im Keller des Gebäudes war es dunkel und trocken. Der Geruch von alten Akten hing in den Räumen und die fünf Jägerinnen tasteten sich langsam voran, bis sie auf eine Treppe stießen, die sie nach oben ins Erdgeschoss führte. Buffys Befürchtung über Sicherheitspersonal schien unbegründet – niemand war zu sehen, kein Geräusch zu hören. Der Empfangsbereich war unbesetzt. Etwas mutiger verließen die fünf das Treppenhaus und steuerten auf den Fahrstuhl zu.

 

„Ich hoffe der funktioniert heute auch noch und sie haben nicht den Strom abgestellt“, murmelte Dawn. „Ich lauf keine 20 Stockwerke nach oben.“

 

Das Glück blieb weiterhin auf ihrer Seite – die Türen öffneten sich und die Elektronik setzte den Fahrstuhl in Bewegung, nachdem Ronah das Stockwerk gedrückt hatte. Schweigend standen sie im Kreis, nicht sicher, was sie dort oben finden würden, aber wild entschlossen alles in Einzelteile zu zerlegen, um Beweise zu finden.

 

Als kurz darauf der Fahrstuhl im 20. Stock hielt und die Türen auf glitten, zogen die Jägerinnen ihre Waffen unter ihren Jacken und Mänteln hervor und traten langsam um sich blickend auf den Flur hinaus. Für einen Moment hielten sie alle die Luft an und lauschten in die Stille. Sie hörten keine Stimmen, keine verdächtigen Geräusche.

 

„Okay, Dawn“, flüsterte Buffy. „Bring uns zu dem Raum, wo du Lily gehört hast.“

 

Dawn nickte und ging vorsichtig den Flur entlang. Sie erkannte die Tür wieder, hinter der sie mit Shin gewartete hatte und beschloss, dass der Raum links davon hinter der nächsten Tür liegen musste. Langsam drehte sie den Türknauf und öffnete ebenso vorsichtig die Tür. Dahinter lag ein Konferenzraum – leer und verlassen.

 

Dawn stieß erleichtert die Luft aus, öffnete die Tür ganz und trat gefolgt von den anderen ein.

 

„Der Vogel scheint ausgeflogen zu sein“, knurrte Faith aufgebracht. Ihr hätte es größtes Vergnügen bereitet Lily persönlich zu begegnen. Es gab eine offene Rechnung... und nichts auf der Welt würde sie je davon abhalten, es Lily zurückzuzahlen. Nur über die Art der Rückzahlung war sie sich nicht wirklich sicher. Doch wäre ihr jetzt Lily über den Weg gelaufen, hätte sie mit Sicherheit dafür gesorgt, dass die Wächterin schmerzhafte Bekanntschaft mit den Kräften einer Jägerin gemacht hätte. Unbemerkt von den anderen zog eine dunkle Wolke über Faith’s Gesicht und ihre freie Hand ballte sich zu einer verkrampften Faust.

 

„Noch haben wir die anderen Räume“, meinte Ronah aufmunternd, während Kennedy und Buffy sich suchend im Raum umblickten. Alles was sie fanden war eine halb gerauchte Zigarre, die kalt und einsam unter dem Tisch lag.

 

„Gehen wir weiter“, schlug Dawn vor. Sie verließen den Konferenzraum wieder und teilten sich auf dem Flur auf. Dawn, Kennedy und Buffy wandten sich nach links und überließen Ronah und Faith den rechten Bereich.

 

Während sie über den staubigen Fußboden gingen und Tür für Tür aufstießen, mussten sie erkennen, dass hier tatsächlich eine größere Gruppe Menschen für eine befristete Zeit gelebt haben musste – sie fanden Matratzenlager, zerknüllte Einkaufstüten, leere Verpackungen von einigen Fast-Food-Ketten, leere Wasserflaschen und, um ihre Befürchtungen bestätigt zu finden, fand Faith in einer Ecke ein zerrissenes Top und Dawn ein Schwert, das vergessen unter einer Matratze lag.

 

Sie trafen sich schließlich mit ihren Funden in der Mitte des Stockwerkes wieder und blickten sich besorgt an.

 

„Das wäre zumindest der Beweis dafür, dass die Jägerinnen hier waren. Aber keiner, der Lily überführen könnte“, seufzte Buffy frustriert.

 

„Aber irgendetwas muss es doch geben.“ Verzweifelt blickte sich Ronah um. Aber der leere Flur blieb was er war – staubig und leer.

 

„Wir haben noch diese eine Tür hier.“ Buffy deutete auf eine Tür, die sie bisher noch nicht überprüft hatten. „Vielleicht haben wir etwas mehr Glück.“ Entschlossen trat Buffy vor und öffnete die Tür mit Milchglas-Einsatz. Die anderen drängten neugierig nach.

 

Ein großer Schreibtisch vor einem alten, eingestürzten Kamin, leere Regale, ein recht schmutziges Fenster nach draußen und ein grüner Teppichboden begrüßten sie.

 

„Wenn hier jemand war, hat er gut aufgeräumt“, murmelte Dawn.

 

„So einfach geben wir nicht auf.“ Buffy riss bereits die Schubladen des Schreibtisches auf, aber sie waren alle leer. „Verdammt... nichts.“

 

„Und was ist damit?“ Kennedy ging vor dem alten Kamin in die Hocke und fasste in einen Berg Asche.

 

„Wer weiß wie alt die Asche ist.“ Faith klang nicht begeistert.

 

„Sie liegt ordentlich auf einem Häufchen. Kann also noch nicht lange her sein“, meinte Kennedy entschlossen darüber, ihren Fund nicht gleich als Misserfolg abzutun. „Oh... Moment mal.“ sie beugte sich etwas weiter in den Kamin und ihre Finger suchten flink und eilig in der Asche, bis sie triumphierend einen Papierfetzen hoch hielt. Er war nicht groß und von der Asche schwarz verschmiert und selbst angekohlt. „Na wer sagt’s denn. Jetzt haben wir den Beweis, dass Lily hier war. Da steht ihre Name drauf.“ Kennedy wischte vorsichtig die Asche ab und reichte Buffy den Zettel.

 

„Es ist nur ein Stück eines Briefumschlages“, meinte die blonde Jägerin. „Und auch nur ein Teil ihres Namens. Nichts, was wir vor dem Rat verwenden könnten.“

 

„Aber es ist ein Anfang und wir wissen jetzt, dass wir keinem Phantom nachjagen“, verteidigte Kennedy ihren Fund.

 

„Hey... gilt mein Wort nichts mehr“, protestierte Dawn. „Ich hab’ sie schließlich gehört.“

 

„Aber das würden die Wächter erst recht nicht als Beweis anerkennen“, brummte Ronah und gab einem alten Stuhl vor sich einen frustrierten Tritt.

 

„Es spielt keine Rolle was der Rat denkt. Wir wissen nun für uns, dass Lily samt ihren Jägerinnen hier waren und alle bereits fluchtartig ausgeflogen sind.“ Buffy machte bereits wieder kehrt und ging zur Tür. „Es existieren keine wichtigen Beweise mehr und wir können zurück zu Giles gehen, um bei den Recherchen zu helfen. Es nützt nichts hier herumzustehen und darüber zu jammern, dass wir zu spät gekommen sind. Lily ist uns bereits wieder einen Schritt voraus.“

 

Ein lautes Krachen ließ vier der Jägerinnen erschrocken zusammenfahren, als Faith einen Stuhl attackierte, ihn dabei jedoch mit einem einzigen Tritt gegen die Wand in Einzelteile zerlegte. Vor Wut etwas außer Atem starrte Faith die anderen an. „Es kann doch nicht angehen, dass wir nichts tun können und eine Mörderin einfach so davon kommt? Verdammt noch mal – mich hat man auch eingesperrt. Da hat es kein Schwein interessiert, wie die Umstände waren. Und hier wird eine mehrfache Mörderin vom gesamten Rat gedeckt?“ Faith Stimme war lauter geworden und ihre Wut und Frustration stand ihr deutlich im Gesicht.

 

Ronah machte einen Schritt auf die Jägerin zu, um sie zu beruhigen, doch Faith hob abwehrend ihre Hand und die dunkelhäutige Jägerin blieb wo sie war. Die anderen sahen sie noch immer an, fassungslos, aber auch mitfühlend, unfähig etwas zu erwidern. Schließlich hatte sie ja recht.

 

Als Faith erkannte, dass es keine Antworten gab, die ihr den Schmerz über Robins Tod leichter machen würden, oder Lily als Mörderin überführen konnten, sackten ihre Schultern herunter und sie starrte auf den Boden.

 

Da es nichts gab, was die anderen für sie tun konnten, drehten sie sich schweigend zur Tür und verließen niedergeschlagen das Büro. Faith holte tief Luft und wollte den anderen folgen, noch immer aufgebracht, aber zumindest etwas gefasster, als sie hinter sich ein Geräusch hörte. Als sie sich gerade danach umdrehen wollte, hörte sie eine vertraute Stimme „Faith“ hinter sich im Zimmer rufen. Eine Stimme, die ihr inzwischen zwar eine Gänsehaut bereitete, ihr aber nicht mehr wirklich Angst einjagen konnte.

 

Langsam wandte Faith ihren Kopf zurück und erblickte, was sie erwartet hatte: Eve. Die verrückte Eve, wie sie vor dem Kamin saß und sie dabei aus ihren irren, kalten Augen anstarrte. Faith rührte sich nicht. Sie wollte nicht zu erkennen geben, dass ihr der Anblick der Irren unangenehm war. Also beobachtete sie stumm, was weiter geschah. Eve verzog inzwischen ihre Lippen leicht zu etwas, das sie sicher als Lächeln bezeichnet hätte, aber für Faith wie eine aufgesetzte Fratze wirkte, ehe sie in die Asche langte. Langsam zog die blonde Frau ihre Hand zurück, auf der ein Häufchen Asche lag. Genauso langsam hob sie diese dann zum Mund und blies die Asche mit einem lauten, hässlichen Lachen Faith kräftig ins Gesicht.

 

Für einen Moment war sie fast soweit sich auf das Phantom zu stürzen, aber dann straffte sie ihre Schultern, behielt eine unbewegliche Miene auf und drehte sich einfach um, um den anderen zu folgen. Dieses Mal hatte sie nicht vor, sich wieder verunsichern zu lassen.

 

Ungeduldig blickten die vier anderen Jägerinnen Faith entgegen, die nach ihnen aus dem Büro kam und die Tür schloss. Sie warteten bereits am Fahrstuhl auf sie und die dunkelhaarige Jägerin beeilte sich zu ihnen zu kommen.

 

„Entschuldigt“, murmelte sie und betrat mit den anderen den Fahrstuhl. „Was machen wir jetzt? Außer zu Giles zurückzukehren, meine ich?“

 

„Was sollten wir schon groß machen? Lily ist weg“, seufzte Kennedy.

 

„Eben. Gehen wir einfach zu Giles und hören uns an, was er in den letzten Stunden seit wir vom Orakel zurück sind herausgefunden hat. Schließlich hat er jetzt ’ne Menge Material“, stöhnte Buffy. „Er ist sicher ganz in seinem Element.“

 

„Ganz bestimmt“, grinste Dawn. „Ich hab allerdings was Wichtiges vor. Ich kann nicht mit euch kommen.“ Dabei blickte Dawn auf ihre Uhr und runzelte die Stirn.

 

„Oh, ja sicher. Schule“, nickte Buffy. „Auch wenn der Weltuntergang ansteht. Schule ist wichtig und...“

 

„Ich weiß, Buffy, ich weiß“, grinste Dawn und war in ihren Gedanken bei Akira im Teehaus, der sie dort erwarten würde. Da sie selbst noch immer nicht so recht wusste, was sie von dem allem halten sollte, wollte sie Buffy vorerst in dem Glauben lassen, sie ginge brav in die Schule und hätte so viel Nerven, den Rest alleine über den Weltuntergang Ratssitzung halten zu lassen.

 

„Wegen Morgen“, Ronah sah vorsichtig zu Faith. „Sollen wir Xander und Andrew Bescheid geben? Wegen Robins Beerdigung?“

 

Faith nickte langsam und Buffy runzelte die Stirn. „Wenn wir sie finden... Malkuth ist groß.“

 

Malkuth

Zur selben Zeit

Langsam schlich Eve durch die große Halle, die mit behelfsmäßigen Krankenbetten voll gestopft war. Die Szenerie wurde von Kreaturen bevölkert, die sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können. Sie war sich ziemlich sicher, in einer dunkleren Ecke eine riesige Eidechse gesehen zu haben, und würde sogar die Hand dafür ins Feuer legen, dass sie vor einigen Minuten eine kleine Familie erspäht hatte, in der jedes Mitglied rote Haut und teufelsähnliche Hörner trug.

 

Es lief ihr kalt über den Rücken, als sie daran dachte, dass sie angeblich selbst in der Gestalt eines Dämons hier herumgelaufen sein sollte; ihre Erinnerungen daran waren allerdings mehr als vage.

 

„Entschuldigung, Ma’am, hätten sie vielleicht eine Sekunde Zeit?“, wurde Eve unsanft aus ihren Gedanken gerissen. Als sie aufsah, wurde sie von den strahlenden Augen einer blauhäutigen, blonden Krankenschwester angelächelt, die ihr im nächsten Augenblick ein Baby in die Arme drückte. Zumindest ging sie davon aus, dass es sich bei dem haarigen Ding um ein Baby handelte.

 

Sie schreckte hoch, als sich das Etwas heftig bewegte, und musste lächeln, als sie aus den Unmengen von Haaren drei strahlend gelbe Augen anstarrten.

 

„Danke sehr, Ma’am!“ Die Schwester nahm ihr das Pelzding wieder ab und überreichte es der Mutter, doch bevor sie sich noch einmal an Eve wenden konnte, war diese schon wieder weitergegangen.

 

Als die blonde Frau schließlich um die nächste Ecke bog, lief sie beinahe mit voller Wucht direkt in Xander. Dieser stoppte noch rechtzeitig, und sah sie fragend und besorgt an.

 

„Endlich hab ich dich gefunden... Er beugte sich zu ihr nieder und küsste sie zärtlich. „Ich habe dich schon überall gesucht. Wie geht’s dir?“

 

Eve strich sich ihre blonden Haare aus dem Gesicht und sah Xander unsicher an. „Hm, ich weiß nicht genau. Es ist komisch. Ich fühle mich... als... ich weiß, das hört sich jetzt total bescheuert an, aber ich fühle mich, als hätte jemand heute Nacht meine Eingangstür mit voller Wucht eingeschlagen, meine komplette Einrichtung zerstört und wäre dann mit voller Wucht aus mir herausgerissen worden...“ Eve machte eine Pause. Sie kam sich ziemlich dumm vor. Ihre Erklärung war doch ein Witz. Sie war doch kein Wohnhaus, in das man einfach einbrechen konnte. Sie war ein Mensch. Ein normaler Mensch. So etwas durfte gar nicht geschehen. Das war doch unmöglich.

 

„Schatz?“ Xanders besorgter Gesichtsausdruck verstärkte sich, während er einen Schritt auf sie zutrat und sie schlussendlich umarmte.

 

Er drückte sie fest an sich, und zuerst wollte sie sich wehren, ihn nicht an sich heranlassen; sie wollte niemanden mehr an sich heranlassen, doch dann brach die Mauer auch schon wieder zusammen, und sie gab sich der Liebkosung hin.

 

„Es tut mir alles so Leid. Wenn ich nur wüsste, wie ich dir helfen kann...“, flüsterte er ihr ins Ohr, und strich ihr daraufhin zärtlich durchs Haar.

 

„Ich wüsste da etwas…“, antwortete Eve, löste sich aus der Umarmung und sah ihm tief in die Augen. „… bring mich hier raus. Ich will weg von hier. Weg von diesen Monstern. Weg von all dem Leid. Bring mich in ein normales Spital, indem sie meine Wunden normal behandeln können.“

 

Xander starrte sie zuerst verwirrt an, dann wurde ihm jedoch langsam klar, warum Eve die ganze Zeit so verstört wirkte. Ihre komplette Welt wurde auf den Kopf gestellt. Vor einigen Tagen existierte für sie nur die „normale“ Welt. Die Welt ohne Dämonen und Monster.

 

Jetzt stand sie jedoch mitten in einer Stadt voller Wesen, die es laut ihrem Weltbild gar nicht geben konnte. Natürlich war das ein Schlag für sie. Und dann noch die schrecklichen Ereignisse mit dem Alten. Es war kein Wunder, dass sie hier weg wollte. Und es war auch nicht wirklich ein Problem.

 

„Okay, komm mit, ich bring dich hier raus!“, sagte Xander und nahm sie am Arm.

 

An einem anderen Ort...

Zu einer anderen Zeit...

Langsam ließ Tara ihren Blick über den Horizont schweifen, der sich in unerreichbare Weiten erstreckte, und dabei eine Schönheit bot, die ihr ein Lächeln auf das Gesicht zauberte. Sie schluchzte kurz, strich sich eine einsame Träne aus dem Gesicht und schloss daraufhin kurz die Augen. Es schien sie viel Kraft zu kosten, endlich die Fassung wieder zu finden, die Augen wieder zu öffnen, um sich schließlich wieder umzudrehen. Sie strich sich ihr Haar, welches vom Wind durch die Luft getragen wurde, aus dem Gesicht, und lächelte sanft, als sie Willow entdeckte, die in einigen Metern Entfernung unter einem Baum saß und sich rege mit der alten Hüterin unterhielt.

 

Langsam begann sie sich den beiden zu nähern. Die Zeit wurde knapp, und obwohl die Unterhaltung der Hüterinnen wahrscheinlich noch ewig andauern könnte, musste sie bald ein Ende finden. Sonst war alles verloren.

 

„… und alle haben sie uns gejagt. Der gesamte Rat. Es gab keine Ausnahmen, und es gab kein Erbarmen. Sie sahen uns als Bedrohung ihrer Macht an. Sie hatten Angst, dass wir ihre Weltanschauung und somit ihre Gesetzte aus dem Gleichgewicht bringen würden. Und am meisten fürchteten sie sich davor, dass wir ihnen die Macht über die Auserwählte nehmen würden.“ Die alte Frau machte kurz Pause und schien nachzudenken. Willow erkannte in ihren Augen, dass sie die Furcht und den Schmerz dieser Zeit gerade noch einmal durchlebte.

 

Die Hüterin sah Willow plötzlich wieder tief in die Augen und fuhr fort. „Du musst nämlich wissen, dass unsere größte Macht darin bestand, zu wissen welches Mädchen die nächste Auserwählte sein würde. Wir sind es, die den Wächtern helfen können, die neue Auserwählte zu finden, wenn die letzte nicht mehr ist. Wir sind, oder waren, wie ein Orakel für den Rat. Es gab aber so viele Gründe, warum sie uns gefürchtet haben. In einer dunklen Zeit, die von Männern beherrscht wurde, war aber sicher unser Geschlecht einer der Gründe. Welche Schande, sich einem Kreis von Frauen unterzuordnen. Das kam für sie gar nicht in Frage“, die Hüterin musste schmunzeln, „… und das, obwohl wir ihnen nie ihre wichtige Rolle streitig machen wollten. Wir haben uns immer passiv verhalten, den aktiven Teil überließen wir gerne dem Rat. Und es kam schließlich auch eine Zeit, in dem auch ein großer Teil der Wächter diese Tatsache verstand…“

 

„Also hörte die Verfolgung endlich auf?“, fragte Willow, deren Augen sich vor Entsetzen mit Tränen gefüllt hatten. Das Leid, die Furcht und die Verzweiflung, die diese Frauen für ihre Berufung durchstehen mussten, waren schrecklich, und doch schien keine der Hüterinnen je aufgegeben zu haben.

 

„Nein, mein Kind, leider nicht. Wie überall gab es auch damals im Rat einige Menschen, die zu dumm, zu stur, oder zu machtbesessen waren, um sich dem Urteil der Mehrheit zu beugen. Ohne das Wissen des Großteils der Wächter schloss ein kleiner Teil, bestehend aus den Wächtern, die sich als Elite des Rates sahen, einen Pakt und bildete eine geheime Organisation, die sich selbst als der Innere Kreis bezeichnete. Wir ziehen es vor ihn den dunklen Rat zu nennen. Dunkel und finster waren seine Pläne. Ihr Ziel war es, dafür zu sorgen, dass man die Hüterinnen loswurde, ohne dass dabei Verdacht auf den offiziellen Rat der Wächter fallen würde. Die Inquisition kam ihnen wie gerufen, und so nutzten sie die Hexenverbrennung, um die Hüterinnen zu beseitigen.“ Besorgt sah sie auf, blickte kurz zu Tara, und wandte sich dann aber wieder Willow zu.

 

„Dieser Innere Kreis wurde nie zerstört, Willow. Er existiert noch immer, tief verstrickt in den verstrickten Netzen des Rates. Wenn der Innere Kreis erst einmal erfährt, dass eine neue Generation von Hüterinnen dabei ist zu erwachen, wird er wieder aktiv werden. Und er wird seine Wege finden, um auch diese loszuwerden, wenn ihr nicht schnell handelt.“

 

Geschockt blickte Willow zuerst zu ihrem Gegenüber, und dann Hilfe suchend zu Tara, die ihr aber nicht helfen konnte.

 

Tara trat stattdessen noch einen Schritt näher und nickte der älteren Hüterin besorgt zu.

 

„Die Zeit neigt sich dem Ende entgegen. Ich denke, Sie sollten Willow nun zeigen, was es genau bedeutet, eine Hüterin zu sein…“

 

„Wartet noch einen Moment“, bat Willow. „Ich muss vorher noch etwas wissen... diese Prophezeiung, von der Sie gesprochen haben, über das Erwachen der zweiten Generation von Hüterinnen… gibt es sie… wurde sie nur mündlich überliefert, oder existiert davon eine schriftliche Aufzeichnung?“, fragte Willow besorgt.

 

Die weißhaarige Frau ließ ihren Kopf betrübt hängen, sah dann jedoch wieder auf, und nickte resignierend.

 

„Ja, die Prophezeiung wurde auf einer alten Pergamentschriftrolle gefunden. Ich weiß leider nicht, wo sie ist, aber ich weiß, dass sie noch existiert.“

 

London, Sitz des Inneren Kreises

Nachmittag, europäische Zeit

Umgeben von knisternder, blauer Energie lag eine alte Schriftrolle auf einem dunkelroten Samtkissen inmitten von Dunkelheit. Hin und wieder entlud sich etwas der magischen Energie und ließ die Rolle hell erstrahlen, die zusammengerollt und von einem blauen Samtband zusammengehalten hier seit Jahren fast unberührt lag.

 

Eine Tür wurde im hinteren Teil des Raumes geöffnet und ließ Licht in die Dunkelheit fallen, das augenblicklich den Zauber des Raumes durchbrach. Es war ein schlichter Lagerraum, der zwar erstaunlich groß war, aber nichts Geheimnisvolles mehr hatte, als das Licht staubige Regale offenbarte, die eine Menge kostbarer Artefakte beherbergten – Masken, Waffen, Statuen, kleine Holzfiguren, Kisten und an den Wänden alte Karten hinter Bilderrahmen, sowie Pulte unter denen andere, wertvolle Schriftstücke lagen...

 

Zwei menschliche Umrisse hoben sich gegen das Licht vom Flur ab, ehe eine der Personen einen Lichtschalter bediente und ihre Identität offen legte: George und Lenhardt betraten den Raum und zogen die Tür hinter sich fest ins Schloss. Ihr Interesse galt dem Samtkissen, das geschützt vor Dieben mit magischer Energie weiter hinten im Raum ruhte.

 

Gemeinsam traten sie an das Pult heran und Lenhardt holte ein feines, weißes Pulver in einem Plastikbeutel aus seiner Hosentasche. Er öffnete ihn, nahm eine Prise heraus und streute den feinen Staub über die schützende Energiehülle. Mit einem nervösen Zucken und lautem Knistern fiel der Schutzzauber über der Schriftrolle in sich zusammen. George griff sofort danach und ließ die Rolle in seiner mitgebrachten Aktentasche verschwinden, die er umgehend mit dem Zahlenschloss verriegelte.

 

„Das hätten wir erledigt“, sagte Lenhardt etwas steif und drehte sich bereits dem Ausgang wieder zu. Doch George verharrte auf seiner Stelle und starrte den leeren Platz auf dem Samtkissen an. Nur langsam riss er sich von dem ungewohnten Anblick los.

 

„Diese Schriftrolle liegt hier schon seit Generationen... ich verstehe einfach nicht wieso wir ausgerechnet...“

 

„Weil es besser ist, wenn wir ALLE Beweise für eine gewisse Zeit zur Seite schaffen. Es ist besser, wenn man hier bei einer genaueren Untersuchung nichts Verdächtiges findet, sofern wir nicht vorher von hier verschwunden sind. Das hier ist doch alles... nur Tant.“ Lenhardt ließ dabei seine Hand weit über die Regale schweifen. „Das hier ist brisant.“ Dabei klopfte er gegen Georges Aktentasche. „Warten wir bis Gras über die Sache gewachsen ist und sich die anderen Wächter ein wenig beruhigt haben, was Ms. Usher angeht. Dann können wir so weitermachen wie bisher und unsere Ziele weiter verfolgen.“

 

„Und wieso sagt mir eine leise Stimme im Ohr, dass Sie dabei Lily nicht mit einschließen.“ George sah Lenhardt aus zusammengekniffenen Augen an.

 

„Nun, wo sollte ich da anfangen? Ich dachte mein Standpunkt sei seit dem Anruf der Jägerinnen klar? Ich betrachte es als höchst gefährlich weiter so zu tun, als wäre Lily ein aufrichtiges Ratsmitglied. Man könnte sie durchschauen, falls sie hier auftaucht und aussagt. Die Abstimmung gegen Mr. Giles war wegen einer Stimme sehr knapp. Daran muss ich Sie, George, wohl nicht erinnern? Die Stimmung ist nicht die beste seit dieser Wahl im Rat. Wir würden nur Öl in ein kleines Feuer gießen, das zu lodern beginnt. Es gibt sicher mehr als nur den einen oder anderen Wächter, der einen Grund sucht, um klarzustellen, dass Mr. Giles nur im Sinne des Rates gearbeitet hat und Ms. Usher das schwarze Schaf ist. Wir können uns im Moment keinen Fehler erlauben. Nicht jetzt wo unsere Experten die Schriftrolle fast entziffert haben. Und jedenfalls nicht, bis wir wissen, was die Jägerinnen vorzutragen haben und in wie weit sie sich an etwas erinnern, was nicht korrekt war.“

 

George hatte geduldig zugehört. Nichts verriet Lenhardt wie angespannt der alte Mann war, wie sehr es in ihm brodelte. Doch jetzt hier und alleine mit Lenhardt an einem Ort, wo sie niemand störte, der seine Worte nicht hören sollte, platzte dem geduldigen Vertrauten von Lily der Kragen. Seine Augen verengten sich noch eine Spur mehr, seine Lippen waren stark aufeinander gepresst, so dass sie wie zwei dünne Striche wirkten und eine Ader an seiner Schläfe begann zu pochen. Als er sprach, kamen die Worte mühsam zurückgehalten über seinen Mund wie herausgepresst.

 

„Ich glaube, Mr. Lenhardt, es ist an der Zeit Sie daran zu erinnern, wer in diesen Gemäuern das Sagen hat. Die Familie Usher hat unsere geheime Organisation zu dem gemacht, was sie heute ist. Über Generationen hinweg wurden Geheimnisse in ihr weitergegeben und ein Anführer aus ihrem Kreis gewählt. Sie sind es alleine, die uns zusammengehalten haben, die dafür gesorgt haben, dass unsere Ziele und Pläne umgesetzt und erreicht wurden. Lily hat bei allem, was sie getan hat, nur im Sinn des Inneren Kreises gehandelt. Und das wissen Sie sehr gut. Es ist mir unverständlich wie schnell Sie Ihr Fähnchen in den Wind drehen. Mr. Giles’ Absetzung konnte Ihnen nicht schnell genug gehen und Ihre Meinung war schnell der von Lily angepasst.“ George nahm sich eine Sekunde Zeit um Luft zu holen, ehe er mit seinem Angriff fort fuhr.

 

„Ich habe keine Kenntnisse darüber, was Sie persönlich gegen Mr. Giles haben, dass Sie so bereitwillig Lilys Worten Glauben schenkten und alles Mögliche taten, um Lily an die Spitze des Rates zu bekommen. Treue und Loyalität dem Inneren Kreis gegenüber waren es offensichtlich nicht. Vielleicht wird es langsam Zeit, Mr. Lenhardt, dass Sie sich für eine Seite Ihres Doppellebens entscheiden und dieser Seite treu ergeben dienen, bevor Sie Ihre Wankelmütigkeit noch zum Fall bringt. Oh... und ehe ich es vergesse“, George hatte bereits einen Schritt zum Ausgang gemacht. „Lily ist hier uneingeschränkt Wortführerin. Sie wird sicher nicht von Ihnen allein für etwas abgesetzt, das sie im Auftrag des Inneren Kreises getan hat. Das ist weder mein Wunsch, noch der der anderen Mitglieder. Und Sie täten gut daran, meinen Rat zu beherzigen, wenn Sie es nicht eines Tages bereuen wollen...“

 

Mit diesen Worten ließ George Lenhardt alleine zurück im Raum und verschwand im Lichtschein des Flurs. Lenhardt blieb zurück, völlig unwissend darüber, ob er Georges Worte als Drohung auffassen sollte...

 

Cleveland, Teehaus

Später am Morgen, amerikanische Zeit

Vogelgezwitscher drang durch eines der aufgeschobenen Fenster in das eine von vielen kleineren Teezimmern, das Dawn in der nächsten Zeit als Trainingsort dienen würde. Und während sie leise Stimmen und Schritte von Gästen hörte, stieg ihr der Duft von frisch gebrühtem Tee in die Nase.

 

Der Sommer hielt vor dem Teehaus Einzug, aber Dawn schenkte ihre Aufmerksamkeit ihrer Konzentration – mit geschlossenen Augen saß sie auf einer Bastmatte, während ihr Akira gegenüber saß und mit leiser, eindringlicher Stimme versuchte ihre Konzentration zu stimulieren.

 

Der Japaner wirkte entspannt und trotzdem beobachteten seine Augen Dawn nachdenklich und mit einer Spur Sorge. Doch seine Stimme verriet davon nichts, als er erneut versuchte Dawn für das vorzubereiten, was ihr Schicksal einmal mehr vorherbestimmt hatte.

 

„Du musst versuchen los zu lassen.“ – „Entspann dich vollkommen – tief durchatmen – entspannen.“ – „Versuche all deine Gedanken auszuschließen, und dann stell dir vor du würdest wie eine Wolke am Himmel treiben.“

 

All diese Anweisungen versuchte Dawn seit letzter Nacht und ihrer ersten Übungsstunde umzusetzen, aber es war schwieriger als sie es sich vorgestellt hatte. Gedanken ließen sich nicht einfach abstellen, auch wenn Akira genau das zu erwarten schien.

 

Als Dawn das Gefühl hatte langsam über ihre erfolglose Meditation die Geduld zu verlieren, öffnete sie ihre Augen mit einem schweren Seufzer: „Ich bekomme es einfach nicht hin.“

 

Akira schüttelte langsam den Kopf: „Doch, das wirst du, Dawn. Du wirst und du musst. Vergiss nicht, dass du alleine die Macht darüber besitzt zu entscheiden, ob diese unsere Welt dieselbe sein wird oder ob sie dem Untergang geweiht ist. Deine Schwester und deine Freunde können in diesem Kampf nicht gewinnen. Sie können nur kämpfen, um dir den Weg zu ebnen.“

 

Dawn sah hilflos bei Akiras Worten zum Fenster hinaus und versuchte mit der Situation klar zu kommen. Gestern war sie noch ein normales Mädchen gewesen, sah man von ihren Jägerinnenfähigkeiten und der schlummernden Energie des Schlüssels einmal ab. Aber sie hatte sich wie alle für die neusten Musik-Clips interessiert, shoppen gehörte zur ersten Pflicht und eine gemütliche Stunde Schultratsch in der Kantine mit ihren Freunden war etwas, das sie nicht so schnell missen wollte... gestern hatte es ihr auch genügt zusammen mit Shin die Welt von einem Dämonenboss zu befreien. Und heute ging es schon darum die Welt zu retten.

 

Zum ersten Mal in ihrem Leben begriff Dawn wirklich welche Last Buffy die Jahre als die einzige Jägerin auf der Welt auf ihren Schultern getragen hatte. Das brachte sie in diesem Moment ihrer Schwester noch näher, auch wenn ihr nicht wirklich bewusst war.

 

Erneut seufzte Dawn schwer, doch dieses Mal sah sie Akira wieder direkt an. „Ich versteh’ das Ganze noch immer nicht wirklich...“

 

„Du bist der Schlüssel. Du hast die vier Alten schon einmal weggesperrt, auch wenn du daran im Moment keine Erinnerung mehr hast.“

 

„Damit würde ich sie aber nicht zerstören.“

 

„Wir wissen nicht, was deine Gestalt als reine Energie anrichten kann. Worin ihre Wirkung liegen wird. Ob du damit die Alten zerstörst oder sie in die Verbannung schickst...“

 

„Das würde aber bedeuten, man würde mich erneut jagen, immer wieder, um mich zu finden und als Schlüssel zu missbrauchen... um die vier Reiter wieder zu befreien.“

 

„Die einzige Alternative ist der Weltuntergang.“ Akira war ruhig geblieben und auch diese Worte kamen ohne eine Bewertung von Dawns Einstellung über seine Lippen. Trotzdem hatten diese Worte in ihrer Schlichtheit eine aufweckende Kraft für die Jägerin. Sie machten ihr bewusst, wie wenig Spielraum sie für andere Entscheidungen hatte.

 

Aber Dawn war gerne in dieser Welt, sie liebte endlich einen Jungen, der der richtige zu sein schien, ihre Schwester und sie hatten alte Wunden geheilt und waren endlich zu etwas zusammengeschweißt worden, das keine zarten Bände mehr zwischen sich hatte, sie mochte ihre neue Schule, ihre Freunde, selbst Cleveland mit seinem Höllenschlund... aber wenn sie tat, um was man sie bat – sich zu entscheiden als Schlüssel zu dienen, würde sie alles aufgeben. Denn sie erinnerte sich nur all zu gut an die Worte des Lichtgottes – dass sie sich eines Tages für eine Existenz entscheiden musste – Mensch oder Schlüssel. Doch nie hätte Dawn gedacht, dass dieser Tag der Entscheidung so schnell kommen würde. Sie hatte Angst, aber sie wusste auch, welche Verantwortung sie hatte.

 

Daher nickte sie stumm zu Akiras Worten und schloss wieder ihre Augen. „Machen wir weiter“, murmelte sie und versuchte sich fallen zu lassen.

 

Cleveland, Wächterhaus

Mittag

Giles stand am oberen Ende des Tisches im Konferenzraum und blickte über die Köpfe der Anwesenden hinweg. Sie waren alle da, bis auf Andrew, der noch immer in Malkuth weilte, um zu helfen, wo er konnte. Leider hatte die Zeit nicht ausgereicht, um ihn in den zerstörten Straßen von Malkuth zu suchen, um ihm von diesem Treffen zu unterrichten. Aber sie wollten wenigstens versuchen ihm wegen Robins Beerdigung Bescheid zu geben. Automatisch wanderte Giles’ Blick zu Robins leerem Stuhl neben Faith und er spürte einen leichten Stich – ihm wurde nicht zum ersten Mal bewusst, dass er den jungen Mann als Wächter, Kollege und Freund weit mehr akzeptiert und geschätzt hatte, als er wohl immer angenommen hatte.

 

„Ich mach das mit Andrew“, meldete sich Xander plötzlich zu Wort und riss damit Giles aus seinen traurigen Gedanken. „Ich find ihn sicher und sag ihm wegen der Beerdigung Bescheid. Ich muss sowieso zurück nach Malkuth. Nachdem ich gesehen habe, was da unten passiert... ich hätte keine ruhige Minute, wenn ich wüsste, dass ich helfen könnte und stattdessen...“

 

„Wir brauchen dich hier Xander“, fiel ihm Buffy entschieden ins Wort. „Wir haben einen Weltuntergang zu verhindern. Willow fällt schon durch ihr Koma aus, Andrew ist in der Dämonenstadt und Robin haben wir leider... verloren“, fügte sie sanft hinzu und vermied den Blickkontakt mit Faith. „Wenn du jetzt auch noch...“

 

„Buffy... schau mal... bei diesem Kampf... wie sollte ich euch dabei helfen können? Giles sagte vor fünf Minuten, dass nur die Kräfte der Jägerinnen etwas gegen die Vier ausrichten können. Jene Vier, die auch die Prophezeiungsträume hatten. Ich kann mich auf jeden Fall an keinen Traum erinnern.“ Schwach lächelte Xander seine Freundin an. „Ich stünde doch nur im Weg herum und würde hilflos mit einem Schwert zwischen euren Füssen herumstolpern, anstatt etwas Sinnvolles zu Wege zu bringen. Meine Hände sind Arbeit gewöhnt und daher in Malkuth viel besser aufgehoben, dort können sie wirklich mehr Brauchbares verrichten. Ich habe keine besondere Kampfstärke und Magie kann ich auch nicht vollbringen. Ich wäre keine große Hilfe für euch. Und kein Ersatz für Willow.“

 

Buffy senkte ihren Blick und ließ Xanders Worte wirken, während die anderen eher hilflos zu ihr blickten. Wohl erwarteten sie eine alleinige Entscheidung von ihr. Doch sie glaubte nicht wirklich das Recht dazu zu haben, für Xander zu entscheiden. Daher begnügte sie sich mit einem schweren Seufzer und sah zurück zu ihrem Freund. „Du wärst nicht nur ein Ersatz, Xander. Das weißt du. Du hast in den vielen Jahren so viel an Kampffähigkeit dazu gewonnen, dass du nicht nur ein herumstehender Statist wärst. Du bist ein wertvoller Mitstreiter, auf dessen Hilfe wir nicht einfach so verzichten wollen und können. Aber ich verstehe, was du uns damit sagen willst und ich denke wir alle verstehen, dass du tun musst, was du vorhast. Ich möchte dir nicht im Weg stehen und wenn Giles denkt, wir können den Kampf auch alleine hinbekommen, dann ist das okay.“ Sie grinste bei ihren letzten Worten und war froh, dass Xander es erwiderte. Er wiederum wusste es zu schätzen, dass sie ihm seine Entscheidung ließ und es trotzdem schaffte seinen Mut und Kampfwille so zu umschmeicheln, dass er sich nicht als der Versager vorkam, den er eben beschrieben hatte.

 

„Es wird schon machbar sein“, nickte Giles bedächtig, wobei sich sein linker Mundwinkel ganz leicht zu einem Lächeln verzog, und setzte seine Brille auf, um etwas auf einem Stück Papier nachzulesen. Es wurde Zeit, dass sie sich den wichtigeren Dingen widmeten. „Nun, da wir das geklärt hätten, könnten wir uns auf die Reiter konzentrieren?“ Alle nickten, aufmerksame Blicke richteten sich auf den Wächter und er räusperte sich leise. „Mir ist es gelungen etwas mit dem Hinweis des Unsterblichen anzufangen. Die Schwestern von Sineya brachten mich auf die Idee – es ist ein Zitat aus einer alten Schrift, die mir im ersten Moment ... nun entfallen war“, gab er etwas verlegen zu. „Einer sehr alten Schrift. Durch Querverweise bin ich auf das Urzitat in der Ursprache gestoßen.“ Giles blickte über den Rand seiner Brille hinweg. Ungeduldig verzog Buffy das Gesicht, Xander rutschte auf seinem Stuhl herum, Dawn trippelte mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte, Faith schien mehr Interesse an der Zimmerdecke zu haben, Ronah starrte ihn ebenfalls erwartungsvoll an und Kennedy widmete ihm einen eher teilnahmslosen Blick. „Machen wir es kurz – es ist dieselbe Schrift, die Dawn auf dem Zettel aus dem Amulett erschien.“ Wieder machte er eine Pause, doch dieses Mal platzte Buffy vor Ungeduld.

 

„Machen Sie es schon nicht so spannend. Die alten Bibliothekszeiten sind vorbei. Wir wissen ja, was Sie auf dem Kasten haben.“ Sie grinste. „Also… was steht auf diesem Zettel aus dem Amulett?“

 

„Die Schwestern von Sineya waren zwei junge Frauen, die durch ein altes Blutritual so eng miteinander verbunden waren, dass nur sie alleine ein schreckliches Unheil von ihrem Volk ablenken konnten. Der Legende nach, war die eine die Kraft, die andere die Wirkung“, holte Giles ungeachtet der Ungeduld im Raum mit einer Erklärung aus. „Entsprechend liest sich die Prophezeiung auf dem Stück Pergament. Es ist nicht viel, aber erklärt vielleicht, wieso es nur Dawn gelang, die Schrift sichtbar zu machen. Sinngemäß heißt es dort „Nur der Schlüssel zum Sieg wird die Macht des Sehens und die Kraft der Abwendung des Unheils sein. Doch die Kraft allein ist ohne die Wirkung ein Nichts“.“

 

„Okay, Giles und das heißt für uns Normalsterbliche?“, grinste Xander.

 

Ehe Giles antworten konnte, kam Dawn zuvor. „Ich glaube darauf kann ich euch eine Antwort geben.“

 

Für einen Moment herrschte Schweigen im Raum und fassungslose Augen starrten Dawn an, die verlegen am Saum ihrer Bluse spielte, ehe sie den Mut fasste und aufstand, um zu sagen, was sie sich den ganzen Vormittag über zurecht gelegt hatte. „Ich... nun, es ist etwas kompliziert. Wie Giles ja schon sagte... ich bin der Schlüssel. Und wie es scheint, bin ich in unserem Fall die Wirkung und Buffy die Kraft.“ Dawn wusste, dass ihre Worte absolut keinen Sinn für die anderen ergaben, aber irgendwo musste sie anfangen.

 

„Also ich versteh’ kein Wort“, gab Kennedy laut zu und die anderen nickten. Nur Buffy zog ihre Stirn zusammen und blickte Dawn mit wachsamen Augen an, die verrieten, dass sie sehr wohl verstand, auf was ihre kleine Schwester hinaus wollte. Dawn bemerkte diesen Blick, versuchte ihm daher auszuweichen und sah zu Kennedy.

 

Shin hat einen Onkel. Er heißt Akira und ist ein Seher. Akira ist dir, Buffy, schon begegnet.“ Jetzt sah sie doch zu ihrer Schwester, die fragend aufblickte. „In China, in diesem Tempel und später in Australien... Als Seher wusste er schon lange vor uns, dass der Tag der Abrechnung der Alten kommen würde. Daher hat er dir die erste Vision der Reiter geschickt, um nach Hilfe zu rufen. Jetzt ist er hier, um mich zu lehren meine Schlüsselenergie selbst zu steuern.“

 

„Moment“, Buffy unterbrach Dawn ungehalten und starrte von Giles zu ihr und wieder zurück zum Wächter. „Wussten Sie etwas davon?“

 

„Ich kenne Akira“, nickte Giles, dann schüttelte er den Kopf. „Aber von dieser Geschichte höre ich das erste Mal.“ Er klang alarmiert und etwas sagte ihm, dass Dawns Worte noch ganz anderes zu bedeuten hatten, als nur neue Informationen.

 

Trotzdem fühlte sich Buffy etwas beruhigter. Nicht schon wieder war der Fall eingetreten, dass andere mehr von Dawn wussten, als sie selbst. Streng sah die Jägerin ihre Schwester an. „Und wieso erzählst du uns erst heute davon?“

 

„Weil ich selbst erst gestern Nacht davon erfahren habe. Akira war bei Shin und bat mich um sein Vertrauen. Ich weiß nicht wieso, aber ich wusste, dass ich das Richtige tun würde, als ich ja sagte. Wir arbeiten jetzt daran, dass ich, wann auch immer, meine Energie einsetzen kann. Denn so wie es aussieht, bin ich die einzige, die die Reiter vernichten oder verbannen kann.“

 

„Nein!“ Buffy sprang plötzlich von ihrem Stuhl auf und ihr Tonfall ließ die anderen erschrocken zusammenfahren. Für einen Moment sahen sich Dawn und Buffy an und es existierte um sie herum nichts. Es war ein stummes Duell der Blicke, aber schließlich schien Buffy es leid zu sein, ihren Gefühlen keinen Ausdruck mit Worten verleihen zu können und sie blickte von Dawn in die Runde. Alle sahen gespannt zu ihnen, auch ein wenig hilflos und Buffy fühlte sich ziemlich alleine gelassen mit dem, was ihre Schwester gerade bekannt gegeben hatte.

 

„Ich... ich kann das nicht zu lassen. Ich verbiete dir diese Experimente, bis wir Genaueres über... über alles Bescheid wissen. Ich weiß genau auf was das hinausläuft. Du sollst dich für uns alle opfern, um vier dahergelaufene Dämonen zu besiegen. Dafür bin ich nicht für dich in den Tod gegangen, dafür habe ich mich nicht von Willow zurückholen gelassen, dafür habe ich nicht versucht ein völlig verkorkstes Leben auf die Reihe zu bringen...“

 

„Buffy bitte...“, versuchte Dawn ihre Schwester zu bremsen, aber Buffy schien bei weitem besser zu verstehen, was Dawn tun musste als die anderen, die noch schweigend und entsetzt den beiden Schwestern zuhörten.

 

„Hast du mir nicht erzählt, dass der Lichtgott dir nur einmal die Bitte gewährte, dich in einen Menschen zurück zu verwandeln? Dass du dich beim nächsten Mal für eine Seite entscheiden musst? Mensch oder Schlüssel?“

 

Dawn nickte stumm, schluckte und senkte den Blick. Das war ja leider der Haken an der Geschichte, aber wohl kaum zu ändern. Sie war entschlossen ihrer Pflicht nachzukommen, egal welche Konsequenzen das für sie hatte.

 

„Also würdest du dich für deine Form als Schlüssel entscheiden, um die Welt zu retten. Und damit würde ich dich verlieren. Ich und die anderen.“ Es war keine Frage, nur eine traurige Vorstellung, die den anderen endlich bewusst machte, was Dawn vorhatte. Im Raum herrschte für einen Moment bedrückendes Schweigen. Giles wusste leider nur zu gut, was Buffy im Moment fühlen musste, allerdings verstand er auch Dawn. Die beiden jungen Frauen waren erneut in eine Situation geraten, in der er ihnen nicht helfen konnte, sondern alleine darauf vertrauen musste, dass sie das Richtige taten.

 

Xanders Kopf wanderte zwischen Dawn und Buffy hin und her. Er hatte verstanden, was Dawn vorhatte und wusste, was Buffy in diesem Moment wohl durchmachen musste. Leider fehlten ihm hilfreiche Worte, um für beide da zu sein. Offensichtlich waren die beiden gezwungen, mit der Lage alleine klar zu kommen. Er wünschte sich Willow wäre hier. Mit ihrer ruhigen, besonnen Art, hätte sie sicher gewusst, was zu sagen gewesen wäre.

 

Dawn sah für einen Moment ihre Schwester an, als wollte sie sie um Entschuldigung bitten, dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck und sie blickte Buffy wütend an. „Ich weiß sehr gut, was meine Entscheidung bedeutet. Aber du hast nicht das Recht mir etwas zu verbieten. Nicht in der Situation, in der wir uns befinden. Wir können uns keinen Egoismus leisten. Du hast dich bereits vor drei Jahren für mich geopfert, um die Welt zu retten, jetzt bin ich an der Reihe. Doch es ist ja nicht so, dass ich dadurch freiwillig den Tod wähle. Ich gebe nur meine Form hier als menschliches Wesen auf, um als ein anderes in einer anderen Dimension zu leben.“ Dawn kamen die Worte überraschend leicht über die Lippen. Sie wunderte sich selbst, dass sie so stark war und für ihre Entscheidung eintreten konnte. Es zeigte der jungen Jägerin, dass sie sich inzwischen ganz sicher über ihr Vorhaben war. Zweifel waren keine mehr da. „Ich habe keine Angst vor dem, was mich erwartet. Ich hatte das Glück es bereits erlebt zu haben. Es ist keine ungewisse Zukunft und kein ungewisser Schritt. Wenn wir gemeinsam die Reiter nur bekämpfen, aber nicht besiegen können, ist mein Entschluss notwendig.“

 

„Dawn... um Himmelswillen, werde vernünftig“, flehte Buffy nicht mehr ganz so herrisch wie gerade eben noch. „Wir wissen doch noch gar nicht, wie wir diese Reiter besiegen können. Wäre es nicht erst einmal ratsam abzuwarten, was Giles herausgefunden hat und noch herausfinden wird? Giles?“ Sie blickte voller Hoffnung zu ihrem ehemaligen Wächter auf, dessen Gesichtsausdruck eine unnatürliche Anspannung verriet, doch Buffy war das schon Antwort genug. Sie sackte niedergeschlagen in sich zusammen.

 

„Ich befürchte Dawn hat recht, Buffy“, sagte Giles leise. „Es gibt im Moment keine Alternative, die ich bieten könnte. Im Gegenteil. Mit dem was uns Dawn gerade eben mitgeteilt hat, kann ich die Worte des Orakels und die alte Schrift besser deuten. Dawn als Schlüssel mit ihrer reinen Energie wird die einzige sein, die den Alten gegenübertreten kann, ohne befürchten zu müssen sofort als unrein erkannt und getötet zu werden. Du hast ihr mit deinem Blut viel deiner Kraft gegeben, die es ihr ermöglicht so tapfer eine Entscheidung zu treffen, die keiner von uns je hätte treffen können. Du bist die Kraft, aus der Dawn schöpft und du wirst mit den anderen Jägerinnen die Kraft sein, die die vier Reiter im Kampf ablenken werden, damit Dawn mit ihrer Energie die Wirkung erzielen kann. Hm...“, Giles rieb sich über den Nasenrücken. „Einmal eine Prophezeiung entschlüsselt und die Welt sieht wieder ganz einfach aus.“ Er musste müde lächeln und half den anderen sich ebenfalls ein wenig zu entspannen, was aber nicht die Schwere von Dawns Worten milderte.

 

„Das heißt also unsere kleine Dawnie muss sich opfern?“, fassungslos blickte Xander zu Dawn.

 

„Ich schließe mich B. an. Es muss doch verdammt noch mal ’ne Alternative drinnen sein? Magie? Ein altes Ritual. Irgend so was.“ Faith rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. „Ich meine… es reicht doch schon, was wir in den letzten Monaten an sinnlosen Opfern zu beklagen hatten.“

 

„Meines wäre nicht sinnlos, Faith.“ Dawn setzte sich wieder. „Ich würde dafür sorgen, dass wir die Reiter loswerden, bevor sie die Welt reinigen.“

 

„Okay, und wie genau würde der Plan aussehen?“, fragte Ronah nach, bevor sich Faith auf eine unnötige Diskussion mit Dawn einlassen konnte.

 

„Nun, daran arbeite ich noch“, erklärte Giles müde. „Ich weiß noch immer nicht, wie und wann diese Reinigung beginnen wird. Aber ein Gefühl sagt mir, dass es bald sein wird. Noch habe ich im Moment keinen Plan, wie wir vorgehen sollten.“

 

Buffy, die in den letzten Minuten schweigsam das Gespräch verfolgt hatte, seufzte auf einmal leise auf und lenkte die Aufmerksamkeit auf sich zurück. Es gab noch so vieles zu tun, um die Welt zu retten, da konnte sie sich jetzt hier und heute keine lange Diskussion mit Dawn leisten. Vielleicht sollte sie damit warten, bis sie ein paar Minuten alleine für sich hatten und ungestört waren. Für den Moment wollte Buffy jedoch Stärke und Vernunft zeigen, um die Sache zu beenden.  „Okay, wenn Dawn sich ganz sicher ist, das sie tun muss, was getan werden muss, will ich mich nicht ihr und uns in den Weg stellen. Es fällt mir natürlich nicht einfach, es zu akzeptieren, aber es ist... okay.“

 

„Danke“, flüsterte ihr Dawn erstaunt zu und lächelte dann ihre Schwester schwach an, die es jedoch nicht erwiderte, sondern rasch zu Giles blickte. Dawn wusste, dass Buffy noch sehr viel mehr zu dieser Sache zu sagen hatte, aber sie war für den Augenblick mit diesen wenigen Worten zufrieden und wollte mit Buffy vielleicht heute Abend alleine in Ruhe darüber sprechen.

 

„Und Sie, Giles, kümmern sich um die letzten Informationen, die uns noch fehlen, damit wir diese Reiter finden“, gab Buffy weitere Order. „Und endlich etwas gegen sie unternehmen können.“

 

Malkuth, Straße der Sonne

Etwas später

„Wir müssen dem Wasser sowohl hier als auch in der Straße des Sterns den Weg abschneiden“, erklärte Mo und griff nach dem nächsten Sandsack. „Wenn meine Planungen stimmen, wird der Strom dadurch in die Halle von Malkuth umgelenkt.“

 

„So riesig wie sie ist, wird es eine Ewigkeit dauern, bis sie voll gelaufen ist.“ Andrew ächzte unter dem Gewicht der Säcke, die er soeben heranschleppte. Regil kam eifrig angerannt, und nahm ihm einige davon ab.

 

„Ganz genau“, bestätigte Mo. „Vermutlich wird das restliche Wasser gar nicht mehr ausreichen, sie zu füllen. Arjuna hat mir vorhin berichtet, dass zumindest die meisten Einbruchsstellen inzwischen abgedichtet sind. Jetzt geht es hauptsächlich darum, das Wasser in der Stadt dorthin zu lenken, wo es den wenigsten Schaden anrichten kann. Es darf auf keinen Fall die Verletztenlager in Tipharet und Jesod erreichen. Wir könnten sie nicht schnell genug evakuieren.“

 

„Okay, wir tun, was wir können.“ Regil und Dozer machten sich mit Mo’s Hilfe daran, die Barriere aus Sandsäcken weiter zu erhöhen und zu verstärken, während Andrew dem nächsten Sandsackträger entgegen lief. Es war ein bisschen wie der Staffellauf früher in der Schule, nur dass es damals nicht ums Überleben ging.

 

Dozer, übernimm du die nächste Ladung“, wies Mo den Echsendämon an, und winkte Andrew zu sich herüber. „Hör zu, mir ist noch etwas Wichtiges eingefallen. Wenn das Wasser in der Halle von Malkuth zu hoch steigt, wird es den Zugang der Großen Unruhe überfluten. Es wird durch die Uhr in die Außenwelt fließen, und damit auf unsere Stadt aufmerksam machen. Wie du weißt, befindet sich der Ausgang direkt unter dem Kaufhaus, wo du arbeitest und mit Sicherheit werden dort schon Hilfskräfte der Menschen tätig sein. Das Risiko ist zu groß, dass wir entdeckt werden.“

 

„Aber das ist doch kein Problem“, wunderte sich Andrew. „Es ist ein magischer Zugang. Alles, was man tun muss, ist die Uhr anzuhalten, und der Weg ist dicht. Wahrscheinlich wird das sowieso passieren, wenn das Wasser kommt, also müssen wir uns gar keine Sorgen machen. Oder möchtest du, dass ich hingehe, und das übernehme?“, wollte er wissen.

 

„Ja“, bestätigte Mo, „falls du kein Problem damit hast, durch die Halle von Malkuth zu schwimmen.“

 

„So tief wird das Wasser dort noch nicht sein. Wenn ich jetzt gleich loslaufe...“ Mit Schwung warf Andrew den nächsten Sandsack auf die Barriere.

 

„Zu gefährlich.“ Mo schüttelte den Kopf. „Erst muss dort der Strom abgestellt werden und das können nur Regil und Dozer übernehmen. Ich werde jetzt den Dammbau in der Straße des Sterns überprüfen, und dann ein paar Leute suchen, die hier bei euch weiterbauen. Sobald sie hier sind, schickst du Regil und Dozer in die Halle von Daath, damit sie den Strom abschalten. Du bist nicht unter Zeitdruck, da es noch Stunden dauert, bis das Wasser die kritische Höhe erreicht, aber es ist wichtig, dass das erledigt wird. Wenn du es nicht tun kannst, dann beauftrage jemand anderen damit, und sag’ ihm, dass die Anweisung von mir kommt.“

 

„Roger.“ Andrew salutierte wie in einem Militärfilm und wandte sich Regil zu, während Mo durch den Gang davon eilte. „Du hast den Captain gehört, Lieutenant. Strom abschalten, sobald die Verstärkung hier ist!“

 

„So einigermaßen kenn’ ich mich mit Warrens Programm aus“, überlegte Regil. „Sollte möglich sein, der Halle von Malkuth den Saft abzudrehen, ohne dass die anderen Teile der Stadt davon betroffen sind. Die Verletztenlager würden sich bedanken, wenn das Licht plötzlich weg wär’...“

 

„Ist mir sowieso unbegreiflich, dass wir nicht schon längst einen kompletten Stromausfall haben, bei dem Chaos, was in Daath los war“, wunderte sich Dozer. „Warren muss ein echtes Genie sein, dass er das so gut hingekriegt hat...“

 

„Ja, das ist er.“ Düster starrte Andrew vor sich hin. „Das ist er.“

 

Kanalisation

Etwas später

Inzwischen völlig durchnässt und mit Schlamm bedeckt, stolperte Lily noch immer zwischen den Reitern durch die Gänge. Die Dämonen dahingegen wirkten weder erschöpft noch ungeduldig. Ihre Ausdauer hatte Lily also schon einmal ziemlich unterschätzt.

 

Zudem hatte Lily völlig das Gefühl für Zeit verloren. Vielleicht waren erst einige Minuten vergangen, vielleicht stolperte sie auch schon Stunden hier herum. Und vom Talisman war keine Spur zu finden. Egal wo er hingespült worden war – die Chance ihn zu finden stand ziemlich schlecht. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass die Dämonen irgendeine Art von Magie anwenden würden, um ihn aufzuspüren, aber auch darin hatte sie sich wohl getäuscht.

 

„Hört mal... ich verstehe, dass euch der Talisman irgendwie wichtig ist, aber vielleicht kann ich euch anders weiterhelfen? Ich habe Beziehungen und ich kenne Leute, da würdet ihr staunen. Mit ein paar magischen Tricks finden wir den Talisman leichter...“

 

Keiner der Dämonen reagierte auf sie, keiner wendete auch nur für eine Sekunde seinen Kopf zu ihr und Lily verstummte.

 

Kurz darauf kamen sie an einer Kreuzung an. Der Gang vor ihnen endete an einer Wand mit einer Leiter, die nach oben führte. Ihre Entführer lenkten sie daher nach links und als sie ihre Taschenlampe in dem neuen Gang vor ihnen herumwandern ließ, bemerkte sie einen Schatten, der viel zu groß für eine Ratte gewesen war. Kurz darauf war ein recht lautes „Platsch“ zu hören, gefolgt von einem unterdrückten Fluch. In Lily keimte Hoffnung auf. Vielleicht waren sie gar nicht so alleine hier unten und sie konnte jemanden finden, der ihr half zu fliehen. Andererseits sagte ihr die Vernunft, dass man den Dämonen nicht so einfach entkommen konnte. Die Überlegung Richtung Plan B wurde stärker...

 

Neben ihr löste sich einer der Reiter und wandte sich in die Richtung, aus der die Geräusche gekommen waren. Soviel zu ihrem neuen „Fluchtplan“, dachte Lily verbittert und blieb stehen, als die anderen drei anhielten.

 

Es dauerte nur wenige Sekunden, in denen Lily kurze Kampfgeräusche vernahm, ehe der Reiter in Begleitung wieder erschien: ein zappelndes Etwas hing in seiner Faust, bekleidet mit ein paar zerrissenen, nassen Fetzen. Lily richtete die Lampe auf das Ding und enthüllte grau-grüne und feuchte Haut, grüne froschähnliche Glubschaugen, die sich sofort schlossen, als das Licht sie trafen und Hände und Füße mit Schwimmflossen. Das Ding war eine abstoßende Dämonenart, die Lily nicht kannte.

 

Der Lichtstrahl wanderte kurz weiter in die Richtung, aus der der Reiter diesen Dämon angeschleppt hatte und Lily entdeckte einen Einkaufswagen, der auf einem der trockenen Simse stand. Der Wagen war randvoll mit allem möglichen Müll voll gestopft und es fiel Lily nicht schwer zu erraten, dass dieses Wesen eine Sammelleidenschaft für alles hatte, was hier unten angespült wurde. Kurz schüttelte es sie bei dem Gedanken, was alles in diesem Wagen sein konnte. Doch viel Zeit zum Nachdenken bekam sie nicht, denn einer der Dämonen riss ihr die Lampe aus der Hand und leuchtete dem Froschdämon ins Gesicht. Sofort schlossen sich seine Augen.

 

„Du lebst hier unten?“

 

Der Dämon nickte hastig und beeindruckt von der tiefen, gewaltigen Stimme des chinesischen Reiters.

 

„Das heißt, du kennst dich aus“, damit wanderte der Lichtstrahl zu dem Einkaufswagen. „Ist dir zufällig mal etwas in die Hände gefallen… etwas Wertvolleres? Ein Talisman?“

 

Der grüne Dämon blickte zunächst verwirrt zwischen den Reitern hin und her, ehe er eine zappelnde Bewegung im Griff des Reiters machte und dann den Kopf schüttelte.

 

„Fragen wir andersherum.“ Der chinesische Reiter nickte dem indianischen zu, der zum Einkaufswagen ging und ihn kurzerhand ins Wasser stieß, so dass der gesamte Inhalt in das schmutzige Wasser kippte. Der Froschdämon schrie frustriert und wütend auf. Doch das beeindruckte die Reiter nicht sonderlich. „Also... hast du eine kleine, silberne Scheibe gefunden, auf der ein Tor zusehen ist, das umgeben ist von stilisierten Kristalle?“

 

„Vielleicht ja, vielleicht nein“, sagte der Dämon mürrisch und ließ zum ersten Mal seine Stimme erklingen, die für Lily genauso feucht und schleimig klang, wie er aussah.

 

„Dann führ uns zu deinem ‚vielleicht ja’“, knurrte der Wikinger-Reiter und der chinesische Reiter ließ den Dämon aus seiner Faust ins Wasser fallen. „Dann wirst du vielleicht überleben.“ Der Wikinger lachte kurz tief und hohl, ehe er dem Dämon einen Tritt verpasste, damit er sich in Bewegung setzte. Lily wartete erst gar keine „höfliche“ Einladung ab, sondern beeilte sich zu folgen.

 

 

AKT 2

 

Kanalisation

Eine Stunde später

Lily war müde, erschöpft und sie fror. Zudem hatte sie Hunger und eigentlich, wenn sie es genau nahm, wäre sie schon längst unterwegs nach London oder zumindest dabei Vorkehrungen zu treffen. Und wenn nicht London, dann irgendein anderer, erholsamer Ort. Doch noch immer stolperte sie durch das schmutzige Wasser, angetrieben von den Reitern und wusste nicht so recht, was mit ihr geschehen würde, wenn sie den Talisman fanden oder nicht fanden. Besser gesagt – sie konnte es sich lebhaft gut vorstellen, wollte aber lieber nicht näher darüber nachdenken.

 

Es war für sie kein besonderer Trost, dass sie diesen froschgesichtigen Dämon gefunden hatten, der wohl etwas zu wissen schien, aber alles nur noch verkomplizierte. Dieser Dämon hatte nämlich viel eher seinen Spaß daran mit ihnen ein Spielchen zu spielen: Immer wieder bog er nach Lilys Meinung willkürlich mal in den linken, dann wieder in den rechten Gang ab. Irgendwie hatte sie das Gefühl, im Kreis herumzuirren. Sie fragte sich, wann es die Reiter wohl auch endlich begriffen. Was dann geschehen würde, wollte sie sich erst gar nicht ausmalen. Der ganze Vorgang verzögerte nur ihr eigenes Schicksal.

 

Als sie wieder an einer Kreuzung ankamen und der kleine, glubschäugige Dämon nach links abbiegen wollte, wurde er vom afrikanischen Reiter am Kragen gepackt und zurück gerissen. Er wimmerte auf und hielt sich schützend die Hände über den Kopf, was den Reiter jedoch nicht davon abhielt den Dämon ein wenig heftig hin und her zu schütteln. „Du scheinst uns wohl für sehr dumm zu halten? Wir wissen, dass du uns im Kreis herum führst. Es täte dir durchaus gut, wenn du den direkten Weg wählen würdest.“

 

Der Dämon schwieg und der Reiter schüttelte ihn wieder, dieses Mal nicht mehr ganz so nachsichtig. Als das erneut nicht zu wirken schien, warf er ihn schließlich unsanft gegen die Wand, von der der Dämon mit einem Schmerzesschrei abprallte und im schmutzigen Wasser verschwand. Sofort griff der indianische Reiter, der in seiner Nähe stand, nach ihm und riss ihn wieder in die Höhe.

 

Nach Luft japsend und Wasser spuckend kämpfte der Froschdämon gegen den Griff an, aber ohne Erfolg.

 

„Es wäre gut, wenn du aufhören würdest Spielchen mit uns zu spielen. Wenn du nicht mit uns kooperierst, sehen wir uns gezwungen, dir unvorstellbare Schmerzen zuzufügen. Und du kannst uns glauben, wenn wir unvorstellbar sagen, meinen wir das auch so.“

 

Der kleine, hässliche Dämon wirkte nicht sonderlich beeindruckt von den Worten des indianischen Reiters. Im Gegenteil, er lachte. Er lachte laut und gehässig auf. „Ihr glaubt wohl, dass ich noch nicht von euch gehört hätte? Ich weiß wer ihr seid, was ihr sucht und vorhabt. Egal ob ich euch den Talisman geben könnte oder nicht – ihr würdet mich sowieso töten. Mich, alle Dämonen, diese Welt... und was ich weniger bedauere auch die Menschen.“

 

„Nun, auch wir brauchen Helfer und nicht jede Kreatur ist unrein. Es ist noch immer Zeit, sich für die richtige Seite zu entscheiden. Für die reine Seite. Buße zu tun. Es ist deine letzte Chance. Ansonsten...“ Der Wikinger drehte sich bei seinen Worten zu Lily herum und zog sein Schwert. Lily, die zu spät begriff, was die Reiter vorhatten, konnte nur noch abwehrend ihre Hände heben und einen Schritt nach hinten stolpern.

 

Panik leuchtete in ihren Augen auf. „Nein... bitte...“ Mehr brachte Lily nicht mehr über ihre Lippen, denn der Wikinger hatte bereits das Schwert auf sie gerichtet und ein eisig blauer Strahl entsprang der Waffenspitze, der direkt auf sie zuraste. Der Strahl erreichte die Wächterin und traf ihren Körper mit enormer Wucht, so dass sie von den Füssen gerissen wurde und mit dem Rücken gegen die andere Wand prallte. Während das eisige Licht ihre Gestalt vollkommen einhüllte, rutschte Lily langsam von der Wand ab ins Wasser. Der indianische Reiter stand ihr am nächsten und packte sie am Kragen, um sie auf den Füssen zu halten, damit der Froschdämon sehen konnte, was mit der Frau geschah.

 

Lily hatte den stechenden Schmerz im Rücken bereits nicht mehr gespürt, denn in diesem Moment hatte eine eisige, schmerzhafte Kälte von ihren Organen, Muskeln und Nerven Besitz ergriffen. Die Kälte stach wie kleine, feine Nadeln in ihrem Körper und sie musste mit anfühlen, wie sie von innen heraus zu Eis erstarrte und dabei zu erfrieren drohte. Aber die Kraft zu schreien hatte sie nicht mehr. Sie war in ihrem schmerzenden Körper gefangen, fühlte, hörte und sah alles um sich herum mehr als deutlich, nur konnte sie sich in ihrer erstarrten Haltung nicht mehr mitteilen.

 

Kleine Eiskristalle bildeten sich in Lilys Augenbrauen und Wimpern, ihre Lippen wurden ganz blau, ihre Haut nahm einen weiß, bläulichen Schimmer an und die Wächterin selbst glaubte in Panik, dass das Eis bald ihr Herz und ihre Lungen erreichen würde...

 

... dann kam die Erlösung. Wärme stieg plötzlich wieder auf, als der Dämon sein Schwert senkte und es wegsteckte. Ihr ganzer Körper kribbelte schmerzhaft und Lily schrie auf, ehe sie keuchend nach vorne auf die Knie in das schmutzige Wasser stürzte.

 

Der Froschdämon lachte nicht mehr, sein gehässiges Blitzen in den Augen erstarb und er schien verstanden zu haben, während er der Wächterin dabei zusah, wie sie unter kaum auszuhaltenden Schmerzen die Kontrolle über ihren Körper zurück gewann. Offensichtlich konnte man langsam und schmerzhaft sterben und darauf hatte er keine Lust.

 

„Schon gut, schon gut“, murmelte er schließlich und deutete in die andere Richtung. „Wir... wir müssen da lang.“

 

Der indianische Reiter packte Lily grob unter die Arme und zog sie mit sich, als ihm klar wurde, dass die Frau im Augenblick nicht von alleine gehen konnte. Lily war zu benommen, um sich dagegen zu wehren und ließ sich ohne Widerstand mitzerren.

 

Der Froschdämon führte die Gruppe nun zielstrebiger durch die Gänge, wobei er sich von Zeit zu Zeit ein wenig gehetzt nach den Reitern hinter sich umdrehte. Schließlich endete der Marsch vor einem Loch in einer der Wände. Dahinter lag ein Hohlraum, der bei einem Einsturz entstanden zu sein schien. Überall lagen Geröll und Mauerstücke herum, zwei herabgestürzte Deckenstützen halbierten den Raum und kleinere Schutthaufen aus Gestein lagen in den Ecken.

Der restliche Platz in diesem Hohlraum war voll gepackt mit allem möglichen Müll, mit dem sich der Dämon wohl so etwas wie ein Heim aufgebaut hatte. Alte wacklige Stühle, eine löchrige Matratze, eine umgedrehte Öltonne als Tisch, Schachteln, die voll gestopft waren und andere diverse Objekte, deren Untersuchung sicher mehrere Tage gedauert hätte.

 

„Kann etwas dauern“, brummte der Dämon und wurde los gelassen, damit er im Inneren seines „Heims“ nach dem gewünschten Objekt suchen konnte. Er wühlte in allen möglichen Schachteln herum, warf einige sogar um, um besser an den Inhalt zu kommen und zog plötzlich mit einem triumphierenden Schrei den Talisman an einer Kette in die Höhe. Das war sein Glückstag und die Eintrittskarte für sein Leben an der Seite der Alten. Das war besser als von einem diesen vier getötet zu werden. Die Gerüchte in der Stadt waren nämlich alles andere, nur nicht beruhigend.

 

Lily stand im Hintergrund und fühlte sich wie einmal durch die Mangel gedreht. Ihre Knie waren zittrig, ihr Kopf fühlte sich schwer an und jeder einzelne Muskel in ihrem Körper schien zu schmerzen. Aber als sie sah, wie die vier Reiter sie plötzlich kaum noch beachteten, weil der hässliche, kleine Dämon gefunden hatte, was sie suchten, erschien ihr altes Lächeln auf ihren Lippen. Es gab nur diese eine Chance, um zu entkommen und diese würde sie nicht ungenutzt verstreichen lassen.

 

In dem kleinen Hohlraum packte sich der Wikinger den Talisman und kaum hatten die glitschigen Finger des Froschdämons die Kette losgelassen, ging er in Flammen auf, als ihn die Augen des afrikanischen Dämons trafen, der sein Elfenbeinschwert gezogen hatte.

Dem kleinen Dämon blieb nicht einmal die Zeit zu begreifen, was gerade eben passierte, noch die Luft, um zu schreien.

 

Als nur noch ein Häufchen Asche übrig war, drehten sich die vier Reiter zu Lily herum, die gerade die ersten zögernden Schritte nach hinten gemacht hatte.

 

Lily blieb stehen und seufzte theatralisch schwer auf, als sie den grimmigen, entschlossenen Blick aller vier Reiter auf sich ruhen sah. „So viel zur letzten Chance sich für die richtige Seite zu entscheiden.“

 

Der Indianer lachte zynisch auf und deutete mit seiner Waffe auf die Wächterin. „Es gibt niemanden auf dieser Welt der eine Chance verdient hätte, mit uns auf einer Ebene zu stehen. Niemand kann so rein sein.“

 

Doch dieses Mal war es Lily, die lachte, wenn auch eine Spur Verzweiflung darin lag. „Wenn ihr euch da nur mal nicht täuscht...“, und bei diesen Worten berührte sie einen kleinen Anhänger an einer Kette, den sie die ganze Zeit unter ihrer Bluse versteckt getragen hatte – ihr Plan B. Bei der Berührung leuchtete er orange auf. Das Licht wurde rasend schnell intensiver und hüllte Lily in wenigen Sekunden vollständig ein.

 

Ehe alle Reiter ihre Waffen gezogen hatten, war Lily in dem Licht verschwunden.

 

Überrascht blickten sich die vier Reiter an. Mit einem Teleportationszauber hatten sie nicht gerechnet.

 

Ein Tag später

Friedhof, Mittag

Heaven

A gateway to hope

Just like a feeling

I need, it's no joke

 

Mit leerem Gesicht beobachtete Faith, wie der Priester hinter den Grabstein trat, sein Buch öffnete, und begann, daraus vorzulesen. Sie hörte ihm nicht zu. Es interessierte sie absolut nicht, was diese Person zu sagen hatte. Er kannte Robin doch gar nicht. Niemand hier kannte Robin wirklich. Sie selbst eingeschlossen.

 

And though it hurts me

To see you this way

Betrayed by words

I'd never heard

To hard to say them

Up, down, turn around; please don't let me hit the ground

Tonight I think I walk alone to find my soul desire to go home

Oh it's the last time, it's the last time

Oh it's the last time, it's the last time

 

Sie ließ ihren Blick über die Anwesenden gleiten. Giles, Buffy, Dawn und Xander standen links neben ihr. Ronah stand gleich rechts an ihrer Seite, gefolgt von Cliff, Andrew und Kennedy. Etwas abseits stand ein älterer Mann, von dem Giles behauptet hatte, dass es sich dabei um den Wächter von Nikki Wood handelte, als auch einige Personen, bei denen Faith nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wer sie überhaupt waren.

 

„Faith…“ Sie wurde aus den Gedanken gerissen, als Ronah ihr eine Hand auf die Schulter legte, und Richtung Sarg nickte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass alle Anwesenden in ihre Richtung starrten. Faith verstand, strich sich mit der freien Hand noch einmal ihre Haare aus dem Gesicht, und trat dann zum Grab vor, in das der Sarg mittlerweile abgesenkt wurde.

 

Each way I turn

I know I'll always try

To break the circle

That has been placed round me

From time to time

I find our lost

Semeaning

That was urgent

 

To myself

I don't believe

 

Oh, up, down, turn around; please don't let me hit the ground

Tonight I think I walk alone to find my soul desire to go home

 

Als sie in das tiefe Loch starrte, drehte es ihr beinahe den Magen um. Sie schluckte, schloss kurz die Augen und versuchte die Fassung wieder zu finden. Sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden, und kurz darauf die ersten Tränen auf ihre Wangen liefen.

 

Langsam hob sie ihre zitternde Hand, und betrachtete die Rose durchdringend. Wie kurz doch das Leben sein konnte… Diese Rose wurde in ihrer besten Zeit abgeschnitten. Verwelken wird sie trotzdem. Robins Leben wurde ebenfalls zu früh beendet. Viel zu früh. Wieso nur hatte sie Kim gerettet? Warum hatte sie diese blöde Göre nicht in Silent Hill verrecken lassen? Diese…

 

„Faith?“ Sie schreckte zusammen, als erneut eine Hand sanft auf ihre Schultern gelegt wurde. „Kommst du zurecht?”, fragte Buffy so leise, dass die anderen davon nichts mitbekamen.

 

Faith nickte, erinnerte sich wieder daran, warum sie eigentlich als erste vortreten musste, und warf die Rose in das dunkle Grab. Dann drehte sie sich um und blieb erst einige Meter abseits wieder stehen. Sie ließ sich auf ihre Knie nieder, vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und weinte.

 

Oh it's the last time, it's the last time

Oh it's the last time, it's the last time

 

And I have never met anyone quite like you before

And I've never met anyone quite like you before

 

„Denkst du, sie kommt zurecht?”, fragte Xander Buffy leise, nachdem sie eine Schaufel voll Erde in das Grab geworfen und somit Robin die letzte Ehre erwiesen hatte. Die Zeremonie war mittlerweile zu Ende, und der Priester auch schon verschwunden.

 

„Es ist Faith…“, antwortete Buffy, und sah dann Xander und Kennedy besorgt an. „Sie lässt sich nicht helfen…“

 

„Aber wir müssen doch irgendetwas für sie tun können!“, sagte Dawn, als sie zu der Gruppe herangetreten war, und zuerst zu Faith und dann zu Ronah sah, die noch immer beim Grab standen.

 

„Nein, können wir nicht…“, antwortete Buffy wieder und blickte kurz zu Giles, der einige Worte mit Bernard Crowley wechselte, sich dann von ihm verabschiedete, und auch auf sie zutrat.

 

„Ich denke, am besten wäre es, wenn wir ihnen die Zeit geben, die sie brauchen, um damit fertig zu werden…“, sagte Buffy wieder, und blickte Giles fragend an, als er die anderen erreicht hatte.

 

„Ich habe mit Crowley gesprochen, und wie es aussieht, wird er sich so schnell wie möglich wieder auf den Weg nach England machen. Es gibt dort einige wichtige Dinge zu regeln. Genaues wusste er leider noch nicht. Aber wie es scheint, hat es mit Lily und ihren Jägerinnen zu tun.“, informierte er die Gruppe. „Ein Treffen mit allen Wächtern ist einberufen worden. Er wird mich anrufen, sobald er mehr weiß.“

 

„Na ja, falls wir die Reitern nicht rechtzeitig beseitigen können, wird das nicht mehr notwendig sein“, merkte Andrew an.

 

And I've never met anyone quite like you before

Oh, up, down, turn around; please don't let me hit the ground

Tonight I think I walk alone, to find my soul desire to go home

 

And I never met anyone quite like you before

Up, down, turn around; please don't let me hit the ground

Tonight I think I walk alone, to find my soul desire to go home

 

„Ronah?” Faith trat langsam neben ihre Freundin, die noch immer in das tiefe Grab starrte. Im Hintergrund löste sich die Beerdigungsgesellschaft auf und die ersten verließen den Friedhof.

 

Ronah drehte langsam ihren Kopf und starrte Faith mit verweinten Augen an. Sofort wendete sie den Kopf wieder, sah kurz zu Boden, und dann wieder in Robins Grab. Sanft fasste sie nach Faith’ Hand.

 

„Ich kann noch immer nicht glauben, dass wir schon wieder jemanden verloren haben…“, brachte Ronah mit krächzender Stimme leise hervor. Faith antwortete nichts. Was gab es da auch zu antworten?

 

Wind kam auf, und die Lichter der Kerzen schienen zu tanzen. Ronah schluchzte erneut, drehte sich zu Faith, legte ihre Arme um sie und drückte sich fest an sie. Langsam hob auch Faith ihre Arme, erwiderte die Umarmung der Jüngeren, und begann, mit ihrer rechten Hand über ihren Kopf zu streichen.

 

Sie blickte auf Vis Grab, das direkt daneben stand, und dann wieder in die dunkle Grube, in der Robins Sarg nun lag. Tränen liefen Faith über das Gesicht, als sie erkannte, dass Eve aus dem dunklen Schatten eines Baumes trat, langsam auf sie zuging, und schlussendlich hinter Robins Grab stehen blieb.

 

„Es ist schon erstaunlich. Du bist echt etwas Besonderes, Faith.“ Eve lächelte, strich dabei über den Stein, näherte sich den zwei Jägerinnen aber nicht weiter. Faith sah überrascht zu Ronah, die noch immer weinend an ihr lehnte, doch sie schien Eve nicht gehört zu haben.

 

„Du scheinst etwas an dir zu haben, das die Leute… in den Tod treibt!“ Eve lachte erneut, warf dann eine schwarze Rose in Robins Grab, und verschwand wieder.

 

Faith schloss wieder die Augen, drückte Ronah weiter an sich, und trauerte stumm weiter.

 

Up, down, turn around; please don't let me hit the ground

Tonight I think I walk alone to find my soul desire to go home

 

Friedhof

Zur selben Zeit

Nachdem Giles den anderen von Crowely berichtet hatte, war er zurück ans Grab getreten. Jedoch zog er sich etwas in den Hintergrund zurück, um Faith und Ronah nicht zu stören. Er brauchte dieses Mal selbst einen stillen Moment, um mit dem erneuten Verlust in seinem Leben klar zu kommen und Abschied von Robin zunehmen, der zu einem Freund und Vertrauten geworden war. Er kam aus einer Vergangenheit, die nach Sunnydales Zusammenbruch nicht mehr existierte. Die nur noch durch sie, die Überlebenden, vorhanden war.

 

Dabei war sich Giles bewusst, dass er Robin nie wirklich richtig kennen gelernt hatte, aber trotzdem verband sie das Erlebte in Sunnydale auf eine gewisse Weise.

 

Sein Blick wanderte auf das Grab neben Robin – Vi. Es war noch gar nicht so lange her...

 

Giles schloss die Augen und fragte sich, wann es je aufhören würde, dass er Menschen beerdigen musste, die durch das, was er tat oder wusste starben.

 

Plötzlich fühlte er sich an Sina erinnert. Die Wahrsagerin, die ebenfalls starb, weil sie seinen Weg gekreuzt hatte. Sie hatte ihm eine Karte gezeigt – der Tod. Damals war er aus dem Zelt gerannt und wollte nichts mehr davon hören. Er hatte Angst gehabt und hätte am liebsten ihre Worte aus seinem Gedächtnis verbannt. Trotzdem waren die Alpträume gekommen und mit ihnen ein Wesen, von dem er geglaubt hatte, das es längst besiegt worden wäre. Damals hatte er Sinas Karten zu deuten verstanden, bis auf die letzte. Der Mond... lange hatte er an Buffy gedachte, doch wenn er jetzt Sinas Worte neu überdachte, ergab vieles einen anderen Sinn. Jede Karte, die sie ihm gelegt hatte, hatte ihm einen Menschen offenbart, der starb, weil er ihnen mit dem Eintritt in seine Welt auf die eine oder andere Weise den Tod gebracht hatte. Die Alpträume damals hatten ihm unbewusst die richtige Deutung jeder Karte, die ein passendes Bild der Person zeigte, die gemeint war, vor Augen geführt. Heute glaubte er die passende Interpretation selbst gefunden zu haben. Der Mond war demnach nicht für Buffy bestimmt gewesen. Doch wenn nicht für sie, für wen dann...

 

Sinas V.O.: „Die Kaiserin. Eine Person in Ihrem Leben, voller Liebe und Hingabe, die aber auch zerstörend auf ihr Leben einwirkte.“

 

Nicht ohne Wirkung und Einfluss war der Tod seiner Mutter geblieben. Ein dunkles Wesen, vom Rat geheim gehalten, war über sie hergefallen. Wie einfach hätte man sie davor bewahren können. Sie war die erste gewesen, die ihm etwas bedeutet hatte und die er auf solch eine tragische Weise verlieren musste. Ihr Tod beeinflusste sein Leben und ließ es in eine Richtung laufen, die er nicht unbedingt freiwillig eingeschlagen hätte. Schuldgefühle sorgten lange dafür, dass er nie vergaß, wie kurz ein Leben in der Welt eines Wächters und einer Jägerin sein konnte. Und mit ihrem Tod waren noch so viel andere gekommen, die er nicht hatte verhindern können...

 

Sinas V.O.: „Der Bube der Stäbe. Jemand ist Ihnen begegnet, als Sie ausbrechen wollten, etwas erleben wollten. Bereit waren für das Abenteuer. Risikofreude spielte eine Rolle.“

 

Thomas... Grundgütiger, es war schon wieder eine Weile her, dass er sich an damals erinnert hatte. Seit sie Ethan aus Cleveland verjagt hatten – genau genommen. Auch Thomas war in seiner Welt aus Dämonen, Hexen und Vampiren gestorben, hatte ihm erneut gezeigt, dass das Leben noch ein paar Überraschungen für ihn parat hatte und sein eigenes erneut beeinflusste.

 

Sinas V.O.: „Die Königin der Stäbe. Jemand mit sehr viel Selbstvertrauen, Stolz und Unabhängigkeit kreuzte ihren Weg. Klug, aber nicht unbedingt bereit sich unterzuordnen, nicht immer fähig Kritik anzunehmen. Lebendig und willensstark, unternehmungslustig. Die Karte hat auch eine negative Seite... die Königin steht auch für die Dramenkönigin, weil sie ein Talent zum Schauspielern hat... Ihnen also etwas vorgaukelte.“

 

Der Gedanke an Thomas führte ohne Umwege direkt zu seinen tief begrabenen Erinnerungen an Jenny. Es war lange her und noch heute war in ihm ein tiefer Schmerz – aber er war mit den Jahren erträglicher geworden. Inzwischen konnte er sich auch an die schönen Zeiten erinnern und dabei kam nur noch Wehmut auf, und das Bedauern, nicht mehr Zeit mit Jenny gehabt zu haben.

 

Sinas V.O.: „Die vorletzte Karte. Wechsel und Wandel. Sie lebt in Ihrer Welt, und ist doch nicht von dieser Welt.“

 

Nun war er in seinen Erinnerungen bei der letzten Karte angelangt – der Mond. Wechsel und Wandel... wie hatte er dabei nur an Buffy denken können? Nein, seine Jägerin war nicht damit gemeint. Sie hatte ständig mit dem Tod zu tun, deswegen glaubte er nun nicht mehr, dass die Wahrsagerin ihm deswegen die Karte gezeigt hatte. Doch wenn nicht Buffy....

 

„Meine Güte...“, hauchte Giles erschrocken, als es ihm endlich wie Schuppen von den Augen fiel – Dawn. Es war Dawn gemeint. Ihre Existenz als Schlüssel und Mensch – der Wandel und der Wechsel...

 

Die Erkenntnis traf ihn hart, gerade auch jetzt, wo Dawn sich für ihr Opfer entschlossen hatte, und das Wissen, dass die letzte Karte, die ihm Sina daraufhin gezeigt hatte, der Tod gewesen war, ließ sein Gesicht blass und fahl werden. Vielleicht würde Dawn gar nicht in ihrer Welt als Lichtwesen enden... aber daran wollte Giles jetzt wirklich nicht denken...

 

Als er sich vom Grab abwandte, um zurück zum Wagen zu gehen, schien er auf einmal müder und älter....

 

 

Friedhof

Zur selben Zeit

Ihr Blick schweifte über die Gräber, und unwillkürlich musste Dawn daran denken, dass sie erst vor einigen Wochen hier mit Ronah ein paar Vampire unschädlich gemacht hatte. Kein schwerer Kampf, die Blutsauger waren frisch aus den Gräbern gekrabbelt, und ausnahmsweise beherrschten sie keinen Kampfsport.

 

Ronah und sie hatten herumgealbert, und Witze gerissen, und sie hatte sich innerlich darüber gewundert, wie sehr ihr das Leben als Jägerin schon zur Routine geworden war. Noch vor wenigen Monaten hatte sie noch gar nicht gewusst, wie sie damit umgehen sollte, aber dann... sie hätte nie damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde...

 

Und jetzt? Was würde jetzt sein? Würde sie sich auch an ein Leben ohne einen menschlichen Körper gewöhnen können?

 

Es war schließlich nicht das erste Mal...

 

„Du, ich pack’s dann wieder“, sagte eine leise Stimme neben ihr. Sie wandte sich Andrew zu, welcher mit gesenktem Kopf an ihrer Seite stand. Offenbar behagte es ihm gar nicht, so zwischen den Fronten hin- und her gerissen zu sein. „Ich wünschte, ich könnte dir und Buffy auch helfen, aber Mo hat mir vorhin ’nen Auftrag gegeben, und...“

 

„Hey, ist schon in Ordnung.“ Sie legte eine Hand auf seine Schulter. „Ist schließlich nicht unsere erste Apokalypse.“

 

Sie holte tief Luft und überlegte, ob sie ihm sagen sollte, dass sie sich vielleicht nicht wiedersehen würden. Aber es auszusprechen, das würde es so endgültig machen. Und außerdem – er würde es vielleicht nicht verstehen, würde versuchen auf sie einzureden. Und sie konnte nicht noch jemanden brauchen, der auf sie einredete. Das alles war schon schwer genug.

 

„Was ist los?“, fragte Andrew verwirrt und blickte sie aus besorgten Augen an. „Steht es so schlecht um uns und unsere Welt?“

 

„Es wird ein schwerer Kampf werden“, wich sie seiner Frage aus. „Vielleicht... vielleicht werden wir nicht alle heil wieder rauskommen. Du musst wissen, dass ich...“

 

„Du machst mir Angst“, murmelte er und sie konnte förmlich sehen, wie die Panik in ihm hochstieg. Er schien etwas zu ahnen, irgendetwas am Tonfall ihrer Stimme musste sie verraten haben. „Du hast mir doch versprochen, nicht zu sterben. Weißt du nicht mehr?“

 

„Natürlich.“ Sie lächelte traurig. Wie hätte sie das auch vergessen können? In gewisser Weise war es dieses Gespräch vor einem knappen Jahr gewesen, mit dem ihre Freundschaft begonnen hatte. „Wir haben die Menschen um uns herum mit Sternen verglichen, und du hast mich zu deinem Mond erklärt. Weißt du, den Mond sieht man auch nicht immer, aber er ist trotzdem immer da.“

 

Sie redete nicht weiter und er hütete sich, nachzufragen, was diese seltsamen Worte bedeuten mochten. Stattdessen legte sie die Arme um ihn, drückte ihn einen Moment lang an sich. Er schniefte leicht, während er ihre Umarmung erwiderte und seine Stirn gegen ihre lehnte. „Bis dann“, murmelte er leise, als er sich schließlich abwandte, um zu gehen.

 

„Andrew?“

 

„Ja?“

 

„Du hast mir nie erzählt, wie die Geschichte von Batman und Robin ausgegangen ist. Ist Robin wieder zu Batman zurückgekehrt?“

 

„Nein, ist er nicht.“ Andrew schüttelte den Kopf. „Er lebte sein eigenes Leben als Nightwing und bekam auch seine eigene Serie. Erzähl’ ich dir, wenn das alles hier vorbei ist, okay?“

 

„Okay.“ Einen Augenblick lang sah sie ihm hinterher, bevor auch sie sich abwandte, um ihrem Weg zu folgen.

 

An einem anderen Ort…

Zu einer anderen Zeit...

Willow, Tara und die Hüterin standen wieder auf dem wunderschönen Sandstrand, an dem sich Willow schon einmal wiedergefunden hatte. Tara trat einige Schritte beiseite und ließ damit den Hüterinnen den Raum, den sie brauchten, um das zu tun, wozu sie hier waren.

 

Die junge Hüterin fühlte sich wohl, aber irgendwie auch nicht. Sie wusste noch immer nicht genau, wo sie hier eigentlich war. Es war einerseits so wunderschön hier, doch andererseits wusste sie nicht, wie es ihren Freunden beim Kampf ergangen war.

 

„Willow… hör mir jetzt genau zu…“ Die Hüterin beugte sich nach vorn und strich ihr langsam die Haare aus dem Gesicht. Danach fuhr sie ihr sanft über die Wange, die Schulter, über ihren Oberarm und ergriff schlussendlich ihre rechte Hand.

 

„Ich weiß, du hast viele Fragen. Darüber, wer du bist, was deine Aufgaben sind, und wie genau du deine Fähigkeiten gezielt nutzen kannst. Ich werde dir heute nicht alles erklären können, dafür reicht die Zeit leider nicht mehr aus. Aber ich weiß auch, dass du eine ganz außergewöhnliche Frau bist, Willow Rosenberg. Keine vor dir war so wie du. Du bist einzigartig, und du bist die Anführerin einer neuen Generation. Lass mich dir zeigen, wie du mit deinen Problemen fertig werden kannst…“

 

Die Hüterin ließ Willows Hand mit einem Mal los, drehte sich um und trat langsam einige Schritte in das Meer. Zögerlich folgte ihr Willow in das kalte Nass. Die Gewänder der Frauen wurden nass, zogen sie leicht nach unten, doch sie stoppten erst, als sie bis zur Hüfte im Wasser waren.

 

Plötzlich hörte Willow wieder die tausenden von Stimmen, die Schreie, sie spürte die Schmerzen, die Freude, den Hass, die Liebe. Sie riss die Arme nach oben, hielt sich die Ohren zu, sie musste schreien, um dies zu ertragen. Warum tat ihr die Hüterin das an? Warum musste sie das noch einmal durchleben?

 

Wie aus weiter Ferne vernahm sie aber plötzlich durch das Stimmengewirr in ihrem Kopf den wohlklingenden Klang ihrer Begleiterin.

 

„Willow, sieh auf. Ich muss dir etwas zeigen. Konzentriere dich. Es ist nur am Anfang so schlimm.“

 

Die Hexe öffnete die Augen, richtete sich wieder auf, und erkannte zu ihrem Erstaunen, dass das Wasser voller Jägerinnen waren: Mädchen, kaum älter als sechs oder zehn, Teenager, junge Frauen, Frauen mittleren Alters, alte Frauen... alle standen sie im Wasser und starrten sie an. Hunderte. Tausende.

 

Sie dachte kurz, Buffy und Faith in der Menge ausmachen zu können, aber sie war sich nicht wirklich sicher. Es waren einfach zu viele Mädchen, um spezielle Gesichter heraus zu erkennen.

 

„Willow, sieh mich an!“, kam wieder die sanfte Stimme der Hüterin.

 

Sie schaffte es, den Blick von den vielen Jägerinnen zu lösen, und obwohl sie die tausenden von Stimmen, die unzähligen Gefühle noch immer vernahm, schienen sie zumindest im Moment dumpfer zu sein, als der Ton ihrer Mentorin.

 

„Willow, du bist die Hüterin einer Unmenge von Jägerinnen. Du stehst mit allen in Kontakt. Und das ist das Problem. Früher gab es viele Hüterinnen für eine Jägerin. Jetzt ist es umgekehrt. Zumindest für den Anfang. Die Regeln wurden geändert. Von dir. Daher bist auch du die Richtige. Die Einzige, die diese Aufgabe alleine bestehen kann.“

 

„Wie meinen Sie das? Sagten Sie nicht, es gibt noch andere?“, fragte Willow besorgt.

 

„Natürlich gibt es noch andere Hüterinnen. Aber im Moment bist du alleine. Du bist vorerst auf dich selbst gestellt!“

 

„Aber wie?“ Verzweifelt sah Willow wieder in die Menge, und die Lautstärke der Stimmen, die Intensität der Gefühle, die Schmerzen, verstärkten sich wieder. Sofort drehte sie sich wieder weg und fokussierte ihre Gedanken auf die Hüterin.

 

„Du musst lernen, zu filtern. Du kannst dich nicht ständig um alle kümmern. Das geht nicht. Das brauchst du auch nicht. Wichtig ist es, die zu sehen, die deine Hilfe brauchen. Ich zeige es dir. Richte deinen Blick wieder auf die Jägerinnen. Habe keine Angst vor ihnen. Sie können dir nichts anhaben. Du hast die Kontrolle. Du hast die Kraft…“

 

Willow richtete ihren Blick wieder Richtung Horizont. Tausende Frauen. Tausende Stimmen. Tausende Gefühle.

 

„… sortier’ die Jägerinnen aus, die keine Schmerzen haben…“

 

Die rothaarige Hüterin konzentrierte sich, sie kniff die Augen zusammen. Nichts geschah. Im Gegenteil, die Stimmen wurden noch lauter, die Gefühle intensiver, die Schmerzen stärker. Willow stieß einen spitzen Schrei aus und brach beinahe zusammen.

 

„Hört auf!“, schrie sie, presste sich ihre Arme noch stärker gegen die Ohren und versuchte mit aller Kraft, die Stimmen aus ihrem Kopf zu verbannen. Nichts. „Oh mein Gott..!“, schrie Willow weiter, und Tränen liefen ihr über die Wangen.

 

Auf einmal spürte sie, wie die Hüterin ihre linke Hand ergriff, und die Stimmen verstummten. Fürs erste. Willow hob ihren Blick, starrte zuerst geschockt in die Gesichter der jungen und älteren Frauen, und dann wieder zur ihrer Lehrerin.

 

„Was mache ich falsch?“, fragte sie zitternd. Diese Schmerzen waren unerträglich gewesen.

 

„Du darfst nicht gegen sie ankämpfen. Diese Jägerinnen sind nicht deine Gegner, die gewaltsam in deinen Kopf, in dich, eindringen wollen. Versuch sie zu sondieren, und dich dann auf die zu konzentrieren, die keine Schmerzen haben.“ Die Hüterin ließ ihre Hand erneut los, und wieder schlug eine Welle von Stimmen, Gefühlen und Schmerzen auf sie ein.

 

Doch Willow hielt stand. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie kämpfte nicht. Sie gab sich den Stimmen hin. Sie sondierte. Sie filterte. Als sie dann die Augen öffnete, lösten sich mehr als die Hälfte der Jägerinnen wie von Magie einfach auf. Einfach so. Sie waren weg. Ihre Stimmen verstummt. Ihre Gefühle verblasst.

 

„… nun, nachdem der erste Schritt getan ist, versuche dich auf die zu konzentrieren, die dich braucht, und hilf ihr!“

 

Willow ließ ihren Blick über das Wasser gleiten. Einige Jägerinnen starrten sie weiterhin nur stumm an. Sie nickte, und die Frauen und Mädchen verschwanden. Einige weitere schienen mit Gegnern zu kämpfen, die sie aber nicht sehen konnte, doch keine schien ernsthaft in Gefahr zu sein. Auch diese verschwanden.

 

Auf einmal fiel es Willow wie Schuppen von den Augen. Ein greller Schrei. Wieso hatte sie den nur vorhin nicht gehört?“ Sie drehte sich im Kreis, erkannte in einigen Metern Entfernung ein Mädchen, dass gegen die Strömung kämpfte, schrie, und schlussendlich unterging. Willow zögerte keine Sekunde, lief so schnell sie konnte durch das Wasser und erfasste die Hand der Jägerin, bevor sie vollkommen in den Fluten verschwand. Als sie das Mädchen hochziehen wollte, löste sich plötzlich das ganze Szenario auf, und sie stand wieder neben der Hüterin am Strand. Die Stimmen waren verstummt. Die Gefühle verblasst.

 

„Du hast schnell verstanden…“, sagte die ältere Hüterin erfreut und nickte Willow stolz zu. „Jetzt verstehe ich, warum gerade du dazu auserwählt wurdest.“ Sie lächelte noch einmal, und bedeutete ihr dann zu folgen.

 

Sie blieben schlussendlich an der Klippe stehen, an der Willow vor einiger Zeit schon mit Tara gestanden hatte, und setzten sich auf den überraschend bequemen Boden.

 

Tara war ihnen langsam gefolgt, und hielt sich nun wieder abseits auf. Sie blickte Richtung Horizont, und sie schien abwesend. Ihre Augen wirkten für einen Moment leer, als wäre sie nur körperlich anwesend. Dann, wie von einem Blitz getroffen, fuhr wieder Leben in ihren Körper, und besorgt blickte sie zu den Hüterinnen.

 

„Wir haben nicht mehr viel Zeit! Beeilt euch bitte“, sagte die Führerin leise und strich sich dabei ihre Haare mit der rechten Hand aus dem Gesicht. Ihr besorgter Blick blieb auf Willow hängen.

 

„Da sich unsere Zeit dem Ende zuneigt, möchte ich dir noch schnell das Wichtigste erklären, was die genauen Aufgaben einer Hüterin sind…“ Die alte Frau schloss kurz die Augen, konzentrierte sich, holte noch einmal tief Luft, und begann dann zu erzählen.

 

„Wir Hüterinnen sind dazu auserwählt, dafür zu sorgen, dass die Jägerinnen nicht für andere Zwecke genutzt werden außer zum Wohle der Menschheit. Unser primäres Ziel ist es sicherzustellen, dass die Mädchen vom Rat der Wächter in keiner Weise missbraucht oder gar misshandelt werden. Ich meine damit unter anderem, dass wir dafür Sorge tragen müssen, dass der Rat nicht aus Eigennutz eine Jägerin beseitigt, nur um eine loyalere Kämpferin zu bekommen. Wir sind dafür verantwortlich, den Wächtern klar zu machen, dass es sich bei den Mädchen trotz allem um Menschen handelt – sie sind keine Kampfmaschinen, kein Werkzeug, zu denen sie der Rat aber immer so gerne heranzüchtet.“ Die Hüterin pausierte kurz, um sich zu sammeln, und sprach dann weiter.

 

„Wie ich dir vorhin schon zu verstehen gab, sind wir es, die wissen, welche Jägerin als nächstes berufen wird. Jetzt, wo die Regeln geändert wurden, spielt das sicher keine so große Rolle mehr für den Rat. Und trotzdem ist es noch immer von Vorteil. Jede neugeborene Jägerin kannst du nun finden, damit ihr Leben gesichert wird. Aber du musst verstehen, dass wir früher nicht ganz so mächtig als Einzelne waren. Es war ein Kreis aus zwölf Hüterinnen notwendig, um vereint die anderen Hüterinnen mental zu erfassen, um herauszufinden, wo die Jägerin steckte. War der Kreis aus Zwölf zerschlagen, gab es für uns keine Möglichkeit, die Jägerin aufzuspüren. Und was das bedeutet kannst du dir ja denken – der Rat hatte in diesem Moment die alleinige Macht und konnte eine selbst aufgespürte, unbrauchbare Jägerin einfach beseitigen, um abzuwarten, ob als nächstes eine Wunschkandidatin nachrückte.“

 

„Das heißt, ich muss elf weitere Hüterinnen finden?“, fragte Willow. „Um für den Rat eine Art Spurensucherin zu werden?“

 

„So würde ich das nicht unbedingt nennen“, lächelte die Hüterin. „Wir sind ihre Überwacher. Wir stehen über ihnen. Das ist Gesetz, und das wissen sie auch. Nur hatten einige Wächter immer Probleme damit, es zu akzeptieren. Du brauchst elf der Stärksten, damit ihr euch gegenseitig die Last, so viele Jägerinnen zu spüren und zu bewachen, erleichtern könnt. Und um die anderen Hüterinnen zu finden. Allein wirst du früher oder später an der Aufgabe scheitern.“

 

„Okay, das habe ich soweit verstanden… aber ich habe noch so viele Fragen. Wie zum Beispiel finde ich neue Hüterinnen? Oder speziell die elf, die den Kreis bilden sollen? Ich weiß, dass ich die Präsenz der neuen Jägerinnen spüren kann, aber ich habe bisher noch nie etwas anderes... also... von einer Hüterin gespürt.“ Unsicher blickte Willow ihre Gegenüber an.

 

„Das liegt daran, dass man als Hüterin nicht geboren wird, zumindest normalerweise nicht, bei dir bin ich mir ehrlich gesagt gar nicht so sicher. Aber Hüterinnen gibt es überall und sie werden durch das, was sie in ihrem Leben machen, zu eben diesen. Wenn du eine siehst, wirst du verstehen, was ich meine.“

 

„Bedeutet das, dass man durch seine Taten zu einer Hüterin wird?“ Verwundert blickte sie die ältere Frau an. Diese nickte lächelnd, und sprach.

 

„Du wirst verstehen, sobald du wieder in deiner Welt bist!“

 

In diesem Moment trat Tara näher und die Hüterin nickte sofort. „Wie ich sehe, ist unsere Zeit vorbei. Es tut mir wirklich leid, dass wir uns nicht länger unterhalten konnten, doch die Zeit auf deiner Welt dreht sich weiter. Und deine Freunde brauchen dich. Lebe wohl, Willow. Und habe Vertrauen. Wir alle wissen, dass du die Aufgabe bewältigen wirst!“ Mit diesen Worten drehte sich die Hüterin um und ging auf das Zelt zu, welches plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Davor hatten sich alle anderen Hüterinnen versammelt und winkten Willow zum Abschied.

 

„Willow?“ Taras sanfte Stimme drang wie eine kalte Brise durch ihren Körper, woraufhin sie sich sofort zu ihr umdrehte, und ihr noch einmal fassungslos in die Augen sah.

 

„Heißt das, dass wir uns nun verabschieden müssen?“, fragte Willow.

 

„Es bedeutet, dass die Zeit gekommen ist und uns ein richtiger Abschied geschenkt wurde.“ Tara trat näher an Willow heran und lächelte sie liebevoll an. Sie hob ihre Hand, strich ihr das rote Haar aus dem Gesicht und fuhr dabei auch über die Rose, die sie ihr vor einiger Zeit in eben dieses gesteckt hatte.

 

„Lebe wohl, meine Hüterin.“

 

„Aber... nein... ich...“ Willow hob ihre Hände und griff nach Taras. Sie zog sie an sich heran, umarmte sie, und drückte sie fest an sich.

 

„Lebe Wohl, Willow!“, wiederholte Tara, und die Welt rund um die rothaarige Hüterin begann sich aufzulösen. Sie spürte, wie sie von weißem Licht umhüllt wurde und plötzlich spürte sie einen sanften Kuss auf ihren Lippen. Dann war alles…

 

---

 

Kennedy strich Willow sanft durchs Haar. Sie weinte.

 

„Willow? Wenn du mich hören kannst... wir... wir brauchen dich. Ich brauche dich!“, schluchzte sie, beugte sich nach vorn und gab ihr einen sanften Kuss auf die Lippen.

 

Plötzlich begannen die Geräte wie wild zu piepsen und ein Alarm ging neben ihr los. Geschockt musste sie feststellen, dass Willow stark zu zittern begann – und in der nächsten Sekunde wurde die Tür des Zimmers aufgestoßen und ein Arzt gefolgt von drei Schwestern kam in den Raum gestürmt.

 

„Was… was ist los?“, fragte Kennedy, wurde aber von niemandem gehört.

 

Während die Schwestern Willows zuckenden Körper auf das Bett drückten, füllte der Arzt eine Spritze, und injizierte diese schließlich in eine Vene.

 

„Was passiert mit ihr?“, schrie Kennedy nun lauter, woraufhin sich eine der Schwestern umdrehte und an sie herantrat.

 

„Wir haben gute Nachrichten, Ms. Rosenberg scheint aufzuwachen. Ich muss sie aber bitten, draußen zu warten. Ich hole sie herein, sobald wir sie stabilisieren konnten!“

 

Kennedy wurde aus dem Raum geschoben, und daraufhin die hellblaue Tür geschlossen, auf die sie danach einige Momente ungläubig starrte. Hatte sie gerade richtig verstanden? Willow wachte auf? Willow… kam wieder in Ordnung? Oh Gott. Sie musste die anderen anrufen.

 

Sie machte kehrt und steuerte auf das Schwesternzimmer zu, wobei sie eine blonde, ziemlich junge Krankenschwester aus dem Weg stieß, die dabei ein ruppiges „Was soll das denn?“ von sich gab. Kennedy ging nicht darauf ein, griff nach dem Telefon und wählte die Nummer der Wächterzentrale.

 

Durch den Hörer konnte man gedämpft Giles hören, der sich meldete.

 

„Hier ist Kennedy. Willow ist aufgewacht!“

 

Krankenhaus Cleveland

Abends

Mit starrem Blick saß Eve in ihrem weißen, sterilen Krankenzimmer. Ihr Bett war frisch überzogen worden, und an der Wand gegenüber hingen zwei Bilder, die wahrscheinlich von Kindern aus der Kinderstation gemalt worden waren.

 

Endlich ging ein Ruck durch Eve hindurch und sie begann, aus dem Regal neben dem Türrahmen, Aktenordner, Bücher und Bilderrahmen zu ziehen und nach dem Monster zu werfen. Ein paar Mal traf sie das Reittier, doch der letzte Wurf mit einer metallenen Figur klatschte an den Schädel seines Reiters und mit einem zischenden Geräusch drehte sich der Dämon kurz zu ihr um. Das war die Gelegenheit für Xander unter den Greifzangen und dem schnappenden Maul des Reituntersatzes durchzutauchen und wütend brüllend drehte sich das Monster herum, um ihn noch zu packen, was ihm aber nicht gelang. Xander war bereits an dem Dämon vorbei und schwerfällig wendete sich das Tier mitsamt Reiter um die Verfolgung aufzunehmen, da schob ihm Xander geistesgegenwärtig einen der Drehstühle direkt für die knöchernen Hufe, so dass es stolperte und quiekend zu Boden ging.

 

Zitternd fuhr Eve sich mit ihrer rechten Hand durch die Haare. Die Monster in ihrem Bürogebäude… sie hatte sie... total verdrängt. „Mein Gott…“, flüsterte sie.

 

„Eve?“, flüsterte Faith ungläubig. „Wie… was... ich versteh das nicht… EVE?“ Faith konnte es nicht glauben, als sie die Frau erkannte. Da stand Eve vor ihr. Eve aus Silent Hill. Eve aus ihrem Traum. Eve der Dämon, der Racheengel. Eve, die angedroht hatte, alle ihre Freunde zu töten.

Faith’ Blick verdunkelte sich, und ihr Hände wurden zu Fäusten, als sie los lief, Eve ansprang und ihr mit der rechten Faust ins Gesicht schlug. Eve schrie panisch auf, stolperte nach hinten, und schlug hart auf dem kalten Betonboden auf. Zitternd fasste die blonde Frau nach ihrer blutenden Nase.

 

Prüfend fasste Eve nun wieder nach ihrer Nase. Herrje, diese Irre hatte sie ihr damals ja beinahe gebrochen. Was war in letzter Zeit nur los? Wieso passierte das alles? Vor kurzem hatte ihre Welt noch Regeln, nun musste sie fürchten, dass hinter jeder Ecke ein Verrückter... nein... ein Monster stand. Ihr Kopf begann zu Schmerzen. Immer mehr Bilder aus dem vergangenen Jahr schossen ihr in den Kopf. Immer mehr verdrängte Erinnerungen.

 

Eve blieb mitten in der Bewegung stehen. Das Licht ging an, sie hätte allerdings auch so gewusst, wer hinter ihr stand. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, griff sie in ihre Handtasche, zog eine Pistole heraus und drehte sich zu dem hellhäutigen Magier um, der lächelnd hinter ihr stand.

 

Tränen liefen über Eves Wangen, als sie spürte, wie der Magier den Reißverschluss ihres Kleides aufmachte, sie konnte allerdings nicht dagegen tun. Ihre Gelenke waren erstarrt, sie konnte nicht einmal schreien.

„Ich versteh ehrlich nicht, was du an dem Kerl findest“, redete der Magier weiter, nachdem Eves Kleid zu Boden gefallen war, und er nun ihren BH öffnete.

Eve schloss die Augen, und versuchte, irgendetwas zu bewegen, es passierte jedoch nichts. Als der Magier seine Hände um ihre Brüste schloss, wurde ihr schwarz vor den Augen und sie verlor das Bewusstsein.

 

„OH NEIN…“ Schreiend sprang sie aus dem Bett. Tränen schossen ihr aus den Augen. „Oh mein Gott… oh mein...“ Sie brach zusammen, kauerte auf dem blassen Linoleumboden und begann zu weinen.

 

Sie flüsterte seinen Namen ein zweites Mal, blickte an sich hinunter und betrachtete den Pfeil in ihrer Brust, als wäre er ein mäßig interessantes Kunstobjekt. Dann blickte sie wieder auf, und ihre Augen begannen zu glühen.

 

Ein leuchtend gelbes Licht ging von ihnen aus, während Eve wuchs und wuchs, bis sie beinahe die Höhlendecke erreichte. Ihr ganzer Körper verfärbte sich dunkel, ihre Haut wurde seltsam glitschig. Die großen gelben Augen, die aus dem nun schwarzen Gesicht hervorstachen musterten Xander genau.

 

„Nein... nein... nein… hört auf!“ Eve schlug sich wie wild mit ihrer Hand gegen den Kopf. Die Bilder wollten nicht aufhören. Diese schrecklichen Bilder. Wieso musste sie das alles nur noch ein zweites Mal durchleben? Wieso? Verzweifelt versuchte sie aufzustehen, schaffte es aber nicht.

 

„Schatz?“ Die Tür öffnete sich langsam, und ein strahlend lächelnder Xander betrat mit einem wunderschönen Strauß Blumen das Zimmer.

 

„Oh mein Gott, Eve, was ist los?“ Er legte die Blumen sofort auf dem Bett ab und half ihr hoch. Zitternd blickte sie ihn an, und ließ sich dann wieder auf das Bett helfen. Verwirrt, fast apathisch, starrte sie zwischen ihm und der leeren Zimmerdecke hin und her. Was war nur los mit ihr?

 

„Schatz? Eve?“ Xander strich ihr einige Haare aus dem Gesicht, und wollte schon fast einen Arzt rufen, als sich plötzlich von einer Sekunde auf die andere Eves leerer Blick wieder mit Leben füllte.

 

„Xander?“, erschöpft setzte sie sich auf. „Was, was machst du denn hier?“

 

„Ich wollte nach dir sehen. Wie geht es dir?“ Er beugte sich mit einem besorgten Blick nach vorn und küsste sie sanft.

 

Eve blickte ihn verzweifelt an. Die Erinnerungsschübe waren vorbei. Sie wusste wieder, was in letzter Zeit passiert war. Sie wusste alles. Sie konnte sich sogar an die Zeit erinnern, in der sie ihren Körper mit diesem abartigen Wesen teilen musste. Ein kalter Schauer durchfuhr sie.

 

„Ich... es ist schön, dich zu sehen!“, sie lächelte Xander an, stand auf, nahm die Blumen und stellte sie in eine leere Vase, „Sie sind wunderschön, danke sehr!“

 

„Bitte…“ Xander beobachtete sie ruhig, bis sie wieder auf dem Krankenhausbett Platz genommen hatte.

 

„Wie geht’s dir?“, fragte er erneut.

 

„Ich kann mich an alles erinnern…“, platze sie heraus und sah ihn gefasst an. „Ich weiß, was passiert ist… und... ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Es ist… so viel passiert!“, sprach sie leise.

 

„Du kannst dich wieder erinnern? Wer hat dir das angetan? Wie konnte dieser Dämon Besitz von deinem Körper ergreifen?“ Xander stand auf, strich die dünne Decke beiseite und setzte sich neben Eve auf das Bett.

 

„Mein Ex-Mann...“, flüsterte Eve, und versuchte, Xanders Blick auszuweichen. Sie wollte ihm dabei nicht in die Augen sehen müssen. Sie fühlte sich so schmutzig.

 

„Dein... wer? Was? Ähm... was, was hat er getan?“ Xander war überrascht. Er wusste gar nicht, dass Eve bereits verheiratet gewesen war. Aber was konnte er nur getan haben?

 

„Er… nun ja… nachdem seine Eltern in einem grässlichen Autounfall umkamen, als er und sein Bruder 16 Jahre alt waren... kamen sie mit... Magie in Kontakt. Ich kannte Alex damals schon, und wir gingen auch schon aus. Es war eine schwere Zeit, aber irgendwie hatten wir sie überstanden. Dachte ich zumindest. Aber sein Zwillingsbruder und er verfielen immer mehr der Magie. Zuerst benutzten sie sie nur, um Kleinigkeiten zu regeln. Leute zu heilen. Sie machten gute Dinge. Aber ungefähr fünf Jahre später wollten sie mehr Macht, als ihnen die weiße Magie geben konnte. Also wechselten sie zu der dunklen. Das war vor fast sieben Jahren. Das Komische daran war, dass wir noch weitere drei Jahre verheiratet waren. Ich bemerkte es nicht, und als ich es dann endlich einmal sah, war es zu spät. Die zwei sehen aus wie zwei… Fabelwesen. Alex’ Haut wurde komplett bleich, die seines Bruders, glaube ich, vollkommen schwarz.“ Eve machte eine kurze Pause, um sich die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, aus dem Gesicht zu wischen.

 

Plötzlich wusste Xander, von welchen Magiern Eve da sprach. Er kannte sie. Er hatte sie sogar schon getroffen. Willow hatte Faith und ihn zu den Zweien geschickt. Oh Gott, Eves Ex-Mann war für das kranke Spiel in Silent Hill verantwortlich. Jetzt wurde Xander alles klar. Er hatte das Monster in seinem Spiel nach seiner Ex-Frau entworfen. ‚Wie passend…’, dachte er, ‚einige Psychologen hätten mit ihm sicher ihren Spaß.’

 

„Als du mich dann zu Hause abgeliefert hast, hat er in meiner Wohnung gewartet... und mich…“ Sie schluckte. Nein, sie konnte ihm das nicht erzählen. Nicht jetzt. Vielleicht auch niemals. „Mich überwältigt, und in diese Dämonenstadt gebracht. Dort hat er diesen Dämon in mich... eingepflanzt.“

 

„Schatz...“ Er umarmte sie, und drückte sie an sich heran. Es war schrecklich, was sie durchmachen musste. Aber sie würden damit schon fertig werden, irgendwie.

 

„Wie geht es Willow?“, fragte Eve, um von sich abzulenken. Von sich und dem was sie Xander verschwieg. Von Willow hatte sie bereits in Malkuth erfahren. Leider auch, dass Mr. Wood getötet wurde.

 

„Es geht ihr wieder einigermaßen gut. Sie ist aufgewacht! Ich werde sie nachher noch besuchen!“

 

Langsam blickte Eve noch einmal zu dem Blumenstrauß, dann dachte sie an Willow und an Robin, und an das, was ihr im letzten Jahr passiert war. Sie schluckte, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, und fasste eine Entscheidung.

 

„Xander, hör mir zu!“ Sie stand auf, löste sich aus seinem Griff und ging zum Fenster. Langsam drehte sie sich wieder zu ihm um.

 

„Ich... ich muss eine Entscheidung treffen, weil es so nicht weitergehen kann. Es... funktioniert so nicht. Nicht für dich, und nicht für mich. Ich kann mit dem nicht umgehen. Vielleicht kommst du problemlos damit klar, dieses gefährliche Leben zu leben, aber ICH kann das nicht.“

 

Das Gesagte traf Xander wie eine Bombe. Dieser Angriff kam aus dem Nichts. Das hatte er absolut nicht erwartet. Er wollte etwas sagen, brachte aber nichts über die Lippen.

 

„Ja, ich weiß schon. Versteh’ mich nicht falsch... ich liebe dich noch immer…“ Eves Stimme begann zu zittern, und dann liefen auch schon die nächsten Tränen über ihr schönes Gesicht.

 

„… aber ich kann damit nicht umgehen. Ich kann damit nicht leben, täglich mit Dämonen, Vampiren oder Magiern konfrontiert werden. Ich bewundere Menschen wie dich, Xander.“ Sie trat einen Schritt auf ihn zu.

 

„Ich bewundere es, dass du ohne irgendwelche speziellen Kräfte diesen Kampf kämpfst. Ihr rettet täglich das Leben von unzähligen Menschen. Ihr seid Helden…“ Sie sah noch einmal zu Boden, drehte sich um und blickte dann aus dem Fenster.

 

„... aber ich bin das nicht. Ich muss mir einige Sachen durch den Kopf gehen lassen. Ich brauche Zeit.“

 

„Aber...“, sprach Xander und wollte auf sie zugehen, doch er wurde von ihr unterbrochen.

 

„Nein, bitte…“ Sie drehte sich wieder um und sah ihm tief in die Augen. „… versuch nicht, mich zu überreden. Gib mir Zeit... ich muss mir über einige Dinge klar werden. Aber bis dahin... bitte ich dich, mich in Ruhe zu lassen. Ich melde mich bei dir, sobald ich bereit bin. Bitte geh jetzt!“ Sie trat auf ihn zu, küsste ihn zum Abschied weinend, und wandte sich dann wieder ab. Verwirrt verließ Xander das Krankenzimmer.

 

Malkuth, Straße des Glücks

Etwas später

‚Ich hätte einen anderen Weg nehmen sollen’, schoss es Andrew durch den Kopf, als er an einem zerbrochenen Brunnen vorbei rannte. Bloß nicht hinsehen. Bloß nicht auf die andere Seite rüber sehen...

 

Und er tat es doch.

 

Die Tür zu ihrer Wohnung war aufgebrochen, so wie alle anderen Türen auch. Die Möbel waren umgestoßen, oder zerschlagen, der Fußboden so übersäht mit Trümmern, dass man ihn darunter nicht mehr sehen konnte. Zerknitterte Kleidung, zerfetzte Comics, Bruchstücke von Computern und Raumschiffmodellen – alles das, was vor kurzem noch sein Leben gewesen war, lag jetzt in Scherben vor ihm.

 

Aber es war nicht das erste Mal und würde wohl auch nicht das letzte sein. Eine wilde Entschlossenheit stieg in ihm hoch. Wieder und wieder war es ihm gelungen, sein Leben aus dem Nichts heraus neu aufzubauen. Gegenstände waren ersetzbar – kaputte Wohnungen konnte man neu einrichten, ja selbst Sammlerstücke ließen sich wieder besorgen oder vielleicht sogar reparieren. Alles nur unbelebte Objekte. Sie waren nicht wirklich wichtig, selbst dann nicht, wenn man an ihnen hing.

 

Direkt vor seinen Füßen lag ein Stück des Todessterns, den Warren ihm zum einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Mit dem neuen Design aus „Rückkehr der Jedi Ritter“. Ganz genau, wie er es sich gewünscht hatte.

 

Warum hatten es eigentlich immer Raumschiffe und Figuren und Spielzeuge sein müssen? Warum nicht mal Blumen oder Pralinen oder eines von diesen kitschigen Lebkuchenherzen?

 

Andrew bückte sich und spürte einen heftigen Stich, als er das Plastikstück berührte. Dieser Teil seines Lebens würde sich nicht mehr reparieren lassen. Es war zu spät dafür.

 

Ein leises Geräusch ließ ihn hochfahren. Doch es war sicher nur etwas umgekippt, oder in sich zusammengefallen. Er durfte jetzt nicht hier bleiben, er hatte Wichtigeres zu tun. Er musste die Große Unruhe anhalten, ganz genau wie er es Mo versprochen hatte.

 

Er wandte sich ab.

 

Das Geräusch kehrte zurück und diesmal wurde ihm bewusst, dass es Schritte waren. Schritte in ihrer Wohnung. Jemand war dort drinnen und ging über das Trümmerfeld.

 

Andrews Augen weiteten sich entsetzt.

 

“Warren?“

 

 

Krankenhaus

Zur selben Zeit

Willow lag von einem Kissen gestützt etwas aufrecht im Bett, so dass sie alle Anwesenden sehen konnte. Kennedy saß wieder direkt neben ihr und hielt ihre Hand fest. Ein Blick in das Gesicht ihrer Freundin sagte Willow, dass die Tränen darin Freudentränen waren. Es erleichterte die Hüterin etwas, machte sie aber auch sehr betroffen. Offensichtlich war es schlecht um sie gestellt gewesen.

 

Giles lehnte mit überkreuzten Armen vor der Brust gegen den Fenstersims und blickte mit einem erleichterten Lächeln zu ihr herüber, während sie ihre Erzählung über die Welt der Hüterinnen abschloss. Buffy saß auf der anderen Seite ihres Bettes auf dem einzigen Stuhl im Raum und hatte eine Hand beruhigend auf den Unterarm der Freundin gelegt.

 

„Tja, und dann bin ich wieder aufgewacht und musste feststellen in einem Krankenzimmer zu liegen, statt in Malkuth.“ Sie runzelte kurz die Stirn, als ihr etwas Beunruhigendes einfiel. „Warren. Ich kann mich als letztes in Malkuth an Warrens Gesicht erinnern...“

 

„Er hat dich gerettet“, erklärte Buffy.

 

„Er hat mich... wieso?“, kam es perplex über Willows Lippen.

 

„Ich schätze, das musst du ihn selbst fragen“, zuckte Buffy mit den Schultern.

 

„Sollte ich ihm jemals wieder begegnen“, murmelte Willow. Lauter sagte sie dann jedoch: „Wie ist es eigentlich ausgegangen? Habt ihr Lily und die Jägerinnen aufhalten können?“

 

„Nicht wirklich“, seufzte Kennedy. „Die Reiter haben für ein vorzeitiges Ende gesorgt.“

 

„Wir konnten ja auch kaum ein Massaker anrichten“, meinte Buffy leise. „Sie sind Menschen – Jägerinnen. Dass sie in die Irre geführt worden, war ja nicht ihre Schuld. Allerdings haben sie sehr großen Schaden in der Stadt angerichtet. Doch bevor wir irgendetwas verhindern konnten, wurde ich von Lily gefangen genommen und sie hat den vierten Reiter befreit.“ Bei Buffys Worten riss Willow erschrocken die Augen auf. „Und er ist aus Malkuth mit Gewalt ausgebrochen, so dass Wasser vom See in die Stadt stürzte und noch mehr Vernichtung und Tod über die Dämonen brachte. Wir sind knapp entkommen.“

 

„Ihr seid entkommen – ja, ...  und was ist mit den anderen? Wo stecken Dawn und Xander? Faith... der Rest?“ Etwas besorgt blickte Willow zwischen den dreien hin und her und ahnte auf einmal nichts Gutes.

 

„Xander geht’s gut. Er ist hier im Krankenhaus und besucht auf einer anderen Station Eve. Wir erklären dir später, warum“, kam Buffy einer Frage von Willow zuvor. „Er kommt nachher noch bei dir vorbei. Dann kann er es dir auch gleich selbst erzählen. Ich sag nur…“, Buffy hob zum Abzählen ihren Daumen, „Gottesanbeterin“, es folgte der Zeigefinger, „Mumie“, und dann der Mittelfinger, „Rachdämonin...“

 

Willow verdrehte die Augen und stöhnte. „Eve etwa auch?“

 

„Es ist ein wenig komplizierter“, meldete sich Giles zu Wort. „Aber Xander kann dir das besser erklären. Wir wissen selbst nicht richtig, was mit Eve passiert ist. Wir hatten noch keine Zeit darüber zu reden.“

 

„Und bei Andrew ist auch alles in Ordnung“, sagte Kennedy. „Er ist noch in Malkuth und hilft beim Wiederaufbau. Dawn“, rasch warf Ken Buffy einen fragenden Blick zu, den diese mit einem verneinenden Kopfschütteln beantwortete. „Also Dawn musste was erledigen und war gar nicht zu erreichen, als ich die anderen vorhin anrief.“ Buffys stumme Antwort war Kennedy gelegen gekommen. Sie wusste nämlich selbst nicht, wie weit es Willow ungesund aufregen könnte, wenn sie ihr die Wahrheit über Dawn erzählen würden. Daher begnügte sie sich mit einer kleinen Ausrede, anstatt zu erwähnen, dass Dawn im Teehaus war, um zu lernen wie man sich opferte.

 

Doch Willow war der kurze Blick zwischen Kennedy und Buffy nicht entgangen, auch wenn sie so tat, als hätte sie nichts bemerkt. Ihre Sorge wuchs langsam. Die Situation im Raum war entspannt, das konnte die Hüterin fühlen. Und trotzdem lag etwas in der Atmosphäre, das ihr deutlich sagte, dass etwas nicht stimmte. Sie versuchte anzuwenden, was ihr die Hüterin gelehrt hatte, aber entweder war sie noch zu erschöpft, oder aber noch zu ungeübt. Jedenfalls konnte sie weder von Ken noch von Buffy wirklich ein Gefühl empfangen, das ihre Sorge bestätigt hätte.

 

Buffys Griff an Willows Unterarm wurde auf einmal etwas fester und Willow wendete ihren Blick der Freundin zu. „Es gab allerdings... Verluste“, sagte Buffy leise. „Robin. Er wurde getötet. Faith und Ronah geht es jedoch gut. Den Umständen entsprechend.“

 

Für einen Moment waren nur das Ticken der Wanduhr und das leise Piepen von Willows Geräten zu hören. Dann blinzelte Willow benommen und blickte zu Kennedy, die jedoch nickte.

 

„Es ist wahr, was Buffy sagt“, bestätigte Ken sanft.

 

„Mein Gott.“ Mehr brachte Willow nicht über die Lippen, dann schloss sie ihre Augen. „Das wird an Faith nicht spurlos vorbeigehen.“

 

Besorgt sahen sich Giles und Buffy an. Sie wussten sehr gut, auf was Willow hinauswollte, aber keiner von ihnen wollte so recht daran glauben, dass Faith nach ihren Erfahrungen und den letzten Monaten in alte Verhaltensmuster zurückfallen konnte. Allerdings... Willows Befürchtung sprach nur laut aus, was sie sich beide sicherlich schon mehr als nur einmal seit Robins Tod gefragt hatten: Würde Faith sich an Lily rächen und wenn, wie?

 

„Heute war die Beerdigung“, sagte Kennedy, die nicht wirklich verstand was gerade zwischen den dreien mit so wenigen Worten besprochen worden war.

 

„Heute schon?“, Willow blickte anklagend ihre Freunde an. „Ich wäre gerne dabei gewesen.“

 

„Natürlich. Aber man hätte dich sicher nicht gehen gelassen, falls du bei Bewusstsein gewesen wärst. Und da wir nicht wussten, wie lange dein Zustand andauern würde... nun Faith wird das verstehen“, meldete sich Giles zu Wort. „Was jetzt wichtig ist, ist dass du dich erholst und wieder zu Kräften kommst. Und so lange könntest du uns die Details über diese Visionen erzählen. Vielleicht hilft es uns weiter bei den Recherchen.“

 

„Hm...“ Willow runzelte die Stirn. „Ich bin mir nicht mal sicher ob das nur Visionen waren oder ob es sich nicht doch um eine reale Reise handelte.“ Bei den letzten Worten von Willow beugte sich Kennedy nach vorne und zog etwas aus den roten Haaren ihrer Freundin. Die Hüterin blickte der Jägerin irritiert entgegen und wirkte genauso wie die anderen verwirrt, als in Kennedys Hand eine Rose auftauchte.

 

„Ich würde sagen, wo auch immer diese Rose herkommt... dort warst auch du.“ Kennedy drehte die Blume nachdenklich in ihren Händen. „So viel zu der Theorie bloßer Visionen.“

 

Willow beugte sich mühsam etwas nach vorne, um Kennedy die Rose aus der Hand zu nehmen. Ihr Blick hatte dabei etwas Weiches angenommen, das Kennedy ein wenig misstrauisch aufblicken ließ. Als ein verliebtes Lächeln auf den Lippen der Hüterin erschien, war nicht nur Kennedy irritiert. Sie tauschte fragende Blicke mit Giles und Buffy, die nur ratlos mit den Schultern zuckten.

 

Willow war sich der fragenden Blicke ihrer Freunde bewusst, aber die Begegnung mit Tara war etwas sehr Persönliches gewesen, über das sie nicht reden wollte. Nicht jetzt und nicht hier in diesem kalten Krankenzimmer. Vielleicht würde sie nach dem großen Kampf gegen die Reiter mit Kennedy darüber reden. Nein – nicht vielleicht, sondern ganz bestimmt. Reden war nämlich etwas, von dem Willow inzwischen gelernt hatte, das es half Probleme zu beseitigen. 

 

„Ich“, setzte Willow schließlich noch etwas mit den Gedanken abgelenkt wieder an. „Ich habe ziemlich viel gesehen und erlebt, während ich in dieser anderen Welt war. Aber ich denke das Wichtigste, das man mir gezeigt hatte, ist dieser Talisman.“ Willow sah zu Giles. „Sie erinnern sich sicher noch an den Purificatio-Talisman?“

 

Im ersten Moment wollte Giles verneinend mit dem Kopf schütteln, doch dann hellte sich sein Gesicht in Erstaunen auf. „Reden wir hier etwa von diesem kleinen Talisman, den Buffy mir hätte von den Wrukola-Vampiren mitbringen sollen?“

 

„Hey... ich hab mein Bestes versucht. Ich konnte ja nicht ahnen, dass noch jemand dahinter her war und ihn vor uns klaute“, verteidigte sich die blonde Jägerin. „Denn ansonsten hätte ich den harten Kampf auf dem Dach des Hochhauses wirklich gerne verschoben.“

 

Willow musste bei Buffys neckenden Worte lächeln, nickt dann aber nur schweigend Giles zu.

 

„Meine Güte... und was hat dieser Talisman mit den Reitern zu tun?“ Giles löste sich von seinem Stellplatz und trat näher an Willows Bett heran. „Abgesehen davon, dass er für „Reinigung“ steht. Und außer den Tatsachen, dass die auf ihm abgebildeten Zeichen, Tor und Kristalle, sowohl für Bannkreise als auch für den Übergang zwischen Welten dienen können, hatten wir ja nicht viele Informationen über ihn. Deswegen wollte ich den Talisman für weitere Recherchen haben. Ich meine... es ergibt natürlich langsam einen Sinn... nur der Nutzen ist mir noch unklar.“

 

„Leider wurde mir das nicht sehr deutlich gemacht“, seufzte Willow. „Die vier Reiter umfassten gemeinsam den Talisman und danach wurde die Erde „gesäubert“. Er scheint notwendig zu sein, um die Kräfte der Reiter zu einer gemeinsamen Kraft zu vereinen. Allerdings wurde mir erklärt, was die Reiter vorhaben.“

 

Ungeduldige Blicke richteten sich auf einmal auf Willow, die etwas verlegen in ihrem Kissen herumrutschte. „Es ist eigentlich ganz einfach. Sie gehören zu den Alten. Aber nicht zu irgendwelchen. Sondern zu den letzten, die auf der Erde zwischen Menschen wandelten, ehe sie vertrieben, vernichtet, verbannt und verdrängt wurden. Sie wollen die Welt wiederherstellen, die sie kannten und dazu muss alles Unreine vernichtet werden. Unrein in ihren Augen – Dämonen, die sich durch ihren Kontakt zu den Menschen „beschmutzt“ haben, die Natur und die Umwelt, die vom Menschen zerstört und befleckt wurde und letztendlich der Mensch selbst.“

 

„Das klingt plausibel“, nickte Giles bedächtig. „Es ergibt langsam einen Zusammenhang.“

 

„Schön für Sie“, stöhnte Buffy und versuchte die neuen Informationen richtig zu kombinieren.

 

„Es ist wie Willow sagt – ganz einfach. Der Talisman stellt einen Übergang der alten Dämonenwelt zur menschlichen Welt da und umgekehrt. Die Reiter benutzen ihn, um ihre Kraft für diesen Übergang zu sammeln und so mit aller Gewalt zu erreichen, was sie wollen. Wir brauchen also den Talisman, um ihn zu zerstören.“

 

„Ich glaube ’ne Nadel im Heuhaufen zu suchen wäre einfacher“, brummte Kennedy. „Wir haben ihn doch damals als nicht so wichtig eingestuft und seitdem völlig aus den Augen verloren.“

 

„Die Hüterinnen sind sich aber einig: wir können die Reiter aufhalten“, sagte Willow mit viel Kraft in ihrer Stimme.

 

„Sehr schön, aber sie haben dir nicht gesagt wie?“ Buffy klang ein wenig frustriert.

 

„Ich glaube, nicht direkt. Der Hinweis mit dem Talisman war doch schon mal etwas wert.“ Willow ließ sich tief in ihr Kissen zurücksinken und Kennedy sah alarmiert die anderen an.

 

„Ich glaube wir sollten Willow etwas Ruhe gönnen und erst einmal die neuen Informationen weiterverarbeiten?“, schlug die dunkelhaarige Jägerin vor.

 

„Einverstanden. Willow, du ruhst dich aus und falls dir noch etwas einfällt ruf uns bitte sofort an“, bat Buffy sanft und klopfte ihrer Freundin aufmunternd auf den Arm, ehe sie vom Stuhl aufstand. „Das wird schon wieder...“

 

„Genau. Du bist stark und tapfer“, lächelte Kennedy auf Willow hinunter, beugte sich zu ihrer Freundin und gab ihr einen langen, wenn auch anständigen Kuss auf die Lippen. „Ich komme sobald ich wieder kann und berichte dir alles Neue.“

 

„Ich kann es kaum erwarten. Und bring mir unbedingt etwas zum Naschen mit. Ich habe einen Heißhunger auf Schokolade.“ Die beiden jungen Frauen lächelten sich an, ehe Kennedy sich losriss und Buffy auf den Flur folgte.

 

„Ich möchte, dass du hier bleibst, ganz gleich was dir Kennedy berichten wird. Du musst gesund werden und erst einmal an dich denken.“ Mit diesen Worten nahm Giles von Willow Abschied, die langsam, wenn auch widerwillig, nickte.

 

„Ich versuche die Apokalypse einfach so zu verdrängen“, sagte die Hexe nicht ganz frei von Zynismus.

 

Giles musste schmunzeln, schüttelte den Kopf, als wüsste er, dass seine Worte als Rat auf taube Ohren gestoßen waren und folgte den Jägerinnen auf den Flur.

 

Sie waren bereits in der Notaufnahme angelangt, als Buffy plötzlich stehen blieb. „Ach verdammt... Ich hab’ mein Handy in Willows Zimmer vergessen“, dabei klopfte sie panisch auf ihre Manteltaschen. „Glaub ich zumindest... Mist... wisst ihr was... geht schon mal vor zum Wagen. Ich komme gleich nach...“ Und ehe die anderen beiden etwas erwidern konnten, war Buffy auf dem Weg zurück zu Willow. Es gab noch etwas, das sie dringend mit der Freundin alleine besprechen musste und bei dem keine Zeit verschwendet werden durfte...

 

Krankenhaus, Willows Zimmer

Nur ein paar Minuten später

Als die Tür zu ihrem Zimmer erneut aufging, rechnete Willow mit Xanders angekündigtem Besuch. Um so überraschter war sie, als Buffy darin auftauchte, ihr einen verschwörerischen Blick zuwarf und dann die Tür mit einem raschen Blick auf den Flur schloss.

 

„Okay… ich hab’ geahnt, dass etwas nicht stimmt“, seufzte Willow. „Also... raus mit der Sprache. Was ist los?“

 

„Nichts“, sagte Buffy so unschuldig wie möglich. „Ich meine, wie kommst du auf so etwas? Ich hab’ nur mein Handy liegen gelassen“, wich Buffy Willows Frage aus und tat so, als suche sie nach dem Handy.

 

„Dein Handy, ja?“ Willow blickte sich rasch im Zimmer um. „Merkwürdig… ich sehe gar keines...“

 

„Okay... das war nur ein Vorwand“, gab Buffy schließlich zu und blickte dabei auf den Boden. „Ich wollte dir nur schnell noch einmal alleine unter Freunden sagen, wie froh ich bin, dass meine beste Freundin wieder unter uns ist und... und ob du vielleicht noch etwas auf dem Herzen hast?“ Buffys Plan mit Willow über Dawn zu reden war so einfach gewesen, als sie ihn zu Hause beschlossen hatte. Hier im Krankenzimmer, beim Anblick der gerade mal vor ein, zwei Stunden erwachten Willow, war das nicht mehr so leicht über die Lippen zu bekommen. Schließlich wollte Buffy etwas von Willow, nicht umgekehrt und ihre geschwächte Freundin damit zu belasten, kam Buffy jetzt auf einmal sehr schändlich vor. Doch nun war sie hier und es ging auch um das Leben von Dawn. Da durfte sie keine Rücksicht nehmen.

 

Willow sah Buffy einen Moment panisch an. Was genau meinte Buffy mit ihrer Frage, ob sie noch etwas auf dem Herzen hätte? Wusste oder ahnte Buffy, dass Willow nicht alles von ihrer Reise erzählt hatte? Von Tara zum Beispiel? Oder von den Informationen über den Inneren Kreis, über den sie vorhatte mit Giles erst einmal zu reden? Oder ging es hier sogar um D’Hoffryns Warnung, die letztendlich doch nicht eingetroffen war? Aber woher sollte Buffy davon wissen? Genau, sie konnte gar nichts wissen... daher entspannte sich Willow wieder und sah fragend zu Buffy, als die Freundin endlich den Blick wieder hob und die Hexe im Bett ansah.

 

„Ich glaube hier geht es eher um dich“, gab Willow schließlich zurück und rückte im Kissen wieder etwas nach oben.

 

Die Jägerin seufzte ergeben und schüttelte jedoch verneinend den Kopf. „Nicht direkt. Es tut mir leid, Willow, wenn ich dich damit jetzt belästigen muss, aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Und Giles, nun... Giles hält meine Einstellung bei der Sache für nicht ‚objektiv’ genug...“

 

„Buffy“, unterbrach Willow ihre Freundin sanft, aber bestimmt. „Von was redest du?“

 

„Von Dawn... sie will sich opfern, damit wir die Reiter aufhalten können.“

 

„Dawn?“ Nun, da das ausgesprochen worden war, was Willow seit der Ankunft ihrer Freunde gespürt und geahnt hatte, fühlte sie echte Panik und Sorge in sich aufsteigen. „Dawn will sich opfern? Aber wieso? Gibt es keinen anderen Weg?“

 

„Nein, nicht laut Giles und Dawn. Sie hat erfahren, dass sie mit ihrer reinen Energie in der Form des Schlüssels die Reiter als einzige aufhalten kann. Wir, die Jägerinnen und ihre Freunde können angeblich nichts tun, außer die Reiter so lange in Schach zu halten, dass sie erstens die Welt nicht zerstören und Dawn leichter und einfacher an sie herankommt.

Du weißt selbst, was euch dieses Lichtwesen über Dawns endgültige Entscheidung über ihr Dasein gesagt hat“, fügte Buffy leise und niedergeschlagen hinzu.

 

Natürlich wusste Willow noch davon und die Erinnerung daran und die Konsequenz daraus für Dawn stimmte sie genauso traurig wie Buffy es im Moment zu sein schien. Traurig und verzweifelt. Ihre kleine Dawn sollte bereits reif und alt genug sein, eine solch wichtige Entscheidung alleine zu treffen?

 

„Irgendetwas muss es doch geben, Willow. Einen Zauber, um Dawn zu schützen, damit sie sich erst gar nicht verwandeln kann? Oder um sie wieder zurückzuholen?“ Die Verzweiflung in Buffys Stimme schlug in Flehen um. Als Willow den Kopf schüttelte, sackten Buffys Schultern nach unten und sie lehnte sich gegen die Wand, als hätte sie von selbst nicht mehr die Kraft sich auf den Beinen zu halten.

 

„Es gibt nichts... da hat Giles leider recht. Es war uns schon beim letzten Mal nicht gelungen etwas zu finden. Außer dem einzigen Versuch, Dawn in der anderen Ebene zu finden. Aber damit hatten wir sehr großes Glück. Hätte das Lichtwesen nicht ein Einsehen mit Dawn gehabt, hätte ich sie von dort nicht alleine zurückholen können. Vielleicht könnte ich aber etwas erreichen, wenn ich erst einmal aus diesem Zimmer raus wäre...“

 

„Kommt gar nicht in Frage“, fiel ihr Buffy ins Wort. „Du bist verletzt worden und ziemlich geschwächt. Du brauchst Ruhe und Erholung. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn dir etwas zustoßen würde, wenn du hier abhaust um Dawn zu helfen. Ganz abgesehen davon was Ken oder Giles mit mir anstellen würden, wenn sie den Grund erführen. Ich rede noch einmal mit Dawn. Vielleicht kann ich etwas erreichen...“

 

„Wenn es unsere einzige Möglichkeit ist zu gewinnen, Buffy, musst du anfangen...“

 

„Ich weiß, Willow, ich weiß“, stöhnte Buffy. „Aber trotzdem muss ich alles versuchen, um es zu verhindern.“

 

„Ich verstehe“, nickte Willow mitfühlend und wurde kurz von einem Klopfen an der Tür neben Buffy abgelenkt. Eine Schwester wollte sie jetzt nicht sehen und schon gar keine Krankenhausroutine über sich ergehen lassen müssen.

 

„Wir schaffen das schon irgendwie...“, versicherte Buffy hastig, bevor die Störung an der Tür sie gleich vom Thema ablenken würde. Hoffentlich war es nicht Ken oder Giles, die sicher inzwischen nach ihr suchten, weil sie viel zu lange wegblieb.

 

Doch als die Tür einen Spalt geöffnet wurde und Xander seinen braunen Schopf hereinsteckte, konnte Buffy bereits wieder lächeln und Willow grinste erfreut ihrem besten Freund entgegen.

 

Xanders ernstes Gesicht hellte sich etwas auf, als er die beiden Freundinnen sah. In Gedanken war er noch bei Eve und bei dem was sie gesagt hatte. Es fiel ihm schwer seine Gefühle darüber zu unterdrücken und ein breites Grinsen für Willow und Buffy aufzusetzen.

 

„Na Mädels, habt ihr mit der Party schon ohne mich angefangen?“, Xander trat ein und schloss die Tür hinter sich. Dabei wandte er sein Gesicht von den beiden ab, damit sie nicht sahen, wie es wirklich in ihm aussah. Das Gespräch mit Eve vor wenigen Minuten hatte ihn sehr mitgenommen. Es verlangte von ihm sehr viel Selbstbeherrschung ab hier den gewohnt fröhlichen und witzigen Xander zu spielen. Als er sich Buffy und Willow wieder zudrehte, sahen sie wieder sein breites Grinsen. Doch die Augen blieben traurig. „Wo stecken Kenny und Giles?“

 

„Sind schon beim Wagen. Ich muss auch gehen... sonst gibt es nur unangenehme Fragen“. verschwörerisch blinzelte sie Willow zu. „Falls du noch Zeit übrig hast, Xander... wir haben neue Informationen über die Reiter.“

 

„Mal sehen.“ Xander runzelte die Stirn und sah auf seine Uhr. „Ich hab’ mich in Malkuth verabredet. Ich ruf’ auf jeden Fall an. Aber jetzt gehört meine kostbare Zeit erst einmal meiner allerliebsten Freundin.“

 

„Bis später, ja?“ Und aus einem Impuls heraus trat Buffy plötzlich an Xander heran und schloss ihn in die Arme. „Falls nicht… viel Glück in Malkuth.“

 

„Und euch für den großen Kampf, falls sich da was tut“, murmelte Xander gerührt und mit einer Vorahnung, dass dieser Kampf bald bevorstand. Dann löste sich Buffy und ging zu Willow ans Bett, um auch die Freundin zu umarmen.

 

„Wir telefonieren und Ken berichtet dir alles, ja?“

 

„Aber sicher“, sagte Willow und blickte ein wenig besorgt Buffy hinterher, als diese schlussendlich das Zimmer verließ und Xander mit der Hexe alleine ließ.

 

Malkuth, Straße des Glücks

Etwas später

„Andrew! Gott sei Dank, du bist okay!“ Erleichterung durchströmte Warren, noch während er panisch aus der Wohnung rannte. Er fasste den anderen Jungen bei den Schultern, als müsse er sich vergewissern, dass dieser wirklich da war und nicht nur ein Hirngespinst seines übermüdeten Geistes. „Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet!“

 

„Warren, was tust du hier?“ Andrew trat einen Schritt zurück und wich der Umarmung aus. „Ich hab’ dir gesagt, dass du verschwinden sollst. Wenn sie dich kriegen, kann ich dich nicht beschützen.“

 

„Ich gehe aber nicht ohne dich!“ Entschlossen hob er das Kinn, jetzt, wo er Andrew endlich gefunden hatte, würde er den Teufel tun, und ihn noch mal aus den Augen lassen. Nie wieder! Nie wieder wollte er solch schreckliche Angst verspüren, wie in den letzten Stunden.

 

„Warren, ich geh’ nirgendwohin“, protestierte Andrew, „und am allerwenigsten mit dir. Du weißt auch ganz genau, warum das so ist. Zwischen uns gibt’s nichts mehr zu reden.“ Er wandte sich ab, und stapfte durch die Trümmer zurück auf die Straße.

 

„Verdammt, lass’ mich doch erklären!“ Warren rannte ihm hinterher. „Ich weiß, du denkst, der Angriff auf Malkuth war meine Schuld, aber so ist das nicht gewesen... ich wollte das alles nicht... bitte, hör’ mir doch zu. Ja, ich hab’ Informationen über Malkuth weitergegeben, aber ich konnte doch nicht ahnen, dass sie für einen Krieg sein sollen. Von den Jägerinnen wusste ich nichts, ich dachte, D’Hoffryn will einfach ein paar Infos, das ist alles...“

 

„Das ist alles?“ Andrew lachte bitter auf. „Mann, erzähl’ mir doch nichts, du wusstest ganz genau, dass ein Angriff stattfinden würde. Du wusstest sogar, wann.“

 

„Gretchen hat mir den Tipp gegeben, übers Wochenende zu verschwinden. Ich hab’ auf sie gehört, und nicht weiter nachgehakt“, versuchte Warren der Anschuldigung auszuweichen. „Deshalb hab’ ich so darauf bestanden, dass wir auf diese Con gehen.“

„Weil du’s gar nicht wissen wolltest, stimmt’s?“ Andrew hielt ihm immer noch den Rücken zugewandt und ging mit schnellen Schritten die Straße entlang. „Weil du niemals über die Konsequenzen nachdenkst, wenn du etwas tust. Du machst einfach die Augen zu, und schiebst die Schuld auf andere. Das ist schon immer so gewesen, auch damals, als...“ Er brach ab, und lief schneller. Seine Schritte klatschten durch das Wasser, welches die Straße bedeckte, und immer tiefer wurde, je weiter sie abwärts führte.

 

„Als ich mit ’ner Knarre Amok gelaufen bin, das ist es doch, was du sagen willst, oder?“, setzte Warren den Satz fort. „Hör’ zu, ich hab’ in meinem Leben verdammt viel Mist gebaut, niemand weiß das besser als ich. Und du hast Recht, ich hab’ mich aus der Verantwortung gestohlen. Aber das alles ist Vergangenheit. Ich hab’ mich geändert. Ich bin nicht mehr derselbe Mensch wie früher. Und ich kann es dir sogar beweisen. Ich hab’ Willow das Leben gerettet. Frag’ sie, frag’ Buffy und die anderen, sie können dir bestätigen, dass es wahr ist.“

 

„Gut, dann muss ich mir wenigstens keinen Vorwurf machen, dass ich dich hab’ laufen lassen, anstatt dich an den Rat von Malkuth auszuliefern wie es meine Pflicht gewesen wäre.“

 

„Andrew, du verstehst das nicht, du weißt nicht aus welchem Grund...“

 

Andrew fuhr so plötzlich herum, dass Warren erschrocken zurückwich. Seine blauen Augen blitzten vor Wut. „Hunderte von Dämonen sind tot, hingeschlachtet in einem sinnlosen Krieg. Ihre Familien sind zerrissen, ihre Heimat zerstört. Es war auch deine Heimat, Warren. Und deine Freunde. Die Bewohner von Malkuth haben dir ein Heim gegeben, eine Möglichkeit dein Leben in den Griff zu kriegen. Sie haben nicht gefragt, ob du früher Mist gebaut hast, du hattest eine vollkommen neue Chance. Ja, du hattest zum ersten Mal in deinem Leben eine wirkliche Chance mit Leuten, die dich respektieren und sich um dich kümmern. Und wie hast du es ihnen gedankt? Mit Verrat! Du hast ihnen bei deiner Aufnahme in die Gemeinschaft geschworen, das Geheimnis zu wahren und die Stadt zu beschützen. Aber stattdessen beschwörst du ihre Vernichtung herauf und nun willst du mir etwas von Gründen erzählen? Was für einen Grund kann es geben, Leute wie Mo und Clem und die kleine Clementine ans Messer zu liefern? Mein Gott, sie ist noch ein Baby und jetzt liegt sie vielleicht irgendwo unter diesen Trümmern...“

 

Die Stimme brach ihm, er konnte nicht weiterreden, und Warren fühlte sich, als wäre seine Kehle vollkommen zugeschnürt. All die schön zurechtgelegten Worte erstarben ihm noch auf den Lippen. „Ich wär’ jetzt auch tot, wenn ich’s nicht getan hätte“, stammelte er schließlich hervor, „ich hatte keine Lebensenergie mehr... ich war hilflos... ich wusste nicht...“

 

„Warum hast du mich nicht um Hilfe gebeten?“, flüsterte Andrew mit tonloser Stimme. „Warum bist du nicht zu mir gekommen und wir hätten gemeinsam nach einer Lösung suchen können? In Malkuth gibt es mächtige Dämonen, sie hätten uns sicher helfen können. Oder Willow, sie kennt sich mit solchen Dingen aus.“

 

‚Willow wäre die Letzte, die mir geholfen hätte’, wollte Warren einwerfen, doch er schwieg, denn er wusste, dass es nicht stimmte. Er selbst war bereit gewesen sie zu retten, auch wenn er es für jemand anderen getan hatte. Sie hätte vermutlich genauso reagiert, wenn Andrew sie um Hilfe gebeten hätte.

Aber dafür war es jetzt zu spät.

 

Wie so oft schon stand er vor den Trümmern seines ganzen bisherigen Lebens. Wieder einmal hatte er es geschafft, alles, was er sich gemeinsam mit Andrew aufgebaut hatte, kaputt zu kriegen.

 

Aber es durfte nicht das Ende sein. Es durfte einfach nicht das Ende sein. Er würde es nicht zulassen.

 

„Weil ich ein kompletter Idiot war“, antwortete er leise und senkte den Blick, um Andrew nicht in die Augen sehen zu müssen. „Weil ich wieder in meine alten Muster zurückgefallen bin, ohne zu merken, wie sehr sich mein Leben verändert hat. Weil ich einfach noch nicht begriffen hab’, dass es jemanden in meinem Leben gibt, an den ich mich mit allen Problemen wenden kann.“

 

„Gab“, verbesserte Andrew ihn kühl. Er wandte sich wieder ab, um seinen Weg fortzusetzen. Die Straße führte steil abwärts und das Wasser reichte ihnen bereits bis zu den Knien. Vor ihnen tauchte im Halbdunkel die Halle von Malkuth auf, ein riesiger See über welchen sich eine steinerne Marmordecke wölbte. Die Bilder darauf schienen sich zu bewegen als sie den düsteren Schimmer des Wassers zurückwarfen.

 

„Andrew, bitte, lass’ uns wenigstens reden...“

 

„Nein, ich hab’ keine Zeit mit dir zu reden. Ich muss etwas für Mo erledigen, und das ist jetzt wichtiger.“

 

„Schön, dann komm’ ich mit.“ Warren rannte Andrew hinterher. „Ich werd’ nicht eher hier weggehen, bis du mir wenigstens zugehört hast.“

 

„Na, meinetwegen.“ Andrew zuckte mit den Schultern. „Wir müssen ohnehin in dieselbe Richtung.“

 

Er funkelte Warren an. „Weil du die Stadt nämlich verlassen wirst, bevor ich den Ausgang schließe.“

 

 

Buffy und Dawns Wohnung

Spät am Abend

Ein Schlüssel wurde in die Wohnungstür gesteckt und Buffy, die gerade mit einem Arm voller Waffen aus ihrem Zimmer auftauchte, blieb kurz stehen. Erwartungsvoll blickte sie zur Tür, die kurz darauf aufgezogen wurde und Dawn, wie von ihr erwartet, darin erschien.

 

„Hey, Schwesterherz“, grüßte der Teenager und wirkte ziemlich erschöpft, während sie die Tür wieder schloss, ihre Tasche und Jacke einfach fallen ließ und dann auf dem Sofa breit Platz nahm.

 

Buffy verstaute inzwischen Äxte, Schwerter und eine Armbrust in einer großen Stofftasche.

 

„Wie war es bei Willow? Geht es ihr gut?“

 

„Informativ und ja“, lächelte Buffy geheimnisvoll und zog den Reisverschluss an der Tasche zu. „Willow war auf einer langen Reise. Aber das kann ich dir auf dem Weg zu Giles erzählen.“

 

„Bitte was?“ Entrüstet richtete sich Dawn auf dem Sofa auf. „Zu Giles? Jetzt?“ Als Buffy nickte, gähnte Dawn demonstrativ. „Ich weiß ja nicht wie ihr euch solche spirituelle Sitzungen vorstellt, aber mich laugen sie vollkommen aus. Ich dachte ich könnte jetzt duschen und schlafen gehen.“

 

„Ich schätze daraus wird nichts. Giles hat vorhin angerufen. Er hat Neuigkeiten und offensichtlich ist es dringend. Ich nehme mal an, dein Entschluss ist es noch immer für uns alle den Weltuntergang zu verhindern? Dann wirst du wohl oder übel mitkommen müssen.“

 

„Ach und ich dachte, du hättest akzeptiert, was ich vorhabe?“ Dawn stand mit gequältem Gesichtsausdruck auf. Natürlich war im Moment jeder Fortschritt bei den Recherchen wichtiger, als Schlafen, Duschen, Essen... Dawn linste Richtung Küche und Kühlschrank. Ihr Magen knurrte verdächtig.

 

„Das tue ich doch“, sagte Buffy bestimmt. „Ich respektiere deine Entscheidung, aber deswegen muss ich sie ja nicht gleich mögen oder akzeptieren.“

 

„Ich wusste es“, sagte Dawn leicht aufgebracht, aber auch mit einer Spur Enttäuschung in der Stimme, die Buffy dazu veranlasste schnell die wenigen Schritte zwischen ihr und Dawn zu überbrücken, um Dawn fest aber sanft an den Schultern zu packen und ihr tief in die Augen zu blicken. Es war vielleicht nicht der geeignetste Moment, um mit ihr über ihr Vorhaben zu reden, aber Buffy rechnete nicht damit noch wirklich viel Zeit für ein ernstes Gespräch zu haben. Also jetzt oder nie…

 

„Hör’ zu Dawn... du bist alles was mir geblieben ist. Mom ist tot, Dad kümmert sich lieber um seine ‚neue’ Familie als um uns. Und meine Freunde... nun sie leben langsam ihr eigenes Leben und können nicht wie früher wie selbstverständlich ständig hier herumhängen. Du bist mir aber nicht nur deswegen wichtig und das weißt du auch.“ Buffy machte eine kurze Pause, als müsste sie für die nächsten Worte Anlauf nehmen. „Nun... ich liebe dich – du bist meine einzige Schwester, die ich je hatte und je bekommen werde. Also glaube ich nicht, dass ich zu viel von dir verlange, wenn ich dich darum bitte auch mich zu verstehen.“

 

Dawn senkte den Blick, während Buffys Worte auf sie wirkten. Genau dieses Gespräch hatte sie gefürchtet und dem hatte sie versucht zu entkommen. Jetzt war es leider zu spät dafür. Sie nickte schließlich langsam und sah wieder zu ihrer Schwester auf. „Natürlich kann ich verstehen, dass dir diese Entscheidung nicht gefällt. Mir gefällt sie genauso wenig. Ich bin viel zu gerne auf dieser Welt als das was ich bin – ein Mensch mit allem was dazugehört. Ich lache gerne, ich esse für mein Leben gern Pizza, hänge mit euch schrägen Vögeln ab und werde ganz sicher schrecklich vieles vermissen... vor allem dich Buffy. Aber gerade weil ich euch alle so schrecklich lieb habe, muss ich das tun. Ich meine... mir hat deine Entscheidung damals auch nicht gefallen und ich musste unvorbereitet zusehen, wie du dich von Glorys Turm gestürzt hast.“

 

„Aber damals hatten wir keine Zeit mehr für eine Alternative. Dieses Mal vielleicht schon.“ Buffy klang verzweifelt.

 

„Komm schon Buffy... du hast Giles gehört. Es gibt keine andere Möglichkeit und das, was die Reiter mit unserer Welt anstellen werden, gibt mir in allem Recht.“

 

„Gut... aber wir könnten trotzdem erst einmal abwarten, was Giles noch alles herausgefunden hat und finden wird. Vielleicht gibt es doch noch andere Wege, um die Reiter zu besiegen. Wege, an die wir bislang nicht gedacht haben oder die in den Prophezeiungen verschlüsselt liegen.“ Hoffnung lag in Buffys Stimme, die von Dawn sofort zerschlagen wurde.

 

„Ich bezweifle, dass Giles in der Lage sein wird anderes zu finden, wenn es nichts anderes gibt.“ Mit diesen Worten schüttelte Dawn Buffys Hände von ihren Schultern ab und lief im Wohnzimmer unruhig auf und ab. „Ich schätze klarer kann eine Prophezeiung nicht sein.“

 

„Du hast nur das Wort von diesem japanischen Onkel“, ereiferte sich Buffy plötzlich aufgebracht und erntete von Dawn einen missbilligenden Blick.

 

Giles hat es bereits bestätigt… schon vergessen?“, kam es ein wenig spitz über Dawns Lippen.

 

„Ich will und kann es einfach nicht glauben“, sagte Buffy trotzig und starrte Dawn an. „Du könntest zumindest versuchen Alternativen in Betracht zu ziehen.“

 

„Und wie würden die aussehen?“ Dawn blieb stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und sah Buffy etwas herausfordernd an.

 

„Nun ja... wir könnten doch alle gemeinsam erst einmal versuchen in einem Kampf die Reiter zu besiegen. Vielleicht haben wir eine Chance. Und wenn absehbar ist, dass das nicht funktioniert... nun, dann werde ich mich dir nicht in den Weg stellen, sondern alles dafür tun, damit du die Reiter besiegen kannst.“

 

Dawn schwieg zunächst und dachte über Buffys Worte nach. Es tat weh zu sehen, wie verzweifelt ihre große Schwester nach einem Weg suchte sie „zu retten“. Es machte nur noch deutlicher, wie sehr sie beide in den letzten Monaten zueinander gefunden hatten. Das machte es aber für Dawn nicht unbedingt leichter

 

„Wir könnten es versuchen... ja“, willigte Dawn sehr zögernd ein, dann seufzte sie selbst etwas frustriert auf. „Wir wissen ja noch nicht einmal genau, was ich ausrichten werde. Kann ich als Schlüssel tatsächlich jemanden besiegen oder diene ich nur dazu die Reiter erneut zu verbannen? Sie wegzuschließen?“

 

„Ich glaube wir sollten aufbrechen und hören was uns Giles dazu zu sagen hat“, schlug Buffy vor und klang bereits viel entspannter als noch vor einigen Minuten. Sie hatte Dawn nicht von ihrem Vorhaben abbringen können, auch wenn sie selbst nicht wirklich mit einem Erfolg gerechnet hatte, aber dafür sie für einen Alternativplan gewinnen können. Und das war schon einmal ein Anfang...

 

Wächterhaus

Später Abend

Faith kam als letzte in den Konferenzraum, wo sich alle bereits am Tisch versammelt hatten. Selbst Xander hatte es noch vor seiner Verabredung geschafft aufzutauchen, um zu erfahren, was es Neues gab.

Ehe Faith sich setzte, ging sie zu dem kleinen Radio in einer Ecke des Raumes und stellte es an.

 

„Es gibt Neuigkeiten, die ihr hören solltet“, kommentierte sie ihr Handeln und zog den Stuhl neben Ronah zu sich heran.

 

„In weiten Teilen auf allen Kontinenten kam es im Laufe des Tages immer wieder zu unerwarteten, heftigen Unwettern, die durch gewaltige Wassermassen zu Überflutungen führten. In anderen Teilen der Welt kam es zu gehäuften Erdbeben, obwohl Messungen keinerlei Hinweise gaben und eine entsprechende Warnung der Bevölkerung nicht möglich machten...“

 

„So geht das schon den ganzen Tag“, erklärte Faith. „Hat das was mit unseren Reitern zu tun?“

 

„Vielleicht erstes Kräftemessen?“, schlug Buffy vor.

 

„Durchaus möglich“, bestätigte Giles. „Da wir nicht wissen, wie sie vorgehen werden, könnte vielleicht die Apokalypse schon ihren ersten zaghaften Anfang genommen haben.“

 

„Gruslig“, meinte Xander und schüttelte sich.

 

„Das würde bedeuten, die Reiter haben den Talisman gefunden?“ Kennedy zog besorgt ihre Stirn kraus.

 

„Nun...“ Giles rückte nervös an seiner Brille herum und blickt auf einen Notizzettel. „Möglich wäre es, auch wenn ich angenommen hatte, dass uns mehr Zeit bleiben würde.“

 

„Sehr beruhigend“, befand Dawn etwas zynisch. „Und was wollen wir jetzt machen? Ich meine, uns fehlt ja die halbe Mannschaft.“ Etwas besorgt sah der Teenager zu den Anwesenden.

 

„Tja... das ist höhere Gewalt“, lächelte Buffy lahm, die zwar wirklich Andrews und Xanders Entscheidung verstand, aber im Angesicht der Bedrohung ein wenig an Mut und Zuversicht die Sache alleine zu regeln, verlor.

 

„Hey... ihr seid doch schon große Mädchen und schafft das sicher auch ohne den Xand-man?“ Xander sah sich kurz unbehaglich um, aber da niemand wirklich über ihn und Andrew herzog, glaubte er, nicht nur Buffy und Giles hätten ihre Entscheidung endlich verstanden und akzeptiert.

 

„Nun, ich würde gerne zu dem Punkt kommen, weswegen wir hier sind.“ Wieder rückte Giles an seiner Brille, ehe er sie schließlich abnahm und auf den Tisch legte. Müde fuhr er sich durch das Haar und griff nach einem anderen Notizblatt. „Mir ist es gelungen mit Willows Informationen eine der Prophezeiungen zu entschlüsseln, die im Buch der Reiter des Todes stehen. Es ist richtig, was Willow uns gesagt hat: Der Talisman gibt den Reitern die vereinte Kraft und Macht, um gemeinsam die Welt zu zerstören. Allerdings geschieht dies nicht automatisch, wenn sie ihn haben oder einfach berühren. Sie müssen sich erst dazu an einem bestimmten Tag, an einem vorhergesehenen Ort einfinden. Nur wenn bestimmte Ereignisse eintreffen, kann der Talisman seine Magie entfalten. Leider habe ich noch keine Kenntnis darüber gewonnen, was diese Ereignisse sein könnten, noch wo dieser Ort in Cleveland liegt. Möglicherweise hat es jedoch etwas mit dem Stand der Sterne zu tun. Ich denke mir fehlen noch ein oder zwei Quellenvergleiche, dann habe ich auch das entschlüsselt.“

 

„Klingt doch gut“, meinte Ronah zuversichtlich. „Damit sind wir endlich mal einen Schritt weitergekommen.“

 

„Oh nicht nur hier“, sagte Giles nicht ganz frei von Stolz auf seine eigene Leistung. „Ich habe zudem eine weitere Prophezeiung gelöst, die Dawn eindeutig als Waffe gegen die vier Reiter beschreibt. Sie ist die einzige oder besser gesagt, sie ist das einzige Wesen, das rein genug ist, um von den Reitern unberührt zu bleiben. Daher wird sie die einzige von uns sein, die den Reitern nahe genug kommen kann, um etwas auszurichten.“

 

„Ja, aber was passiert mit ihnen?“, fragte Dawn interessiert. „Ich meine... vernichte ich sie oder verbanne ich sie nur?“

 

„Es wird von der Schlüsselfunktion gesprochen“, nickte Giles anerkennend über Dawns Fragen. „Das schließt wohl aus, dass du sie töten wirst.“

 

„Das ist doch verrückt-“ Buffy blickte verzweifelt Giles, dann Dawn an. „Wenn wir sie damit nur erneut wegschließen, dann können sie doch jederzeit wieder befreit werden. Es muss nur jemandem gelingen Dawn als das zu finden, was sie ist...“

 

„Buffy, wir haben doch darüber geredet“, unterbrach sie Dawn leicht ungehalten. Erneut wollte sie die Diskussion nicht führen müssen.

 

„Ja haben wir“, erwiderte Buffy ebenfalls gereizt. „Aber ich habe Fragen und möchte eine Antwort darauf.“

 

„Niemand kann uns heute sagen, was in hundert Jahren sein wird“, sagte Giles ruhig und versuchte so die Situation etwas zu entspannen. „Oder in tausend oder aber auch schon in fünfzig Jahren. Alles was wir im Moment tun können, ist unsere Welt so wie wir sie kennen zu erhalten und alles dafür zu tun um sie zu retten.“

 

„Und da ich zurückkehre an den Ort, von dem ich komme, wird das Risiko, dass mich jemand missbraucht geringer“, ergänzte Dawn und sah sofort am Blick ihrer Schwester, dass dies nicht gerade die Worte waren, die sie hören wollte.

 

„Ich denke, Dawns Entscheidung steht nicht mehr zur Diskussion.“ Giles durchdringender Blick lag auf Buffy, der durchaus bewusst war, dass erneute Diskussionen zu nichts führten. „Daher schlage ich vor, ihr ruht euch heute Nacht aus und ich versuche die letzten Rätsel zu lösen, damit wir wissen, wann und wo wir die Reiter finden werden um zu kämpfen.“

 

Widerwilliges Zustimmen war die Reaktion auf Giles’ Vorschlag, der ungeachtet der Stimmung aufstand, um in seinem Büro die fehlenden Bücher, Schriften und Notizen zusammenzusuchen.

 

Kaum war Giles aus dem Zimmer verschwunden sprang Faith von ihrem Stuhl auf. „Ausruhen? Das kann doch nicht sein ernst sein!“, schrie sie wütend und nickte Ronah zu, die skeptisch aufstand.

 

„Was wollt ihr denn machen?“, fragte Buffy besorgt.

 

„Wir sind Jägerinnen, Buffy. Es ist keine Zeit, um sich auszuruhen. Wir müssen endlich die Reiter suchen und uns selbst davon überzeugen, wie stark diese Affen wirklich sind!“ Faith sah sich kurz um, ehe ihr Blick auf dem Waffenschrank hängen blieb. Kurz entschlossen marschierte sie darauf zu, öffnete ihn und warf Ronah ein Schwert zu.

 

„Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist“, warf Dawn ein, die besorgt und verwirrt von Buffy zu Faith und wieder zurück blickte.

 

„Da draußen sterben Menschen, Dawn! Willst du lieber zu Hause sitzen und dich ausruhen, während die Reiter da draußen hunderte von Menschen nur aus Spaß foltern und töten?“, sagte Faith genervt und nahm sich selbst eine Waffe aus der Truhe. Fragend blickte sie Ronah an, die sich aber nicht vom Tisch weg bewegte.

 

„Aber wir wissen doch gar nichts über die Reiter“, warf Buffy wieder ein.

 

„Ein Grund mehr, endlich unsere Füße in die Hand zu nehmen und uns aus erster Hand zu informieren!“, sagte Faith energisch. „Giles redet doch nur...“

 

„Faith, eigentlich hast du ja Recht“, brachte sich nun auch Kennedy ein, „aber ein übereilter Angriff kann uns alle das Leben kosten!“

 

„Was ist denn mit euch los? Seid ihr bescheuert? Unsere Aufgabe ist es Leben zu retten. Da draußen sterben unschuldige Menschen! Ronah, komm, wir gehen!“

 

Ähm...“ Faith blickte fragend in die Runde und erkannte, dass auch sonst niemand Anstalten machte, ihr zu folgen. „Faith, wir sollten jetzt nicht unüberlegt handeln.“

 

„Seid ihr alle irre? Versteht ihr diese Sprache nicht mehr?“ Wütend deutete Faith mit dem Schwert aus dem Fenster. „Da draußen wüten mächtige, uralte Dämonen, unschuldige…“

 

„Oh ja, wir haben deinen Standpunkt schon verstanden!“, schnitt Buffy Faith das Wort ab. „Ich denke auch, dass es eine gute Idee ist, jetzt ohne Plan loszuhetzen, die Reiter aufzuspüren, ohne auch nur die kleinsten Informationen zu haben, wie wir sie besiegen können, um sie herauszufordern. Der, der dann überlebt, kann Giles ja dann vielleicht sagen, wo ihre Schwachstellen sind.“ Buffy sah Faith angespannt in die Augen. „Es ist kein Platz mehr für überhetzte Entscheidungen. Es ist kein Platz mehr für Fehler!“

 

„Wenn ihr nicht den Mumm dazu habt, dann bleibt eben hier. Ich muss hier raus. Ich muss etwas tun. Bis später!“ Faith verstärkte den Griff um das Schwert, blickte Ronah und Kennedy kurz verwundert, verärgert und enttäuscht an und stürmte dann aus dem Raum.

 

„Das kann doch nicht wahr sein!“, schrie Buffy aufgebracht. „Kommt mit, wir müssen sie aufhalten!“

 

„Du hast Recht. Gehen wir!“ Kennedy nahm drei Schwerter aus der Truhe, warf Buffy und Dawn je eines zu, und die vier Jägerinnen liefen aus dem Konferenzzimmer.

 

Verdutzt blickte Xander den Jägerinnen hinterher. Sollte er ihnen folgen? Könnten sie ihn brauchen, oder würde er sie sowieso nur stören? Was konnte er schon gegen Faith, oder gar die Reiter ausrichten? Nein, er wurde ganz wo anders gebraucht.

 

Xander stand auf, schnappte sich einen Zettel, hinterließ eine Notiz und verließ den Konferenzraum als letzter:

 

„Ich bin wieder nach Malkuth gegangen, dort brauchen sie dringend meine Hilfe. Ihr wisst, wo ihr mich findet, wenn ihr mich braucht. Viel Glück. Xander.“

 

Cleveland, Straßen

Nacht

Faith lief durch die dunklen Straßen von Cleveland. Sie dachte nicht viel nach, machte sich keine Gedanken darüber, wo sie jetzt eigentlich genau war. Sie hörte Schreie in der Nähe, und Schreie bedeuteten, dass es dort Probleme gab. Und zum jetzigen Zeitpunkt schien ihr jedes Problem nur willkommen zu sein.

 

Ohne auch nur zu bedenken, dass sie ohne die Hilfe der anderen Jägerinnen vielleicht in ihren Tod laufen könnte, bog sie um die nächste Ecke und stieß direkt in eine Gruppe fliehender Dämonen. Sie zögerte keine Sekunde, fasste sich einen der Gruppe am Kragen, und riss ihn hoch. „Hör auf zu schreien, und sag’ mir, wovor ihr davon lauft!“, schrie Faith und schüttelte ihn heftig durch.

 

„Oh mein Gott... mein Gott... Hilfe!“, brüllte der grüne Dämon und Faith schlug ihm dafür mit ihrer freien Faust direkt ins Gesicht.

 

„WOVOR FLÜCHTET IHR?“, schrie sie in einem Tonfall, der keinen Widerstand mehr duldete.

 

„Reiter... mächtige dämonische Reiter... sie... sie jagen uns. Sie haben unseren Club in Brand gesteckt“, schluchzte der Dämon, und begann hysterisch zu schreien. Ohne ihn weiter zu beachten, warf sie ihn in eine dunkle Ecke und lief die Straße weiter nach oben.

 

Als sie das brennende Gebäude am Ende der Straße erblickte, erhöhte sie die Geschwindigkeit ein weiteres Mal. Vor der Tür, die noch nicht Feuer gefangen hatte, blieb sie kurz stehen und bemerkte die vier Pferde, die direkt daneben standen und sie interessiert ansahen.

 

Dann riss sie ein Schrei aus dem Gebäude wieder aus den Gedanken und im nächsten Moment lief Faith in den brennenden Club.

 

---

 

Kennedy und Ronah boxten sich den Weg durch die Gruppe von flüchtenden Dämonen frei und merkten gar nicht, dass sie Buffy und Dawn irgendwo verloren hatten. Als sie plötzlich Buffys Stimme hinter sich hörten, blieben sie kurz stehen, und warteten, bis die Summers Schwestern aufgeholt hatten.

 

„Wo ist Faith?“, fragte Buffy.

 

„Dort vorne, in dem brennenden Club“, antwortete Kennedy, woraufhin sich die Jägerinnen wieder in Bewegung setzten.

 

„Ich sehe die Pferde!“, schrie Ronah, doch die Gruppe blieb ruckartig stehen, als ein großer Gegenstand durch die Holzmauer geschleudert wurde und voller Wucht auf die gegenüberliegende Hauswand knallte.

 

„Ach du Scheiße, das ist ja Faith!“, schrie Kennedy, und wollte schon zu der Jägerin laufen, wurde aber von Buffy noch rechtzeitig zurückgehalten.

 

Im nächsten Moment wurde die restliche Mauer von einer gewaltigen Explosion zerstört, und die vier Reiter traten, gefolgt von einer unvorstellbaren Feuerwalze, aus dem Club.

 

„Oh mein Gott…“, flüsterte Dawn.

 

 

AKT 3

 

Cleveland, brennender Club

Eine Sekunde später

Regungslos standen die Jägerinnen nur wenige Schritte von Faith entfernt da und starrten die vier Riesen an, während das Gebäude lichterloh weiter brannte, Holz knirschte, Flammen züngelten und erste Teile des Hauses in sich zusammen brachen.

Unheimliche Schatten wurden an die Wände um sie herum geworfen, die im Tanz der Flammen zuckten.

 

Keiner von ihnen hatte sich die Reiter so vorgestellt. In ihren Prophezeiungsträumen waren sie Furcht einflössend gewesen, aber die Realität übertraf die Träume. Das sie mächtig und stark waren – ja, aber nicht dass sie auch Riesen waren, die zwei, nein eher drei Meter groß waren. Ihre Pferde wirkten mehr wie kleine Panzer auf vier Beinen, und die jeweilige Bekleidung der Reiter sorgte weiterhin für tiefen Eindruck. Langsam wurde ihnen klar, wieso sie laut Prophezeiung alleine im Kampf keine Chance haben würden.

 

Das hier waren keine dahergelaufenen Dämonen, die glaubten mächtig genug zu sein, um die Welt so zu gestalten, dass sie für sie lebenswert wurde. Nein, diese wussten, dass sie diese Macht hatten und Buffy, Kennedy, Dawn und Ronah wagten es für einen Moment vor Ehrfurcht nicht zu atmen.

 

Die Reiter starrten zurück. Überrascht über die plötzliche Gesellschaft, aber nicht wirklich beunruhigt. Allerdings hielten sie dieses Mal die Menschen vor sich wichtig genug, um nicht einfach auf ihre Pferde aufzusteigen und davon zu reiten. Etwas ließ sie erahnen, dass diese fünf jungen Frauen nicht durch Zufall hier waren. Und das lag nicht allein an den Schwertern in den Händen der Jägerinnen.

 

Der kurze Moment, der den Jägerinnen wie eine kleine Ewigkeit vorkam, ging vorüber und die vier Reiter setzten ihren Weg aus dem Club heraus fort. Faith hatte es auf einmal sehr eilig auf ihre Füße zu kommen, auch wenn sie noch etwas schwankte, um aus ihrer Reichweite zu kommen. Rasch gesellte sie sich zu den anderen vier und ignorierte den vorwurfsvollen Blick von Buffy.

 

„Passt bloß auf ihre Waffen auf. Wenn sie sie ziehen, dann haben sie die Kraft irgendwelchen Hokuspokus damit anzustellen. Ich hab’ da drinnen gesehen, zu was sie fähig sind – Verbrennen, zu Eis erstarren lassen... Weicht ihnen bloß aus.“

 

Unentschlossen standen die Jägerinnen an ihrem Platz und wussten nicht, ob sie angreifen sollten oder lieber weiterhin passiv blieben. Zu Vieles sprach gegen einen offenen Kampf...

 

„Ich weiß nicht, Faith“, gab Buffy schließlich ihre Bedenken zu. „Wir sollten von hier verschwinden. Ein Kampf wäre ziemlich dumm. Wenn jemand von uns verletzt wird, fällt er aus, wo Giles doch jeden Einzelnen von uns für die Apokalypse braucht.“

 

„Und wenn wir einen von ihnen jetzt töten, haben wir es nur noch mit dreien zu tun“, sagte Faith entschlossen.

 

„Hey... schon vergessen... wir können sie nicht so einfach töten“, mischte sich Kennedy ein. „Buffy hat Recht. Lasst uns abhauen...“

 

„Wie Feiglinge?“ Faith klang auf einmal etwas aggressiver. Offensichtlich sehnte sie sich einen Kampf herbei, um all die angestaute Wut über Lily und ihre Verluste herauszulassen.

Aber dafür war ein Friedhof mit einigen Vampiren besser geeignet, fand Buffy. „Wir wissen es erst besser, wenn wir es versucht haben...“

 

„ACHTUNG“, brüllte in diesem Moment Ronah auf und stieß plötzlich Buffy mit aller Kraft zur Seite. Gerade noch im rechten Augenblick – der helle Blitz aus der Waffe des asiatischen Reiters traf die Stelle, an der eben noch Buffy gestanden hatte. Der Blitz hinterließ einen tiefen Riss im Asphalt und, überraschend für die Jägerinnen, eine tiefe Wasserpfütze.

 

„Was war dass denn?“ Dawn starrte die vier Reiter an, die langsam aber sicher näher kamen. Die anderen drei Dämonen zogen ebenfalls ihre Waffen, die sie gezielt auf die Gruppe richteten.

 

„Ich glaube die Entscheidung zu kämpfen oder nicht, wird uns gerade abgenommen“, grinste Faith erfreut und sprintete mit gezogener Waffe los.

 

„NICHT FAITH“, rief Buffy ihr noch nach, doch völlig umsonst. Die dunkelhaarige Jägerin wollte oder konnte sie nicht mehr hören, als sie mit einem ohrenbetäubenden Kriegsschrei und einer Flugrolle über die Blitzstrahlen der Waffen sprang.

 

Die anderen Jägerinnen hatten im ersten Moment selbst genug damit zu tun den Strahlen auszuweichen, anstatt sich über Faith’ Dummheit aufzuregen. Kennedy war dabei nicht schnell genug und wurde seitlich am linken Arm erwischt. Ihre Jacke fing sofort Feuer und sie schlug panisch mit der rechten Hand auf die kleine rauchende Stelle, um Schlimmeres zu verhindern. Entsetzt sahen sich die Jägerinnen an.

 

Währenddessen stand Faith inzwischen wieder auf den Beinen und sprang mit erneutem Anlauf die Reiter an, nur um von der Brust des Wikingers abzuprallen. Sie ging zu Boden und wurde von einer mächtig starken und großen Hand im Genick gepackt und hoch gerissen.

 

„Helfen wir ihr“, seufzte Kennedy und umfasste ihr breites Schwert fester.

 

„Dawn.“ Buffy sah sich rasch zu ihrer Schwester um. „Bleib in meiner Nähe. Zu zweit haben wir eher eine Chance. Du deckst mich und ich deck dich. So wie ich dir das beigebracht habe. Okay?“

 

Dawn nickte zustimmend, während Ronah Buffys Worte ebenfalls befolgte und Kennedy nachrannte, um mit ihr Faith zu unterstützen. Diese hatte sich gerade mit einer geschickten Drehung und einem harten Schwerthieb auf das Handgelenk des Reiters aus dessen Griff befreit. Jetzt war sie dafür ganz damit beschäftigt die Waffen der vier Reiter mit dem eigenen Schwert abzuwehren. Dabei ging sie langsam unter jedem weiteren Hieb in die Knie, bis sie schließlich den Asphalt berührte. In diesem Augenblick hatten die anderen Faith und die Reiter erreicht.

 

Waffen trafen klirrend aufeinander, Funken spritzten auf, als sich die Schwerter berührten, die Kriegsrüstungen knirschten, knackten oder bewegten sich einfach nur mit unter den geschmeidigen aber kraftvollen Bewegungen ihrer dämonischen Krieger...

 

Eine Weile war der Kampf ausgeglichen. Niemand konnte einen Vorteil für seine Seite erkämpfen, doch die Jägerinnen spürten rasch wie sie ermüdeten. Und da sie viel zu viel Respekt vor dem Zauber der Waffen hatten, waren sie auch mehr damit beschäftigt diesen auszuweichen oder die Reiter so zu beschäftigen, dass sie die Waffen nicht benutzen konnten, anstatt eine gezielte Taktik einzusetzen.

 

So bemerkten die Jägerinnen auch viel zu spät, dass die Reiter sie eingekreist hatten. Doch ihre Kampferfahrung ließ sie alle instinktiv reagieren: Dawn und Buffy traten Rücken an Rücken heran und hoben ihre Waffen. Faith, Ronah und Kennedy machten es den beiden Jägerinnen nach und bildeten ein geschlossenes Dreieckeck. So geschützt kämpften sie verbissen aber ermüdet weiter. Ihre Arme begannen zu schmerzen und ihre Beine wollten sie nicht mehr wirklich aufrecht halten. Jeder weitere Hieb eines Reiters, ließ eine der Jägerinnen schwanken. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie zusammenbrachen.

 

Hin und wieder gelang es sogar einem der Reiter seine Waffe auf eine Jägerin zu richten, um sie mit seiner Macht zu vernichten. Aber jedes Mal reagierte die Zielperson unerwartet schnell und entkam dem Blitz aus der Waffe in letzter Sekunde.

 

Der indianische Reiter trat plötzlich etwas nach hinten weg, um Platz und Zeit zu gewinnen. Er richtete seinen Tomahawk auf die Jägerinnen, die zwar seine Absicht bemerkten und seinem Blitz aus der Waffe auswichen, dabei aber nicht sein eigentliches Ziel erahnten – der Blitz schlug wie gewollt in den Boden ein und verursachte ein leichtes Erdbeben, das die Jägerinnen aus ihrer Konzentration riss und dabei einen gefährlich tiefen Spalt erzeugte, in den Ronah fast gestürzt wäre, hätte Buffy nicht sofort nach ihrem Arm gegriffen, um sie zurück zu ziehen.

 

„Verdammt... wenn das so weiter geht...“, rief Buffy den anderen zu. „Dann hat Giles in wenigen Minuten keine Jägerin mehr, die die Apokalypse verhindert.“

 

„Und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber... wo ist Superman wenn man ihn mal braucht?“ Kennedy versuchte etwas heiter zu klingen.

 

„Oder Batman“, schlug Dawn schwer keuchend vor, während sie sich unter dem Schwert des Wikingers duckte und ihn dann mit einem Fußfeger von den Beinen holen wollte. Doch alles was sie erreichte, war eine schmerzhafte Prellung ihrer eigenen Fußfessel. Der Reiter stand noch immer breitbeinig über ihr und holte erneut mit seinem Schwert aus. Dawn rollte sich zur Seite und wurde von Buffy gerade noch rechtzeitig zur Seite gezerrt: das Schwert sauste hernieder und fuhr krachend in den Boden, wo es stecken blieb.

 

„Hey ihr habt eines vergessen... wir sind bereits die Kavallerie – Superwoman in geballter Ladung“, sagte Buffy etwas außer Puste.

 

Ronah schwieg, denn sie hatte gerade alle Hände voll damit zu tun, nicht von der scharfen Klinge des asiatischen Kriegers geköpft zu werden – sie duckte sich geschickt weg, rollte sich über die Schulter ab, wobei sie ihre Axt ausfuhr, und den Dämon einen tiefen Schnitt verpasste. Der Treffer war sogar von Erfolg – der Schnitt hinterließ eine dunkel blutende Wunde in der Wade des Dämons. Allerdings schloss sich diese unter Ronahs entsetztem Blick nur wenige Sekunden später wieder von selbst.

 

Faith hämmerte unermüdlich mit dem Knauf ihrer Waffe auf den afrikanischen Reiter ein, der die Schläge mühelos wegsteckte, nur um dann mit einer einzigen Attacke die Jägerin von sich wegzustoßen, die daraufhin zwei, drei Meter durch die Luft segelte, um inmitten einiger Mülltonnen krachend zu landen.

 

„Rückzug?“, schrie Dawn gegen den Lärm des prasselnden Feuers und der einstürzenden Gebäudeteile an.

 

„Ratsam“, nickte Buffy und trat gleichzeitig nach der Waffe des Wikingers, der sie gerade wieder mit beiden Händen in die Höhe reißen wollte, nachdem er Dawn nicht getroffen hatte. Er schwankte leicht, was Buffy neuen Mut machte. Offensichtlich ließen die Kräfte der Dämonen ebenfalls nach, wenn auch nur bedingt.

 

Ronah ging in diesem Moment mit einem Schrei zu Boden und entsetzt sahen alle, dass die Spitze des Dao-Schwerts ihre Schulter durchbohrte, während Ronah mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Knie gesunken war.

 

Faith, die sich gerade aus den Mülltonnen kämpfte, erstarrte für einen Moment. Sie glaubte Ronah würde in der nächsten Sekunde tot zu Boden fallen und fühlte sich nicht in der Lage sich zu bewegen, um etwas dagegen zu tun. Instinktiv sah sie sich suchend nach Eve um, die bestimmt irgendwo stand und gehässig grinste.

 

Doch von der Verrückten war nirgends eine Spur zu sehen. Das gab Faith wieder die Kontrolle über sich zurück und als sie sah, wie Ronah nach der Klinge mit beiden Händen fasste, um zu verhindern, dass der asiatische Reiter ihr die Waffe weiter durch die Schulter bohren konnte, erwachte Faith vollends. Mit einem lauten, schrillen Schrei hob sie ihr Schwert hoch und rannte auf die beiden Kämpfenden zu. Weit kam sie nicht, denn der afrikanische Dämon stellte sich ihr in den Weg und schlug ihr den Knauf seines Schwertes in den Rücken. Faith ging zu Boden.

 

Buffy sah in welchen Schwierigkeiten Ronah und Faith steckten und vergaß die einzige Taktik, die sie hatten: zusammen zu bleiben, um mit vereinter Kraft zu kämpfen. Sie rannte einfach los, sprang über das Breitschwert des Wikingers hinweg, kam auf beiden Füßen wieder auf und überließ ihn und den Indianer Dawn und Kennedy.

 

Faith versuchte wieder auf die Füße zu kommen, wurde aber mit einem Tritt in den Rücken erneut niedergeworfen und Ronah stemmte sich noch immer mit aller Kraft gegen den Dämon, der weiter versuchte sein Schwert tiefer in sie zu bohren. Als Buffy ankam, drehte sich Faith gerade auf den Rücken, wobei sie ihr Schwert nach oben riss, um den Dämon die Klinge in den Bauch zu rammen. Doch der Reiter hatte ihre Taktik durchschaut und statt erneut nach ihr zu greifen, trat er einen Schritt nach hinten weg. Die Klinge ging ins Leere.

 

Buffy wusste, dass Faith sich alleine verteidigen konnte und daher hielt sie sich nicht erst bei ihr auf. Ihr Ziel war der asiatische Reiter, dem sie von hinten ihr Schwert in den Rücken rammte – oder es versuchte. Noch bevor sie ihn erreicht hatte, wandte er sich blitzschnell herum, riss dabei Ronah sein Dao-Schwert mit einer einzigen, fließenden Bewegung aus der Schulter und blockte damit Buffys Schwert. Ronah sackte in sich zusammen und fiel keuchend nach vorne auf ihre Hände.

 

Das Dao-Schwert traf mit solcher überraschenden Wucht Buffys Klinge, dass diese nach hinten taumelte und Mühe hatte, nicht zu Boden zu gehen. Als sie sich gefangen hatte, starrte sie entsetzt ihr Schwert an: ihre Klinge war gebrochen. In diesem Moment war es ihr mehr als deutlich, dass dieser Kampf hier dumm und sinnlos war.

 

Als sie sich rasch nach den anderen umsah, wurde ihr die Niederlage bestätigt – Ronah lag inzwischen mit Schmerzen am Boden, Kennedy und Dawn wirkten müde und unkonzentriert, während sie vergeblich versuchten durch die Deckung der beiden anderen Dämonen zu dringen, um einen Schlag anzubringen, der Zerstörung oder zumindest Verletzungen brachte.

 

Nur Faith wirkte unermüdlich in ihren Attacken. Aber das Geheimnis lag wohl in ihrem erlittenen Verlust, der ihr Kraft und Antrieb in einem war.

 

Als Buffy zurück zu dem Dämon blickte, stellte sie ihren Fehler fest – sie war nur für ein oder zwei Sekunden abgelenkt gewesen, aber das hatte ausgereicht, damit der Reiter die kurze Distanz überbrückt hatte und nun direkt vor ihr stand. Sie konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren, als er mit seiner behandschuhten Hand ausholte.

 

Seine Faust traf auf Buffys ungeschützte rechte Wange.

 

Etwas knirschte in ihrem Kiefer, doch der Jägerin blieb keine Zeit darüber nachzudenken, denn der Schlag riss sie von den Füssen und ließ sie nach hinten gegen eine Garagenwand krachen. Schmerz durchfuhr ihren Körper, durch jede Faser und jeden Nerv.

 

Während es Buffy vorkam, als würde sie wie in Zeitlupe von der Wand herunter auf den Boden fallen, wandte sich der Dämon bereits einer anderen Jägerin zu – der wehrlosen Ronah, die gerade versuchte sich an ihrem Schwert abzustützen, um wieder auf die Beine zu kommen.

 

Wie durch einen Schleier beobachtete Buffy dies und sie wusste, dass es keine Rettung für Ronah gab, außer sie machte eine der anderen Jägerin lautstark darauf aufmerksam oder rappelte sich selbst wieder auf die Füße um einzugreifen. Beides erschien Buffy im ersten Moment unmöglich, denn ihr Körper schmerzte noch immer durch den Aufprall und als sie hinter sich die Wand betrachtete konnte sie entsetzt die Umrisse ihres Körpers im Mauerwerk sehen wo sie aufgeprallt war.

 

Benommen schüttelte Buffy ihren Kopf, rollte sich zur Seite und wollte aufstehen, als eine Hand in ihrem Blickfeld erschien, die sich ihr helfend entgegenstreckte.

 

Irritiert und auch überrascht sah Buffy auf und blickte in das ernste Gesicht des Unsterblichen.

 

England, Ratsgebäude

Früher Morgen, europäische Zeit

Lenhardt saß mit düsterer Miene bereits auf seinem Stuhl hinter dem großen Verhandlungstisch. Die Fingerspitzen aneinander gepresst blickte er über die versammelten Wächter hinweg. Es war noch gar nicht so lange her, da hatte er hier gesessen und darüber abstimmen lassen, was mit Mr. Giles passieren sollte. Ein großer Tag, wie er damals fand – und heute? Heute war er nicht mehr sicher, was er denken sollte. Er war in den vielen Jahren immer ganz zufrieden mit seiner Wahl gewesen. Mit der Wahl nach den Regeln beider Welten zu leben – denen des Rates und denen des Inneren Kreises. So lange diese Wahl für ihn von Vorteil gewesen war, fügte er in Gedanken hinzu. Jetzt sah das alles ganz anders aus. Nun bedrohte es seine Karriere, alles für das er gelebt und zudem er von seinem Vater erzogen worden war. Wenn irgendjemand Verdacht schöpfte, wenn es eine Untersuchung gab und man ihm Verbindungen nachweisen konnte, war alles aus. George hatte recht – es wurde für ihn Zeit sich zu entscheiden. Und es fiel ihm leichter, sich vom Inneren Kreis zu verabschieden und von Lily, als von den Werten und Regeln, nach denen er aufgewachsen war und denen er auch heute noch in seinem Alter versuchte gerecht zu werden. Zudem war ein Leben ohne den Inneren Kreis weitaus ungefährlicher.

 

Im Saal selbst herrschte reges Leben. Die Sitzreihen waren bereits fast alle belegt und Stimmengewirr hing in der Luft. Viele Wächter hatten ihr Handy in der Hand und telefonierten mit befreundeten Wächtern, denen die Zeit nicht gereicht hatte, um anzureisen. Sie wollten informiert werden oder per Telefon ihre Stimme abgeben.

 

In den vordersten Reihen saßen die zurückgekehrten Jägerinnen, schweigend und ruhig. Sie wussten im Gegensatz zu den Wächtern wieso sie hier waren. Es behagte ihnen zwar nicht allen, aber gegen die zurückgekehrten Erinnerungen und die damit verbundene Wahrheit über Lily ließ sich nicht totschweigen, das war ihnen bewusst.

 

An der Tür kam es plötzlich zu einem kleinen Zwischenfall, als der angesehene Roger Wyndham-Price einem jungen Wächter seine Meinung über Rupert Giles mitteilte, nachdem dieser einen abwertenden Kommentar über Lily Usher hatte fallen lassen, als er mit seinem Freund den Saal betrat. Ein Saaldiener brachte die beiden Streithähne mit Hilfe dessen Freundes sofort auseinander und sorgte dafür, dass sie weit voneinander getrennt saßen.

 

George stand mit sorgenvollem Gesicht im Hintergrund und betrachtete sich das Treiben beunruhigt. Die Stimmung war sehr gereizt und er zweifelte nicht eine Sekunde lang daran, dass Lily bereits verloren hatte, noch bevor jemand für sie sprechen konnte. Er hatte versucht sie mehrmals zu erreichen, aber nie war sie an ihr Handy rangegangen. Hoffentlich war nichts passiert und er würde später endlich Erfolg haben. Er ertrug es nicht, dass sie völlig unwissend in Amerika weilte, während hier das Chaos ausbrach. Und alles nur, weil Lenhardt plötzlich aus heiterem Himmel kalte Füße bekam. Er hatte diesem Deutschen noch nie vertraut und sein Eintritt in den Inneren Kreis nie befürwortet.

 

Als endlich Ruhe im Saal eintrat, stand Lenhardt auf und richtete sein Wort an die Versammlung.

 

„Ladies und Gentlemen, ich bin Ihnen allen sehr dankbar, dass Sie so kurzfristig Zeit gefunden haben, um zu kommen. Aber unser Anliegen heute ist von sehr großer Wichtigkeit und darf daher nicht verschoben werden.“ Lenhardt räusperte sich kurz und blickte dann über die Reihen hinweg. „Wie Sie alle wissen hat uns Ms. Usher von einer Apokalypse berichtet, die es aufzuhalten galt. Sie machte uns bewusst, dass Mr. Giles als Vorstand des Rates nicht in der Lage sei, diese abzuwenden. Sie selbst sorgte schließlich dafür, dass alle Jägerinnen auf der Welt aufgefordert wurden hier bei uns in London ein Spezialtraining zu durchlaufen. Mit diesem Training sollten sie auf den großen Kampf vorbereitet werden. Vor weniger als zwei Tagen fand dieser Kampf statt – in einer Dämonenstadt unter Cleveland.“ Hier machte Lenhardt eine Pause und sofort wurden die Stimmen im Saal wieder lauter. Dieses kleine, nebenbei erwähnte Detail schien also nicht nur ihn in Sorge gestürzt zu haben, als die Jägerinnen ihm von Malkuth erzählt hatten.

 

Als es wieder ruhiger wurde, fuhr Lenhardt fort. „Die Jägerinnen mussten hohe Verluste in Kauf nehmen, nur um anschließend hier her zurückgeschickt zu werden, ohne weitere Erklärungen über die Apokalypse, die nicht verhindert wurde. Es mag vielleicht dem einen oder anderen merkwürdig erscheinen, dass wir uns hier alle eingefunden haben, aber es gab einige Einzelheiten, die mir sehr bedenklich erschienen. Einzelheiten, die unsere Abstimmung über Mr. Giles und Ms. Usher in ein anderes Licht rücken lassen. Dinge, die Ms. Usher und ihr Vorhaben merkwürdig erscheinen lassen. Wieso hat sie uns nicht von dieser Stadt berichtet? Wieso ließ sie Jägerinnen zusätzlich in einer anderen Einrichtung trainieren, gab ihnen Medikamente und möglicherweise manipulierte sie sogar die Jägerinnen, damit sie hörig waren. Wieso schickte sie die Jägerinnen wieder zurück, obwohl eine so unheimliche Bedrohung über der Welt liegt? Und die aller wichtigste Frage: wieso war sie so sehr daran interessiert Buffy Summers und ihren Freunden in dieser Stadt zu begegnen? Ich denke... auf diese Fragen können uns diese drei Jägerinnen“, Lenhardt deutete auf die vorderste Sitzreihe, wo Chao-Ahn, Kim und Emma unruhig auf ihren Plätzen hin und her rutschten, „bestimmt bessere Antworten geben als ich.“

 

Er nickte den drei jungen Frauen zu, die aufstanden und nach vorne traten. Es beruhigte sie ein wenig, die meisten der Jägerinnen aus ihrem Kampf im Raum sitzen zu sehen. Teilweise waren einige bereits aber wieder nach Hause zurückgekehrt in ihre Länder. Sie wollten vergessen und nicht daran erinnert werden, dass sie im falschen Glauben ein Massaker angerichtete hatten – auch wenn es sich dabei „nur“ um Dämonen handelte. Und niemand hatte Mr. Wood vergessen...

 

Chao-Ahn machte den Anfang und berichtete von dem, an das sie sich noch oder wieder erinnern konnte. Von ihrer Ankunft, dem Training in einem alten Gebäude, die „Vitaminspritzen“ und die Gesprächssitzungen bei Ms. Usher. Sie fuhr fort mit den Erinnerungen an den Verlust von Gefühlen und persönlichen Erinnerungen. Dann überließ sie es Emma weiterzusprechen, die erst einmal ihre Eindrücke wiedergab und damit Chao-Ahns Worte bestätigte. Schließlich kam sie zu Lilys Plan, ihrer Annahme die Apokalypse würde in der Dämonenstadt ihren Anfang nehmen. Sie sollten dort nach dem Rechten sehen und alles töten, was ihnen in den Weg käme. Lily erwähnte auch das Mr. Giles mit Buffy und den anderen aus Blendung und etwas, das sie wohl als Freundschaft bezeichnen würden, dort sein würden, um den Dämonen zu helfen. Das galt es zu verhindern, auch wenn es den Tod eines Einzelnen bedeuten würde. Buffy wollte Lily jedoch lebend haben. Der Grund war unbekannt.

 

Schließlich bekam Kim das Wort und bedrückt berichtete sie, wie Ms. Ushers Training dazu geführt hatte, dass sie kaltblütig und ohne nachzudenken ihre Waffe auf einen Freund, Mr. Wood, abgefeuert hatte. Robin sei nun tot und sie könnte nicht einmal auf seine Beerdigung gehen, noch sich jemals wieder bei ihren Freunden blicken lassen. Das Schlimmste daran: sie würde mit der Schuld einen Menschen getötet zu haben leben müssen. Etwas, das ihr im Moment sehr schwierig erschien.

 

Chao-Ahn beendete ihren Bericht mit einigen weiteren Erzählungen und Details vom Kampfgeschehen in Malkuth. Als sie endete, herrschte zunächst völlige Stille im Saal, die jedoch plötzlich erstarb, als die Wächter anfingen aufgeregt durcheinander zu sprechen.

 

„Ruhe. Ruhe im Saal!“, brüllte Lenhardt schließlich und brachte ein wenig Ordnung zurück.

„Danke, meinen Damen und Herren. Es ist ihnen gestattet Fragen an die Jägerinnen zu stellen, jedoch bitte nach Wortmeldung und Zuteilung von mir.“

 

Zig Hände fuhren daraufhin in die Luft und Lenhardt stöhnte. Um nicht als parteiisch zu gelten, rief er einen jungen Mann auf, von dem er wusste, dass er Giles blind folgen würde. „Sie mein junger Freund als erster.“

 

„Danke Mr. Lenhardt“, nickte dieser ihm mit einem leichten skandinavischen Akzent zu. „Mich würde interessieren, ob Mr. Giles mit seinen Freunden eine Jägerin getötet hat?“

 

Die drei Jägerinnen blickten sich an, dann zuckten sie mit den Schultern. „Soweit wir wissen, nein.“

 

Der nächste wurde von Lenhardt aufgerufen, dieses Mal jemand von Lilys Partei. „Hat Ms. Usher je direkt von euch verlangt, einen von Mr. Giles Leuten zu töten?“

 

Diese Frage wurde verneint und der Wächter setzte sich mit zufriedenem Lächeln wieder hin.

 

Doch Kim hatte das Gefühl ergänzen zu müssen. „Verlangt nicht, Sir. Aber ihre Worte waren ziemlich deutlich, was wir zu tun hätten, falls sich jemand von Buffys Seite gegen uns stellt. Sie hätten dabei sein müssen, dann würden Sie verstehen, was ich meine.“

 

„Und was hat euch misstrauisch gemacht“, fragte eine Wächterin aus Russland, ohne auf Kims Worte einzugehen.

 

„Misstrauisch in wie weit“, fragte Emma zurück.

 

„Nun, gegen Ms. Usher?“

 

„Nichts“, sagte Kim. „Nicht im ersten Moment. Erst als wir wieder hier waren und uns langsam zu erinnern schienen, was mit uns passiert ist, wurde uns klar, dass wir schnellst möglich mit ihnen allen reden mussten. Es ist das, was Ms. Usher mit uns gemach hat. Das heimliche Training, die Dringlichkeit die Gegenseite auszuschalten, die Dinge die sie nur uns mitteilte und nicht dem Rat...“

 

Weitere Fragen prasselten auf die Jägerinnen ein und sie waren ganz damit beschäftigt, Fragen nach Malkuth, der Apokalypse, Lily und dem Gebäude, in dem sie trainiert wurden, zu beantworten.

 

Als die Jägerinnen das Gebäude näher beschrieben und sich auch dunkel an die Lage zu erinnern schienen, gab es im Saal den einen oder anderen Wächter und Wächterin, die untereinander einen besorgten Blick austauschten oder nervös auf ihrem Sitz herumrutschten.

 

Langsam wurde es den Wächtern im Saal bewusst, dass Lily Usher offensichtlich viele Dinge vor ihnen verheimlicht hatte und die Jägerinnen missbrauchte, um ein Ziel zu verfolgen, das dem Rat völlig unklar war. Das Chaos im Saal wurde noch schlimmer, die Stimmen noch lauter und die ersten forderten lautstark nach einer erneuten Abstimmung.

 

Lenhardt lächelte leicht. Es war gut, dass dieses Verlangen von den Wächtern selbst kam und er sie deswegen nicht erst anschubsen musste.

 

„Ladies und Gentlemen“, verschaffte sich Lenhardt laut die Aufmerksamkeit. „Wie sie sich überzeugen konnten, ist mein Misstrauen nicht unbegründet und Sie werden einsehen, dass wir erneut darüber beraten müssen, wer die Leitung des Rates verdient hat. Darüber hinaus müssen wir uns natürlich auch darüber unterhalten, ob die alte Abstimmung überhaupt eine Gültigkeit hatte...“

 

Cleveland, Flughafen

Nacht, amerikanische Zeit

Es war spät in der Nacht und trotzdem herrschte vor dem Flughafen Clevelands hektisches Treiben. Fluggäste, die ankamen und nach einem Taxi oder Bus suchten, Fluggäste die abgesetzt wurden und ihren Flug erwischen wollten, Polizisten, die Strafzettel an Falschparker verteilten und Sicherheitsleute, die auf und ab liefen, um nach dem Rechten zu sehen.

 

In all dieser Hektik fuhr ein Taxi vor, parkte in der zweiten Reihe und nahm wildes aufgebrachtes Hupen hinter sich in Kauf, nur weil die Lady auf dem Rücksitz ein dickes Trinkgeld versprochen hatte, wenn er sie ohne lange Fahrt direkt an den Flughafen bringen würde. Und direkt hieß direkt – kein Parkplatz, kein Parkhaus...

 

Der Fahrer mit den halblangen, gekrausten, braunen Haaren drehte sich zu Lily herum und nahm ohne Worte Fahrgeld und Trinkgeld entgegen. Er nickte ihr dankend zu und ehe er es sich versah, war die Frau auch schon aus dem Wagen gesprungen, ihren kleinen Handkoffer mit sich zerrend. Er hielt sich nicht weiter auf, legte wieder den ersten Gang ein und fuhr los.

Das Hupkonzert verebbte.

 

Lily stand auf dem Gehsteig und suchte nach ihrem Handy, das sie schließlich in der Handtasche fand. Nervös rief sie ihr Telefonbuch auf und wählte Georges Nummer an. Dabei fielen ihr die ganzen unbeantworteten Anrufe nicht einmal auf.

 

Das Freizeichen ertönte und Lily durchschritt die Schiebetür in den Empfangsbereich des Flughafens hinein.

 

Endlich nahm jemand ab...

 

„George? Ich bin’s Lily. Was gibt es neues?“

 

„Lily?“ George brachte das Kunststück fertig, sowohl erfreut als auch besorgt zu klingen. Und Lily entging das nicht. Sie wurde etwas nervös. „Gott sei Dank. Ich versuche dich schon seit Stunden zu erreichen.“

 

„Es gab einen kleinen Zwischenfall“, wehrte Lily Details zu erzählen ab und blickte sich nach einem Hinweis auf British Airways um. „Wie läuft es in London?“

 

„Schlecht“, gestand George niedergeschlagen. „Die Jägerinnen sind zurückgekehrt und da Lenhardt sie gleich unter Beschlag genommen hatte, hatten wir keine Zeit mehr sie mit dem Serum zu versorgen.“

 

„Mein Gott“, stöhnte Lily auf. „Das heißt, sie haben sich erinnert und vor dem Rat eine Aussage gemacht?“

 

„Sehr richtig.“ Uberrascht über Lilys Weitsichtigkeit musste George erst nach neuen Worten suchen, um ihr die Lage zu erklären. „Es gab eine neue Abstimmung... dieses Mal leider gegen dich und das mit nicht nur einer Stimme Mehrheit.“

 

„Verdammt... ich schätze eine Rückkehr ist im Moment nicht gerade... geschickt.“ Lilys Blick wanderte vom Wegweiser „British Airways“ weiter auf der Suche nach einer Alternative.

 

„Nein. Lenhardt eröffnet gerade eine Hetzkampagne gegen dich und versucht indirekt den Inneren Kreis anzugreifen.“

 

„Ihr wisst, was zu tun ist, wenn er zur Gefahr wird.“ Lily traf eine Entscheidung und steuerte den Flugschalter von Delta Airlines an. „Es darf niemand von unserer Existenz erfahren. Es reicht, was die Jägerinnen mit ihren Aussagen offensichtlich angerichtet haben.“

 

„Natürlich. Du kannst dich ganz auf uns verlassen. Ich melde mich, sobald sich das Problem gelöst hat.“

 

„Sehr schön. Und macht euch über die Apokalypse keine Sorgen. Giles und Buffy kümmern sich ganz bestimmt darum. Unsere Pläne mögen zwar im Moment nicht aufgegangen sein, aber noch ist es nicht zu spät.“ Lily stellte sich an der kleinen Schlange an. „Kümmere dich bitte so lange um die Angelegenheiten des Inneren Kreises, bis ich die Arbeiten selbst wieder übernehmen kann.“

 

„Natürlich, mache ich. Ach ja... bevor ich es vergesse. Ich hatte vorhin einen Besuch des Hexenclans. Sie zeigten sich besorgt über deinen letzten Einsatz ihrer geliehenen Magie. Sie halten es langsam für Anmaßung und Missbrauch. Sie wollen dir nicht noch einmal helfen.“

 

„Das habe ich befürchtet“, seufzte Lily. „Aber ich musste es tun, sonst wäre ich wohl nicht mehr am Leben. Ich erzähle dir das im Detail, sobald ich dort angekommen bin wo ich hin möchte.“

 

„Miss?“

 

Die Stimme der Schalterfrau unterbrach das Telefonat und Lily verabschiedete sich hastig von George und trat an den Schalter heran.

 

„Ich bräuchte so schnell wie möglich einen Flug nach Mexiko“, gab Lily ihren Wunsch bekannt, während die Schalterbedienung freundlich nickte und im PC zu recherchieren begann.

 

Cleveland, brennender Club

Ein paar Sekunden später

Dawn flog zu Boden und schlug hart mit ihrem Gesäß auf dem Asphalt auf. Ihr blieb für ein, zwei Sekunden die Luft weg und fast schon benommen kämpfte sie sich auf ihre Füße hoch. Wenn das hier so weiter ging, brauchten sie sich wirklich keine Sorgen mehr über eine Apokalypse machen – denn sie würden sie gar nicht mehr miterleben. Wo steckte nur Buffy? Panisch blickte sich Dawn um, konnte ihre Schwester aber nicht entdecken. Dafür sah sie entsetzt, wie der asiatische Dämon sein Schwert hob, um Ronah mit dem letzten Hieb zu töten.

 

„FAITH... PASS AUF! RONAH!“, war alles was Dawn in der Situation tun konnte. Sie selbst hatte keine Möglichkeit rechtzeitig bei Ronah zu sein. Zudem konnte sie Kennedy nicht alleine lassen, die selbst geschwächt und müde wirkte und kaum noch die Hiebe des Tomahawks abwehren konnte

 

Erneut sah sich Dawn suchend nach Buffy um. Sie wurde langsam unruhig und panisch, als sie sie auch jetzt nicht fand...

 

---

 

Der Unsterbliche wartete und hielt die Hand ausgestreckt, ließ ihr Zeit, wieder vollends zu sich zu kommen. Schließlich ergriff sie seine Hand und er half ihr auf.

 

„Guten Abend, Mylady“, grüßte er, wobei er eine kurze Verbeugung andeutete und sich das hintergründige Lächeln, das sie von ihm kannte, auf sein Gesicht stahl. „Mit Verlaub... du siehst furchtbar aus.“

 

Buffy starrte ihn für einen Moment einfach nur an. Die Ereignisse schienen sich zunehmend zu überschlagen.

 

„Was machst du hier?“, fragte sie schließlich verblüfft.

 

„Würde die Erklärung ausreichen, dass ich es ohne dich nicht mehr ausgehalten habe? Dachte ich mir.“ Er seufzte und blickte dann in die Richtung, aus der Buffy geflogen gekommen war. Nachdenklich betrachtete er die kämpfenden Jägerinnen, die einige Meter von ihnen entfernt einen erbitterten Kampf ausfochten. „Nun, ich wäre froh, wenn es so wäre, aber es gibt ernstere Gründe für mein Hiersein.“

 

Im Augenblick war sich Buffy nicht sicher, was sie davon halten sollte. Ein Teil von ihr war froh, dass er hier war – wenigstens eine Person, der sie zumindest bisher nicht misstrauen musste. Und vielleicht war er ja tatsächlich hier, um ihr oder ihnen zu helfen.

 

Ein anderer Teil aber war verwirrt... und wütend. Verwirrt, weil sie seit Rom keinen Kontakt mehr gehabt hatten und er jetzt einfach hier war. Wütend, weil dort vor ihnen ihre Freunde um ihr Leben kämpften und er machte keinerlei Anstalten, in irgendeiner Form zu helfen.

 

„Die da wären?“, fragte sie jedoch ohne sich etwas von ihren Gedankengängen anmerken zu lassen. Sie versuchte gleichzeitig ihn dabei im Auge zu behalten und festzustellen, ob es jemandem gelungen war Ronah zu retten, aber es war ihr bei dem hektischen Treiben auf dem Kampfplatz vor dem Club kaum möglich auszumachen, wer wer war. Also konzentrierte sie sich lieber ganz auf den Unsterblichen.

 

„Ich habe weitere Informationen“, sagte er schlicht, „aber dies ist wohl nicht der Zeitpunkt, alles darzulegen. Ich kann im Augenblick so viel sagen, dass der Talisman nicht die einzige Kraftquelle dieser Alten ist. Die Pferde und ihre Waffen gehören ebenfalls dazu. Zerstört sie und sie werden geschwächt. Aber wie gesagt, das sollten wir später in Ruhe näher erläutern.“

 

„Ja, wenn es wieder ruhiger wird... wenn das irgendwann noch einmal passiert. Jetzt...“

 

„Solltest du zurückgehen. Deine Freunde brauchen dich. Das, was wir zu besprechen haben, ist zu komplex, um es hier abzuhandeln“, unterbrach er sie sanft.

 

Was Buffy wieder einmal erstaunte – und was in ihr ein gewisses Maß an Wut emporsteigen ließ – war seine vollkommene Ruhe. Wenige Meter von ihm befanden sich vier der mächtigsten Dämonen, die jemals auf der Erde gewandelt waren und ihn ließ das offensichtlich völlig kalt! Er hatte alle Ruhe der Welt, um ein Treffen auszuhandeln, als stünden sie irgendwo vor einem netten kleinen Cafe und verabschiedeten sich für die Nacht von einander.

 

„So, ist es das?“, fragte sie etwas kalt zurück. Wollte er etwa später mit ihr nur über die Dämonen reden oder war da noch mehr? Sicher war da mehr... sie musste nur an Rom denken. Er konnte nicht nur geschäftlich hier sein... „Das war es schon? Ein kurzes Hallo, nett dich zu sehen, übrigens beachtet das und jenes, bis später? Willst du hier etwa nur einfach so herumstehen?! Da vorne könnten meine Freunde sterben! Ist dir so etwas völlig egal?!“, fuhr sie ihn an, als die Wut und der Schmerz, den sie spürte, die Überhand gewannen.

 

Ihre Augen schossen regelrecht Dolche in seine Richtung, aber er schien den kurzen Ausbruch fast erwartet zu haben, denn er blieb völlig ruhig und schüttelte nur den Kopf.

„Niemand wird sterben, wenn du rechtzeitig zurückgehst. Das ist nicht mein Kampf und das muss er auch nicht sein. Alle, die kämpfen müssen, tun dies bereits. Ihr seid die Auserwählten, nicht ich. Du solltest daran glauben... dann würdest du mein Handeln verstehen.“

 

Bevor sie reagieren konnte, hatte er sich vorgebeugt und seine Lippen berührten flüchtig die ihren.

 

„Nun geh’ und rette deine Freunde. Wir werden uns später sehen. Beeil dich, du hast nicht mehr viel Zeit. Und... vertrau dir selbst.“

 

Sie starrte ihn für einen Moment einfach nur an, während sie sich fragte, ob er über Wissen verfügte, dass er nicht mit ihr teilte. Aber als klar war, dass er nicht mehr sagen würde, eilte sie zu den anderen zurück.

 

Er starrte ihr eine Zeit lang nach und hörte auf die Kampfgeräusche, bevor er sich umdrehte und langsam den Ort verließ.

 

In all den Jahren hatte er gelernt, Körpersprache zu deuten und so war ihm auch ihre unausgesprochene Frage nicht entgangen.

 

Ja, ich weiß Dinge, die ich dir nicht offenbare. Ich habe die staubigen Straßen jenseits der Ewigkeit beschritten und bin auf dornigen Pfaden weitab der bekannten Welten gewandelt. Doch, was ich dort erfahren habe, war nicht einmal für meine Augen und Ohren bestimmt. Auch wenn ich wollte... manche Dinge kann ich dich nicht erfahren lassen.

 

Er seufzte tief, als er sich auf den Weg zu einem etwas ruhigeren Ort machte.

 

Wächterhaus

Zur selben Zeit

Die einzige Lichtquelle im Konferenzraum war eine kleine, antike Leselampe auf dem Tisch, die einen Berg Bücher, Notizen, Schriftrollen und einen übermüdeten Giles mit hochgekrempelten Ärmeln beleuchtete. Der Wächter legte in diesem Moment seinen Kugelschreiber auf seinen Notizblock ab, fuhr sich mit der frei gewordenen Hand übers Gesicht und seufzte. Sie hatten so viele Informationen und doch so wenig Anhaltspunkte, wo er suchen konnte.

 

Wieso er erneut nach dem Buch vom Friedhof griff wusste er nicht, er hatte es sich in den letzten Stunden schon mehr als nur einmal angesehen und war zu keinem Ergebnis gekommen. Lustlos blätterte Giles Seite für Seite um, bis er erneut das Bild vor sich hatte, auf dem die vier Reiter mit gezogenen Waffen in einem Kreis standen. Die Waffen... wieso war er darauf nicht früher gekommen. Sie hatten sicher eine symbolische Bedeutung. Wenn er jetzt in dem ganzen Chaos vor sich seine Notizen finden würde, würde er einen Quellevergleich machen können...

 

Ein plötzliches Geräusch an der Eingangstür ließ ihn aufblicken und direkt in Willows Gesicht starren. Erstaunen machte sich auf dem Gesicht des Wächters breit, während Willow versuchte entwaffnend zu lächeln, um sich nicht gleich anhören zu müssen, wie dumm sie sich verhielt und verantwortungslos ihrer Gesundheit gegenüber.

 

Doch Giles schwieg zu ihrer Überraschung und stand hastig auf, um ihr bei den wenigen Schritten zu einem freien Stuhl behilflich zu sein. Erst als sie saß, begann er mit der gefürchteten Rede.

 

„Willow, meine Güte. Mit jedem hatte ich gerechnet, aber nicht mit dir. Du solltest im Krankenhaus liegen und dich erholen. Was du tust, ist sehr leichtsinnig.“

 

„Ich weiß Giles“, unterbrach Willow ihn ungeduldig. „Aber glauben sie ernsthaft, ich könnte ruhig in meinem Bett liegen und mit ansehen wie die Welt untergeht oder wie ihr sie retten wollt, ohne selbst meinen Teil dazu beizutragen? Zudem weiß ich von Dawn und was sie vorhat. Ich möchte helfen, wenn möglich, um es zu verhindern. Und drittens...“ Sie machte eine kurze Pause, um nachzudenken, wie sie den dritten Punkt am besten erwähnen sollte, entschloss sich dann jedoch für den direkten Weg. „Es gibt noch etwas, das ich ihnen heute Abend im Krankenhaus nicht erzählt habe. Etwas von meiner Reise. Und darüber müssen wir reden.“

 

Giles sah Willow einen Moment lang nachdenklich an, unsicher darüber bei welchen der aufgezählten Punkte er eine Antwort geben sollte. Erschöpft von den Recherchen verspürte er jedoch wenig Lust auf eine Diskussion und nickte daher ergeben. „Ich denke, ich werde dich kaum über die Schulter legen können, um dich zurück ins Krankenhaus zu schaffen?“ Die beiden lächelten sich verlegen, fast schüchtern an, dann war das Eis gebrochen und Willow konnte reden.

 

„Die Steinzeit ist schon längst vorüber Giles“, scherzte Willow. „Wir Frauen brauchen nicht mehr an den Haaren mitgeschleift zu werde.“ Sie lachte leise und über sich selbst amüsiert, während Giles schmunzelte. Dann wurde Willow wieder ernst. „Ich weiß Ihre Sorge wirklich zu schätzen, Giles. Aber ich denke ich bin inzwischen alt genug, um selbst bestimmen zu können, was gut für mich ist und was nicht. Das heißt natürlich, dass ich weiß, dass ich ziemlich dumm handle. Aber ich kann und will nicht einfach nur Zuschauer sein.“

 

„Das verstehe ich durchaus, Willow. Aber du weißt dann vielleicht auch, dass wir im Fall von Dawn keine großen Alternativen haben. Die Prophezeiung ist recht deutlich – nur Dawn kann die Reiter erneut bannen oder vernichten. Und es gibt keinen Weg, um Dawn zurück in einen Menschen zu verwandeln.“

 

„Aber Prophezeiungen können sich irren. Das haben wir doch inzwischen mehr als nur einmal gelernt.“ Willow klang verzweifelt. „Gerade was Prophezeiungen in den Händen von Lily betrifft.“

 

„Nicht jeder deutet Weissagungen falsch“, mahnte Giles und griff nach seinem Teebecher, der zwischen all den Büchern versteckt gestanden hatte. „Und diese galt es dieses Mal nur zu übersetzen, nicht zu deuten.“

 

„Dann möchte ich anders helfen. Im Kampf. Vielleicht ist meine Magie einsetzbar?“ Hoffnung erschien in Willows Augen und Giles nickte zaghaft, aus Angst diese gleich wieder zu zerstören.

 

„Sobald wir wissen, wie dieser Kampf genau aussieht, können wir einen Schlachtplan entwickeln.“ Willow nickte einsichtig zu Giles’ Worten, während dieser sich unsicher über das Kinn fuhr. „Uhm... und… ehm… was genau meintest du vorhin damit, dass du uns etwas verschwiegen hättest?“

 

Willow verzog ihr Gesicht. Wenn Giles so fragte – wo sollte sie da genau anfangen? Klar war ihr bewusst, dass er sich nur auf den Punkt bezog, den sie gerade eben selbst angesprochen hatte, aber vielleicht war der Moment günstig genug, um auch von all den unausgesprochenen Dingen zu reden... aber wieso jetzt noch jemanden damit belästigen, wo alles vorbei war? Es würde nur unnötige Fragen geben, jemand würde sich verletzt und übergangen fühlen... das war es nicht wirklich wert...

 

„Haben Sie schon einmal vom Inneren Kreis gehört?“, sagte Willow stattdessen direkt heraus und beobachtete Giles Reaktion darauf, die ein schlichtes Runzeln seiner Stirn war.

 

„Hm... ja“, kam es dem Wächter zögernd über die Lippen. „Es gab und gibt Gerüchte über eine geheime Organisation innerhalb des Rates. Eine Organisation deren Mitglieder treu den Traditionen und den alten Gesetzen des Rates entsprechend gelebt und fungiert haben sollen. Doch soweit die Gerüchte wahr sind, soll diese Organisation im Mittelalter verboten und aufgelöst worden sein.“

 

„Sie wissen doch besser Bescheid“, grinste Willow. „Allerdings klingt es aus Ihrem Mund harmlos und ein wenig mythisch. Ich glaube so war das nicht ganz. Wussten Sie, dass diese Organisation Schuld am Tod fast aller Hüterinnen trägt?“

 

Giles schüttelte den Kopf. „Ich wusste nicht einmal, ob es den Inneren Kreis wirklich gab. Er ist ein Mythos wie die Tempelritter.“

 

„Mir wurde erzählt, dass es den Kreis noch immer gibt. Und er niemals von mir und meiner Aufgabe erfahren dürfte.“

 

„Was genau ist deine Aufgabe?“ Giles schob die Notizen vor sich zurück. Eine kleine Pause und Ablenkung vom Thema war sicher nicht verkehrt. Zudem sprach Willow über ein sehr interessantes, wenn auch beunruhigendes Thema. Eigentlich hatte er sie lieber danach fragen wollen, wieso der Innere Kreis nichts von ihr wissen durfte, was eine Hüterin so besonders machte, aber er wollte nicht gleich Willow vom Hauptthema ablenken.

 

„Es gibt eine Prophezeiung laut der eine neue Generation Hüterinnen entstehen wird. Ich bin angeblich die erste von ihnen. Ich soll in der Welt nach Frauen und Mädchen suchen, die es sich verdient haben eine Hüterin zu werden. Aber vielleicht fang ich von vorne an und erzähle Ihnen alles, was mir die Hüterin darüber berichtet hat...“

 

Und während Giles nickte, begann Willow ihm von den Dingen zu erzählen, die sie bislang für sich behalten hatte und dabei vergaß sie auch nicht ihre Visionen über die Verfolgung der Hüterinnen zu erwähnen und endete schließlich damit, wie ihr die Hüterin gezeigt hatte, mit dem Stimmengewirr und Gefühlsleben der Jägerinnen auf dieser Welt klarzukommen...

 

Malkuth, Halle von Malkuth

Etwas später

Die ersten Minuten schwiegen sie beide und hingen ihren Gedanken nach. Das kleine Boot, welches sie über den See bringen sollte, schwankte leicht, und von irgendwo her hörten sie weiteres Wasser durch die Gänge rauschen.

 

Absurderweise musste Warren plötzlich an seine Xena Comics denken. Das fahle Licht, das schwarze Wasser, die düsteren Gewölbe um sie herum – genauso stellte man sich die Reise über den Styx in die Unterwelt vor. Was hatte er sich nur dabei gedacht, an einem solchen Ort leben zu wollen? Er war ein Mensch und er gehörte nach oben in die lichte Welt der Straßen und Kaufhäuser. Und Andrew ebenso.

 

„Es tut mir leid, Warren“, unterbrach Andrew die Stille plötzlich. „Aber nachdem was geschehen ist, kann ich nicht mehr mit dir zusammen sein. Nicht, nachdem ich gesehen habe, was dein Verrat in der Stadt angerichtet hat.“

 

„Ich hab’ gesehen, was in der Stadt los ist.“ Gedankenverloren starrte er in das schwarze Wasser. „Und ich bin ebenso geschockt wie du. Ich hätte nie gedacht, dass es so kommen würde. Aber du hast Recht, eigentlich hab’ ich gar nicht darüber nachgedacht. Ich wollte nicht sterben, das war der einzige Grund, warum ich es getan habe. Ich hab’ gesehen, wie mein Körper langsam zu Staub zerfallen ist und ich hatte schreckliche Angst. Und dann war da dieser Talisman von Gretchen und ich wusste, das ist meine letzte Hoffnung.“

 

„Zu Leuten wie ihr und D’Hoffryn gehst du also, wenn du ein Problem hast“, murmelte Andrew. „Und mich übersiehst du völlig. Soviel Wert legst du also auf uns.“

 

„Ja, ich weiß, dass es falsch war. Ich hätte sofort mit dir reden sollen, als die Sache mit meinem Arm losging. Aber das hab’ ich nicht. Und dann haben wir uns auch noch gestritten, und ich... es ist einfach alles zusammengekommen. Es tut mir wirklich und ehrlich leid, Andrew. Ich verspreche dir, dass so etwas nie wieder vorkommen wird. Ich werd’ mich ändern, du wirst sehen, ich krieg’ das hin!“

 

Andrew schüttelte den Kopf. „Das versprichst du jedes Mal. Immer und immer wieder versprichst du, dass diesmal alles anders wird, es ist immer dieselbe Leier. Und jedes Mal glaube ich dir. Und jedes Mal hoffe ich, dass es wirklich das letzte ist, dass ich dir nur noch diese eine Chance geben muss und alles wird gut. Aber das wird es nicht. Solange alles glatt läuft, okay, aber sobald es ein Problem gibt, fällst du sofort wieder in dein altes Muster zurück. Du drehst durch und es wird jemand verletzt, oder muss sogar sterben.“

 

„Aber ich will nicht, dass das passiert“, versuchte Warren sich zu verteidigen.

 

„Das ist mir schon klar.“ Andrew stieß das Ruder so heftig ins Wasser, dass das Boot einen kleinen Sprung tat. „Du wolltest es auch damals bei Tara und Katrina nicht. Und was hat sich seitdem geändert? Überhaupt nichts. Nur dass diesmal nicht nur ein oder zwei Menschen davon betroffen sind, sondern eine ganze Stadt.“

 

„Ja, du hast Recht, ich hab’ schon wieder Mist gebaut“, wiederholte Warren. „Und ich bitte dich auch nur um diese einzige letzte Chance. Bitte lass’ mich wieder gut machen, was ich angerichtet habe.“

 

„Wie?“, fragte Andrew fassungslos. „Du kannst die ganzen Toten nicht wieder lebendig machen. Du kannst die Zeit nicht zurückdrehen.“

 

Die Zeit zurückdrehen? Warren zog die Stirn in Falten. Vielleicht lag hier die Lösung des ganzen Problems. Damals hatte sie doch Experimente mit der Zeit gemacht, vielleicht...

 

„Denk’ nicht mal dran!“ Andrew schnitt ihm den Gedanken ab, noch bevor er ihn überhaupt aussprechen konnte. „Das Letzte, was wir brauchen können, ist eines von deinen tollen Maschinchen!“

 

„Was soll ich denn tun?“, fragte Warren hilflos. Er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. Andrew konnte das nicht meinen, er konnte ihn nicht einfach hängen lassen. Nicht nach alldem, was sie zusammen durchgemacht hatten. Verdammt, Andrew war der einzige Mensch auf dieser Welt, der immer zu ihm gehalten hatte, ganz egal, was kam. Er konnte diesen Menschen nicht verlieren. Nicht ihn. Alles andere, aber nicht ihn.

 

„Du kannst nichts tun.“ Das Boot stieß auf Grund, und Andrew sprang über Bord, um es an Land zu ziehen. „Das heißt, wenn du wirklich meinst, was du sagst, kannst du versuchen, deine Fehler wieder gut zu machen und ein besserer Mensch zu werden.“

 

„Genau das will ich ja.“ Warren stieg ebenfalls aus und versuchte nach der Bootsleine zu greifen, um Andrew zu helfen.

 

Dieser wehrte ihn jedoch ab. „Aber du wirst es ohne mich tun müssen, Warren. Ich kann dir nicht helfen, und bei Gott, ich hab’ es wirklich versucht.“

 

„Du kannst mich doch nicht einfach im Stich lassen!“ Fassungslos schüttelte Warren den Kopf, er gab sich jetzt keine Mühe mehr, seine Tränen zu unterdrücken. Warum auch, wenn es irgendetwas gab, das Andrew noch erweichen konnte, dann waren es Tränen, viel mehr noch als Worte. „Verdammt, es ist ein Wunder, dass ich überhaupt in dieses Leben zurückkehren durfte, dass wir wieder zusammen sein können. Genau das ist es, ein Wunder. Das hast du selbst gesagt, und du hast mich festgehalten und wolltest mich nie wieder loslassen. Hast du das alles schon vergessen?“

 

Er holte tief Luft. „Andrew, verdammt noch mal, ich liebe dich. Hast du das immer noch nicht begriffen?“

 

England, Rat, Versammlung

Etwas später

Im Saal war es mucksmäuschenstill und Lenhardt ließ einen Moment lang diese Stille auf sich wirken, ehe er sie mit seiner Stimme durchbrach.

 

„Gut, dann kommen wir zur letzten Abstimmung für heute. Nachdem wir uns einig sind, dass Ms. Usher nicht mehr die Führung des Rates zusteht und die Abstimmung gegen Mr. Giles alles andere nur nicht fair gewesen war... sollten wir darüber abstimmen, ob Mr. Giles zurück zu seinem Posten kehren kann und darf. Vorausgesetzt, dass er dies selbst überhaupt noch möchte.“ Lenhardt war es zu wider, das einmal erreichte wieder rückgängig machen zu müssen, aber die Stimmen im Saal hatten vorhin viel zu laut nach Mr. Giles Rückkehr verlangt, als das er dies ignorieren könnte. Seine persönlichen Probleme mit Rupert Giles hatten da keine Rolle zu spielen.

 

Kamera zoomt aus dem Saal heraus und umkreist plötzlich ein altes Gebäude auf dem Land...

 

Lenhardt. V.O.:

„Ich schlage vor Sie nehmen sich den Stift und das Papier vor sich und schreiben den Namen ihres Wunschkandidaten darauf. Der Saaldiener wird herumgehen und die Zettel einsammeln. Da wir hier eine rasche Entscheidung brauchen, können wir nicht den üblichen Wahlweg einhalten. Lenhardts Stimme wird leiser bis man sie fast nicht mehr hört...  Ich bitte daher um ihr Verständnis...

 

Mehrere Kleinlaster fuhren auf den großen Vorplatz des Gebäudes. Die Fahrer sprangen aus den Führerhäusern, ließen die Klappen herunter und sahen zum Eingang, der sich öffnete. Männer und Frauen kamen mit Kisten herausgeeilt und verstauten alles in den Kleinlastern, die wenige Minuten später voll geladen wieder abfuhren.

 

Lenhardt V.O. – Stimme ist wieder laut zu hören:

„Die Abstimmung war ganz zufrieden stellend. Einige haben sich nicht beirren lassen und für Ms. Usher gestimmt, einige andere hatten andere Kandidaten im Auge, aber die Mehrheit hat sich für – Mr. Rupert Giles entschieden.“

 

Die letzten Wächter und Wächterinnen des Inneren Kreises verabschiedeten sich auf der Türschwelle und stiegen in ihre Autos, um zurück in die Stadt zu fahren. George trat in Begleitung einer Dame in einem schicken Bürodress als letzter aus dem alten Gebäude heraus. Sie schüttelten sich die Hände und während George selbst zum Wagen ging, holte die Frau etwas aus einem Aktenkoffer. Es entpuppte sich als ein Klebeschild, das sie an der Haustür anbrachte. Darauf waren der Name eines Immobilen-Maklers zu erkennen, samt Telefonnummer, Fax, E-Mail und dem Schriftzug „Zu verkaufen“.

 

Lenhardt V.O.:

„Sie, George, bleiben natürlich als Wächter weiterhin tätig. Es gab keinen Grund Sie wegen Ms. Usher in ein falsches Licht zu rücken. Allerdings sollten Sie ihr raten, in den nächsten Wochen nicht nach London zurück zu kehren. Möglicherweise könnten einige andere Wächter einen Prozess wünschen. Ich schätze dagegen wird auch der Innere Kreis nichts unternehmen können...“

 

Die Jägerinnen hatten sich im Flughafen getroffen. Heute würden die restlichen von ihnen, die nicht in England lebten, in ihre Heimat zurückkehren. Sie fielen sich um den Hals, hatten Tränen in den Augen, sprachen wild durcheinander und versuchten alle das zu vergessen, was sie zu etwas machte, das sie nie sein wollten – einfache Mörder. Auch wenn sie geglaubt hatten für die rechte Seite zu kämpfen und das unter dem Einfluss von Ms. Usher geschehen war, änderte es nichts an dem Unrecht, für das sie alle mitverantwortlich waren.

 

George V.O.:

„Wie sie alle wissen, hat Mr. Lenhardt mit seinem Verhalten den Inneren Kreis gefährdet. Es ist nur eine Frage der Zeit bis die Kollegen mit Nachforschungen anfangen werden. Sie werden natürlich nichts mehr finden, außer ein leer stehendes Haus, aber die Fragen und Zweifel sind geweckt. Ms. Usher hat mir ihre Aufgaben übertragen bis sie sich darüber klar geworden ist, wie es weiter gehen soll. Was Mr. Lenhardt betrifft, waren ihre Anweisungen deutlich... wenn er zur Gefahr wird, sollen wir uns darum kümmern...

 

Es sah wie ein Unfall aus, als der silber-metallic Mercedes ins Schlingern geriet und dabei von der Fahrspur abkam. Er raste ungebremst durch die Leitplanke und stürzte in die Tiefe der Küstenstraße, ehe er unten zwischen den Felsen aufschlug und sich Metall krachend und quietschend zusammen schob. Nur wenige Sekunden später explodierte der Wagen mit einem lauten Knall und eine Feuersäule schoss in die Höhe...

 

... Rettungsmannschaften seilten sich ab, während bereits Spurenermittler am Wrack standen. Einer von ihnen griff ins Innere und fand im Fußraum ein Stück eines Flaschenhalses, auf dem noch ein Stück Etikett klebte, auf dem man das Wort Scotch erahnen konnte. Die verkohlte Leiche gab ihnen kein Hinweis auf ihre Identität. Das erledigte für sie eine angekohlte Lederbrieftasche auf dem verbrannten Beifahrersitz. Ein Sanitäter hatte sie entdeckt und öffnete sie. Der Führerschein fiel ihm entgegen. Der Tote war demnach ein Deutscher namens Lenhardt...

 

Cleveland, brennender Club

Nur einen Augenblick später

Noch ein wenig verwirrt und auch aufgebracht über ihre Begegnung mit dem Unsterblichen stolperte Buffy zurück zu den anderen. Sie sah wie Faith neben Ronah kniete und ihren Kopf in ihren Schoß bettete. Buffy hoffte, dass Ronah nur verletzt war. So hinterhältig konnte das Schicksal gar nicht sein, um noch jemanden aus Faith kleiner Familie zu töten. Aber für den Moment nahm Buffy das Schlimmste an...

 

Dawn und Kennedy saßen erschöpft auf dem Boden und Buffy blickte sich suchend nach den Reitern um. Diese hatten sich einfach von den Jägerinnen abgewandt und eilten auf den brennenden Club zu. Das Gebäude brach gerade ganz in sich zusammen und ihre Pferde standen gefährlich nahe. So gefährlich nahe, dass sie versuchten sich loszureisen. Der Schimmel stieg panisch in die Höhe und zerrte an den festgebundenen Zügeln, der Fuchs versuchte nach hinten auszubrechen, während die beiden anderen nervös auf die Seite tänzelten. Dem Schimmel gelang es schließlich sich loszureißen und versuchte zu entkommen. Sein Reiter konnte gerade noch nach dem Ende der Zügel greifen.

 

Stumm sahen die Jägerinnen zu, wie die Dämonen auf ihre Pferde stiegen, um sich vor dem Feuer in Sicherheit zu bringen. Ihre Angreiferinnen hielten sie wohl für so unwichtig, dass man sie einfach zurücklassen konnte...

 

„Halt durch, Ronah hörst du? Halt durch... ich kann nicht auch noch dich verlieren!“ Das waren die ersten Worte, die Buffy wieder hörte und bedrückt trat sie neben Faith, die nur kurz aufblickte. Der Bereich um die getroffene Schulter von Ronah war voller Blut, Blut klebte auch an Faith’ Hose und Blut war am Boden. Da entdeckte Buffy erst die zweite Wunde am Unterleib.

 

„Was ist passiert“, flüsterte sie entsetzt.

 

„Ich habe es nicht mehr geschafft rechtzeitig bei ihr zu sein. Dieser Scheißkerl hatte Zeit gehabt, ihr das Schwert mitten in den Bauch zu rammen...“ Faith sah wieder zu Buffy auf. „Wo zum Teufel warst du überhaupt? Ich dachte du wolltest uns helfen, statt dich irgendwo auszuruhen.“

 

„Hey… ich kann nichts dafür“, erwiderte Buffy etwas gereizt. „Ich war hier, aber wurde außer Gefecht gesetzt. Wenn jemand hier Schuld trägt, dann ganz bestimmt nicht ich.“

 

„Ach, jetzt bin ich selbst an Ronahs Zustand Schuld?“, Faith ließ Ronahs Kopf sanft zurück auf den Boden gleiten und stand auf. Sie baute sich mit einem musternden Blick vor Buffy auf. Ein Blick der Buffy gar nicht gefiel.

 

„Wessen Idee war es denn die Reiter anzugreifen, obwohl sie laut Giles nicht zu besiegen sind? Jedenfalls nicht mit unseren Waffen und unseren Mitteln?“ Buffys Blick verdüsterte sich.

 

„Sie haben uns doch angegriffen, dass war nur Selbstverteidigung...“, keifte Faith zurück.

 

„Schluss damit!“ Kennedy trat plötzlich zwischen Buffy und Faith und sah zwischen den beiden hin und her. „Für Ronahs Verletzungen kann keiner was, okay? Es ist dumm gelaufen. Wir haben unser Bestes gegeben und wenn diese Mistkerle nicht Sorgen um ihre Pferde gehabt hätten, wären wir jetzt vielleicht alle schon tot. Lasst uns lieber Ronah ins Krankenhaus bringen und dann Giles von hier berichten.“

 

„Kennedy hat recht.“ Dawn legte Buffy beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Lasst uns jetzt erst mal an Ronah denken.“

 

Malkuth, Halle von Malkuth

Etwas später

„Ich liebe dich.“

 

Andrew blieb wie angewurzelt stehen. Er drehte sich nicht um, aber Warren konnte sehen wie ein Zittern durch seinen gesamten Körper lief, und es kam sicher nicht von der Kälte des Wassers her. Um sie herum war es vollkommen still, nur das Ticken der mächtigen Uhr zerriss die Dunkelheit wie ein scharfes Messer.

 

„Ich weiß, ich hab’ das noch nie zu dir gesagt“, setzte er nach, “aber vielleicht...“

 

„Doch hast du“, unterbrach Andrew. Seine Stimme klang immer noch kühl, aber ein leichtes Beben erschütterte sie. „Du hast es sogar zweimal gesagt, aber das zählt nicht, ich kann dich nicht dafür verantwortlich machen, was das Urböse getan hat.“

 

Er drehte sich langsam um. „Du hast es damals zu mir gesagt, als du mich dazu überreden wolltest, dass wir Jonathan aus dem Trio kicken. Weißt du das nicht mehr?“

 

„Ich... ich“, stammelte Warren und versuchte die richtigen Worte zu finden. Andrew hatte Recht, das hatte er vollkommen vergessen. Damals hatte es auch gar nicht gestimmt, er hatte nur versucht, Andrews Gefühle für sich zu nutzen. Aber das war doch schon so lange her. Das konnte Andrew ihm doch jetzt nicht mehr vorwerfen, oder?

 

„Wenn du mich manipulieren willst, musst du dir diesmal was anderes ausdenken“, fauchte Andrew. „Haben dir deine ganzen Filme nicht beigebracht, dass man nie zweimal den gleichen Trick verwenden darf? Und übrigens, falls du’s noch nicht kapiert hast, ich bin ein Typ. Und alle deine tollen Geschichten über Aliens und Zuckerwatteplaneten können nichts daran ändern!“

 

„Ja, okay, du bist ein Typ. Zufrieden?“ Warren zuckte die Schultern, er begriff nicht, dass Andrew dieser Punkt so wichtig war. Er hatte Gespräche in dieser Richtung immer tunlichst vermieden, es passte einfach nicht in sein Weltbild. Er war ein cooler Oberfinsterling und er stand natürlich auf heiße Babes. So war das immer gewesen.

 

Und dann musste dieser bescheuerte Andrew daherkommen und alles durcheinander bringen...

 

Aber egal. Es war alles egal, solange er nur bei ihm blieb. Und er würde dafür sorgen, dass er es tat.

 

Andrew schüttelte den Kopf, und wich zurück, als Warren auf ihn zutrat. „Nein. Es ist vorbei zwischen uns.“

 

„Verdammt, Andrew, mir ist klar, dass ich ein paar Dinge falsch gemacht hab’...“

 

„Nein.“ Andrew schlüpfte unter dem Pendel der großen Unruhe hindurch, um ihm auszuweichen. „Ich bin es, der etwas falsch gemacht hat. Dass ich mich überhaupt auf einen Mistkerl wie dich eingelassen hab’.“

 

„Pass bloß auf“, zischte Warren. Er packte Andrews Arme und stieß den anderen Jungen gegen die Wand, genau zwischen zwei Zahnräder, die sich ratternd drehten. „Du weißt, was mit der letzten Person passiert ist, die so etwas zu mir gesagt hat!“

 

„Hör’ auf, mir zu drohen!“ Andrew ließ sich nicht einschüchtern.

 

„Verdammt, ich will dir doch überhaupt nicht drohen!“ Warren ließ Andrew los, und trat einen Schritt zurück. Einen Augenblick lang war er versucht, die Hände gegen die Ohren zu pressen, um das furchtbare Rattern und Quietschen der Uhr nicht länger ertragen zu müssen, aber dann wurde ihm klar, dass es in absehbarer Zeit nicht leiser werden würde, und er ließ die Arme sinken. „Ich will doch nur, dass du bei mir bleibst. Ich brauch’ dich! Ist dir das vollkommen egal?“

 

„Darauf kommt es überhaupt nicht an“, schluchzte Andrew. „Ich kann einfach nicht mehr. Ich hab’ alles für dich getan, hab’ immer an dich geglaubt, selbst dann noch als alle anderen dich schon längst aufgegeben hatten. Ich wusste, wer du bist, was du getan hast, aber ich hab’ gedacht, ich könnte dich ändern... könnte einen besseren Menschen aus dir machen, weil meine Liebe mir die Kraft dazu geben würde. Aber ich hatte Unrecht. Wenn meine Liebe dafür nicht stark genug ist, hab’ ich nichts mehr, was ich dir noch geben kann... wir sind gescheitert... es ist zu spät.“ Mit Tränen in den Augen blickte er Warren an. „Es ist zu spät.“

 

„Gib’ mir nur noch eine letzte Chance“, flehte Warren. „Nur noch eine einzige!“

 

Wenn er Andrew nicht mit Worten überzeugen konnte, und auch nicht mit Tränen, dann blieb ihm nur noch eine einzige Möglichkeit...

 

Andrew wusste gar nicht, wie ihm geschah, als er plötzlich gepackt, umschlungen und gegen die Wand geschoben wurde. „Hör’ auf“, wimmerte er leise, aber sein Körper vermochte sich nicht gegen die wilden Küsse und Berührungen zu wehren, sein Widerstand erlahmte, verblasste mit jeder der tickenden Sekunden um sie herum...

 

„Er hat gesagt, du sollst aufhören!“

 

Eine Gestalt trat zwischen den Ketten und Hebeln hervor, und Warren fuhr herum, starrte mit wutverzerrtem Gesicht in das sich drehende Uhrwerk hinein. Einen Moment lang glaubte er, Jonathan vor sich zu sehen, doch als der Eindringling näher kam, konnte er im schwachen rötlichen Licht des Pendels sein Gesicht erkennen.

 

„Verschwinde“, schrie Warren. „Hau ab!“

 

„Lass’ ihn los, Warren!“ Die Stimme war nicht lauter geworden, doch sie enthielt eine eindeutige Drohung.

 

„Verschwinde“, schrie Warren ein weiteres Mal, die Wut schüttelte ihn... ohne zu überlegen, griff er in die metallene Masse des Getriebes, riss eines der Zahnräder heraus und warf es in die Richtung des unerwünschten Störenfriedes. Es traf natürlich nicht, aber das war auch gar nicht seine Absicht gewesen. Es blieb irgendwo zwischen den Ketten stecken.

 

Und das Ticken verstummte. Das Uhrwerk stand still.

 

Ein leises Ächzen erklang über ihnen im Getriebe, ein weit entferntes Stöhnen... wie ein Windhauch in einem alten Gebäude. Einen Moment lang standen alle drei wie angewurzelt da, doch dann richtete Andrew die Augen nach oben und riss sich mit einem angsterfüllten Blick aus Warrens Armen los. „Xander!“, schrie er, jagte auf seinen ehemaligen Freund zu und stieß ihn mit aller Kraft beiseite. Xander taumelte und ging beinahe zu Boden, als er neben Warren gegen die Wand strauchelte.

 

Dann brach das Getriebe über ihnen und es regnete Ketten, Federn, und messerscharfe Zahnräder auf sie herab.

 

Wächterhaus

Giles und Willow saßen schweigend beieinander und blätterten in ihren Büchern vor sich, verglichen ein paar Angaben und machten sich von Zeit zu Zeit Notizen. Ihr Gespräch lag schon eine Weile zurück und Giles hatte alles Informative erfahren, was Willow über Hüterinnen, ihre Aufgaben und ihre Berufung wusste. Es waren Informationen, mit denen er sich auseinander setzen wollte und musste, aber erst, wenn die Reiter besiegt waren. Dieser Meinung war auch Willow gewesen. Daher hatten sie ihr Augenmerk zurück auf die abschließende Recherche gelenkt.

 

„Ha!“ Giles plötzlicher und ungewohnter Freudenschrei ließ Willow heftig zusammenzucken. „Ich glaube ich habe es.“ Nervös fuhr Giles mit seinem Zeigefinger über die Zeilen vor sich, dann lächelte er zufrieden und lehnte sich zurück. „Es ist natürlich kein Anlass zur Freude, aber trotzdem denke ich, dass wir das Recht haben uns dafür zu gratulieren, dass ich herausgefunden habe, wo sich die Reiter treffen werden. Das war die gute Nachricht. Die schlechte – noch heute Nacht wird das Ereignis stattfinden, das notwendig ist, damit der Talisman seine Kräfte entwickelt. In weniger als... zwei Stunden“, sagte Giles mit einem Blick auf die Uhr hinter sich, „werden sich die Planeten gegen uns wenden. Ich befürchte, wir müssen versuchen Buffy über ihr Handy...“

 

Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment hörten sie laute Stimmen auf dem Flur und kurz darauf öffnete Buffy die Hintertür in den Konferenzraum. Giles und Willow sprangen beim desolaten Anblick der blonden Jägerin gleichzeitig vom Stuhl auf, wobei es nur Willow war, die die rasche Bewegung sofort bedauerte, als ein scharfer stechender Schmerz durch ihren Bauch fuhr.

 

„Buffy... um Himmelswillen, was ist passiert?“ Giles und Willow blickten den Jägerinnen schockiert entgegen, die alle irgendwelche Verletzungen im Gesicht und am Körper trugen. Buffys rechte Wange und Auge waren zugeschwollen, Dawn hatte einen tiefen Schnitt über der Stirn, Kennedy trug ihren linken Arm in einer Schlaufe, wobei Willow besorgt der versengte linke Ärmel auffiel, und Faith hatte zahlreiche kleinere Wunden im Gesicht und Schnittverletzungen an den Händen. Und wo war Ronah?

 

„Faith wollte unbedingt herausfinden, ob Ihre Prophezeiung lügt“, sagte Buffy gereizt mit einem entsprechenden Seitenblick auf Faith.

 

„Das heißt?“ Irritiert blickte Giles zu Faith.

 

„Die Reiter. Wir sind auf diese verdammten Dämonen gestoßen, die sich für was Besseres halten“, kam es Faith aufgebracht über die Lippen, wobei sie Buffys Kommentar zu ignorieren versuchte. Sie verstand ja, wieso B. verärgert war, aber jetzt wussten sie zumindest ihre Gegner besser einzuschätzen.

 

„Ihr habt...“ Giles begriff langsam und blickte eine Jägerin nach der anderen anklagend an. Dawn senkte ihren Blick und Kennedy hielt Willows Anblick für viel interessanter, wenn auch für verwirrend. Sollte sie nicht im Krankenhaus liegen...

 

Für Faith und Buffy hatte Giles einen besonders langen, klagenden Blick übrig, unter dem sich nur Buffy zu winden schien, während Faith ihren herausfordernden Glanz in den Augen nicht verlor. „Ihr habt gegen die Alten gekämpft? Ja seid ihr den von allen guten Geistern verlassen? Wir müssen eine Apokalypse verhindern und zwar mit vereinter Kraft. Ich kann keinen Ausfall dulden. Wobei wir beim Thema wären... wo ist Ronah?“

 

Endlich zeigte Faith so etwas wie Reue, dachte Buffy, und überließ es der Kollegin Giles die Wahrheit zu beichten. Faith’ Miene wurde eine Spur traurig und der harte Glanz in ihren Augen erlosch.

 

„Na ja... wir waren einen Moment unachtsam“, gab Faith drucksend zu. „Ronah hat’s erwischt. Wir mussten sie ins Krankenhaus bringen. Aber es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Sie muss... operiert werden.“

 

„Da – bitte“, sagte Giles fast ein wenig schnippisch und verdrehte die Augen. „Wie ich befürchtet hatte.“ Doch seine Augen drückten seine Angst und Sorge um Ronah aus.

 

„Wir sind noch immer zu viert“, gab Dawn zu bedenken. „Genau wie es die Prophezeiung verlangt.“

 

„Wir verzichten schon auf Xander und Andrew“, erwiderte Giles etwas gereizt und fühlte sich dabei ziemlich alleine auf seinem Posten. „Aber bitte... sehen wir, wie wir damit klar kommen in... uhm... ein oder zwei Stunden.“

 

„Ein oder zwei Stunden?“ Entsetzt kamen die Worte fast gleichzeitig über die Lippen der Jägerinnen, während Giles nickte.

 

„So ist es. Willow und ich haben inzwischen ein paar Dinge mehr herausgefunden...“

 

„Willow... genau... solltest du nicht im Krankenhaus liegen?“ Buffy sah ihre Freundin anklagend an und setzte sich. Wobei dieses nur in Zeitlupentempo möglich war, um alle schmerzenden Stellen ihres Körpers nicht zu sehr zu beanspruchen.

 

„Ich glaube, das könnte ich euch inzwischen auch fragen.“ Willow blickte kurz mit einem Stirnrunzeln zu jeder der verletzten Jägerin. „Wobei ihr ja eure supertollen Heilkräfte habt.“ ‚Und wo waren ihre Fähigkeiten gewesen?’, fragte sie sich im Stillen, nicht völlig frei von alten Zweifeln über ihr neue Fähigkeiten. Hätte sie eigentlich nicht die Gedanken ihrer besten Freundinnen empfangen müssen und somit vom Kampf erfahren? Willow glaubte noch einen langen Weg vor sich zu haben, wenn sie eine gute Hüterin werden wollte. „Ich konnte einfach nicht ruhig liegen bleiben und auf den Weltuntergang warten“, lächelte Willow schwach.

 

„Als hätte ich es geahnt“, erwiderte Buffy mit Schuldgefühlen behaftet.

 

„Das hat nicht alleine etwas mit Dawn zu tun, okay?“, versuchte Willow die Freundin zu beruhigen. „Ich will euch helfen und nicht tatenlos zusehen.“

 

„Mit mir?“ Anklagend blickte Dawn zu Buffy, die sich schuldbewusst auf ihrem Stuhl klein machte. Inzwischen sah es ja ganz so aus, als könnten sie wirklich nichts mehr dagegen tun. Die Zeit arbeitete mal wieder gegen sie.

 

„Ich musste es versuchen, okay?“, bat sie Dawn um Verständnis, die stumm nickte. Aber ihre Enttäuschung war ihr offen ins Gesicht geschrieben.

 

„Okay... Schatz.“ Kennedy war inzwischen zu Willow gegangen und umarmte sie mit dem unverletzten Arm von hinten. „Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich deine Entscheidung gut heiße, aber ich schätze wir haben keine Zeit mehr, um darüber zu streiten.“

 

„Ganz recht“, mischte sich Giles wieder ein. „Heute Nacht in ein bis zwei Stunden wird eine recht seltene Planetenkonstellation eintreten. Wenn ich mich recht entsinne“, sagte er etwas zögernd und dachte angestrengt nach, ehe er mit seinem Wissen gewohnt belehrend herausrückte. „Gab es die letzte 1475.“

 

„Ich hasse es wenn er das tut“, flüsterte Buffy Dawn mit einem Grinsen zu und war dann wieder ganz Ohr.

 

„Die Planeten werden auf die Stunde genau einen vollkommenen sechszackigen Stern, ein Hexagramm, bilden. Hinzu kommt dabei eine Zentrierung der Planeten um die Sonne. Aber bevor ich euch jetzt mit den Bezügen zum Vollmond und diversen Sternzeichen irritiere, kürze ich das Ganze ab – Astrologen sehen in diesem Ereignis auch eine lang angekündigte Beendigung des Wassermann-Zeitalters und den Beginn einer neuen Ära.“

 

„Also den Weltuntergang?“, fragte Dawn.

 

„Eine Interpretationssache“, erwiderte Giles. „Aber in unserem Fall sehr zutreffend.“

 

„Ist doch völlig egal“, meinte Faith. „Es findet jetzt statt und das bedeutet für uns Arbeit.“

 

„Richtig“, nickte Giles. „Die Reiter werden dazu einen erhöhten Platz suchen, der frei von Bäumen und Gebäuden ist. Es gibt drei Möglichkeiten wo dieser Ort sein könnte.“ Giles zog eine Karte von Cleveland unter dem Berg Bücher hervor. „Allerdings nehme ich an, dass dabei, wie für gewöhnlich, die Anziehungskraft des Höllenschlundes eine Rolle spielt. Und daher“, Giles tippte mit dem Zeigefinger auf eine rot umkreiste Stelle. „Glaube ich wird es hier stattfinden. Eine Erhöhung in der Nähe des Sees und damit auch in der Nähe des Höllenschlundes. Hier werden die Reiter die Macht erlangen, um ihre Kräfte einzusetzen, um den Weltuntergang zu bringen. Das wäre soweit kein Problem, wenn sich meine Jägerinnen nicht völlig sinnlos verausgabt hätten, bei dem Versuch...“

 

„Stopp...“, fiel ihm Faith ungehalten ins Wort. „Ich denke wir haben ihren Standpunkt vorhin schon verstanden, Giles. Kein Grund uns das jetzt ständig unter die Nase zu reiben.“

 

„Er hat doch recht“, seufzte Buffy. „Ich war dagegen, du hast es in die eigene Hand genommen. Ronah wäre fast drauf gegangen und wir sehen nicht besser aus.“

 

„Dafür wissen wir jetzt, was sie mit ihren Waffen anstellen können, oder nicht? Wir haben es mit eigenen Augen gesehen und nicht nur von Giles geschildert bekommen.“ Faith klang gekränkt. „Und wir wissen, dass sie kaum bezwingbar sind.“

 

„Da hat Faith allerdings recht“, stimmte Dawn überraschend zu.

 

„Gut, dann wissen wir das jetzt mit Bestimmtheit“, meinte Kennedy. „Aber wirklich weiter gebracht hat es uns nicht.“

 

„Ich muss euch etwas gestehen“, sagte Buffy plötzlich und leise genug, um alle Blicke interessiert auf sich zu ziehen. „Als ich vorhin im Kampf gegen die Wand flog und wieder zu mir kam, hatte ich plötzlich Gesellschaft.“ Buffy sah direkt zu Giles. „Der Unsterbliche ist in der Stadt“, ließ sie dann die Bombe platzen.

 

Giles verzog kurz das Gesicht zu einem missfallenden Ausdruck. „Hm... und... und was will er hier?“

 

„Oh, das hat er mir natürlich nicht verraten“, sagte Buffy leicht sarkastisch, wobei sie sich innerlich sträubte Giles Recht geben zu müssen – der Unsterbliche war undurchsichtig und seine Absichten erst recht. Doch bisher hatte er nur Dinge getan, die ihnen weiterhalfen. Zudem sah er einfach umwerfend aus und er konnte so gut küssen wie keiner, den sie je hatte… das waren zwei sehr gute Gründe, um doch Vertrauen in ihn zu setzen. Einmal ganz abgesehen davon, dass etwas Dunkles, Mystisches an ihm haftete und dem hatte Buffy noch nie hatte widerstehen können.

 

„War auch etwas ungünstig, so zwischen mordlüsternen Dämonen und verletzten Jägerinnen. Aber er deutete neue Informationen an. Irgendetwas mit ihren Waffen und den Pferden. Wir hatten keine Zeit das Gespräch zu vertiefen und ich bezweifle, dass mir die Zeit bleibt nach ihm zu suchen, um alle Details zu erfahren.“ Buffy fiel erschreckend ein, dass sie sich zwar für später verabredet hatten, aber ohne Ort und Zeit auszumachen. Eine innere Stimme verriet ihr jedoch, dass der Unsterbliche sie schon finden würde, sobald er das nur wollte. „Jedenfalls sagte er, der Talisman alleine gibt ihnen nicht die ganze Macht. Sondern auch ihre Waffen und die Pferde. Wenn es uns gelingt sie zu zerstören, dann hätten wir sie geschwächt.“

 

„Ich weiß noch immer nicht, ob wir ihm vertrauen können. Diesem Unsterblichen“, murmelte Giles mehr für sich, ehe er etwas lauter weiter sprach. „Aber seine Worte decken sich mit zwei Zeichnungen im Buch und dem dazugehörigen Text, der jetzt für mich einen Sinn ergibt. Also wenn ich es richtig verstehe, haben wir alle fehlende Teile zusammen und können uns um einen Schlachtplan kümmern.“

 

„Toll“, sagte Kennedy voller Enthusiasmus, ehe sie etwas zweifelnder hinzufügte. „Toll für Sie. Können Sie das irgendwie noch mal zusammenfassen?“

 

„Wir haben den Ort, an dem sie sich versammeln, wir haben den Zeitpunkt zu dem die Kräfte des Talisman erwachen und wir haben die konkreten Hinweise darauf, dass wir mit der Zerstörung ihrer Waffen und der Tötung ihrer Pferde im Vorteil wären“, zählte Giles geduldig auf.

 

„Gut, dann ist der Plan ja schnell aufgestellt“, meinte Faith. „Wir holen uns unsere Waffen, fahren zum See raus und erwarten dort die Reiter...“

 

„Vielleicht sollten wir das Ganze etwas besser durchdenken“, unterbrach sie Giles und sah erwartungsvoll zu Buffy, die mit den Schultern zuckte, dann ergeben seufzte und aufstand.

 

„Wir sollten den Überraschungsmoment ausnutzen. Vielleicht gelingt es uns vor ihnen dort zu sein und uns zu verstecken oder aber wir kommen an, wenn sie gerade beschäftigt sind... jedenfalls hätten wir einen Vorteil auf unserer Seite. Wir greifen zu viert an, versuchen aber dieses Mal nicht die Reiter selbst anzugreifen, sondern ihnen ihre Waffen wegzunehmen oder sie gleich zu zerstören. Vielleicht gelingt es uns auch an ihre Pferde heranzukommen...“

 

„Willow und ich werden euch mit einem Schutzzauber unterstützen“, unterbrach Giles kurz. „Wir haben über diesen Plan vorhin schon geredet. Es ist ein sehr mächtiger Zauber, den ich ohne Willow nicht ausführen könnte. Wir legen um jeden von euch eine Art Schutzschild, das euch vor tödlichen magischen Angriffe schützen wird.“

 

„Ist Willow dafür nicht zu geschwächt“, gab Kennedy besorgt zu bedenken.

 

Willow nickte zu ihrer Besorgnis zustimmend und meinte: „Es wird meine letzten Kraftreserven aufbrauchen, aber in diesem Kampf sollte das unser geringstes Problem sein. Der Zauber wird funktionieren. Die Frage ist nur wie lange.“

 

„Na, wir werden unser Bestes tun und uns beeilen“, grinste Kennedy.

 

„Ihr müsst nur dafür sorgen, dass wir am Ende an den Talisman herankommen. Ich werde ihn mit meinen magischen Kräften zerstören, so wie es laut Prophezeiung zu geschehen hat“, fügte Willow hinzu.

 

„Und ich“, sagte Dawn mit fester Stimme. „Werde kämpfen, bis wir die Reiter so weit haben, dass ich mich darauf konzentrieren kann meine Schlüsselform anzunehmen, ohne von einem der Dämonen gegrillt oder in ’ne Eissäule verwandelt zu werden.“

 

„Na bei deinem reinen Wesen sollte das kein Problem sein“. klopfte ihr Faith auf die Schulter.

 

„Fein... dann wollen wir mal nach geeigneten Waffen suchen.“ Buffy hatte ihr durchtrenntes Schwert nicht vergessen. „Robust müssen sie sein und unheimliche Kräfte aushalten können. Uns sollte klar sein, dass uns ein schwieriger Kampf bevorsteht. Dieses Mal gibt es nur uns und keine Armee von Jägerinnen...“

 

„Dafür gibt es aber auch keine Armee von Urvampiren“, murmelte Kennedy. „Ein Plus für uns.“

 

„Vielleicht versuchen wir doch Xander und Andrew zu informieren“, schlug Dawn vor.

 

Doch Giles schüttelte sofort den Kopf.

„Dafür reicht uns die  Zeit nicht mehr. Wir haben auch noch die Fahrtzeit vor uns...“

 

„Sie würden so oder so nicht mitkommen“, meinte Buffy und hatte bereits den Waffenschrank geöffnet. Sie warf den anderen Äxte, Breitschwerter, eine Armbrust, einen Speer, mehrere Wurfmesser und einen Morgenstern zu. Sie selbst suchte sich ein auffallend schön verziertes Samurai-Schwert aus, das in einer schwarzen, gold verzierten Scheide steckte.


“Was ist eigentlich mit der Sense?“, fragte Willow und spähte Buffy über die Schulter. Doch ihre Super-Wunder-Waffe war nicht im Schrank. „Die hatten wir doch im Safe?“

 

„Ja, gute Frage,“ Buffy drehte sich mit fragendem Blick zu Giles herum.

 

Giles machte ein sehr betretenes Gesicht und wirkte auf einmal etliche Jahre älter. „Ehm.. ich gebe es ungern zu, aber sie ist nicht mehr hier?“

 

„Nicht mehr... was?“, Buffy riss erstaunt die Augen auf. „Unsere mächtigste Waffe? Ich dachte eigentlich wir hätten eine kleine Versicherung in der Hinterhand, um wenigstens etwas gegen die Reiter ausrichten zu können.. wo ist sie?“

 

„Nun.. ich glaube Lily hat sie gestohlen. An dem Tag, als sie hier war und unsere ‚Kooperation’ in der Sache Reiter haben wollte. Sie muss vorher in meinem Büro gewesen sein... der Safe stand am Abend offen und war leer. Ich hätte es euch schon früher erzählt, aber der plötzliche Angriff auf Malkuth hat das völlig in den Hintergrund gedrängt.“

 

Fassungslose Augen starrten den Wächter an, der sich unter den anklagenden Blicken zu winden schien. „Ich hätte die Kombination ändern sollen,“ gab er kleinlaut und selbst anklagend zu.

 

„Nun, da können wir nichts mehr daran ändern,“ sagte Kennedy frustriert.

 

„Und wenn sie Lily hat.. wieso hat sie sie in Malkuth nicht eingesetzt?“, fragte Buffy und kam wieder an den Tisch zurück.

 

„Ich schätze, ihr Plan wäre nicht ganz aufgegangen, wenn eine der Seiten diese mächtige Waffe eingesetzt hätte,“ grübelte Giles. „Eine Seite hätte gewonnen und das war nicht Lilys Ziel.“

 

„Verdammt,“ fluchte Buffy, dann zuckte sie mit den Schultern. „Ändern können wirr das wirklich nicht mehr. Dann... sollten wir langsam gehen?“ Buffy sah in die Runde.

 

Entschlossene Blicke erwiderten den ihren, stummes Nicken begleitete die Aufbruchsstimmung und mit den Taschen voller Waffen und magischen Büchern, strömte die kleine Gruppe aus dem Gebäude hinaus in die klare Nacht hinein...

 

 

AKT 4

 

Ein Hügel über dem Erie-See

Nacht, zur selben Zeit

Die sternenklare und mild herrschende Nacht kündete den Sommer in Cleveland an – unwissend von der Gefahr, die sie barg und die über die ganze Welt kommen sollte. Warme Luft und das Mondlicht umhüllten eine Stadt, der in den letzten 24 Stunden übel mitgespielt worden war und deren Einwohner teilweise instinktiv und ohne behördliche Warnung langsam diese Großstadt verließen. Eine Autoschlange nach der anderen schob sich aus der Innenstadt und von den Vororten auf die Autobahnen zu. Das Ziel war unbekannt – man wusste nur, dass man sicherer lebte, wenn man seinem Zuhause den Rücken kehrte.

 

Eine Stadt, die den Sommer vielleicht nicht mehr erleben würde, wenn es den Jägerinnen nicht gelang, die Apokalypse zu verhindern, deren Anfang in wenigen Minuten auf einer Anhöhe über dem Erie-See ihren Lauf nehmen würde.

 

Umgeben von einem natürlichen Steinwall lag der Ort des Geschehens geschützt vor neugierigen Augen ruhig da, während der unendliche schwarze Teppich mit seinen Billionen kleinen Lichtpunkten ihn überspannte und vier starke, mächtige Streitrosse mit vier Riesen auf ihren Rücken ausspuckte. Sie stiegen aus diesem dunklen Nachthimmel herab, um auf der freien Ebene der Anhöhe zu landen.

 

Kaum hatten die Hufe der Tiere den sandigen Boden berührt, zogen die Dämonen an den Zügeln und lenkten die Pferde in die Mitte des Platzes, wo sie sich in einem Kreis mit den Pferdeköpfen zueinander gewandt aufstellten. Der Indianer zog den Talisman hervor und hielt ihn auf der ausgestreckten Hand in die Mitte den anderen entgegen. Einer nach dem anderen berührte ein Teil des magischen Steins.

 

Als der letzte von ihnen das Stück Metall berührte, zogen dunkle Wolken am Himmel auf und bedeckten die ersten Sterne, bis sie auch den runden, hellen Mond erreicht hatten. Dunkelheit machte sich breit, ehe sich die Wolken wieder verzogen und der Vollmond mit seinem kalten Licht die Nacht erhellte.

 

Genauso schnell wie sie gekommen waren, zogen die Wolken wieder weiter. Rasch klärte sich der Nachthimmel wieder auf und als die letzte Wolke verschwand, fuhr aus dem Nachthimmel ein mächtiger, heller, lilafarbener Blitz hernieder. Der Blitz fuhr direkt in den Talisman hinein und brach darin sein Licht so, dass der Platz für mehrere Sekunden in ein grelles Licht getaucht wurde, während die Reiter und ihre Pferde von einem hellen, lilafarbenen Schein durchströmt wurden. Es drang durch jede Ritze in die Rüstungen und Bekleidungen und schien auf einmal aus den Dämonen selbst zu scheinen.

 

Und dann fiel der Strahl auf einmal in einer Sekunde in sich zusammen. Dunkelheit und eine drückende Stille kehrte auf dem Platz ein. Einzig die Augen der Reiter und Pferde glühten im fahlen Licht des Mondes helllila auf.

 

Erst jetzt zogen die Vier ihre Waffen mit einer synchronen, anmutigen Bewegung hervor. Sie hielten die sie für eine Sekunde zurück, ehe sie sie mit einem ohrenbetäubenden, schrillen Schrei, der aus ihren Kehlen drang und das neue Zeitalter ankündigten, in den Himmel reckten.

 

Scharlachrote Blitze fuhren aus den Waffenspitzen und bündelten sich zu einem einzigen, starken Strahl in der Mitte über ihnen. Dieser Strahl fuhr nach oben und verlor sich in der Weite. Jedoch breitete sich das rote Licht dort rasend schnell in die Breite aus und erhellte den Himmel über Cleveland blutrot...

 

Die Welt

Im selben Augenblick

Als sich über Cleveland der dunkle Himmel plötzlich rot verfärbte, begann das Erdbeben – zunächst zaghaft, dann in Intervallen, immer stärker, bis unter seiner ansteigenden Heftigkeit Hochhäuser erzitterten und schwankten – vereinzelt stürzten einige sogar ein, begruben unter sich Autos und arglose Passanten. Autobahnbrücken brachen in sich zusammen, Mauerwerk stürzte ein, Steinbrocken wurden zu gefährlichen Geschossen für Cleveland’s Einwohner und Autofahrer. In Cleveland erzitterte in nur wenigen Sekunden überall die Erde, brachte verheerende Zerstörungen und setzt sich weiter fort, verschluckte kleinere amerikanische Dörfer um Cleveland herum in einen Erdspalt und war noch lange nicht aufzuhalten...

 

In Südamerika kamen zur selben Zeit in verschiedenen Ortschaften größere Mengen an feuchter Erde ins Rutschen und begruben alles unter einer Schlammlawine, das ihnen in den Weg kam...

 

Vor der nordeuropäischen Küste setzte fast überall eine plötzliche Schlechtwetterfront ein, die zunächst eisigen Regen mit sich brachte, der sich jedoch schnell in richtigen Eisregen verwandelte. Fischerboote und Containerschiffe gerieten in Seenot und Deiche brachen unter hohen, starken Brechern, die man sonst nur im Winter kannte. Dörfer direkt am Meer standen in Sekundeschnelle unter Wasser....

 

Südliche Küstenländer sahen sich der Bedrohung eines Tsunamis gegenüber, der über die Badestrände wütete, Tod und Zerstörung zurückließ. An anderen Strandländern raste ein Hurrikan auf das Festland zu...

 

Schneelawinen kamen in allen möglichen Gebirgen ins Rutschen und begruben Dörfer an ihren Hängen unter einer gewaltigen, zerstörerischen Schneedecke...

 

Die Vorboten der Apokalypse hatten sich eingestellt – die „Reinigung“ hatte begonnen...

 

Unterhalb der Erhöhung

Zur selben Zeit

Mit quietschenden Reifen brachte Giles den Van schlingernd zum Stehen. Im selben Moment fuhr der scharlachrote Blitz in den Himmel und erhellte die Außenwelt um sie herum mit einem blutroten Schimmer.

 

„Wir kommen zu spät“, rief Kennedy panisch vom Rücksitz, wo sie zusammengequetscht mit Faith, Dawn und Willow saß.

 

„Was ist das?“, flüsterte Buffy erschrocken, während sie alle beobachteten, wie der Lichtstrahl im Nachthimmel sein rotes Licht ausbreitete. Niemand von ihnen sah die Reiter, die hinter dem Steinwall auf ihren Pferden da standen, doch jedem war ihre Anwesenheit bedrückend bewusst.

 

„Es hat begonnen“, erwiderte Giles gelähmt von der Erkenntnis.

 

Es war Dawn, die alle aus ihrer Erstarrung riss, in dem sie die Autotür öffnete und hinaus sprang. „Also was ist... schauen wir zu, wie die Welt und die Menschheit untergeht, oder tun wir was dagegen?“

 

„Treten wir ihnen in den Hintern“, stimmte Faith zu und folgte.

 

„Sorgen wir dafür, dass sich unsere Welt morgen auch noch dreht.“ Mit diesen Worten sprang Buffy aus dem Wagen.

 

„Klingt ein bisschen nach Bond“, grinste Kennedy. „Aber ich bin dabei.“

 

„In bester Hoffnung“, murmelte Giles und warf Willow über die Schulter einen fragenden Blick zu. Sie nickte entschlossen und Giles fühlte sich trotz Willows Bereitschaft noch immer nicht wohl bei dem Gedanken, die geschwächte Hexe dieser Anstrengung auszusetzen. Aber tief in sich war er trotzdem froh mit Willow eine Macht an ihrer Seite zu wissen, die ihnen einen klaren Vorteil verschaffte. Das schlechte Gewissen blieb.

 

Ein wenig Hektik brach um den Van aus, als man begriff, dass man noch immer etwas gegen die Dämonen tun konnte und Eile angesagt war. Die Taschen mit den Waffen wurden aus dem Kofferraum geholt und dann verteilt. Faith hängte sich eine moderne, schwarz-silberne Armbrust um die Schulter, steckte sich zwei Dolche in den Gürtel ihrer Lederhose und griff am Ende nach einem Schwert. Kennedy und Dawn deckten sich jeweils mit einem Satz Wurfmesser ein. Zusätzlich nahm Kennedy den Morgenstern an sich und steckte sich ein Kurzschwert in den Gürtel. Dawn begnügte sich mit einer Axt und Buffy hatte nichts anderes in der Hand als das Samuraischwert.

 

Giles reichte am Ende Willow die Tasche mit den magischen Büchern und schloss leise den Kofferraum. Bereit wie sie waren stürmten sie die Erhöhung hinauf.

 

Nur Dawn, die eben noch alle mitgerissen hatte, zögerte. Es gab da jemanden, von dem sie sich noch nicht verabschiedet hatte, weil die Zeit einfach nicht mehr gereicht hatte. Niemand hatte heute am Tag ahnen können, dass sie in der Nacht die Welt retten mussten. Dawn zog mit ihrer freien Hand ihr Handy hervor und wählte rasch das Telefonbuch an, bis Shins Name auf dem erleuchteten Display erschien. Egal wie die Nacht ausging, Dawn würde ihn nie wieder sehen. Wenn alles vorüber war, war sie entweder eine Heldin ohne menschliche Gestalt oder alle waren dem Weltuntergang zum Opfer gefallen. Sie musste noch einmal mit Shin sprechen, seine Stimme hören...

 

Aber was wollte sie ihm am Telefon sagen, das nicht zu unpersönlich wirken würde? Sie starrte das Handy an und bemerkte nicht, dass Buffy zurückkam.

 

„Hey... alles klar?“, frage die ältere Schwester leise und besorgt, als sie bei ihrer Schwester angekommen war.

 

„Alles klar“, nickte Dawn mit etwas Traurigkeit in ihrer Stimme. „Es ist nur...“

 

Shin“, sagte Buffy und sah sie verständnisvoll an. „Ich verstehe, wenn du dich von ihm verabschieden möchtest, aber die Zeit drängt...“

 

„Ich weiß doch“, seufzte Dawn und schaltete ihr Handy ab. Sie steckte es wieder ein und zog dann einen Umschlag hervor, den sie Buffy entgegen hielt. „Den habe ich vorhin schnell bei Giles geschrieben... für alle Fälle. Würdest du dafür sorgen, dass Shin ihn bekommt? Er weiß nicht was ich vorhabe. Er denkt, ich würde nur einen Kampf führen und hinterher gehen wir einfach ins Kino.“

 

Buffy nahm ihr den Brief ab und nickte. „Sicher...“ Ihre Stimme war leise und als Dawn sich herum wandte und zu den anderen blickte, die dort auf sie warteten, löste sich aus Buffys Auge eine Träne und rann über ihre Wange. Nicht nur Shin wünschte sich solch einen Ausgang... nicht nur er...

 

Hügelplateau

Wenige Sekunden später

Auf dem freien Platz über dem See standen die Reiter weiter konzentriert in einem Kreis, die Waffen emporgereckt. Sie hörten nicht, wie sich die kleine Gruppe ihnen näherte, bekamen nichts davon mit, wie Buffy den anderen per Handzeichen zu verstehen gab, dass sie sich trennen sollten, um einen Ring zu bilden. Sie wollte die Reiter eingekreist überraschen. Giles und Willow blieben zurück im Schatten der Steinformationen und öffneten ihre Bücher um sich vorzubereiten.

 

Als Buffy die anderen auf Position sah, wollte sie zu verstehen geben, dass sie noch einen Moment warten sollten, bis sie von Giles das Okay bekamen, dass sie für den Schutzzauber soweit waren, als Faith und Kennedy ohne auf die anderen zu achten hervorsprangen ....

 

Malkuth, Große Unruhe

Etwas später

„Andrew?“ Benommen zog sich Xander vom Boden hoch. Sein Knie war aufgeschrammt, er hatte ein paar blaue Flecken abbekommen, doch ansonsten schien alles heil geblieben zu sein. Offenbar war er gerade noch rechtzeitig aus der Gefahrenzone gebracht worden.

 

„Andrew?“ Warren war bereits dabei, sich durch die Masse an heruntergefallenen Metallteilen zu wühlen. „Wo bist du? Alles okay bei dir?“

 

„Ja, hier und nein.“ Die beiden jungen Männer stießen Seufzer der Erleichterung aus, als sie eine dumpfe Stimme unter den Trümmern vernahmen.

 

„Bist du verletzt? Bleib ganz ruhig liegen, wir holen dich raus.“ Xander half Warren das mächtige Pendel beiseite zu schieben. Mit etwas Glück hatte es Andrew vor den spitzen und gefährlicheren Trümmerteilen geschützt.

 

„Ich glaub’ schon.“ Andrews Gesicht kam darunter zum Vorschein, es war blass, aber zumindest an Kopf und Brust schien es ihn nicht erwischt zu haben. „Mein Bauch... es tut so weh.“

 

„Nicht!“, schrie Xander. Warren hatte Anstalten gemacht, nach dem mächtigen, schwarzen Zahnrad zu greifen, welches in Andrews Unterleib steckte. „Wenn du es raus ziehst, verblutet er. Wir müssen so schnell wie möglich Hilfe holen.“

 

„Und wie?“, fragte Warren und starrte mit panischem Blick um sich. „Der Ausgang ist zu, jetzt wo die Uhr zerstört ist. Und von der anderen Seite kommt das Wasser. Wir können ihn in seinem Zustand doch nicht durch die Gänge schleppen? Das nächste Lager für Verletzte ist meilenweit entfernt.“

 

Xander überlegte fieberhaft. Warren hatte Recht, mit Andrew war der Weg in die Stadt unmöglich. Vielleicht konnte einer von ihnen losrennen und Hilfe holen, während der andere hier blieb.

 

Verdammt, alles wäre so einfach, wenn sie es nur schaffen könnten, Andrew auf die andere Seite der Uhr zu bringen. Dann könnten sie innerhalb von Minuten einen Krankenwagen rufen, und er wäre in Sicherheit...

 

„Die Uhr“, fiel es Warren siedendheiß ein, „wir müssen die Uhr wieder zum Laufen bringen.“

 

Derselbe Gedanke war Xander auch gekommen, aber im ersten Moment schien die Idee undurchführbar zu sein. Gut, sie verstanden beide etwas von Elektronik und Warren hatte schon weitaus kompliziertere Maschinchen gebaut. Aber sie konnten unmöglich jedes der riesigen Zahnräder wieder an seinen Platz schaffen. Nicht jetzt, wo jede Minute zählte...

 

„Der magische Energiekern der Uhr ist noch intakt.“ Warren deutete auf eine gold schimmernde Spirale, die sich über ihnen drehte, kleine leuchtende Kugeln schwebten darin. „Wir müssen nur eine Verbindung zum Ziffernblatt schaffen, die ein paar Minuten durchhält... wir kriegen das hin, Andrew. Wir bringen dich hier raus. Du musst nur noch ein bisschen durchhalten... alles wird gut.“

 

Er beugte sich über seinen Freund und strich ihm die Haare aus der verschwitzten Stirn. „Alles wird gut“, wiederholte er hilflos.

 

„Vielleicht in einem anderen Leben.“ Andrew lächelte, griff in einer spielerischen Geste nach oben und umfasste die Hälfte des zerbrochenen Anhängers, welche aus dem Ansatz von Warrens T-Shirt gerutscht war und nun über ihm in der Luft baumelte. „Wenn wir beide Katzen sind.“

 

Wenn Andrew wieder Filme zitierte, dann war das auf alle Fälle ein gutes Zeichen. Xander wandte den Blick nach oben zum Ziffernblatt, welches nicht sehr stabil wirkte, aber zumindest noch an Ort und Stelle hing. Sie konnten...

 

„Andrew!“, schrie Warren. „Du darfst jetzt nicht einschlafen, Andrew, du musst wach bleiben! Verdammt, tu mir das nicht an, Andrew, wach auf! Wach doch auf!“ Sein Schrei ging in ein Schluchzen über, als er den reglosen Körper bei den Schultern packte und schüttelte. „Andrew, wach auf!“

 

Einen schrecklichen Augenblick lang stand Xander wie erstarrt, dann kniete er nieder, löste Andrew aus Warrens Griff und legte ihn behutsam auf den Boden zurück. „Du kannst ihm nicht mehr helfen“, sagte er leise. „Es ist zu spät.“

 

Hügelplateau

Kennedy und Faith sprangen hervor, bemerkten im Kampfesrausch nicht einmal, dass Dawn und Buffy ihnen nicht gefolgt waren und stürmten gegen den Sturm direkt auf den Kreis zu, den die Reiter in der Mitte des Platzes gebildet hatten.

 

„Ich nehme den staubigen Typ!“, schrie Faith und bemerkte innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde bevor sie lossprang, dass zwei Jägerinnen fehlten. Doch da war es schon zu spät... Kennedy nickte und visierte den eisigen Reiter an, der direkt vor ihr auf dem Pferd saß. Die Reiter schienen sie entweder nicht zu bemerken oder nicht zu beachten, denn sie starrten noch immer wie hypnotisiert in den Himmel.

 

Mit voller Wucht knallten die zwei Jägerinnen auf die kräftigen Körper der Reiter, schafften es, den Überraschungsmoment zu nutzen und schleuderten sie tatsächlich von ihren Pferden.

 

Mit einer Wucht spürte Faith, wie das enorme Gewicht des Reiters auf ihr landete, als sie zusammen auf den Boden krachten und für kurze Zeit blieb ihr die Luft weg. Erstaunt starrte sie der afrikanische Reiter an. ‚Oh mein Gott…’, schoss es Faith erst jetzt durch den Kopf, ‚das ist genau der aus meinem Traum!’

 

Faith nahm all ihre Kräfte zusammen und schaffte es endlich, den massiven Körper von sich zu stoßen, als sie plötzlich einen Schrei hörte und sie, wie Kennedy, ihrem Angreifer kräftig in den Magen trat. Kenny hatte wohl mehr Glück gehabt und ihr Reiter war nicht auf ihr gelandet.

 

Faith sprang auf und blickte dem ihren nun wieder tief in die Augen, auch wenn sie dafür ihren Kopf in den Nacken legen musste. „Verschwindet!“, knurrte der Reiter gereizt und wollte nach seiner Waffe greifen, die allerdings eben einige Meter weit weg geschleudert wurde.

 

„Oh nein... DAS haben wir definitiv nicht im Sinn!“, antwortete Faith, holte noch einmal tief Luft und lief erneut auf ihn zu. Mit voller Wucht schlug sie ihn mit ihrer linken Faust mitten in seine Schamanenmaske, woraufhin ein harter Kampf ausbrach.

 

Kennedy hörte Faith’ Kampfgeschrei und sah sich kurz nach Buffy und Dawn um, erkannte aber zu ihrem Erstaunen, dass auch Willow langsam wie eine Katze am Rand rund um den Kampfplatz schlich. So hatte sie sich das mit dem Zauber nicht vorgestellt und hoffte, dass ihrer Freundin nichts passieren würde.

 

Der Eisdämon nutzte sofort den Moment ihrer Unachtsamkeit aus, packte sie an ihrem Hals, riss sie vom Boden hoch und schleuderte sie einige Meter weit weg. Er stieß einen lauten Schrei aus, als er aufsprang. Der schrille Ton erweckte die beiden anderen Reiter aus ihrer Starre, die ihren Blick vom Himmel nahmen und auf die Angreifer richteten.

 

Der Indianer richtete sogleich seinen Tomahawk auf Faith und Kennedy erkannte die Gefahr sofort. „FAITH, pass auf!“, schrie sie und wollte auf den Indianer zulaufen, als sie plötzlich von ihrem alten Angreifer gepackt und kräftig nach hinten gerissen wurde.

 

Faith wirbelte geschockt herum und hatte gerade noch Zeit genug, zu erkennen, dass ein gewaltiger Riss im Boden auf sie zuraste. Sie schrie auf und rechnete schon damit, in der nächsten Sekunde in einem Erdspalt zu verschwinden, als direkt vor ihr plötzlich ein transparentes Schild zum Vorschein kam. Faith hörte einen Schrei von Giles, als der Riss auf den Schutzzauber traf und direkt vor ihren Schuhspitzen zum Stillstand kam.

 

„BUFFY! Verdammt noch mal, kommt endlich!“, schrie Faith, als sie von ihrem alten Angreifer, dem Feuerdämon, gepackt und mit voller Wucht auf den Boden geschleudert wurde, während der Indianer und der Asiate ihre Pferde auf sie zu lenkten...

 

Malkuth, Höhle der großen Unruhe

„Lass die Finger von ihm“, schrie Warren und stieß Xander beiseite. “Es ist alles deine Schuld! Alles war okay, bevor du aufgetaucht bist und dich eingemischt hast. Was hast du überhaupt hier zu suchen? Du...“

 

Xander hörte nicht mehr zu. Er sank in sich zusammen und versuchte zu begreifen, was soeben geschehen war, doch alles in ihm war eine dumpfe, düstere Leere...

 

„Andrew, verdammt, wach auf!“

 

Es konnte einfach nicht sein. Andrew konnte nicht tot sein. Nicht er. Nicht nachdem er aus so vielen kniffligen Situationen rausgekommen war. Andrew geriet immer in knifflige Situationen. Die ganze Zeit. Rachedürstende Hexen versuchten ihn umzubringen, blondgefärbte Vampire ihn auszusaugen, hässliche Todesboten in schwarzen Roben jagten mit ihren Schwertern hinter ihm her...

 

„Tu mir das nicht an! Lass mich nicht allein!“

 

Und er kam immer wieder raus. Wie eine kleine Maus, die sich in letzter Sekunde ein Schlupfloch suchte. Und damals, als es keinen anderen Ausweg gab, hatte sie ihn gerettet... gerettet auf Kosten ihres eigenen Lebens...

 

„Es tut mir leid, hörst du! Ich hab’ das nicht gewollt!“

 

Genauso, wie Andrew es jetzt für ihn getan hatte...

 

Warrens Schreie waren verstummt. Eine eisige Stille breitete sich in der dunklen Höhle aus, die nun nicht mehr vom Ticken und Rattern der Unruhe erfüllt war. Nur der schimmernde Energiekern über ihnen verbreitete noch einen schwachen Schein. Die kalten, metallischen Oberflächen der Trümmerteile warfen ihn zurück, metallisch wie der drückende Geruch, welcher das Atmen schier unmöglich machte. Warren hielt ein von Blut überströmtes Zahnrad in der Hand...

 

Der erste Schlag hätte Xander mitten ins Gesicht getroffen, hätte er nicht zufällig den Kopf zur Seite genommen, um seinen Blick von Andrews regloser Gestalt abzuwenden. So fuhr Warrens Hand dicht an seinem Kopf vorbei, Fingerknöchel schrammten die Wange, als das Zahnrad mit lautem Klirren gegen die felsige Höhlenwand krachte. Warren heulte vor Schmerz auf und schlug mit der Faust ein weiteres Mal zu, doch diesmal war Xander vorbereitet. Er blockte den Schlag mit dem Unterarm, und versuchte den anderen von sich wegzustoßen.

 

„Hör auf!“, schrie er. „Du hast für heute schon genug angerichtet!“

 

„Du verdammter... du verdammter...“ Warrens Worte waren nicht mehr als ein Zischen, seine unbändige Wut machte jedes Sprechen unmöglich. Xander schrak zurück, als er in diese nachtdunklen Augen blickte, erfüllt von Raserei und grenzenlosem Hass wie die Augen eines Dämons.

 

Das letzte Mal, als er diesen Blick gesehen hatte, hatte Warren mit einer Pistole in der Hand auf seine beste Freundin gezielt...

 

Und abgedrückt...

 

Hügelplateau

Etwas zeitversetzt, ein paar Minuten früher

„Verdammt, Ken...“, war alles was Willow in dem Moment erschrocken aufschrie, als Faith und Kennedy einfach lossprangen ohne auf das Zeichen zu warten. Willow sprang aus dem Sitzen hoch und wäre fast auf den Kampfplatz gestürmt, hätte sie Giles nicht schnell festgehalten.

 

„Um Himmelswillen, Willow. Sie brauchen uns hier. Lass uns schnell anfangen, bevor wir nichts mehr für sie tun können.“

 

„Natürlich“, murmelte Willow abwesend und beobachtete weiter mit Herzklopfen das Kampfgeschehen. Dann riss sie sich zusammen und griff nach dem Buch. „Ich bin bereit.“

 

„Passt bloß auf euch auf“, sagte Buffy leise und sowohl Willow als auch Giles nickten ihr zu.

 

„Mach dir keine Sorgen um uns, sondern hilf den anderen“, bat Giles seine einstige Jägerin, während Willow bereits anfing um den Kampfplatz zu laufen. Giles trennte sich von Buffy und Dawn und lief in die entgegengesetzte Richtung von Willow los.

 

Kurz darauf begannen sie in einem leisen, stetigen Singsang ihre Zaubersprüche aufzusagen – Satz für Satz in einer fremden Sprache. Kaum hatten sie damit angefangen, legte sich um die Jägerinnen ein kaum sichtbares Schutzschild. Und wie Giles erkannte, keine Sekunde zu früh... Faith wurde im rechten Augenblick vor einem klaffenden Erdspalt gerettet. Leider wurde diese Aktion von einem schmerzhaften Ziehen in Giles’ Schläfen begleitet und während er erstaunt und unter Schmerzen aufschrie, begann er Schlimmes für seine und Willows Kraftreserven zu ahnen.

 

Kampfplatz

Aktuelle Zeit

„Ich denke du hast das hier verloren!“, schrie Buffy und warf Faith das Schwert zu, das ihr beim Sprung am Anfang aus der Hand gerutscht war. Faith sprang hoch, fing es aus der Luft und wehrte in der nächsten Sekunde den Angriff des dunkelhäutigen Reiters ab.

 

Buffy sondierte den Kampfplatz erneut. Die beiden herrenlosen Pferde standen noch immer in der Mitte und sahen ihnen verwundert zu. Faith stand mit dem schwarzen Reiter links, Kennedy mit dem blassen Eisreiter rechts. Der Erd- als auch der Wasserreiter stiegen nun von ihren Pferden ab, nachdem sie sich aus der Mitte gelöst hatten und richteten ihre Waffen in die Richtung von Buffy und Dawn.

 

„Oh mein Gott!“, schrie Dawn und stieß Buffy aus dem Weg, als wie aus dem Nichts eine Wassersäule auf sie zuschoss. Buffy landete hart auf dem Boden, während Dawn verwundert und erleichtert auf das knisternde, gold schimmernde Schild sah, welches Giles und Willow auf sie projiziert hatten.

 

Besorgt blickte sich Buffy kurz um, als sie im Augenwinkel sah, dass Willow kurz zusammengebrochen war. ‚Wir können uns auf das Schild nicht verlassen’, schoss es ihr durch den Kopf. ‚Ihre Kräfte reichen nicht aus...’ Mit dieser erschreckenden Erkenntnis sprang Buffy sofort wieder auf, umgriff ihr Samurai-Schwert fester und stürmte auf den asiatischen Reiter zu.

 

Dawn ging einige Schritte nach rechts und sah dem Reiter, der erst vor kurzem aus dem Höllenschlund unter Cleveland ausgebrochen war, mutig entgegen. In letzter Sekunde ließ er den Talisman in seiner Tasche verschwinden, ehe er ihr entgegen trat. ‚Na toll...’, dachte sie sich, ‚jetzt kann ich auch noch eine Leibesvisitation machen!’

 

Doch davon unbeirrt ließ sie dabei langsam ihre Hand nach unten gleiten, zog in Sekundenschnelle eines der Wurfmesser und schleuderte es direkt auf den Kopf des Dämons zu. Vergeblich. Mit einer lächerlichen Gleichgültigkeit hob er die Hand, fing es im Flug ab und warf es zu Boden.

 

„Du schmutzige Göre, was fällt dir ein?!“, schrie er wütend, strich mit seiner Hand noch einmal kurz und beruhigend über die Schnauze seines Pferdes und hob dann schreiend den Tomahawk.

 

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Willow kam keuchend wieder auf die Beine, schüttelte benommen ihren Kopf und starrte über das Kampfgetümmel hinweg zu Giles, der besorgt stehen geblieben war und zu ihr herüberblickte.

Sie schüttelte als Zeichen, das alles in Ordnung war, ihren Kopf und begann weiter zu laufen. Selbst wenn der Zauber so mächtig war, dass er ihr und Giles alles abverlangte, war das noch lange kein Grund klein beizugeben. Es galt ihre Freundinnen zu beschützen – egal zu welchem Preis...

 

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Kennedy griff nach dem Morgenstern, den sie vorhin verloren hatte und hob ihn auf. Erneut schrie der isländische Reiter wütend auf, riss sein Breitschwert kurz nach oben, richtete es dann wieder auf sie und schleuderte erneut einen mörderischen Eiszapfen in ihre Richtung, der wieder auf dem Schutzfeld abprallte. Kennedys Puls schlug so heftig, dass er ihr in den Ohren pochte. Jedes Mal wieder fürchtete sie, dass der magische Schild nachgeben würde. Besorgt blickte sie zu Willow. Wie lange würde sie diesem Zauber noch standhalten? Oder Giles, der zwar magisch erfahren war, aber nicht die Macht von Willow besaß? Er war es, der dieses Mal nach dem Abwehren des Angriffes bedrohlich schwankte und sich an einem Stein abstützen musste. Und Willow, nun – sie war eine mächtige Hexe, aber sie war geschwächt... und das hier waren gleich vier große Alte auf einmal.

 

Verwundert und verwirrt blickte sich der isländische Reiter um. Auch die anderen schienen mit ihren magischen Angriffen nicht weit zu kommen. Aber es gab auch andere Möglichkeiten, diese unreinen Gören vom Antlitz der Erde zu entfernen.

 

Er stärkte seinen Griff um sein Schwert und trat dann einige Schritte näher an die Jägerin heran. Kennedy betrachtete ihn abschätzend, begann ihren Morgenstern zu schwingen und sprang sofort auf ihn zu. Sie traf seinen Arm mit voller Wucht und sie dachte auch, einen Knochen splittern zu hören, doch sonst passierte nichts. Der Dämon lachte auf, riss ihr die Waffe aus der Hand und schleuderte sie aus Kennedys Reichweite. Dabei schlug der Morgenstern auf einem der Felsen auf, der unter der Wucht des Aufpralls einfach in sich zusammenbrach.

Ohne eine weitere Sekunde zu verschenken sammelte Kennedy ihre Kräfte neu, lief auf ihn zu, rutschte in der letzten Sekunde unter seinem massiven Körper hindurch, sprang hinter ihm auf und rammte ihm ihr Kurzschwert in den Rücken, bevor er sich auch nur umdrehen konnte.

Dunkles, kaltes Blut spritze ihr ins Gesicht, als sie die Waffe heraus zog, und mit voller Wucht ein weiteres Mal auf den Rücken des Reiters einstach.

 

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Der Asiate hob sein Dao-Schwert und Buffy sah mit teilnahmslosen Gesicht der Wassersäule entgegen, die erneut auf sie zuraste, nur um am Schutzschild abzuprallen. Buffy hörte Willows Schrei, aber um die Freunde im Verborgenen nicht zu verraten, vermied es Buffy in ihre Richtung zu blicken.

 

„Gott, ihr seid wohl auch nicht die schnellsten. Hast du es noch nicht geschnallt? Euer Hokuspokus funktioniert so nicht“, schrie Buffy ihm entgegen und zog ihr Samuraischwert in einer anmutigen Bewegung nach oben über ihren Kopf. Sollte sich der Dämon nur wagen zu kommen...

 

Verwirrt legte der Reiter kurz seinen Kopf schief und sah sich um. Tatsächlich... die anderen waren alle in den Nahkampf übergegangen.

 

Buffy nutzte diese Gelegenheit, lief auf ihn zu und holte mit ihrem Schwert aus. Doch sie hatte sich täuschen lassen. Er zögerte nicht eine Sekunde lang, fuhr mit seiner rechten Hand nach, riss ihr das Schwert aus der Hand und packte sie mit der Linken am Genick. Langsam hob er sie nach oben und drückte ihr dabei die Luft ab. Buffy strampelte, trat ihm mit voller Wucht in das maskierte Gesicht, doch das schien ihm nichts auszumachen. Er lachte amüsiert auf, als Buffy ihre Hände hob und mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft versuchte, seinen Griff zu lockern. Vergeblich. Er ließ nicht nach. Buffy drohte zu ersticken.

 

„Dawn!“, krächzte Buffy mit ihrem letzten Atemzug und ihre Schwester schien es wie durch ein Wunder zu hören. Diese duckte sich unter einem Angriff ihres Reiter hinweg, machte eine Rolle nach vorne, griff nach einem Wurfmesser und wollte es in die Richtung des asiatischen Reiters schleudern, als sie allerdings plötzlich von ihrem eigenem von hinten gepackt wurde und so kräftig nach hinten geschleudert wurde, dass er ihr dabei fast die Schultern ausgekugelt hätte.

 

Buffys rotes Gesicht nahm schon eine leichte Blaufärbung an und unermessliche Panik stieg in ihr hoch. Das konnte doch nicht wahr sein. Sie konnte hier nicht sterben, bevor der Kampf nicht einmal wirklich angefangen hatte.

 

Sie spürte das Knistern des magischen Schutzfeldes, das Willow und Giles aufrechterhielten, doch in ihrer Situation konnten sie ihr damit nicht helfen. Langsam wurde alles dunkel.

 

Malkuth, Höhle der großen Unruhe

Xander sprang ein weiteres Mal zur Seite, als das Zahnrad wieder auf ihn zuschnellte und suchte mit hastigen Blicken nach einer Möglichkeit, sich zu verteidigen. Worte würden nicht zu Warren durchdringen, nicht in diesem Zustand. Er griff nach einer riesigen Sprungfeder, über die er beinahe gestolpert wäre und versuchte, sich den Angreifer damit vom Leib zu halten.

 

Was verdammt, sah Andrew nur in diesem Kerl? Hatte... hatte in ihm gesehen? Warum war es ihm nicht gelungen, Andrew rechtzeitig... ihn rechtzeitig...

 

Warren hob die Arme, als wolle er ein weiteres Mal zuschlagen, ließ aber stattdessen das Zahnrad fallen und versuchte, seinem Gegenüber die Feder zu entreißen. Xander trat zu – wenn es ihm jetzt gelang, den Gegner von den Beinen zu holen, konnte er vielleicht Schlimmeres verhindern...

 

‚Sie hat ihr Leben geopfert, um dich wertloses kleines Miststück zu retten und ich wollte bei Gott, sie hätte es nicht getan! Ja, ich wollte dieses verdammte Schwert hätte dich in Stücke gehauen, und sie wäre jetzt hier bei mir!'

 

Worte, die er niemals wieder zurücknehmen konnte. Konnten Wünsche die Wirklichkeit beeinflussen?

 

War es seine Schuld, was Andrew zugestoßen war?

 

Nein, verdammt, es war Warrens Schuld gewesen. Warren hatte Andrew immer nur als Besitz angesehen, hatte versucht, ihn von seinen Freunden zu entfremden. Und als Andrew das Spiel nicht mehr länger mitmachen wollte, hatte Warren versucht, ihn mit Gewalt bei sich zu behalten.

 

Alles war ganz genauso gekommen wie er, Xander, es vorausgesehen hatte...

 

Warren stürzte zu Boden, doch im selben Moment gelang es ihm mit dem spitzen Ende der Feder zuzustoßen, und das scharfe Metall bohrte sich in Xanders Schulter. Eigentlich hätte er Schmerz empfinden müssen, doch seine Wut war in diesem Moment zu mächtig. Wie von selbst schlugen seine Fäuste auf Warren ein, schnellten wieder und wieder nach vorne, als seine Beine ins Straucheln gerieten, als sein Körper auf dem Steinboden aufschlug und ihm für einen Moment die Sinne schwanden. Instinktiv rollte er sich beiseite, weg von Warren, welcher stöhnend versuchte, wieder auf die Beine zu gelangen.

 

Hätte er es nur geschafft, Andrew von diesem Mistkerl fernzuhalten. Hätte er nur nicht so überreagiert und dem Jungen solche Vorwürfe gemacht. Hätte er sich doch wenigstens entschuldigt und sich wieder mit ihm versöhnt. Als noch Zeit war. Als noch nicht alles zu spät war...

 

Oh Gott, es war alles seine Schuld gewesen... wenn er nur anders gehandelt hätte, dann könnte Andrew jetzt noch...

 

Hügelplateau

Faith riss ihr Schwert hoch, wehrte einen Angriff ab und sprang zur Seite. Ohne weiter nachzudenken drehte sie sich wild herum, sprang erneut nach links und nutzte die kurze Verwirrung ihres Gegners dafür, um ihm von hinten mit voller Kraft in den Rücken zu springen.

 

Der afrikanische Reiter stolperte nach vorne, stürzte jedoch nicht wie gehofft und drehte sich wutentbrannt wieder zu ihr um. Seine Augen waren rot wie Glut, und er sah sie hasserfüllt an.

 

„Eure minderwertige Rasse wird diesen Lebensraum nicht länger für sich beanspruchen können!“, schrie er sie an, hob sein Elfenbeinschwert erneut und raste auf sie zu. Faith hob das ihrige ebenfalls, drehte sich allerdings im letzten Augenblick wieder weg und beförderte ihn nun mit einem gezielten Tritt wirklich zu Boden.

 

Als sie kurz aufblickte, sah sie Buffy, die auf der anderen Seite um ihr Leben rang. Hilflos. Aussichtslos. Ohne eine Sekunde zu zögern machte sie eine Rolle nach vorne, zog dabei die Armbrust, die sie noch immer umhängen hatte, zielte und drückte ab. Der Pfeil schoss durch die Lüfte, über die Pferde hinweg und bohrte sich durch die hölzerne Maske durch den Kopf.

 

Im nächsten Moment wurde Faith gepackt und über das halbe Schlachtfeld geschleudert.

 

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Buffy spürte, wie sich der Griff löste, und sie zu Boden knallte. Benommen öffnete sie die Augen, zwang sich aufzustehen. Die Welt drehte sich rund um sie, allerdings nur kurz. Sie war eine Jägerin, sie hatte jetzt keine Zeit für diese Schwächen. Das Schicksal der Welt hing von ihnen ab.

 

Ihr Blick klarte auf und erschrocken stolperte sie zurück. Ihr Hals schmerzte schrecklich, doch das, was sich gerade vor ihren Augen abspielte, lenkte sie sofort davon ab.

 

„Oh mein Gott..!“, flüsterte Buffy. Faith hatte genau in die Mitte des Schädels getroffen. Der Reiter fasste sich an seinen Hinterkopf, und tastete nach dem Pfeil. Als er ihn gefunden hatte, begann er ihn langsam aus seinem Kopf zu ziehen. Es dauerte einige Zeit und Buffy hätte sie eigentlich besser nutzen können, als ihn dabei nur anzustarren, aber sie konnte das einfach nicht glauben.

 

Er schrie auf, als er den letzten Rest des Pfeils aus seinem Kopf zog. Blut und Gehirnfetzen hingen daran, aber der Reiter schien keine weiteren Beschwerden zu haben. Als er kurz seinen Kopf drehte, war die Eintrittswunde verschwunden.

 

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Ähm, Leute!“, schrie Kennedy panisch, als sie von ihrem Reiter zurückstolperte. Sie hatte mindestens zehn Mal auf den Rücken des ihres Gegners mit der blassen, eisigen Haut eingestochen, doch die Wunden waren alle wieder verheilt. Komplett.

 

Erneut sprang sie ihr Reiter an, doch ihr gelang es, seinen Angriff abzuwehren. Sie riss ihr Kurzschwert hoch und ging damit auf ihn los. Gut, sie konnte ihn damit nicht töten, aber sie musste alles tun, um an sein Schwert zu kommen, denn das war vielleicht die einzige Waffe, mit der sie ihn vernichten konnte.

 

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Willow und Giles waren stehen geblieben, als ihnen bewusst wurde, dass die Reiter ihr Schutzschild durchschaut hatten und die Jägerinnen im Nahkampf attackierten. Es gab nichts, was die beiden für die vier hätten tun können. Sie mussten warten und hoffen, dass ihre Kräfte noch stark genug waren, falls einer der Reiter sich vergaß und doch mit einer magischen Macht angriff.

 

Giles Kopf hämmerte, seine Ohren dröhnten und er war über die kleine Pause ganz froh, auch wenn sein Herz beim Anblick der schier aussichtslosen Lage auf dem Kampfplatz wild aufgeregt gegen seine Brust hämmerte.

 

Willow fühlte sich wie Giles ausgelaugt und die Wunde an ihrem Bauch brannte höllisch. Sie ersparte es sich danach zu sehen. Nach dem Kampf, falls es ein später gab, konnte sie sich noch immer um ihre Wunden kümmern. Sie wollte jetzt hier ihre Konzentration nur auf ihre vier Freundinnen richten, für die sie im Moment jedoch nichts tun konnte...

 

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Der Asiate schnaufte laut, als er nach seinem Dao griff und Buffy erneut anvisierte. Wasser sammelte sich an der Schneide der Klinge, kleine Wassertropfen. Sie schienen von überall her zu kommen, von dem Reiter, aus der Luft, sogar aus dem Boden. Buffy machte sich wieder bereit, versuchte all ihre inneren Kräfte zu mobilisieren und stärkte den Griff um ihr Samuraischwert.

 

Plötzlich begann es stark zu regnen und die Tropfen schlugen auf die Erde ein, als bestünden sie aus Eisen. Buffy spürte das Knistern des Schutzfeldes, welches ihr Willow und Giles spendeten. Aber es ließ nach und dessen war sich die Jägerin bewusst. Sie mussten diesen Kampf zu Ende bringen, hier konnte sie nicht darauf hoffen, dass die Kondition ihrer Gegner früher nachließ als ihre.

 

Plötzlich setzte sich der Reiter in Bewegung und lief auf Buffy zu, sein Schwert zog noch immer das Wasser der Umgebung an. Als er bei der blonden Jägerin angekommen war, ließ er einen mörderischen Schrei aus seiner Kehle entweichen, holte mit seinem Schwert aus, und ließ es auf die Jägerin herab fahren.

 

Buffy riss ihres zur Abwehr hoch, drehte sich daraufhin zur Seite, und wollte ihm ihr Schwert in den Rücken schlagen, doch ihre Waffe glitt nur durch die Wassermassen, die wie aus Kübeln auf sie herab regneten. Wie aus dem Nichts tauchte der Reiter wieder vor ihr auf, schlug sie mit der Faust und beförderte sie erneut zu Boden.

 

Sie drehte sich sofort weg, als das Dao-Schwert auf sie herab fuhr, sprang hoch und... schlug erneut in leere Luft. Unerwartet wurde sie von hinten gepackt, doch sie reagierte schnell, griff hinter sich, packte zu, duckte sich, und schleuderte den Reiter mit einem kräftigen Wurf, für den sie all ihre Kräfte mobilisiert hatte, über sich hinweg. Doch mitten im Flug verlor sie ihn erneut aus den Augen. Wo kam überhaupt diese Menge Wasser her? Doch Buffy hatte keine Zeit, sich umzusehen, denn im nächsten Moment wurde sie von links von dem Reiter gerammt und mit voller Wucht über einen Stein geschleudert.

 

Schmerzen durchzuckten ihren Körper, als sie wieder aufsprang und sich zwang, die Kontrolle zu behalten und die Schmerzen zu verdrängen. Der Regen hatte so schnell wieder aufgehört, wie er angefangen hatte. Langsam und schnaufend kam der Reiter nun wieder auf sie zu. Aus den Augenwinkeln erblickte Buffy Willow, die sich in ihrer Nähe aufhielt und weiter ihren Schutzzauber murmelte, auch wenn er langsam keinen Nutzen mehr hatte...

 

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„Ihre Waffen!“, hörte Dawn plötzlich Willows Stimme in ihrem Kopf, als sie eine Rolle nach vorne machte, damit einen weiteren Treffer vermied und daraufhin wieder aufsprang.

 

„Nehmt ihnen die Waffen ab. Nur mit ihnen könnt ihr sie besiegen!“, hörte sie Willow weiter sagen. Kurz suchte sie die Hüterin, konnte aber nur Giles erkennen, der in der Nähe von Faith stand und weiter aus seinem Zauberbuch las. Die Pferde standen noch immer unbeteiligt in der Mitte des Kampffeldes und sahen ihren Herren beim Kampf zu.

 

Sie wandte sich wieder dem Reiter zu, der sie mit hasserfülltem Blick ansah und dann erneut attackierte. Dawn sprang ebenfalls nach vorne, parierte seinen Angriff mit dem Tomahawk mit ihrer Axt und schlug ihn daraufhin mit voller Wucht gegen den Panzer aus Knochen, der seinen Oberkörper schützte. Mit Genugtuung hörte sie, wie diese brachen, drehte sich weg und ersparte sich damit einen weiteren Treffer.

 

Wütend fuhr er herum und wollte erneut auf sie einschlagen, doch sie riss ihre Kampfaxt hoch und schaffte es, ihn damit vollkommen zu überraschen. Sein Tomahawk wurde aus seiner Hand katapultiert und landete einige Meter wieder im Matsch, den der plötzliche, kurze Regen verursacht hatte. Wütend schrie er auf und drehte sich in die Richtung seines Pferdes, hob seine Hand als wollte er ein Zeichen geben, doch Dawn stellte sich ihm in den Weg, sprang hoch und trat ihn mit ihrem linken Fuß direkt ins Gesicht. Leicht benommen stolperte er nach hinten und stürzte zu Boden.

 

Dawn schrie auf, als sie plötzlich wie aus dem Nichts kräftig in den Rücken getreten wurde und ebenfalls mit dem Gesicht voran in den Schlamm knallte. Vollkommen überrascht fuhr sie herum und drehte sich sofort nach links, als die Hufe des Pferdes erneut auf sie herabsausten.

 

Malkuth, Höhle der großen Unruhe

Etwas später

Warrens Hände umschlossen einen der riesenhaften Kolben, als er mühsam versuchte, wieder auf die Beine zu gelangen. Er wandte die Augen nach links und rechts und sah Xander unweit von sich auf dem Boden liegen.

 

Dieser verdammte Schweinehund war immer noch nicht tot.

 

Aufstehen schien unmöglich, irgendwie musste er sich an einem der spitzen Metallteile sein Bein verletzt haben, doch er nahm sich nicht die Zeit, es zu untersuchen. Er kroch weiter am Boden entlang, nur von dem einzigen Gedanken besessen, Rache zu nehmen. Seine Hände, glitschig von all dem Blut, legten sich um Xanders Kehle. Für diesen verfluchten Bastard war Andrew gestorben, diesen Mistkerl, der ihn fortgejagt und ihm die Freundschaft gekündigt hatte. Er würde dafür bezahlen und zwar mit seinem Leben...

 

Keuchend und hustend schnappte Xander nach Luft, versuchte den Klammergriff um seinen Hals zu lösen. Es schwindelte ihn, seine Arme hatten keine Kraft mehr, sei es vom Blutverlust, oder dem mangelnden Atem, er würde es wohl nicht herausfinden. Mehr instinktiv als von einem klaren Gedanken gelenkt griff er nach dem nächsten Gegenstand, der sich heben ließ und schlug ihn gegen Warrens Kopf. Dieser schrie auf und sackte in sich zusammen, ließ aber nicht los. Seine Hände krallten sich nur noch fester in Xanders Kehle...

 

Schmerz explodierte wie ein Feuerwerk hinter seinen Augen und seine eigene Stimme klang so fremd, als gehöre sie einem anderen. Warren fühlte wie ihm das warme Blut übers Gesicht lief und ihm die Sicht raubte, die Höhle verschwamm vor seinen Augen zu einem tosenden Wirbel aus Schwarz und Rot...

 

Xander hörte das Ächzen und Krachen über sich, als ein weiteres Zahnrad aus seiner Verankerung fiel und irgendwo neben ihnen zu Boden stürzte. Die Erschütterung war wie ein Erdbeben, brachte die Wände zum Erzittern und den Boden zum Schwanken. Die Uhr würde nicht weiterbestehen, sie würde vollends zusammenbrechen und wenn dies geschah, gab es für keinen von ihnen beiden ein Entkommen. Auch Warren schien dies irgendwie bewusst geworden zu sein, denn sein tödlicher Griff um Xanders Kehle lockerte sich für einen Augenblick...

 

‚Verdammt, ich muss hier raus‘, schoss es Warren durch den Kopf. ‚Wenn ich jetzt draufgehe, kann ich Andrew nicht mehr retten... ich muss eine Möglichkeit finden, ihn zurückzubringen... das ist wichtiger als Rache... es gibt Möglichkeiten... ich weiß es... ich muss...‘

 

Xander sog die Luft in seine Lungen und fühlte wie sein Kopf wieder klar wurde. Er nutzte den Moment, um ein weiteres Mal nach Warrens Händen zu greifen, bevor diese wieder zudrücken konnten, bekam einen der blutverklebten Finger zu fassen und brach ihn mit einem Knacken entzwei. Warren machte – für den Moment wenigstens – keinerlei Versuche mehr, ihn anzugreifen, seine Hände glitten zu Boden. Tief in sich spürte Xander die Versuchung, ein weiteres Mal auf ihn einzuschlagen, doch die Vernunft siegte, er musste jetzt jedes Bisschen seiner Kräfte darauf verwenden, hier heraus zu kommen. Um ihn herum türmten sich Berge von Trümmern auf, versperrten den Weg ins Innere, seinen einzigen Fluchtweg. Er musste zurück zum See gelangen, das war die einzige Möglichkeit...

 

Auf den Ellenbogen kroch Warren über den Boden, folgte Xander auf den rettenden Ausgang zu. Hinter den Trümmern war ein dunkler Schimmer zu erkennen, war dies schon das schwarze Wasser in der Halle von Malkuth? Nur noch wenige Fuß und er würde aus der Gefahrenzone der in sich zusammenfallenden Uhr gelangen...

 

„Xander? Alles okay, Junge, ich hab‘ dich, du bist in Sicherheit.“ Xander fühlte sich plötzlich hochgehoben, als habe er keinerlei Gewicht und im nächsten Moment wurde er vorsichtig im Boot niedergelegt. „Nichts ist okay“, stammelte er, als Mos freundliches Gesicht sich über ihn beugte. „Andrew ist... er ist gestorben, um mich zu retten...“

 

Mos Augen hatten jeden Funken von Freundlichkeit verloren, als er sich umwandte und auf Warrens verkrümmte Gestalt hinunterblickte. „Wenn ich die Macht dazu hätte, würde ich dich für alle Ewigkeit in die tiefste Hölle schicken und nicht zurück in die Arme deines Gefährten“, donnerte seine Stimme und noch niemals war er so sehr Dämon gewesen, wie in diesem Augenblick. Dies war nicht der freundliche Barbesitzer, auch nicht der weise Zaddik von Malkuth, dies war ein altes, mächtiges Geschöpf aus einer anderen Welt und sein Zorn war schrecklich. Wie eine Puppe packte es den Mann, der soviel Unheil über seine Welt gebracht hatte und schleuderte ihn mit aller Gewalt zurück in den Trümmerhaufen aus Zahnrädern, metallenen Kolben und spitzen Federn.

 

Warren versuchte noch, den Sturz irgendwie abzufangen, doch seine gebrochene Hand erwies sich dabei als wenig hilfreich. Hart schlug er auf dem Boden auf, überschlug sich und fühlte ein Brennen in der Seite als etwas Scharfes ihm das Fleisch aufriss. Beinahe hätte er geschrieen, doch die Stimme versagte ihm noch bevor er einen Laut hervorbringen konnte. Stattdessen bahnte sich ein Blutschwall seinen Weg nach oben, die dunkle kupfrige Flüssigkeit stürzte ihm über die Lippen und raubte ihm den Atem.

 

‚Die Uhr, die zerstörte Unruhe... Andrew, verdammt, wo bist du?’

 

Die Dunkelheit um ihn herum war so vollkommen, dass nichts die Schwärze durchdringen konnte. Selbst das schwache Leuchten des Energiekerns über ihm war verschwunden.

 

‚Verdammt, ich wollte das nicht, du weißt, dass ich es nicht wollte. Es ist alles schiefgelaufen... du hattest Recht, ich schaff‘ es immer wieder, alles kaputt zu kriegen... es tut mir leid... bitte verzeih mir.’

 

Seine Hände tasteten um sich herum, seine Gedanken wiederholten die Worte wie ein Mantra, als müsse er sich daran festklammern. ‚Es tut mir leid, hörst du, es tut mir leid... bitte verzeih mir noch dieses eine Mal. Ich will’s wieder gut machen.’

 

Der zerbrochene Anhänger. Andrew trug ihn noch, obwohl er nicht mehr mit ihm zusammen sein wollte. Hätte er ihn nicht abnehmen müssen, wenn er nichts mehr für ihn empfand? ‚Lass es mich wieder gut machen, gib‘ mir noch ‘ne Chance. Nur diese eine noch, ich werd's nicht wieder verhauen, hörst du?“

 

Andrews Hände waren voll Blut, genau wie seine eigenen.

 

‚Lass uns noch mal ganz von vorn anfangen...’

 

Er riss den warmen, schlaffen Körper in seine Arme und vergrub das Gesicht in seinem Pfirsichhaar, während über ihnen die Große Unruhe in sich zusammenstürzte und sie unter sich begrub.

 

 

Kampfplatz

Geschwächt, mit schmerzendem Rücken, stellte sich Faith erneut dem afrikanischen Reiter entgegen.

 

„Du sollst eine Auserwählte sein… ach dass ich nicht...“, schrie der Reiter los, schwenkte dabei sein Schwert, doch er konnte seinen Satz nicht beenden.

 

„Ach halt doch die Klappe!“ Faith lief auf ihn zu, schwang ihr Schwert mit aller Kraft und traf auf seines, sie parierte, und trat erneut seine Klinge. Unerwartet drehte sie sich zu Seite, schlug ihn mit der Faust in die Rippen, wich einem erneuten Angriff aus, und schlug dann wieder mit dem Schwert auf seines ein.

 

Der Reiter schien noch keine Müdigkeitserscheinungen zu haben, als sich Faith erneut nach vorne wagte und versuchte, ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen. Vergeblich. Er erwischte sie mit seiner rechten Faust mitten im Gesicht. Benommen torkelte sie nach hinten, stolperte über einen Stein und knallte mit ihrem Hinterteil auf den matschigen Boden. Sie versuchte sofort wieder aufzustehen, rutschte allerdings weg.

 

Bedrohlich trat der Reiter näher und als Faith versuchte aufzuspringen, trat er ihr mit voller Wucht gegen den Schädel und beförderte sie so wieder zu Boden.

 

„Du bist lächerlich!“, sagte der Dämon und trat direkt neben ihren Körper. Langsam ließ er die Klinge seines Schwertes über Faith’ nach Atem ringenden Körper gleiten. Geschockt und völlig entkräftet verfolgte sie den Weg der Waffe und sah ihm schlussendlich wieder in die Augen.

 

„... aber um ehrlich zu sein, war es der beste Kampf, den ich seit... Jahrtausenden hatte!“, sagte er lächelnd und seine Augen leuchteten rot auf. Langsam blieb er mit seiner Klinge über ihrem Hals stehen.

 

Tränen schossen ihr in die Augen, als sie plötzlich an Vi und Robin denken musste. Sie waren nicht mehr da. Ronah lag im Koma. Was machte das alles für einen Sinn.

 

„Du gibst auf? Nun ja, dass erleichtert einiges!“, sagte der Reiter triumphierend, und holte mit dem Schwert aus.

 

Er ließ einen lauten Schrei los, als die Waffe nach unten sauste und Faith hielt den Atem an, als plötzlich die Klinge immer langsamer auf sie zukam und schließlich kurz über ihrem Hals in der Luft hängen blieb. Erstaunt blickte sie den Reiter an, doch er bewegte keine Miene. Überhaupt bewegte sich gar nichts mehr. Faith rutschte unter der Klinge weg und stand auf. Die Zeit war stehen geblieben. War das möglich? Oder war sie nur gestorben und dies war eine Art Zwischenwelt, in der sie warten musste, bis sie vom Überbringer mitgenommen wurde.

 

Langsam glitt sie an dem steifen Reiter vorbei und betrachtete die anderen Jägerinnen. Sie alle waren müde, doch sie kämpften. Sie erblicke Willow und Giles, deren Gesichter Schmerzen zeigten. Schmerzen, die sie ihnen abnahmen.

 

„Faith...“, bohrte sich eine Stimme durch die Stille und die Jägerin fuhr erschrocken herum. Eine nicht auszumachende Gestalt stand im Dunkeln.

 

„Die Zeit ist schon eine lustige Sache…“, sagte sie lachend, fuhr mit ihrem Finger über den afrikanischen Reiter und blickte sich kurz auf dem Kampffeld um.

 

„Was soll das? Was ist hier los? Wer bist du?“ Faith sah die dunkle Gestalt gespannt an und stärkte den Griff um das Schwert.

 

„Wer ich bin?“ Der Unbekannte lachte auf und trat dann ins Licht. Der dunkle Magier stand vor ihr.

 

„Hör’ mir zu, Jägerin!“ Er kam auf sie zu und blickte sie besorgt an. „Die Regeln haben sich geändert. Das war so… nicht geplant. Regeln werden am Anfang eines Spieles festgelegt, genauso wie die Anzahl der Mitspieler. Es ist nicht erlaubt, dass Leute frühzeitig abbrechen, oder neue Spieler einsteigen, die in dem Spiel eigentlich nichts zu suchen haben!“

 

Verwirrt blickte die Jägerin den Magier an. Was sollte das? Was redete er eigentlich für einen Mist? Sie kämpften hier gerade um das Schicksal der Welt und er hatte nichts Besseres zu tun, als über seine bescheuerten Spiele zu schwafeln?

 

„Was willst du?“, fuhr Faith ihn an, und hielt im die Klinge an den Hals.

 

„Es wurde ein Spieler in das Spiel mit eingebracht, der nicht vorgesehen war. Das Spiel muss abgebrochen werden!“ Er trat auf sie zu und berührte ihren Bauch, bevor Faith sich wehren konnte.

 

Bilder schossen ihr in den Kopf. Silent Hill. Eve. Vi. Robin. Ronah. Die Nacht, die sie mit Robin im Motel verbracht hatte, nachdem sie den Wächter für Giles aufgesucht hatten. Die Übelkeit. Robins letzte Worte. Das Gefühl…

 

Er ließ ihren Bauch los und fuhr zurück. Faith starrte ihn geschockt an.

 

„Die Regeln haben sich geändert, ich dachte, du solltest das wissen, bevor du leichtfertige Entscheidungen triffst!“

 

Der Magier sah sich noch einmal kurz um, nickte ihr dann zu und ließ eine verdutzte Faith zurück. Konnte das sein? War sie etwa…?

 

Mit einem Knall fuhr die Klinge des Reiters in den Boden, als Faith automatisch den Kopf zur Seite drehte. Kampfgeschrei war wieder erklungen...

Nein, noch war sie nicht soweit. Sie konnte jetzt nicht aufgeben. Sie DURFTE nicht aufgeben.

 

„Hey!“, schrie sie dem verdutzten Reiter zu, der noch immer auf die Stelle starrte, an der sie vorhin gelegen hatte, woraufhin er sich sofort in ihre Richtung drehte.

 

Faith sammelte erneut alle Kräfte. Sie musste diesen Kampf überleben. Für Vi. Für Robin. Für Ronah. Und für sich. Hier zu sterben stand nicht einmal mehr zur Debatte.

 

Das Schwert des Reiters traf erneut auf ihres und Funken begannen zu sprühen. Ein harter Kampf brach aus, in dem die Klingen nur so klirrten. Die Augen des Angreifers wurden immer roter und Faith sprang geschockt zur Seite, als das Schwert ihres Gegners in Flammen aufging.

 

„Na, hast du etwa Angst vor Feuer?“ Er lachte auf und kam wieder näher.

 

Faith lief auf ihn zu, schlug wieder auf ihn ein, parierte seine Angriffe und schaffte es wirklich, sich an der brennenden Klinge nicht zu verbrennen. Mit einem Mal schlug sie ihm mit ihrem Schwert die Waffe zur Seite, sprang hoch und trat ihn so fest in den Magen, dass er einige Meter zurückstolperte. Faith zögerte nun keine weitere Sekunde, zog ihre Armbrust, die sie wieder auf den Rücken geschnallt hatte, hervor, zielte auf den Kopf des Reiters und drückte ab. Der Pfeil bohrte sich in den Kopf ihres Gegners, der daraufhin zu schreien begann und versuchte, das Geschoss zu entfernen. Faith sprintete nach vorne, rutschte unter ihm hindurch, riss dabei seine Füße vom Boden und brachte ihn zu Fall. Mit einem lauten Knall schlug er auf dem Boden auf, woraufhin sie ihr Schwert durch seinen Oberkörper bohrte und ihn damit fürs erste fixierte.

 

Sie trat nach vorne, riss ihm das Schwert aus der Hand, welches zwar nicht mehr brannte, aber noch immer glühend heiß war und sah sich siegesbewusst um.

 

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Kennedy fixierte das Breitschwert ihres Gegners. Aus den Augenwinkeln konnte sie gerade sehen, wie auch Dawn es schaffte, ihrem Reiter den Tomahawk aus der Hand zu schlagen und nickte zufrieden. Es lief besser als gedacht...

 

Der Reiter lachte leicht auf, als er plötzlich sein Schwert in der Luft kreisen ließ und es hell zu leuchten begann. Kennedy spannte alle Muskeln an, bereitete sich auf einen Abwehrschlag vor und blickte verdutzt, als der Reiter seine Waffe mit voller Wucht in den Boden stieß. Von einer Sekunde auf die andere bildete sich rund um die Eintrittsstelle eine dichte Eisfläche auf dem Boden. Und sie breitete sich mit rasanter Geschwindigkeit aus. Kennedy schrie auf, als sie spürte, wie die eiskalte Masse ihre Füße berührte und spürte dann aber mit Erleichterung, wie das Kraftfeld das Eis von ihrem Körper fernhielt.

 

Als sie einen lauten Aufschrei von Giles hörte, der gerade in ihrer Nähe stand, musste sie all ihren Willen aufbringen, um sich nicht nach ihm umzudrehen. Die Reiter hatten überraschenderweise noch keine Notiz von den beiden am Rand des Geschehens genommen und Ken wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass sich das änderte.

 

Ihr blieb allerdings keine Zeit, sich weitere Gedanken darum zu machen, denn ihr Angreifer stürmte schon wieder auf sie los… und im Gegensatz zu ihr schien er kein Problem damit zu haben, sich auf der Eisfläche, die einen Umkreis von einigen Metern hatte, fortzubewegen.

 

‚Ich muss sofort hier herunter!’, schoss es Kennedy durch den Kopf, doch schon wurde sie gerammt, stürzte und schlitterte auf der kalten Fläche einige Meter, bis sie gegen einen der großen Steine knallte, die am Rand des Kampffeldes lagen.

 

Ohne eine weitere Sekunde zu zögern sprang sie wieder auf, schaffte es nicht auszurutschen, holte weitere Wurfmesser aus ihrer Tasche und schleuderte sie in die Richtung der Füße ihres Angreifers. Mit Leichtigkeit drangen die Wurfgeschosse durch die Lederstiefel des Kämpfers, und brachten ihn zum Sturz. Als er brüllend auf das Eis aufschlug, donnerte es förmlich und die gesamte Fläche splitterte. Weil er den Sturz auffangen wollte, entglitt ihm dabei seine Waffe.

 

Als sich der Reiter wieder aufkämpfen wollte, rutschte Kennedy nach vorne, trat ihm mit voller Wucht auf den Hinterkopf und schnappte sich seine Waffe.

 

Ein lautes Schnaufen brachte sie dazu, sich umzudrehen und geschockt stellte sie fest, dass das Pferd des Reiters hinter ihr stand und sie mit dunkelblauen Augen eiskalt anstarrte. Im selben Moment veränderten sich die Augen und strahlten dunkelrot und bedrohlich auf. Es fixierte sie, trat unruhig mit den Hufen auf und lief schließlich auf Kennedy zu. Ohne weiter nachzudenken holte sie mit dem eisigen Breitschwert aus.

 

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Buffy duckte sich unter einem weiteren Angriff hinweg. Sie war müde. Sie hatte Schmerzen. Dieser Kampf war sicherlich einer der kräfteraubendsten, die sie je gehabt hatte. Doch sie hielt stand und sie würde auch standhalten, bis sie gewonnen hatten. Sie war nicht bereit, Dawn an diese Monster zu verlieren. Es musste einen Weg geben, sie zu besiegen und zufrieden sah sie, wie die Jägerinnen den Reitern eine nach der anderen die Waffen abnahmen.

 

„Gut, jetzt bin ich dran...“, murmelte sie und machte sich bereit.

 

„Beeilt euch. Wir können die Felder nicht mehr lange halten!“, hörte sie Willows Stimme wieder in ihrem Kopf.

 

Sie nickte und sah dem asiatischen Reiter tief in die Augen. Er schwang sein Dao-Schwert und stürmte wieder auf sie zu. In der letzten Sekunde sprang die Jägerin zur Seite, drehte sich um, duckte sich unter einem weiteren Angriff hinweg und sprang hoch. Sie umfasste ihr Schwert mit beiden Händen, holte aus und schlug es mit voller Wucht direkt durch die Gesichtsmaske mitten durch den Kopf des Reiters. Dieser ließ einen unglaublich lauten Schmerzensschrei los, ließ seine Waffe fallen, und riss beide Hände zu seinem Gesicht hoch. Buffy schnappte sich das magische Schwert ihres Reiters und lächelte zufrieden. Jetzt hatten sie es geschafft. Die Reiter waren erledigt. Dawn musste sich nicht opfern. Erleichterung machte sich auf Buffys Gesicht breit.

 

Sie musste sich allerdings beeilen, denn der Reiter war schon wieder dabei, ihr Samuraischwert aus seinem Kopf zu ziehen.

 

„Buffy, das Pferd!“, hörte sie plötzlich Willows warnende Stimme und sprang zur Seite, nur eine Sekunde bevor sie von dem wahnsinnigen Tier niedergetrampelt worden wäre.

 

Buffy sah sich um. Auch Dawn, Kennedy und Faith wurden von den Pferden attackiert.

 

‚Sie schützen ihre Reiter…’, schoss es ihr durch den Kopf.

 

„ERLEDIGT DIE PFERDE!“, schrie Buffy, fuhr herum und ließ das mächtige Dao-Schwert auf das Pferd herab sausen.

 

Dawn drehte sich zur Seite, schnappte sich den Tomahawk des amerikanischen Reiters und schlug dem Tier mit voller Wucht den Schädel entzwei.

 

Kennedy sprang zur Seite, wich dem tollwütigen Pferd aus und schlitzte es der Länge nach auf, während es an ihr vorbei lief. Überraschend blieb die Waffe mitten im Körper stecken und Ken musste sie loslassen, um nicht mitgerissen zu werden.

 

Faith holte mit dem Elfenbeinschwert aus und erstach das Tier, kurz bevor es sie mit voller Wucht rammen konnte.

 

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„OH mein Gott!“, schrie Dawn und stolperte einige Schritte zurück. Das Tier löste sich vor ihren Augen auf und das mitsamt der Waffe. Panisch suchte sie Buffy, doch auch der erging es nicht anders. Die Reittiere verschwanden, doch damit auch ihre letzte Chance, die Reiter zu töten.

 

Buffy blickte geschockt zu Dawn. ‚Oh nein’, ging es ihr durch den Kopf… ‚vielleicht waren die Tiere der Schlüssel zu ihrer Unsterblichkeit... vielleicht kann man sie jetzt töten… ich kann nicht zulassen, dass sich Dawn opfert. Das kann und will ich nicht!’

 

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Die Reiter waren mittlerweile wieder zu Kräften gekommen, starrten aber ungläubig auf die Mitte des Platzes, wo am Anfang des Kampfes ihre Reittiere gestanden hatten. Es schien, als würden sie um die Tiere trauern. Oder trauerten sie ihren Waffen und ihren unglaublich mächtigen magischen Kräften nach, die sich zusammen mit den Tieren aufgelöst hatten?

 

Die Jägerinnen wandten sich rasch von den Reitern ab und liefen auf Buffy zu. Außer Atem standen sie beisammen, sagten nichts und starrten nur die Reiter an, die ebenfalls eine kurze Auszeit genommen zu haben schienen.

 

„Ich dachte schon, wir hätten den Kampf gewonnen…“, flüsterte Kennedy nach Luft ringend. „Ich dachte, wenn wir sie mit ihren eigenen Waffen vielleicht töten könnten...“

 

„Da haben wir wohl alle dasselbe gedacht“, nickte Faith grimmig.

 

„Und geirrt. Ich glaube sie waren nie gut genug, um die Reiter selbst damit zu töten…“, sagte Buffy ermüdet und wischte sich Blut aus dem Gesicht, das aus einer kleinen Platzwunde auf ihrer Stirn lief.

 

„… aber zumindest mir kam es so vor, als seien ihre elementaren Kräfte mit den Waffen verbunden. Wir haben sie vernichtet. Zusammen mit ihren Reittieren. Vielleicht sind sie jetzt nur noch normale Dämonen“, gab Dawn zu bedenken.

 

„Das bezweifle ich!“ Faith zog ihre Armbrust hervor, legte einen neuen Pfeil ein, zielte und schoss dem ägyptischen Reiter direkt durch den Hals. Er schien kurz zu stocken, dann riss er ihn jedoch wieder heraus und die Wunden schlossen sich. Mit hoch gezogenen Augenbrauen drehte sich Faith zu Dawn. Die junge Jägerin schwieg... mehr Beweise brauchte sie wohl kaum...

 

„Seht mal!“, sagte Buffy plötzlich aufgeregt und deutete auf den Asiaten. „Ihr“ Reiter hatte das Samuraischwert, welches er sich vorhin aus dem Kopf gezogen hatte, in der Hand und es schien, als würde er seine Kräfte in die Waffe übertragen, denn es zuckten Blitze aus seiner Hand und fuhren direkt in das Schwert.

 

„Sie brauchen nur neue Waffen aufzuladen…“, sagte Dawn panisch und blickte ihre Schwester geschockt an.

 

„Los, dann schauen wir, dass sie das nicht tun können. Wir können nicht riskieren, dass sie ihre alten Kräfte wieder bekommen!“ Buffy, waffenlos, ballte ihre Hände zu Fäusten.

 

„Ich weiß nicht“, murmelte Dawn, die sich kaum Chancen in einem langen Nahkampf für sie alle ausrechnete, doch die anderen hörten ihre leise Stimme nicht mehr, denn sie liefen bereits zurück auf das kleine Kampffeld.

 

Die Reiter drehten sich ruckartig um und sahen sie hasserfüllt an.

 

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Buffy rannte mit ihrer ganzen Geschwindigkeit auf den Reiter zu, rammte ihm die übereinander gelegten Fäuste hart gegen die Schulter und der Dämon war vom Angriff so überrumpelt, dass er nicht reagieren konnte, sondern schwankte. Buffy hielt sich nicht lange auf, wirbelte herum und trat dem Asiaten von hinten in die Kniekehle. Der Dämon ging in die Hocke und beim Versuch sich auf das Schwert zu stützen sah Buffy ihre Chance gekommen. Sie trat gegen die Waffe, die nachgab und vom Boden gerissen wurde. Der Dämon verlor das Gleichgewicht und flog nach vorne in die Erde. Das Samuraischwert hielt er zwar noch immer in seiner Hand, jedoch nicht mehr allzu fest. Buffy trat ihm fest auf den Handrücken und drehte ihren Absatz tief in die behandschuhte Hand. Der Dämon brüllte auf und ließ endlich los. Rasch bückte sie sich und ergriff das Schwert. Doch bekam sie dabei solch einen starken elektrischen Schlag, dass sie einige Meter durch die Luft flog. Doch sie hatte es geschafft. Sie hatte ihr Schwert wieder in der Hand – in einer schmerzenden, leicht zitternden Hand. Aber sie hatte es!

 

„Du dumme Göre!“, schrie der Reiter auf, kam auf die Beine und lief auf sie zu. Er riss sie vom Boden und schleuderte sie gegen einen der großen Steine am Rand des Feldes. Buffy schrie auf vor Schmerzen.

 

„Es reicht! Das ist kein Spiel mehr. Was denkt ihr eigentlich, wer ihr seid? Es ist nicht eure Aufgabe, zu entscheiden, ob unsere Zeit gekommen ist oder nicht!“, schrie der Reiter wutentbrannt und wollte mit seiner enormen Faust auf Buffy einschlagen, doch diese drehte sich, wenn auch unter starken Schmerzen, geschickt weg und kam wieder auf die Beine.

 

„Ach, aber es ist eure?!“, konterte die Jägerin. „Eure Zeit ist längst Vergangenheit. Ihr hattet die Chance, doch ihr habt es vergeigt. Ihr seid doch nur verdammte Loser! Und nicht einmal gute! Verschwindet! Lasst uns unsere Zeit auf diesem Planeten, wie ihr eure hattet!“ Buffy nahm eine Abwehrstellung ein, bereit jedem Schlag auszuweichen, zumindest solange ihre starken Rückenschmerzen das zuließen.

 

„Niemals! Wir sind zurückgekehrt, um uns zu holen, was uns gehört.“ Er fuhr mit seinem Angriff fort, holte aus und schlug ihr mit seiner Faust mitten ins Gesicht. Buffy spürte, wie ihre Nase brach und stolperte zurück. „Ihr seid minderwertige, unreine Kreaturen. Bloßer Abschaum. Das LETZTE!“ Der Asiate holte mit seinem Fuß aus und trat Buffy so fest in den Magen, dass sie einige Meter auf dem Boden weggeschleudert wurde.

 

Faith versuchte gerade vergeblich, an das Schwert heran zu kommen, welches ihr der Reiter vor einigen Sekunden aus der Hand geschlagen hatte, doch es schien aussichtslos. Erneut packte der Afrikaner sie, riss sie an ihren Haaren nach hinten, packte sie am Hals und hob sie daran hoch. Faith zog ihren Fuß unter enormer Anstrengung an und schaffte es, mit den letzten Kraftreserven, ihm damit so fest ins Gesicht zu treten, dass seine Schamanenmaske splitterte und er sie fallen ließ.

 

Kennedy stolperte zurück, als sie einem weiteren Schlag auswich, fiel dabei allerdings über einen Ast, der am Boden lag und knallte mit dem Hinterkopf hart auf einen alten Eisbrocken auf, der noch immer nicht geschmolzen war. Sie schrie und kurz fürchtete sie, ohnmächtig zu werden, doch sie kämpfte erfolgreich dagegen an. Sie drehte sich weg, als ihr der Reiter fest in den Magen treten wollte und sprang auf. Entkräftet und voller Schmerzen drehte sie sich zu Dawn um, die einen entschlossenen Gesichtsausdruck hatte und Willow zunickte, die am Rande des Feldes stand und einen geschockten, jedoch gefassten Eindruck machte. Anscheinend sah Dawn die Zeit gekommen...

 

„Lenkt die Reiter von Dawn ab!“, hörten die Jägerinnen plötzlich wieder Willows Stimme in ihrem Kopf, „ich werde Dawn soweit es geht, helfen!“

 

Buffy hielt inne, hob eine Hand und fing den Schlag des Reiters damit in der Luft ab. Sie suchte Dawn mit ihren Augen und als sie sie gefunden hatte, wandte auch diese instinktiv ihren Kopf zu ihr. Lange blickten sich die beiden Schwestern tief in die Augen. Buffy wusste, dass Dawn tun musste, was sie vorhatte. Der Kampf verlief unausgeglichen und jeder Sieg von ihnen war nur ein kleiner, kein endgültiger Schlag gegen die Dämonen. Sie hatten wohl wirklich nur die einzige Chance mit Dawns Opfer... und doch... Buffy wollte und konnte es nicht zulassen. Egal was sie in den vergangenen Stunden darüber zu Dawn gesagt hatte... all das Gerede davon, dass sie es verstehen würde, dass sie natürlich das Wohl der Menschheit nicht über das ihrige und das von Dawn stellen möchte... sie liebte ihre Schwester viel zu sehr, um dabei zuzusehen wie sie starb. Vielleicht mussten sie einfach nur länger durchhalten, dann würden sie doch die Reiter durch ihre Hände besiegen...

 

„NEIN!“, schrie Buffy plötzlich auf und ließ damit ihren ganzen Schmerz heraus. Sie wollte auf ihre Schwester zulaufen, doch sie wurde von hinten gepackt. Bereit, ihrem Angreifer den Schädel einzuschlagen, fuhr sie herum und erblickte allerdings nur Faith, die sie festhielt und sie traurig, entkräftet und gefasst ansah.

 

Dawn hatte sich inzwischen vom Kampffeld zurückgezogen, stand in der Nähe von Willow und schloss konzentriert ihre Augen. Sie versuchte an all die Dinge zu denken, die ihr Akira geraten hatte, um sich zu lösen und langsam, ohne es selbst zu bemerken, verlor Dawn den Boden unter den Füßen und begann in die Höhe zu steigen. Ein helles Leuchten umgab plötzlich ihren Körper, das aus ihr selbst zu strahlen begann.

 

Die Reiter waren mittlerweile in ihren Bewegungen erstarrt und blickten nach oben, wo Dawn hell und rein strahlte. Sie schienen zu ahnen, was als nächstes passieren würde...

 

Neeeiiiiiin. DAWN! HÖR AUF DAMIT! ICH... ich kann nicht ohne dich weiterleben! DAWN... BITTE! KOMM ZURÜCK. WIR STEHEN DOCH GAR NICHT SO SCHLECHT DA. WIR HABEN EINE CHANCE. BITTE!“ Buffy brach zusammen und blickte mit tränengefüllten Augen zu ihrer Schwester empor. Faith legte ihre Arme um die blonde Jägerin und drückte sie fest an sich. Sie selbst hätte heute fast aufgegeben und Buffy war jetzt so weit. Sie brauchte sie jetzt. Brauchte jemanden, der sie verstand.

 

Kennedy blickte überwältigt zu Dawn, die wie ein Engel über ihnen schwebte, ein Lichtkreis um sie herum und ein Gefühl der Erleichterung durchfuhr sie. Sie wusste innerlich, dass nun alles in Ordnung kommen würde. Alles würde wieder seinen geregelten Rahmen finden. Sie trat neben Willow, die immer noch am Rand stand und weiterhin einen Spruch, jedoch nun mit voller Intensität aufsagte. Dabei nahm ihr Haar langsam einen weißen Schimmer an.

 

Dawn öffnete ein letztes mal die Augen und Faith staunte, als ihre blaue Augen förmlich strahlten wie zwei reine Diamanten. Nun lief auch ihr eine Träne über die Wange, während sie Buffy an sich drückte. Diese starrte nach oben und weinte. Sie konnte nicht anders. Dawn war so schön. Es war so überwältigend. Doch sie wollte sie nicht verlieren. Konnte sie nicht. Es war... zu schmerzhaft.

 

„Ich werde euch vermissen!“, sprach Dawn und lächelte, während auch ihr Tränen über das Gesicht liefen.

 

Dann wurde es auf einmal so hell, dass die Jägerinnen, Willow und Giles ihre Augen abwenden mussten...

 

Doch Dawn lächelte noch immer im hellen, strahlenden Licht, das sie umgab, hob ihre Arme in einer kreisenden Bewegung, wobei sie einen regenbogenfarbenen Lichtschweif nach sich zog und war plötzlich nur noch eine schattenhafte Kontur im grellweißen Licht, das langsam wie ein Regenbogen farbenfroh zu glitzern begann, bis auch der Schatten in ihm verschwunden war.

 

Das Licht bündelte sich zu einem einzigen kräftigen Strahl, Energie erfüllte knisternd die Luft und die Kämpfer konnten ihre Augen wieder auf das Geschehen richten.

 

Die Dämonen hingegen sammelten sich in der Mitte des Platzes und wirkten verstört, ganz so als wüssten sie nicht, was sie als nächstes tun sollten. Doch ehe ihnen ein Plan einfiel, ehe sie sich wieder fassen konnten, raste der Energiestrahl auf sie zu und drang durch ihre Rüstungen, durch jede noch so kleine Ritze in sie ein.

 

Buffy wandte ihren Blick ab und vergrub ihren Kopf an Faith’ Schulter. Sie wollte nicht sehen müssen, wie Dawn ihren letzten Kampf ausfochte, um dann zu verschwinden. Es war einfach zu viel für sie.

 

Die dämonischen Reiter wurden nach hinten gerissen, taumelten umher und stießen gegeneinander, während die Energie aus ihnen herausstrahlte – das Licht kam aus ihren Augen, ihren Nasen, Mündern, Ohren, Rüstungsöffnungen... und verschlang schließlich die Reiter vollständig.

 

Als der Indianer gegen den Wikinger stieß, fiel der Talisman aus seiner Tasche und blieb von den Dämonen unbeachtet auf dem Boden liegen. Sie waren zu sehr mit der Erkenntnis beschäftigt, dass sie aufgehalten wurden, dass man sie erneut verbannen wollte, dass es ein reineres Wesen als sie gab...

 

Der Wind begann sich langsam zu legen, die letzten Eisflächen schmolzen, der Erdriss zu ihren Füßen schloss sich und dann war es auf einmal vorüber. Die Reiter waren in dem Licht verschwunden und die Energie löste sich mit einem letzten aufflackernden Knistern in sich auf...

 

Die Erde

Zur selben Zeit

Das tobende Meer an der europäischen Nordküste beruhigte sich so schnell, wie die hohen Wellen plötzlich aufgetaucht waren. Auch der Eisregen hörte plötzlich auf und die wenigen glücklichen Schiffe, die nicht gekentert waren, konnten ihren Kurs wieder aufnehmen.

 

Die gewaltigen Flutwellen, die die Küsten bedrohten fielen in sich zusammen und verschwanden im Meer. Zurück blieben zerstörte Hütten, Land, das unter Wasser stand, zerstörte Anlegestellen und Verletzte.

 

Die Erdbeben auf der Welt stoppten plötzlich und der rote Schimmer, der den Himmel überall überzog verschwand genauso rasch, wie er aufgetaucht war.

 

Stürme, Überflutungen, Eisregen, Schneestürme, Flutwellen, Erdrutsche, Vulkanausbrüche, Waldbrände... alles nahm ein plötzliches Ende und wenn auch Zerstörung als Resultat zurückblieb, so war das Schlimmste nicht eingetreten...

 

... in völliger Stille und nächtlicher Dunkelheit lag der Kampfplatz vor den müden zurückgebliebenen Jägerinnen da. Ein erschöpfter, von Schmerzen gezeichneter Giles und eine Willow, die blass war und sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, traten stumm an ihre Seiten und starrten mit ihnen an die Stelle, wo soeben noch Dawn und die Reiter gewesen waren.

 

So etwas wie Triumph, Siegesfreude, wollte sich bei allen nicht einstellen.

 

Das einzige Geräusch hier oben war Buffys leises Schluchzen, das sie nicht zu unterdrücken wusste. Doch wollte sie das im Grunde gar nicht – der letzte ihr noch wirklich verwandter Mensch, den sie liebte, hatte sie verlassen. Sie war alleine!

Und in diesem Augenblick verstand Buffy zum ersten Mal, was sie Dawn und ihren Freunden vor drei Jahren angetan hatte, als sie von ihnen verlangte, zu akzeptieren, dass sie lieber sich selbst opferte, als Dawn.

 

Willow sah traurig ihre Freundin an und um sich selbst über Dawn hinwegzutrösten, schloss sie ihre Arme um Kennedy, um sie zu halten, um ihre Nähe zu spüren, während Giles beruhigend eine Hand auf Buffys Schulter legte. Er wollte etwas sagen, irgendetwas, das es für Buffy erträglicher machte, doch dabei versagte er völlig. Buffy sah ihn zwar erwartungsvoll mit feuchten Augen an, doch er konnte nur niedergeschlagen den Kopf schütteln. Die blonde Jägerin holte tief Luft, löste sich von Faith und ließ es zu, dass Giles seine Arme um sie legte, während sie hemmungslos ihren Tränen freien Lauf ließ.

 

Giles Blick wanderte in die Dunkelheit und er glaubte sein Herz würde zerspringen... all das Leid, das sie in den letzten Monaten erfahren hatten... nur um einmal mehr unerkannt und ohne Dank die Welt gerettet zu haben...

 

Faith starrte ebenfalls in die Ferne, doch ihre Hand schob sich dabei auf ihren Bauch und ein kleines, entrücktes Lächeln erschien auf ihren Lippen... Bei all den Verlusten gab es jetzt doch wieder einen Grund, um zu Leben und sich sogar darauf zu freuen.

 

Plötzlich löste sich Willow von Kennedy und trat auf die Mitte des Platzes, um sich nach dem Talisman zu bücken, den sie dann wie eine Trophäe in die Höhe hielt.

 

„Ich glaube deswegen sind wir noch hier, oder nicht?“, sagte sie grimmig und unterdrückte die Tränen, die sie gerne über Dawns Opfer vergossen hätte. Doch wären es keine Tränen für Dawn gewesen, sondern sie hätte aus Selbstmitleid geweint – weil eine liebe Freundin nicht mehr unter ihnen war, weil sie die Zukunft ohne Dawn gestalten musste... und Selbstmitleid war jetzt fehl am Platz. Sie brauchte ihre letzten Kräfte, um den Talisman zu zerstören.

 

„Tu es“, sagte Buffy entschlossen. „Wer auch immer in Zukunft die Reiter befreien wird... es wird ihnen das Werkzeug zu ihrer zerstörenden Macht fehlen.“

 

Willow nickte ihr zu, legte den Talisman wieder auf die Erde und kam zu ihnen zurück. „Am besten ihr geht zwischen den Felsen in Sicherheit. Ich habe keine Ahnung, was passieren wird.“

 

Willow wartete, bis ihre Freunde im Schutz der Felsen verschwunden waren, dann drehte sie sich dem Talisman wieder zu. Der Mond brach sich in der kleinen Scheibe und Willow konnte nicht fassen, wie viel Macht in diesem kleinen Schmuckstück lag, das sie bereits vor fast zwölf Monaten schon einmal in ihren Besitz gebracht hätten. Vieles wäre dann sicher anders gelaufen. Sie seufzte leise, ehe sie schließlich ihre Hände hob. Sie richtete die Fingerspitzen auf den Purificatio-Talisman.

 

Der weiße Schimmer in ihrem Haar verblasste und machte einem dunklen, fast schwarzen Glanz Platz. Ihre Augen weiteten sich und wurden schwarz, als Willow sich innerlich auf den zerstörenden Zauber vorbereitete.

 

Dann erhob sie ihre Stimme und durchbrach die unheimliche Stille:

 

Màttar funðast ykkur

Farga sem ber eyðing

Farga sem ber tjòn

Farga sem er illur

FARGA!“

 

Energieblitze schossen aus ihren Fingerspitzen auf den Talisman zu. Willow hob ihre Hände nach oben und ließ die Blitze in den Nachthimmel aufsteigen.

 

„FARGA!“

 

Die Energieblitze bündelten sich zu einem starken Strang aus blauer, weißer Energie.

 

„FARGA!“

 

Der dicke Strang kehrte um und raste auf den Boden zu, direkt in den Talisman hinein, begleitet von einem einzigen, laut gebrüllten „FARGA“, ‚zerstöre’, von Willow.

 

Im ersten Moment schien nichts zu passieren, doch dann vibrierte der Talisman, begann über den Boden zu hüpfen, sprang in die Höhe, kam wieder zu Ruhe... ganz als würde er sich gegen den Zauber aufbäumen wollen.

 

Dann explodierte die Stille – ein lauter Knall, gefolgt von einer Explosion des Talismans – eine Explosion, die die ganze Anhöhe zum Erzittern brachte, eine unvorstellbare Druckwelle riss Willow von den Füßen und brachte einige der Felsen am Rande zum Zerbersten. Die Nacht wurde einmal mehr für wenige Sekunden taghell erleuchtet.

 

Schnell kam Willow wieder auf die Beine, richtete ihre Hände auf die Mitte des Platzes und brüllte ein letztes:

 

„FARGA SEM ER ILLUR.“, zerstöre das Böse...

 

Die einzelnen Talismanstücke leuchteten blau auf, dann lösten sie sich einfach in Nichts auf.

 

Und die Anhöhe verstummte aufs Neue.

 

Erschöpft stürzte Willow zu Boden, wo sie keuchend nach Kraft rang. Kennedy war sofort an ihrer Seite und obwohl selbst müde, geschwächt und verletzt, half sie Willow auf die Füße.

 

„Alles in Ordnung, Schatz?“, flüsterte Ken besorgt. Willow hatte nur noch die Kraft zu nicken. Es entsprach nicht der Wahrheit, aber das spielte im Augenblick keine Rolle...

 

„Wir sollten von hier verschwinden“, sagte Faith leise. „Wir haben es geschafft... Zeit für die Party“, fügte sie sarkastisch hinzu.

 

„Ja gehen wir“, nickte Giles zustimmend, dem es davor graute in seinem Zustand den ganzen Weg zurückfahren zu dürfen.

 

Die Aufbruchstimmung steckte alle an, nur nicht Buffy, die in die Dunkelheit starrte. „Ich kann nicht“, hauchte sie. „Dawn... vielleicht kommt sie doch zurück.“

 

„Hör’ zu Buffy“, räusperte sich Giles und trat zu ihr zurück. „Dawn hat eine Entscheidung für sich getroffen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Wir sollten lieber zurück nach Cleveland fahren und Xander und Andrew über unseren Erfolg aufklären. Dawn ist jetzt in ihrer Welt. Sie wird nicht wieder kommen...“ Sanft lenkte Giles bei seinen Worten Buffy mit sich, den anderen hinterher. Niemand von ihnen bemerkte, dass hinter ihnen ein heller, klarer Lichtpunkt am Himmel erschien, der schnell größer wurde.

 

„Dawn hat das Richtige getan. Das einzige, was uns den Sieg ermöglich hat“, fuhr Giles fort, während eine dunkle Kontur in dem Licht hinter ihnen Gestalt annahm. „Wir sollten das honorieren, anstatt es zu betrauern.“

 

Buffy blieb plötzlich stehen, riss sich aus seiner Umarmung frei und starrte ihn mit feuchten Augen an. „Anstatt es zu betrauern? Sie ist meine Schwester. Der einzige Mensch, der mit mir verwandt war und der mir noch etwas bedeutet hat. Ihr habt doch alle keine Ahnung was es bedeutet, den letzten Menschen auf Erden verloren zu haben, der Halt gab...“

 

„Oh doch“, flüsterte Faith und behielt den Rest für sich. Sie verstand, dass Buffy wütend war und so ihre Trauer vielleicht besser verarbeiten konnte. Ihr war es nach Vis Tod und erst recht nach Robins nicht anders ergangen. Allerdings wusste Faith, dass weitere Worte für Buffy keinen Trost bedeuten würden. Daher schwieg sie.

 

Mit traurigen Augen sah Buffy ihre Freunde an. Sie realisierte trotz Wut, trotz Trauer, dass sie eben etwas sehr Dummes gesagt hatte. Jeder hier oben, Kennedy vielleicht ausgenommen, hatte das durchgemacht was sie jetzt durchmachen musste – jeder auf eine andere Art, aber sie wussten, was sie fühlte. Beschämt drehte sich Buffy herum und wollte zurück auf die Anhöhe rennen – alleine sein war jetzt eine willkommene Alternative, als sie völlig durcheinander in der Bewegung erstarrte.

Die anderen blickten in die Richtung, in die Buffy sah und rissen erstaunt ihre Augen auf.

 

Der kleine helle Lichtpunkt war zu einer großen hellen Spalte geworden, dessen Licht sich in ihren Gesichtern widerspiegelte. Eine Schattengestalt trat aus dieser Spalte heraus, blieb kurz stehen, wandte ihren Kopf suchend herum und entdeckte die anderen. Die Gestalt rannte auf sie zu.

 

„Dawn...“, flüsterte Buffy ungläubig, doch als die Gestalt näher kam, erkannten auch die anderen, dass es tatsächlich Dawn war, die freudestrahlend auf sie zu eilte.

 

Die beiden Schwestern fielen sich in die Arme und ohne Fragen hielten sie sich einfach für einen Moment fest. Doch dann löste sich Buffy von Dawn und blickte ihr prüfend in die Augen.

 

„Ich bin es wirklich“, lachte Dawn und grinste dann. „Wir haben alle die Worte des Lichtgottes nicht richtig bedacht – nur weil ich mich in meine Schlüsselgestalt verwandeln konnte, hieß das nicht, dass ich mich damit auch für die Gestalt entscheiden würde, die ich für den Rest meines Lebens behalten werde.“

 

„Das heißt…“, hauchte Buffy und in ihren Augen spiegelte sich die völlige Hoffnung wider.

 

„Das heißt, dass ich die Worte des Lichtgottes jetzt verstehe und mich endgültig entschieden habe.“

 

Überglücklich schloss Buffy ihre Schwester erneut in die Arme. Sie hatten heute Nacht nicht nur die Apokalypse besiegt, sondern auch dem Schicksal einen kleinen Sieg abgerungen...

 

 

NACHWORT

 

Malkuth, Straße des Todes

Ein paar Tage später

„Aus der Einheit wurden wir geschaffen und zur Einheit sollen wir wieder werden. Die Vielheit kann nicht trennen, was zur Einheit bestimmt ist.“

 

Die Worte klangen hohl in seinen Ohren, doch Mo war sich darüber im Klaren, dass er vor seinem Volk keine Schwäche zeigen durfte. Nicht jetzt, wo die Bewohner von Malkuth auf seine Gelassenheit und Stärke vertrauten. Er griff nach der ersten Urne, las den Namen darauf vor und senkte sie anschließend in die schwarze Erde.

 

Lakshmi, Zaddik von Malkuth. Die Gesichter ihrer beiden Kinder waren wie blasse Schatten in der Menge. Sie wussten nicht, dass ihre Mutter von einem Dämon getötet worden war, den sie in gewisser Weise selbst heraufbeschworen hatte. Vielleicht würde er ihnen irgendwann die Wahrheit sagen.

 

Doch ganz sicher nicht heute.

 

Babette, Zaddik von Malkuth. Obwohl sich ihre Asche in dieser Urne befand, bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie in einer anderen der dämonischen Dimensionen weiter existierte. Dieses mysteriöse Wesen lebte nicht linear in der Zeit wie es andere taten. Selbst in ihren langen gemeinsamen Jahren waren ihm viele ihrer Geheimnisse verschlossen geblieben.

 

Irgendwo in der Menge schrie ein Kind, ein kleines hautfaltiges Mädchen. Vater und Mutter beruhigten es mit liebevollen Worten, doch es brauchte eine ganze Weile, bis die Kleine schließlich verstummte.

 

Name um Name ging es weiter, es waren so viele. Opfer des Krieges und der Zerstörung. Opfer eines grenzenlosen Hasses, geschürt von Menschen wie der Wächterin Lily Usher. Er wusste, dass nicht alle Menschen so wie sie waren, aber trotzdem würde er dem Wächterrat weiterhin mit Misstrauen begegnen. Rupert Giles hatte Malkuth zwar Immunität zugesichert, aber selbst, wenn er aufrichtig war, so konnte er doch nicht für den gesamten Rat und alle Jägerinnen bürgen.

 

Mo blickte in die müden Augen des grauhaarigen Wächters, in sein zerfurchtes Gesicht. Giles stand ebenso vor einem zerbrochenen Traum wie er selbst, und er würde ebenso darum kämpfen, ihn wieder aufzubauen. Sie waren beide zu alt und hatten zu viel erlebt, um sich noch Illusionen zu machen und doch würden sie das Zerstörte wieder aufrichten, Stein für Stein, Stück für Stück.

 

Die Anwesenheit der Menschen bei der Zeremonie war schon ein erster Schritt, auch wenn nicht alle Bewohner der Stadt darüber besonders erfreut waren. Misstrauische Blicke streiften Giles, die Jägerinnen und deren Freunde. Die kleine blonde Jägerin, ebenso wie die dunkelhaarige erwiderten sie entschlossen und ohne Furcht, aber die Hüterin hielt ihren Blick gesenkt, ebenso wie Kenny. Xander stand hilflos neben der kleinen Dawn, nicht wissend, ob er sie trösten sollte, oder ob er die Angelegenheit doch besser ihrem Freund überließ, dem dunkelhaarigen, jungen Mann mit den dämonischen Vorfahren.

 

Eine weitere Jägerin stand ein wenig abseits, den Kopf gesenkt, als wolle sie ihr Gesicht unter ihrem langen, blauschwarzen Haar verbergen. Vielleicht hätte sie nicht hier sein sollen – immerhin war sie verantwortlich für einige der Toten, deren Urnen jetzt hier zur letzten Ruhe gebettet wurden. Aber dann, sie sollte mit eigenen Augen sehen, was ihre blinde, von Drogen und dämonischer Magie verstärkte Wut angerichtet hatte. Und sehen würde sie es, denn sie sollte das ganze nächste Jahr hier in der Stadt verbringen. Ihre Familie wollte es so, und Mo hatte diese Entscheidung unterstützt.

 

Schmerz zuckte durch die Gesichter der Menschen, als Mo die nächste Urne in seine Hände nahm und Andrews Namen vorlas. Den zweiten Namen auf der Urne sprach Mo nicht aus, keine Stimme, und keine Inschrift sollten jemals den Namen desjenigen künden, welcher Malkuth verraten und sie alle ins Unglück gestürzt hatte. Es würde eines der vielen gut gehüteten Geheimnisse dieser Stadt bleiben.

 

Regil und Dozer würden sich jetzt um die Stromversorgung der Stadt kümmern. Vielleicht würde er ihnen eines Tages die Wahrheit sagen. Doch ganz sicher nicht heute.

 

Er brachte die Urne an ihren Platz und schloss den Grabstein über ihr. Das Grab lag zu Füßen einer weiß schimmernden Statue, ein Engel, oder eine Göttin, so genau konnte man das nicht sagen. Sie trug ein wehendes Kleid und ein zickzackförmiger Scheitel teilte ihr schulterlanges Haar. Ihre Hände hielten eine Kerze, welche sanft im Dunkeln leuchtete und ihr mädchenhaftes Gesicht erhellte...

 

Cleveland, Friedhof

Eine kühle Brise strich über den Kieselboden, über die Grashalme und die Blumen. Die Vögel sangen ihre eigene Morgenmelodie, als sich Faith dem Grabstein näherte. Langsam. Zurückhaltend. Sie trug einen schwarzen, körperbetonten Filzmantel. Die Wunden des Kampfes waren so gut wie verschwunden, ihre Haare wirbelten leicht durch die Luft als sie vor dem frischen Grab stehen blieb und für einige Augenblicke innehielt.

 

Ihre Augen füllten sich zaghaft mit Tränen, als sie ihre Hand hob und sie sanft auf Ronahs Schulter legte. Diese sah vom Grab auf, zuerst zu Faith und dann zu Cliff, der schräg hinter ihr stand, da er ihren Rollstuhl geschoben hatte. Sie nickte ihm zu, reichte daraufhin den Strauß roter Rosen, der auf ihrem Schoß lag, an Faith weiter und sah den beiden zu, wie Faith die Blumen auf die dunkle Erde legte und Cliff mit ruhiger Hand die Grabkerze anzündete und sie neben den Strauß stellte.

 

Dann standen sie einige Minuten nur vor dem Grab und blickten traurig in die Ferne. In die Vergangenheit. Zu Robin. Zu Vi. Es war eine schöne Zeit gewesen, doch alles musste einmal enden – und so war es auch mit ihrer kleinen Familie gewesen.

 

Der Wind wurde stärker, fuhr den Frauen in das Haar und wirbelte es vor ihren Gesichtern herum. Die Vögel wurden aufgeschreckt, verstummten und flogen davon. Faith schloss die Augen, trat einen Schritt nach vorne und ließ ihre Finger langsam, einfühlsam, über den Stein gleiten.

 

„Robin Wood…“, flüsterte sie und spürte dabei, wie ihr die Tränen langsam über die Wangen liefen. Sie wehrte sich nicht. Sie ließ es zu. Es war Zeit dafür. Endlich.

 

Sie öffnete die Augen, hob ihre Hand und fuhr langsam über ihren Bauch. Einfühlsam. Voller Liebe.

 

„… die Zeit, die du mir geschenkt hast… sie war die schönste meines Lebens… und ich werde für ewig einen Platz in meinem Herzen nur für dich reservieren…“ Faith holte Luft, drehte sich kurz um und lächelte Ronah liebevoll zu, die traurig Cliffs Hand drückte und voller Ehrfurcht die ältere Jägerin beobachtete.

 

„… ich bin nicht alleine. In keiner Hinsicht. Ich liebe dich. Und ich werde leben. Für dich. Für mich…“ Faith lächelte, fuhr noch einmal sanft über ihren Bauch und sah dann in den Horizont, in dem gerade der schönste Sonnenaufgang vonstatten ging, den sie jemals gesehen hatte.

 

„... für uns!“

 

Flughafen

Buffy fühlte sich im Gewirr der Menschen irgendwie fehl am Platz. Um sie – und ihren schweigsamen Begleiter herum – schien sich ganz Cleveland versammelt zu haben.

Der Flughafen war zwar noch im Wiederaufbau begriffen, aber dennoch hatte man sich beinahe krampfhaft bemüht, den Flugverkehr so schnell wie möglich wieder aufzunehmen.

Normalität einkehren lassen... und alles andere vergessen.

Ja, auch in Cleveland funktionierte der Verdrängungsmechanismus äußerst gut.

 

Sie ließ ihren Blick wieder zurück zum Unsterblichen wandern. Er betrachtete die Menge mit kaum verhohlenem Desinteresse – was wohl auch damit zu tun hatte, dass die meisten Menschen automatisch um ihn einen Bogen machten.

Sie wollte nicht einmal wissen, weshalb.

 

„Das war’s wohl“, sagte er schließlich, als das Schweigen begann peinlich zu werden.

 

Buffy sah ihn kurz an. Was genau meinte er? Den Kampf... oder das, was sich zwischen ihnen beiden abgespielt hatte?

 

Zerknirscht gab sie zu, dass beides passen würde. Sein unangekündigtes Auftauchen, seine Unwilligkeit zu helfen... das hatte einen Keil zwischen sie getrieben.

Oder hat es mich nur daran erinnert, dass wir in zwei völlig verschiedenen Welten leben?’, fragte sie sich.

 

„Nun, es ist gut zu wissen, dass man sich schnell erholt hat“, sagte er nach einer Minute weiterem Schweigens.

 

„Ja. Wiederaufbau hat schon in Sunnydale gut funktioniert... bis auf das eine Mal...“ Ihre Stimme wurde leiser, als ihre Blicke sich erneut trafen und seine Augen ihre gefangen hielt.

 

Sie konnte in darin noch immer die Leidenschaft sehen, die sie so an ihm fasziniert hatte... aber da war auch eine Aufforderung verborgen.

Sie sollte ehrlich sein.

 

„Weißt du...“, begann sie, zögerte dann aber. ‚Weißt du, ich glaub’ das wird nichts mit uns’... das klang irgendwie total bescheuert. Und nebenbei ziemlich abgegriffen. „Ich denke...“, begann sie erneut, zögerte wieder und sah ihn an. Er erwiderte ihren Blick, ohne den geringsten Hauch von Ungeduld.

 

‚Buffy, reiß dich zusammen, sonst stehst du nächstes Jahr noch hier’, fuhr sie sich selbst an, bevor sie Atem holte. „Ich glaube, das geht so nicht. Du lebst in Rom, ich hier... und ich habe meine Verpflichtungen und du deine... und...“

 

Er lächelte sanft. „Ich weiß“, sagte er dann, „ich wusste es schon, als wir begannen. Du weißt noch so wenig von diesen Dingen... sonst hättest du gewusst, dass es zwischen uns nie mehr sein kann als ein paar Treffen, die eine oder andere Nacht zusammen... und dann wieder ein Abschied. Unsere... Beziehung ist nicht dauerhafter Natur.“

 

Buffy atmete erleichtert auf. Hatte er sie doch noch vom Haken gelassen...

 

Seine Augen blitzten belustigt. Er hatte wohl wieder einmal ihre Gedanken erraten.

 

„Dann ist das wohl erst einmal der letzte Abschied...“, sagte sie leicht betrübt, aber nicht wirklich enttäuscht. Auch wenn man die Wahrheit kannte, bequemer wurde sie dadurch nicht.

 

Auf seine Reaktion war sie allerdings nicht gefasst. Plötzlich packte er sie, hob sie leicht an... und küsste sie leidenschaftlicher, als er es jemals vorher getan hatte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern und während um sie herum die Hektik des Flughafens wirkte, kam es Buffy so vor, als wäre die Zeit zwischen ihnen stehen geblieben... dann war es auf einmal vorbei.

 

„Vielleicht... aber trotzdem seid Ihr jederzeit in Rom willkommen, Mylady“, wisperte er.

 

Plötzlich, ohne ein weiteres Wort, wirbelte er herum... und schien in die Menge einzutauchen, regelrecht mit ihr zu verschwimmen. Noch ehe Buffy wirklich wusste, was geschah, war er verschwunden.

 

Sie stand noch ein paar Minuten dort und starrte zwischen die Menschen, ehe sie sich endlich losreißen konnte, um den Flugplatz zu verlassen.

 

Irgendwo vom Gelände stieg ein Schwarm pechschwarzer Krähen auf. Ein aufmerksamer Beobachter hätte das leicht bedauernde Flackern in ihren Augen wirklich seltsam gefunden...

 

Xanders Apartment

Xander tauchte den feinen Pinsel in den Spezialkleber und bestrich vorsichtig ein Stückchen grünes Plastik, welches vor ihm auf der Zeitung lag. Er legte den Pinsel beiseite und griff nach einer Pinzette, um es sorgfältig aufzuheben und millimetergenau an seinen Platz setzen.

 

Danach kam das nächste Stück Dinosaurier. Und das nächste.

 

Er wusste nicht, wie lange er schon arbeitete, er hatte jedes Gefühl für Zeit verloren. Es waren so viele Einzelteile, allein sie zu sortieren hatte Stunden gedauert und bei manchen war er sich immer noch nicht sicher, wohin sie gehörten. Wie viel einfacher war es da gewesen, sie aus den verschiedenen Cornflakespackungen zusammenzusuchen?

 

Bilder schossen durch seinen Kopf, wie sie stapelweise Kartons aufrissen, um nach den neuesten Teilen zu fahnden, immer auf der Suche nach dem nächsten noch fehlenden Stückchen Dinosaurier.

 

Der Kopf des Dinos lag schräg vor ihm und blickte ihn aus kleinen schwarzen Plastikaugen an. Wie machen das die Hersteller eigentlich, dass, egal aus welcher Perspektive man etwas anschaut, man immer das Gefühl hat, angesehen zu werden?

 

Er war wirklich weg… wirklich weg…

 

Das Klingeln der Türglocke riss ihn aus seinen Gedanken, er schrak hoch und schlurfte hinaus in den Flur, um die Gegensprechanlage zu betätigen. „Ja?“

 

Keine Antwort. Einen Moment lang stellte er sich vor, Andrew wäre nach Hause gekommen, doch er verwarf den Gedanken sofort. Es war albern, sich so etwas auszumalen. Wenn er sich schon etwas ausmalen wollte, dann doch lieber wie Andrew sich mit Anya um ein nicht-existentes Fernsehprogramm stritt.

 

„Hallo?“ Xander fragte ein weiteres Mal in die Gegensprachanlage, doch es kam keine Antwort. Verwirrt und enttäuscht drehte er sich um, steuerte wieder den Dinosaurier an und stoppte plötzlich, als es an der Tür klopfte. Einmal. Zweimal, nun fester.

 

Xander machte am Absatz kehrt und sah die Tür unsicher an. Es konnte doch nicht wirklich…? Bevor er den Gedanke zu Ende führen konnte, trat er nach vorne und öffnete sie mit einem Ruck. Überrascht weiteten sich seine Augen.

 

„Eve?“ Xander blickte seine blonde Ex-Freundin erstaunt an. Was machte sie hier? Wie war sie eigentlich hier herauf gekommen?

 

„Xander…“ Sie sah im tief in die Augen, trat nach vorne, hob ihre linke Hand und strich ihm sanft über sein Gesicht.

 

„Xander... es tut mir so leid, ich habe mich geirrt. Mit allem. Ich bin ein solcher Dummkopf…“ Eve wandte ihren Blick dem Boden zu, schluchzte und eine einsame Träne wanderte über ihre Wange.

 

Xander hob nun seine Hand, berührte sanft ihr Kinn und hob den Kopf leicht an. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, küsste er sie leidenschaftlich.

 

„Was ist passiert?“, fragte er sie, nachdem sie sich geküsst und die Tür geschlossen hatten.

 

„Das ist nicht so wichtig… Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen…“, sagte Eve, wich dabei seinem Blick aus und rieb sich unbewusst die linke Hand. „Was hast du gerade gemacht?“

 

Ähm... na ja... ich wollte den Dinosaurier... den ich mit Andrew gebaut hatte... wieder fertig stellen. Aber es kann warten…“ Xander lächelte sie sanft an. Er wusste nicht, warum Eve so plötzlich ihre Meinung geändert hatte, doch es war ihm im Augenblick auch ziemlich egal. Sie war da, das war das Wichtigste.

 

„Nein, es kann nicht warten… komm, ich helfe dir!“ Eve trat zu dem Dino, fasste zwei Teile und steckte sie zusammen. Xander trat hinter sie, liebkoste sie noch einmal kurz am Nacken und setzte dann ebenfalls seine Arbeit an dem Modell fort. Für sich. Für Andrew.

 

Straßen Clevelands

Dawn trat in die Pedale ihres Kurierrades, als wäre ein wild gewordener Dämon hinter ihr her, während die Sonne schon gefährlich tief am Himmel stand. Ein Auto hupte ihr wild nach, als sie aus einer Seitenstraße auftauchte und sich einfach zwischen den Autos hindurchzwängte, um auf der gegenüberliegenden Seite erneut in eine kleine Gasse einzubiegen. Das Haar hing ihr feucht und vom Fahrtwind zerzaust im Gesicht, die schwere Kuriertasche zog an ihren Schultern, aber sie ließ sich davon nicht beirren...

 

Keuchend trat sie in die Bremse, als sie ihr Ziel – ein Lagerhaus – endlich erreichte und kam nur knapp einen Millimeter vor einem Paar weißen Turnschuhen zum Halten.

 

„Jägerin hin oder her... ich habe gewonnen“, grinste Shin, der gegen sein Fahrrad gelehnt lässig vor der Lagerhalle stand und nicht einmal mit der Wimper gezuckt hatte, als Dawn so knapp vor ihm zum Stehen gekommen war.

 

„Du hast bestimmt geschummelt“, lachte Dawn außer Atem.

 

„Nee, nee... Wette ist Wette. Das Eis bezahlst du nach der letzten Lieferung.“

 

Dawn, inzwischen abgestiegen, lachte und legte ihren Arm um Shin. „Ich will mich ja gar nicht beschweren. Vorgestern hast du bezahlen müssen, und gestern, und .....“

 

„Schon gut, schon gut“, grinste Shin. „Ich weiß ja, dass du aus Mitleid heute mal mit Absicht verloren hast.“

 

Lachend betraten sie gemeinsam die Halle, um ihre Lieferung abzugeben und für beide war die Welt so, wie sie immer war. Nur für Dawn war sie ein wenig heller und bunter geworden...

 

Giles’ Wohnung

Giles stand in seinem Schlafzimmer und ließ gerade die Schlösser seines alten Koffers zuschnappen. Im Türrahmen lehnte Buffy und beobachtete ihn stumm. Als er sich aufrichtete, geschah es langsam und ebenso ohne Eile drehte er sich zu Buffy herum, deren ernster Gesichtsausdruck einem Lächeln Platz machte.

 

„Den nehme ich“, sagte sie und trug den fertigen Koffer raus ins Wohnzimmer.

Dort herrschte ein heilloses Durcheinander. Gepackte Koffer standen zwischen halbausgeräumten Kartons und achtlos beiseite geworfenem Wickelpapier. Willow stand in der Küche und räumte Geschirr ein, während Dawn Bücher in die leeren Regale stellte.

 

„War das der letzte?“, fragte die Hexe mit einem raschen Blick auf den Koffer. Buffy nickte und drehte sich zum Flur, aus dem Giles auftauchte.

 

„So... das war es dann fürs erste“, meinte der Brite mit etwas Bedauern in der Stimme und nahm seine Brille ab.

 

„Ich find’s klasse, dass Buffy und Dawn hier wohnen können“, meinte Willow, um das bedrückende Thema „Abreise“ schnell zu umgehen. „Es ändert sich dadurch fast nichts.“

 

„Und ich erst“, seufzte Buffy. „Spart uns sehr viel Geld.“

 

„Ich denke, meine Vertretung hier sollte auch angemessen wohnen“, schmunzelte Giles und sah auf die Uhr. Buffy hatte so oder so genug Sorgen, da musste sie nicht auch noch ständig an ein leeres Bankkonto denken müssen. „Xander sollte jetzt langsam auftauchen, damit mein Gepäck rechtzeitig verschifft werden kann.“

 

„Er wird schon kommen.“ Buffy warf sich auf das Sofa, das ab sofort ihres sein würde.

 

„Keine Bange, sie kommen schon noch schnell genug von hier weg. Und wenn wir sie hier mal brauchen... wir haben ein Gästezimmer“, meinte Dawn vom Regal aus.

 

„So lange ich nicht wieder in pinkfarbiger Mädchenwäsche schlafen muss...“, grinste Giles und Buffy lachte zurück.

 

„Ich denke, wir haben soweit alles geklärt, Buffy. Du und Xander vertretet hier den Rat mit Kennedys und Dawns Hilfe. Und sobald es Probleme geben sollte... ruft an. Ich sitze sofort im nächsten Flieger. London wird sicher auch mal einige Wochen ohne mich klarkommen.“ Sein Stolz über die Wendung im Rat war jedoch sehr deutlich in seiner Stimme zu hören.

 

„Aber sicher...“, nickte Buffy, nicht ganz frei von einer Spur Traurigkeit. Es war nicht das erste Mal, dass sie diese Abschiedsszene hatten, doch dieses Mal hatte sie etwas Endgültiges. Sie würden hier alleine den Höllenschlund managen und Giles hatte wieder seinen alten Vorstandssitz im Rat, dessen Aufbau endlich weiter gehen konnte und das ganz nach Giles’ Vorstellungen. Auch wenn es sicher nicht einfach werden würde. Für sie alle...

 

Schritte auf der Treppe waren zu hören und Buffy schnappte sich zwei Koffer um Xander entgegen zu gehen...

 

Kennedys Wohnung

Lächelnd fuhr Willow mit der Hand über das schmale Regal, drehte sich dann zu dem Karton um, der hinter ihr stand und begann schlussendlich damit die Bücher einzuordnen. Es war schon komisch, wie lange sie diesen Umzug aufgeschoben hatte. In den letzten Wochen war ihr angesichts der drohenden Apokalypse einfach keine Zeit dafür geblieben, ihr Zimmer am Campus leer zu räumen – ein Versäumnis, das sie nun schnellstens nachholen wollte.

 

„Und du bist dir sicher, dass du mit den Möbeln leben kannst? Wir können uns auch neue besorgen…“ Lachend trat Kennedy näher und stellte den letzten Karton auf den Boden.

 

Willow drehte sich um, legte das Buch, welches sie gerade in der Hand hatte, beiseite, streckte ihre Arme aus und zog Kennedy an sich heran.

 

„Solange du da bist, ist mir der Rest eigentlich ziemlich egal!“ Willow lächelte, küsste Kennedy sanft und fuhr ihr zärtlich durchs Haar.

 

„Was hat es nun eigentlich genau mit dieser Rose auf sich?“, fragte die Jägerin plötzlich, löste sich aus der Umarmung ihrer Freundin und trat an eine kleine Vase heran, die am Fenster stand. „Du hast mir zwar erzählt, was du in dieser Zwischenwelt erlebt hast, aber so ganz verstehe ich das alles nicht. War das wirklich real? Das Dorf. Die Hüterinnen. Und…“

 

„Tara?“, beendete die Rothaarige Kennedys Satz, der ihr allem Anschein nach nicht so leicht über die Lippen gehen wollte.

 

Die andere nickte. „Ich meine, müsste sie nicht schon längst verblüht sein? Es ist ja nun schon einige Zeit her, dass du im Krankenhaus warst…“ Fragend drehte sie sich zu Willow um.

 

Diese blickte ihr daraufhin einen Moment lang tief in die Augen, ehe sie mit einem vertrauensvollen Lächeln antwortete. „Diese Rose…“, begann sie langsam, „ist eine Erinnerung an eine wundervolle Person und die Zeit, die ich mit ihr verbringen durfte. Eine Zeit, die ich wohl nie vergessen werde…“

 

Willow unterbrach sich kurz, als sie Kennedys nun besorgt wirkendes Gesicht erblickte, ging auf sie zu und umfasste sanft ihr Hände, ehe sie weiter sprach.

 

„Ebenso ist sie aber auch ein Abschied, verstehst du? Es geht nicht darum, ob diese Erlebnisse real waren oder nicht. Das Wichtige ist, dass ich die Chance hatte, endgültig mit dem Vergangenen abzuschließen, um mich der Zukunft voll und ganz zuwenden zu können.“

 

Dieses Mal war es Kennedy, die ihre Hände aus Willows Griff löste und sie daraufhin um so inniger umarmte. „Heißt das etwa, ICH bin deine Zukunft?“, flüsterte sie leise in das Ohr ihrer Geliebten und grinste dabei leicht.

 

„WIR sind Zukunft“, antwortete diese mit einem warmen Lächeln, gefolgt von einem langen, liebevollen Kuss.

 

„Aber jetzt komm, wir müssen endlich meine Sachen verstauen“, sagte Willow, drehte sich wieder zu den Büchern und stellte drei Weitere ins Regal. Im nächsten Moment spürte sie nur noch, wie ein Stich blitzartig in ihren Kopf fuhr.

 

Sie ließ die Bücher zu Boden fallen und ihre Füße gaben nach. Sie hob ihre Hände an den Kopf und musste einen Schrei unterdrücken.

 

„WILLOW?“ Kennedy rannte näher, bückte sich und sah ihre Freundin besorgt an. „Schatz, was ist los?“

 

Willow ließ den kurzen Schmerz zu. Er war schon weniger geworden. Und bald würde er verschwinden, dessen war sie sich sicher.

 

„Gib mir sofort einen Stift!“ Kennedy wusste was los war, stand auf und brachte ihrer Freundin so schnell wie möglich einen Block und einen Schreiber.

 

Willow kritzelte einen Namen und eine Adresse auf das leere Blatt und als der Schmerz wieder verschwunden war, blickte sie mit einer Mischung aus Erleichterung und Besorgnis zu Kennedy.

 

„Eine Jägerin braucht unsere Hilfe. Ruf sofort Buffy an...“

 

Mexiko

Die Sonne von Mexiko schien ein wenig heißer, heller und greller auf die Touristen in dem kleinen Café herunter – einfach weil Urlaub war und den genoss man gewöhnlich ganz anders als den Alltag. Viel Sonne gehörte dazu, auch wenn sie einen leiden ließ. Mit Sonnenhüten, Caps und Sonnebrillen geschützt genossen die Gäste kühle Drinks und leichte Salate.

 

Inmitten der bunt aus allen Ländern gewürfelten Gäste saß Lily alleine an einem runden Tischchen, auf dem ein Laptop stand. Der Strohhut warf einen Schatten in ihr gebräuntes Gesicht, während sie langsam an einer Caipirinah nippte und das Handy von ihrem Ohr nahm, um ein Telefonat mit George zu beenden.

 

Sie lehnte sich entspannt zurück, während sich dem Café ein Mann in einem hellen Sommeranzug näherte. Sein Gesicht wurde von einer dunklen Sonnebrille verborgen, in seiner rechten Hand trug er einen Aktenkoffer mit sich und spähte über die Köpfe der Gäste hinweg.

 

Lily entdeckte ihn, winkte und machte etwas Platz auf dem Tisch.

 

„Ms. Usher?“

 

Sie nickte ihm mit einem Lächeln zu und bot ihm den leeren Platz an. Er setzte sich, nahm die Sonnenbrille ab, um ein jugendliches, sonnengebräuntes Gesicht zu offenbaren.

„Ms. Usher, ich darf Ihnen die freudige Mitteilung machen, dass Mr. Lenhardt kein Problem mehr sein dürfte. Und hier“, er schob ihr den Aktenkoffer unter dem Tisch mit dem Fuß zu. „Hier drinnen finden Sie Berichte aller Ereignisse, seit ihres Abtauchens. Auch die Berichte über Mr. Giles und seiner kleinen Bande in Cleveland. Den neuen Zusammenkunftsort des Inneren Kreises, sowie die Termine aller Treffen. Und nicht zu vergessen... ihre Päckchen.“

 

„Wunderbar!“ Auf Lilys Gesicht machte sich endgültige Entspannung breit. Sie bückte sich, hob den Koffer auf den Tisch hoch und öffnete ihn. Sie ließ die Schlösser aufschnappen und warf einen kurzen Blick ins Innere. Für einen Moment brach sich ein Sonnenstrahl auf silber farbiges und rot farbiges Metal. Endlich gehörte die Sense ihr und dem Inneren Kreis.


Sie schloss den Koffer wieder, nickte dem Mann zu und lehnte sich zurück. Es gehörte einfach mehr dazu, um eine Usher daran zu hindern, das zu bekommen was sie wollte. Und nicht mehr lange... und sie würde mächtiger und stärker zurückkehren. Mit einigen Überraschungen...


Wächterzentrale, Cleveland
Einige Wochen später

Buffy trat leise in den Konferenzraum ein und sah sich in dem abgedunkelten Zimmer um. Es roch nach Giles' alten Büchern, die er ihnen da gelassen hatte und wenn sie sich ganz stark darauf konzentrierte, konnte sie noch einen zarten Hauch seiner Teesorte in der Luft wahrnehmen. Aber das konnte auch die bloße Einbildung auf Grund von Sehnsucht sein.

 

Staub tanzte in einem schmalen Lichtstreifen der untergehenden Sonne, der zwischen einem der Vorhänge in das Zimmer fiel und Buffy machte ein paar Schritte weiter in den Raum hinein.

 

Sie fühlte sich ihrer Aufgabe nicht wirklich gewachsen, aber gleichzeitig war sie auch ungemein stolz, dass ihr Giles zutraute, ihn hier zu vertreten. Es war etwas das sie konnte, etwas mit dem sie ihr Geld verdienen wollte. Etwas, das sich richtig anfühlte. Es war ein Zeichen ihrer sich fortentwickelten Beziehung zwischen Mentor und Schülerin.
Jetzt wo jeder seinen Platz in dieser neuen Welt der Jägerinnen und Wächter gefunden hatte, tat es ihr ungemein gut, dass sie ihren endlich gefunden zu haben schien.

 

Ein Geräusch schreckte sie aus ihren Gedanken auf und sie ging an das Fenster, zog den Vorhang etwas zurück und erstarrte. Dawn und Ronah prügelten sich mit drei Vampiren.

,Verdammter Höllenschlund’‚ seufzte Buffy in Gedanken auf. Seit seiner Aktivierung waren sie bei Sonnenuntergang nicht mehr ganz so sicher wie die Monate zuvor. Zudem fühlten sich die Vampire von der geballten Jägerinnen-Power in der Zentrale wie magisch angezogen.

 

Buffy rannte zum Waffenschrank, riss ihn auf und suchte nach einer Waffe. Plötzlich ergriff ihre Hand einen vertrauten, kühlen Gegenstand aus Holz. Sie zog ihn mit einem breiten Lächeln heraus und starrte auf Van Helsing herunter.

 

Eilig rannte sie mit der Waffe in der Faust ins Freie, wo Dawn und Ronah versuchten den letzten Vampir, wie Buffy erstaunt feststellen musste, aus den ersten langen Schatten in das letzte Tageslicht zu drängen. 

 

„Hey!“ Eine Hand griff nach ihrer Schulter und bremste sie unsanft aus. Buffy wandte ihren Kopf und sah Faith erstaunt aber auch zornig an. „Nur ruhig Blut, B. Die beiden schaffen das auch ohne uns.“

 

Buffy musste gestehen, dass Faith recht hatte. Sie konnte in Bezug auf Dawn einfach noch immer nicht loslassen. Trotzdem blieb sie neben Faith stehen und sah zu, wie Ronah dem Vampir die Füße mit einem Fußfeger unter dem Körper wegriss und Dawn auf seine Brust sprang, um ihn mit einem Pflock zu pfählen.

 

Grinsend standen die beiden auf, klopften sich die Asche aus den Kleidern und kamen zu Faith und Buffy geschlendert.

 

„Na hat euch die Vorstellung gefallen?“, grinste Ronah.

 

„Nicht schlecht“, sagte Faith gespielt lässig, dann lächelte sie Ronah anerkennend zu. „Ihr seid ein tolles Team. Fast wie wir damals, was B.?“

 

Buffy spielte mit Van Helsing und machte ein nachdenkliches Gesicht. Dann sah sie Dawn vor sich an und nickte langsam bei Faith' Worten. „Ja“, sagte sie gedehnt und hielt Dawn dann plötzlich den Pflock entgegen.

 

Ja... jeder hatte in ihrer neuen Welt einen Platz gefunden. Sie hatte begriffen loszulassen, das alte Leben hinter sich zu lassen, neue Aufgaben wahrzunehmen. Ihre Berufung zu akzeptieren war der erste Schritt gewesen, den sie mit 16 hatte machen müssen. Diese Berufung abzugeben war der letzte in einer langen Reihe von Schritten gewesen, doch es fühlte sich richtig an.

 

„Nimm ihn“, sagte sie schließlich als Dawn sie fassungslos anstarrte. „Du wirst ihn auf Patrouille besser gebrauchen können als ich hier beim Verwaltungskram.“ Sie grinste schräg und war erleichtert, als ihre Schwester endlich danach griff, sie dankbar anstrahlte und schließlich in die Arme nahm.

 

Eine neue Welt, die doch die alte geblieben war - Dämonen, Vampire, Monster, Höllenschlund, Wächter und Jägerinnen... sie würden weiter dafür kämpfen, dass diese Welt sich weiterdrehte und sicherer wurde. Auch wenn nie ein Normalsterblicher ihnen dafür ein Dankeschön aussprechen würde.

 

Lachend und gelöst betraten die vier Jägerinnen die Zentrale und schlossen hinter sich die Tür...

 

 

ENDE

Das gesamte Team von Projekt 8 bedankt sich hiermit bei allen

geduldigen (sorry) Lesern und würde sich über reichlich Feedback freuen.