8. Staffel, Folge 6
„The Best of Both Worlds“
von Yamato

mit unterstürtzung von:
Mel, Souly, Stefan, HopelezZ, Nightfever, Cthulhu


Länge: ca. 77 Seiten
Autor: Yamato
Co-Autoren: Mel, Souly, Stefan, HopelezZ, Nightfever, Cthulhu
Bilderstellung: Chris (buffy-online) ; Portraits (hexenart.de)
Song: ”Temples of Gold” by Kamelot, ”Karma”,Sanctuary Records, 2001

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch buffy-online.com als auch slayerzone.de, slayerworld.info, virtuelleserienonline.de sowie weiteren Partnern.

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.


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Reiseleiter (Voice Over): “Einer kam über sie, und alles was nach der Sintflut zurück blieb, war reine Erde.“ - 8.01

Giles (V.O.): Bisher bei Buffy:

Faith vor einem Dorf, als plötzlich eine Feuersäule aus der Erde schießt. Reiter brechen daraus hervor - 8.03
Die vier Reiter galoppieren auf Buffy zu, und verschwinden im nächsten Moment in gleißendem Licht. - 8.01
Lily (V.O. über letzte Szene): "Die Welt ist voller Jägerinnen. Das Gleichgewicht hat sich verschoben." - 8.01
Buffy's Auseinandersetzung mit Giles: "Wir haben kein Jägerin und Wächter Verhältnis mehr. Ich weiß nicht einmal mehr, wie weit es noch das einer Freundschaft ist, oder mehr das einer Verpflichtung.“ - 8.04

Xander: "Oh... die Schiffbar am Hafen" - 8.01
Mo, der dämonische Informant, begrüßt Kennedy und Xander in der Bar: "Gefunden, Kenny!" - 8.01
Buffy spürt die leichte Rivalität zwischen sich und Kennedy : "Hey.. ich dachte die Bar wäre freie Zone?“ - 8.02
Willow schiebt Kennedy sanft von sich weg: "Ich kann nicht. Giles und ich sind verabredet. Wir haben noch einige Dinge wegen dem Rat zu besprechen....Ken, ich meine es ernst!“ - 8.04

Dawn pfählt einen Vampir in einer dunklen Gasse in London - 8.01
Willow spricht mit Dawn in der Ratszentrale: "..vergiss nicht... ich kann euch alle fühlen.“ - 8.01
Buffy ist zu beschäftigt, um Dawn zuzuhören und wert sie ab: "Das freut mich für dich, Dawn.“ - 8.04
Dawn packt ihre Sachen zusammen: "Ich habe gesehen, was aus Buffy wurde. Ich möchte so nicht werden. Will.. ich möchte einfach nur auf die Highschool gehen, Spaß haben, einen normalen Freund bekommen..“ - 8.02

Ein schlaksiger Junge mit gepiercter Augenbraue spricht Dawn an: "Oh, ich bin Sam...das sind übrigens Mara und Josh." - 8.04
Carl Trust macht Dawn mit einem jungen Asiaten bekannt: "Das ist Shin. Dein Teampartner." - 8.04
Andrew kuschelt sich an Dawn: "Willst du mein Mond sein?" - 8.03
Leroy hilft Dawn, die verstreuten Schulhefte einzusammeln: "Das schließt dann wohl mich und meinen Freund Marvin ein....Übrigens, ich bin Leroy." - 8.04

Ein Schlüsselanhänger pendelt zwischen Andrew's Fingern. Er hält ihn hoch, um ihn Dawn zu zeigen - 8.02
Andrew spricht mit Dawn über Warren: "Glaubst du wirklich, er hat mir nur was vorgemacht?" - 8.03
Vor dem Metzgerladen trifft Andrew auf Willow: "Du hast meinen besten Freund getötet. Wir sind quitt!" - 7.09
Andrew sitzt vor der Kerzenflamme auf dem Balkon: "Es ist sowieso alles nicht richtig. Anya sollte den Dino mit Xander bauen. Nicht ich!" - 8.05

Dawn dreht sich zu Sam, Mara und Josh um: "Uhm...wie ist das eigentlich mit dem Hallowe’en Ball, wollt ihr..?" Andrew's Kopf mitsamt schwarzer Kapuze taucht im Türrahmen auf: "Ball?" - 8.05


Teaser


Cleveland, Supermarkt
Die dämonische Fratze näherte sich Buffy Stück für Stück, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben. Rotglühende Augen klafften überdimensional aus dem zernarbten Gesicht, die Hände zu Klauen gekrümmt, bereit sich jederzeit um den Hals der Jägerin zu legen, welche immer noch ahnungslos vor einem Regal mit Cornflakes stand und rätselnd ihre Augen über das reichhaltige Angebot fliegen ließ.

„Dawn? Die mit Früchten, oder mit Zimt?“ Ohne sich umzudrehen und die drohende Gefahr zu bemerken, zog Buffy eine der Schachteln aus den sorgfältig gestapelten Packungen, um dessen Inhalt zu studieren.

„Schooookkkoooolaaaade,“ heulte es unheilvoll hinter ihr auf und erst jetzt drehte sich die Jägerin misstrauisch um.

„Davon haben wir noch genug,“ lächelte sie ihre Schwester an und diese zog mit einem Griff die Maske von ihrem Gesicht.

„Ist die nicht cool? Da drüben ist ein ganzer Tisch mit solchen Masken. Sollten wir nicht auch einen Kürbis mitnehmen? Mom hat uns immer einen Kürbis geschnitzt, weißt du noch? Wir haben noch gar keine Deko für Hallowe’en, wie wäre es mit solchen Fledermäusen?“ Ihr Finger zeigte an die aufgereihten Gummitiere an der Decke des Einkaufcenters, die dort zusammen mit Kürbissen und kleinen Gespenstern im sanften Hauch der Klimaanlage schaukelten.

„Wir sollten noch Süßigkeiten für die Kinder besorgen,“ lenkte Buffy gekonnt ab, denn ihr Sinn stand nicht nach albernen Hallowe’en-Dekorationen.

Die ganze Stadt war voll gestopft mit Geistern, Monstern, Fledermäusen und sogar vor dem Laden war ein überdimensionaler Kürbis aufgebaut, dessen grinsendes, einzahniges Gesicht ständig Musik von sich gab, unterbrochen von den ‚phänomenalen Sonderangeboten der Woche’ , die eine quäkende Lautsprecherstimme in regelmäßigen Abständen von sich gab.

Geschickt manövrierte der Teenager den Einkaufswagen in die nächste Obst und Gemüseabteilung, wo auf einer gigantischen Fläche Kürbisse in allen Größen, Formen und Farben auf ihre neuen Besitzer warteten.

„Sei kein Spielverderber,“ lächelte Dawn ihrer Schwester zu, die angewidert ihr Gesicht verzogen hatte und entsetzt feststellte, dass ihre kleine Schwester bereits versuchte ein riesiges, orangefarbiges Exemplar in den Metallwagen zu hieven.

„Vorsicht, die Eier!“ Mahnte sie erschrocken an und nahm dem Mädchen das gigantische Gemüse ab um es wieder auf seinen angestammten Platz zu legen.

„Kann ich helfen?“ Der Verkäufer im stilgerechten Geisterkostüm hatte sich vor den Beiden aufgebaut, die immer noch um das Gewächs stritten. Nur ein Namensschild mit dem Logo des Einkaufscenters wies daraufhin, dass es sich um einen Angestellten handelte, der da unter dem Bettlaken seine Hilfe anbot.

„Ich denke wir nehmen einen Kleineren.“ Beeilte sich die Jägerin zu versichern, drückte dem überraschten Mann das mehrere Kilo schwere Exemplar in die Arme, worauf dieser in die Knie ging und schob den Wagen eilig um die nächste Kurve.

„Wenn ich an die letzten Hallowe’en denke, dann reicht es mir mit Gruseln, das muss ich nicht noch mit der passenden Dekoration untermalen.“ Schimpfte Buffy energisch, ohne zu sehen wie Dawn hinter ihr mit den Augen rollte und sie lautlos nachäffte.

„Was meinst du? Die Geschichte mit den Kostümen? Wo ihr alle plötzlich in genau das verwandelt wurdet in was ihr euch verkleidet hattet? Oder wo dieser Angstdämon alles im Griff hatte und…“

„Erinnere mich nicht daran,“ unterbrach Buffy ihre Schwester. „Meine Schuhe waren danach hinüber, die Reste von dem hab ich nicht abbekommen. Außerdem fallen mir zu Hallowe’en eher gewisse junge Mädchen ein, die sich mit Vampiren herumtreiben.“ Flachste die Jägerin zu dem Teenager herüber, der peinlich berührt, es besser vorzog diese Erinnerungen nicht noch mit der passenden Dekoration zu unterstützen und den Gedanken daran endgültig aufgab.

„Meinst du es bleibt hier ruhig?“, brach sie nach einer kleinen Weile das Schweigen und packte zusammen mit Buffy die Waren auf das Förderband der Kasse, wo eine kostümierte Kassiererin die Produkte über einen Scanner zog.

Buffy seufzte nur und zuckte mit den Schultern. „Es finden sich immer Dämonen die sich nicht an die Hallowe’en-Ruhe halten.“

++++

Barker Cooperation Gebäude
Tiefgarage, abends

Ein leises ‚Pling’ und das sanfte Surren der Aufzugtüren scheuchte Michael Voorhees aus seinen Gedanken und ließ ihn vorsichtig hinaustreten in die spärlich beleuchteten Gewölbe der Tiefgarage. Es war schon spät und nur noch einzelne Fahrzeuge warteten hier unten auf ihre Besitzer, so dass die unheimliche Atmosphäre dem Angestellten einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Fest an seine lederne Aktentasche geklammert führten ihn seine Schritte zielsicher zu seinem kleinen, alten Ford und das schnelle Klappern seiner Absätze warf ein unheimliches Echo durch den Keller, so dass er sich nervös umsah.

Daher bemerkte er auch nicht die beiden jungen Männer in Jeans und Lederjacken, die im Schutz eines Betonpfeilers unmittelbar neben seinem Auto auf ihn warteten und sich hämisch angrinsten als sie dem älteren, kleinen Mann zusahen, wie er hastig in der Manteltasche nach seinem Schlüssel fingerte.

„Überstunden gemacht?“ Aus dem sicheren Schatten des Trägers getreten, schnippte der Größere, Kräftigere der Wartenden seine Zigarette auf den Boden und sah mit einem überheblichen Grinsen auf dem Gesicht, wie der Angestellte vor ihm erschrocken zusammenzuckte.

„G..guten Abend,“ stotterte dieser los und fummelte hektisch an dem Schloss der Autotür herum, doch gelang es ihm nicht mit den zittrigen Händen die rettende Verriegelung zu öffnen.

„Können wir Ihnen helfen?“ Nun war auch der Zweite zu ihm vorgetreten, ein hochgewachsener drahtiger junger Mann, der nicht älter als achtzehn sein mochte. Michaels Adamsapfel hüpfte aufgeregt rauf und runter während ihm die ersten Schweißperlen über die Stirn liefen und er hektisch zwischen den beiden Fremden hin und hersah.

„Nein, danke,“ keuchte er ängstlich und hoffte inständig das die zwei verschwinden mögen, doch sein Wunsch blieb unerfüllt, denn inzwischen hatten sie sich neben ihm aufgereiht. Beide überragten den Älteren um mindestens einen Kopf und mit Aufbringung des letzten Stück Mutes, den der Angestellte hatte, zischte er ein: ‚Was wollen Sie von mir?’ den unbekannten Kerlen zu, doch wurde ihm mehr und mehr bewusst, dass er in der Falle saß.

Der erste Fausthieb des Angreifers schickte den schmächtigen Mann augenblicklich zu Boden, wo er sofort in ein Wimmern ausbrach und seine Arme schützend um seinen Kopf wand.

Jetzt fing auch der Schlankere der beiden Auftragsschläger an, auf das Opfer einzutreten, bis der Bullige ihn am Arm fasste und zurückzog, da kein Laut mehr von dem verkrampft am Boden Liegenden kam und eine kleine Blutspur aus seinem bereits angeschwollenen Gesicht tropfte.

„Es reicht,“ zischte er seinem Kumpanen zu. Doch dieser riss sich los, wandte sich noch einmal dem Verletzen zu und mit einem gezielten Dreh des Kopfes brach er ihm das Genick.

„Bist du verrückt geworden? Das war nicht Teil des Auftrags!“ Geschockt trat der Bullige einen Schritt zurück und schüttelte entsetzt den Kopf, als er in das höhnische, grinsende Gesicht seines Mitstreiters sah, welcher der Leiche noch einen letzten Tritt verpasste.

„Warum zum Teufel….“ Weiter kam er nicht, denn er musste mit ansehen, wie sich der Kopf seines Kollegen in eine furchterregende Fratze verwandelte. Seine Hautfarbe wurde dunkler und auch die Augenfarbe veränderte sich zu einem unheimlichen Gelb, dessen schmale Schlitze an die einer Katze erinnerten, während sich die Hände zu langen, klauenähnlichen Gliedern verlängerten. Eine Nase schien dieses Monster nicht zu besitzen, allerdings waren die vielen Löcher oberhalb des nun lippenlosen Mauls wohl für eine ähnliche Funktion gedacht.

Bevor der Dämon auch nur nach ihm greifen konnte, war der Geschockte auch schon zurückgestolpert und suchte sein Heil in der Flucht, aber ein einziger katzengleicher Satz brachte diese Ausgeburt der Hölle schon wieder vor ihn, und schnitt dem Flüchtenden den Weg ab, während dieser mit den Reflexen eines kampferprobten Auftragschlägers und Geldeintreibers ein Springmesser aus seinem Gürtel zog, um sich gegen dieses Wesen zu verteidigen.

„Lass ihn!“ Dröhnte abrupt eine Stimme hinter den Kämpfenden auf und das Monster stoppte augenblicklich seinen Angriff, so dass der junge Mann nun doch unbehelligt fliehen konnte. Der Dämon verwandelte sich wieder in seine menschliche Gestalt und trat der aus dem Dunkel der Tiefgarage erschienenen Person entgegen.

„Warum, Kan Hsirg?“ flüsterte er, aber in seiner Stimme schwang ein unterwürfiger Ton mit, und die Gestalt in der dunklen Druidenrobe, ließ ein sarkastisches Lachen aus den Tiefen seiner ins Gesicht gezogenen Kapuze schallen.

„Es bedarf immer eines Menschen, dem man die Sache anhängen kann.“

++++

Irgendwo...
Am Tag

Buffys Haare wehten geschmeidig im Wind. Sie spürte Sand unter ihren nackten Füßen, der bei jedem Schritt, den sie tat, langsam nachgab. Eine warme, angenehme Brise streifte an Buffys leicht anliegendem roten Kleid vorbei, und bewahrte die Luft davor, stickig zu werden. Buffy lächelte. Die Sonne malte sich am hellblauen Himmel ab, und ließ einen die wenigen Wölkchen, welche die blaue Unendlichkeit unterbrachen, vergessen.

Immer weiter ging sie vorwärts, ohne wirklich zu wissen, warum sie hier war, aber das machte ihr auch nichts. Sie war frei von Sorge, frei von Angst und frei von jeglicher Pflicht. Der Windhauch spielte weiterhin sanft mit ihren langen, blonden Haaren, als Buffy ihre rechte Hand über die Augenbrauen hob, um ihre Augen vor der blendenden Sonne zu schützen.

In einiger Entfernung erblickte sie Wasser. Ungläubig kniff sie kurz die Augen zusammen und starrte danach noch einmal auf die gleiche Stelle. Es war noch immer da, und als wisse jemand, dass sie es immer noch nicht recht glaubte, hier zu sein, mischte sich, je näher sie dem erfrischenden Nass kam, Feuchtigkeit, in den sonst warmen Wind. Buffy begann zu lächeln und beschleunigte ihre Schritte Richtung Wasser.

....

Faith spürte harten Stein, als sie die Augen aufschlug. Ohne weiter nachzudenken, sprang sie auf und sah sich um. Warme Luft umspielte ihren Körper, der, zu Faith’s Überraschung, in einem feinen, leichten, weißen Seidenkleid steckte. Faith blickte auf, und nachdem sich ihre Augen an das helle Licht der Sonne gewöhnt hatten, bemerkte sie, dass sie am Fuße einer großen Pyramide stand. Verwirrung machte sich in ihrem Kopf breit, verschwand aber sofort wieder, als ein wohltuender Geruch in ihre Nase stach. Leises Wasserrauschen drang an ihr Ohr, als sie mit ihren nackten Füßen in den warmen Sand stieg, und dem Duft folgte.

....

Buffy verlangsamte ihre Schritte, als lautes Kinderlachen die Luft erfüllte. Sie befand sich inmitten einer Oase, in deren Mittelpunkt sich ein großer See befand. Kühle, angenehme Luft ging von der Wasseroberfläche aus und Buffy bemerkte erst jetzt, wie heiß der Fußboden unter ihren Füßen wirklich war. Lächelnd drehte sie sich um, als ein Kind an ihr vorbei lief und sie dabei anlächelte. Ein weiteres Kind kam herbei gelaufen und blieb vor Buffy stehen. Freundlich lächelte er die Jägerin an, als er langsam auf sie zuging und nach ihrer Hand griff. Buffy nickte, ging in die Hocke und öffnete für den Kleinen ihre rechte Handfläche.

Dieser sah ihr tief in die Augen, legte etwas in ihrer Handfläche ab, und lief dann mit den anderen Kinder wieder Richtung Dorf.

....

Nachdem Faith um die Ecke der Pyramide gegangen war, hatte sie die Quelle des Geruchs gefunden. Direkt neben dem monumentalen Gebäude schien eine Oase zu liegen, und genau vor ihr stand ein duftender Strauch mit verführerischen Früchten. Langsam streckte sie ihre Hand aus und berührte eine Frucht.

Buffy sah dem Kind noch lange nach, bevor sie sich dem Gegenstand in ihrer Hand widmete. Noch immer lächelnd, wandte sie ihren Blick auf das Ding: es war ein Schlüssel.

....

Faith umfasste die kühle Frucht und pflückte sie. In diesem Moment ertönte ein lauter Schrei und es donnerte. Faith ließ die Frucht zu Boden fallen und sie sah geschockt zu der Pyramide auf.

....

Der Himmel verdunkelte sich, als sich der Schüssel plötzlich in Buffys Hand auflöste. Donner hallte durch die Luft und ein starker Wind kam auf.

....

Ein kalter Schauer lief Faith über den Rücken, als sie hinter dem Strauch einige Häuser und einen See erblickte. Das Licht verschwand immer mehr und aus dem Dorf wurden verzweifelte Schreie lauter. Sie drehte sich noch einmal kurz zu der Pyramide, von welcher Staub rieselte, und als sich plötzlich einer der obersten Steine löste, wandte sie sich zum Dorf und ließ das Monument hinter sich.

....

Buffy starrte auf die Wasseroberfläche, die immer mehr Wellen bildete. Die Pyramide, die hinter dem anderen Ende des Ortes stand, schien zusammenzubrechen, als Buffy plötzlich ein lautes Fauchen hörte. Ein Wirbel bildete sich über dem Wasser und ein lauter Schrei durchschnitt die nun dunkle Landschaft. Plötzlich würde die Dunkelheit von einem hellen Lichtblitz durchschnitten.

....

Faith blieb kurz vor dem See stehen, als der Lichtblitz die Landschaft erhellte und sie auf der anderen Seite des Sees Buffy sah.

“B!“ schrie sie laut, doch hinter ihr krachte die Pyramide zusammen und in dem Moment, in dem sich aus den Trümmern ein riesiges Monster erhob, schien der See zu explodieren und Faith wurde von einer riesigen Welle zu Boden geworfen.

Buffy, der es ebenso ergangen war, konnte ihren Augen nicht glauben. Aus dem See, der vor wenigen Minuten noch so ruhig vor ihr lag, stieg ein riesiges Wesen in den Himmel auf und vereinte sich Sekunden später mit dem anderen.

„Pferde...,“ flüsterte Buffy und sah den fliegenden Ungetümen nach. Ein lauter Schrei durchschnitt erneut die Nacht, doch es dauerte einige Sekunden, bis sie bemerkte, dass es ihr Name war.

„Faith?“, flüsterte sie und sah sich geschockt um. Im nächsten Augenblick erkannte Buffy Faith auf der anderen Seite des Ufers.

Buffy wollte antworten, doch sie wurde von den Reitern unterbrochen. Das Dorf war bereits in lodernden Flammen aufgegangen, als eine weitere Flutwelle aus dem See schoss. Verzweifelte Schmerzensschreie hallten durch die Luft. Ein weinendes Kind rannte schutzsuchend durch eine Straße, als es von der Flutwelle erfasst und in eines der brennenden Häuser gespült wurde.

„Neiiin!“ schrie Buffy und Faith erkannte, dass Buffy auf sie zulief. Völlig unerwartet wurden sie plötzlich von einer Feuerwand ergriffen.

+++

Buffy riss die Augen auf und starrte zur Decke hinauf. Ihre Brust hob und senkte sich schnell. „Oh mein...

....

„..Gott“ Faith starrte auf das gegenüberliegende Fenster des Busses. Wild atmend stieß sie die viel zu warme Decke vom Körper weg, stand auf, öffnete die Tür des Busses und stieg in die angenehm kalte Nachtluft hinaus.


Opening Credits

AKT 1

Cleveland, Giles’ Wohnung
Nacht

Buffy ließ sich erschöpft nach hinten in ihre Kissen sinken und schloss die Augen, um klarer denken zu können. Der heftige Traum war so intensiv gewesen, dass keine Frage bestand... es war ein Prophezeiungstraum. Und das war ihr nicht nur beim Anblick der Reiter bewusst geworden. Sie musste mit Giles reden. Sofort. Sie schwang sich aus dem Bett, griff nach ihrem Morgenmantel und verließ leise das Zimmer...

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Pennsylvania, vor dem Bus
selbe Nacht

Faith starrte in die Dunkelheit und bereute es bereits, sich nichts Wärmeres angezogen zu haben, bevor sie aus dem Bus gestiegen war. Sie träumte meist nichts. Jedenfalls erinnerte sie sich am Morgen selten an ihre Träume. Noch weniger wurde sie mitten in der Nacht von einem Alptraum aus dem Schlaf gerissen. ‚Was soll’s,’ dachte sie und zuckte dabei unbewusst mit ihren Schultern.

Sie hatten den Bus neben einem kleinen Wald abgestellt und Faith sah vor sich die Umrisse einiger Bäume, die größtenteils von der Dunkelheit verschluckt wurden. Eine kühle Brise wehte durch den dunklen Wald und ließ Faith frösteln. ‚Traum blieb Traum.’ Wieso raste ihr Herz dann noch immer? Wieso fühlte sie noch immer den Schrecken, den sie beim Anblick der Reiter empfunden hatte? Den Reitern, aus ihrer Vision? In diesem Moment spürte sie, wie sich eine Hand auf ihre Schulter legte, und wir ihr im nächsten Augenblick eine Jacke von hinten über ihre Schultern gelegt wurde.

Obwohl Faith wusste, dass es Robin sein musste, regierte sie nicht darauf und starrte weiterhin in den dunklen Wald, der durch das Mondlicht, das nur spärlich durch die gewaltigen Baumkronen drang, nur noch mystischer wirkte.

++++

Cleveland, Giles’ Wohnung
selbe Nacht

Giles fuhr aus seinem tiefen Schlaf gerissen in die Höhe. Orientierungslos starrte er in die Dunkelheit. Dann hörte er erneut das Geräusch, das ihn geweckt hatte. Jemand klopfte wie ein Wilder gegen seine Tür. Missmutig stand er auf und öffnete dem Störenfried. Müde und wegen der Störung wenig erbaut, blinzelte Giles gegen das Licht im Flur an und kniff seine Augen zusammen.

„Um Himmelswillen Buffy.. geht die Welt unter? Morgens um drei?“ Fügte er spitz hinzu, nach dem er einen raschen Blick über die Schulter geworfen hatte, um die Ziffern auf seinem Wecker zu befragen.

„Vielleicht nicht jetzt, aber morgen? Übermorgen?“ Buffy drückte Giles die Türe einfach aus der Hand und betrat sein Zimmer.

„Und was genau willst du mir damit sagen?“ Gähnte Giles mit vorgehaltener Hand und ließ seinen verspannten Nacken kreisen. In gestreifter Pyjamahose und weißem T-Shirt fühlte er sich zwar wohl, aber Buffy wäre er doch gerne im Morgenmantel entgegen getreten. Trotzdem verbarg er sein Unbehagen.

„Ich hatte einen Traum.“

„Oh ich auch. Ich träumte von einer wundervollen, ruhigen Wohnung, die mir alleine gehört...“

„Giles bitte,“ unterbrach Buffy etwas ungehalten, musste dann aber doch schmunzeln. „Ich glaube es ist ernst. Ich habe Faith in meinem Traum gesehen. Sie und ich - wir waren...an einer Oase. Alles war so.. perfekt. Verstehen Sie? Friedvoll und dann kamen diese Reiter.“ Buffy seufzte und ließ sich auf Giles Bettkante sinken. „Ich hätte Ihnen schon früher davon erzählen sollen.“

++++

Pennsylvania, vor dem Bus
selbe Nacht

„Faith?“ fragte Robin leise und legte der Jägerin wieder seine rechte Hand auf die Schultern. Erneut reagierte Faith nicht.

„Faith .. was ist los?“ bohrte der Wächter nach, während Faith ihm weiterhin nur ihren Rücken zeigte.

„Nichts.. es ist.. alles in Ordnung..“, antwortete Faith in ihrer gewohnten, coolen Art.

„Nein das glaub ich dir nicht. Was war los? Schlecht geträumt?“ Robin, der seine Frage eher ironisch gemeint hatte, musste sich ein Lächeln verkneifen. Wieso sollte ein starke, selbstbewusste Jägerin wie Faith von einem Alptraum so geängstigt sein?

„Robin geh schlafen.. ich komm sofort nach.. ich will hier nur noch ein bisschen.. du weißt schon..“, in diesem Moment drehte sich Faith herum und lächelte ihren Wächter verliebt an.
„.. die Landschaft genießen.. es ist so schön hier..“

Doch das überzeugte Robin nicht wirklich „Was ist los? Du weißt, du kannst mit mir über alles reden.“

In dem Moment, in dem Faith merkte, dass ihr kleiner Versuch nicht funktioniert hatte, verschwand ihr Lächeln sofort wieder und sie drehte sich von ihm weg. “Weißt du.. ich bin nicht so gesprächig.. ich regle gern einige Dinge mit mir alleine!“

„Aber ich bin doch hier um dich zu..“, doch Robin konnte seinen Satz nicht beenden.

„Nein ich will deine Unterstützung nicht.. ich brauch sie hier auch nicht. Es war ein blöder Alptraum, mach kein großes Drama daraus,“ sprach Faith weiter, ohne dass sie ihn ansah.

„Aber..“

„Nein.. nichts aber.. geh rein.. ich werd’ jede Sekunde nachkommen..“

„Okay!“ Robin gab nach, strich mit seiner Hand noch über ihren Rücken, und ging dann wieder zurück in den Bus.

Faith starrte weiterhin in den dunklen Wald. Sie brauchte jetzt keinen Wächter, und sie brauchte jetzt keinen Freund. „Es war nur ein Alptraum...,“ sagte sie leise zu sich selbst. „Ein bescheuerter Alptraum.. scheiß drauf.“

Sie schloss kurz die Augen, atmete die kühle, frische Luft tief ein, nickte dann leicht und zog sich in den Bus zurück.

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Cleveland. Giles’ Wohnung
selbe Nacht

„Ich verstehe nicht ganz,“ runzelte Giles die Stirn und blieb vor Buffy stehen. „Von was hättest du mir früher erzählen sollen?“

„Als ich in Australien war.. nein warten Sie ich sollte von vorne anfangen.“ Sie sah unsicher zu ihm auf. „Bei meiner Reise bin ich in China in einem Tempel über einen geheimen Raum gestolpert. Dort haben mich Ninjas angegriffen. Kein schwerer Kampf,“ beruhigte sie schnell ihren ehemaligen Wächter, der besorgt die Stirn kraus zog. “Aber kurz bevor ich den letzten erledigen konnte, zog er sich einfach zurück. Eine Sekunde später „rettete“ mich ein Reiseleiter. Genau demselben Mann bin ich später wieder in Australien begegnet. Er stritt ab mich zu kennen. Aber er zeigte mir eine Höhle und in ihr hatte ich eine Vision. Oder einen Traum. Ich weiß es nicht.“

Da Giles sie nicht unterbrach, nutzte sie die Gelegenheit und berichtete ihm alles was sie noch wusste. Von der Prärie, dem Dorf, die Flut, die über das Dorf einbrach. Und den Reitern die auf sie zu geritten kamen, wobei sie nur den einen erkannt hatte.

„Er sah aus wie die Statue in dem chinesischen Tempel, die ich berührt hatte, um in den geheimen Raum zu gelangen. Und von ihm hatte der Reiseleiter gesprochen, als wäre er ein Dämon gewesen, dem die Bewohner Opfer brachten, um ihn zu besänftigen. Aber das scheint nicht funktioniert zu haben, denn ihr Dorf wurde von einer Sintflut zerstört. Komisch oder?“ fragte Buffy dazwischen und Giles nickte abwesend. Er versuchte aus dem was Buffy ihm berichtete schlau zu werden. „Ich meine komisch, dass in meinem neusten Traum wieder Wasserfluten eine Rolle spielten. Der Reiter entstieg einem See und der zweite Reiter brach aus einer Pyramide aus. Ich glaube er war für das Feuer zuständig, das zusätzlich die Oase zerstörte,“ damit schloss Buffy ihren Bericht ab.

Giles schüttelte den Kopf. „Wieso hast du mir nicht früher davon erzählt?“

„Ich dachte, es wäre nicht so wichtig... ich meine... ich hab’s vergessen,“ gab Buffy geknickt zu. „Erst wollte ich Ihnen davon berichten, doch dann, nach der langen Reise, war ich einfach nur froh, euch alle wiederzusehen und ich musste mich erst einleben,“ verteidigte sich Buffy. „Und hey.. dafür bin ich jetzt gleich gekommen.“

Giles nickte nachsichtig. „Ich hoffe, dass uns das nicht wertvolle Zeit gekostet hat.“

„Sie denken auch, dass wir es ernst nehmen sollten?“

„Auf jeden Fall. Ich werde gleich morgen mit Lily anfangen unsere wenigen Quellen, die wir noch haben auf diese Phänomene hin zu untersuchen. Und Willow kann uns mit ihrem Internet helfen.“

„Prima. Dann lass ich Sie jetzt weiter Bäume zersägen,“ sagte Buffy leichtfertig und sprang auf. Sie fühlte sich erleichtert, jetzt nachdem sie alles Giles mitgeteilt hatte.

„Ich schnarche nicht,“ entrüstete sich Giles.

„Doch tun Sie,“ lachte Buffy und ging zur Türe. „Ich höre Sie noch zwei Zimmer weiter.“

+++

Giles’ Wohnung,
nächster Nachmittag

"So, und während die Drow mit gezückten Scimitars, und gespannten Armbrüsten vor euch stehen, beginnt schon der Abspann, und wir haben einen netten Cliffhanger für nächste Woche," schloss Andrew die Game Session, und klappte sein Dungeon Master Handbuch zu. Sam, Mara, und Josh begannen hastig, ihre Sachen zusammenzupacken, während Dawn die Würfel einsammelte, um sie in Andrew's mittelalterlichem Lederbeutel zu verstauen. Bis jetzt hatten sie und die anderen noch keine eigenen Würfel, aber es war auch erst das dritte Mal, dass sie D&D spielten.

"Ach übrigens," Sam griff nach seiner Jacke, "kann passieren, dass ich zu dem Affenzirkus am Freitag doch mal reinschaue. Nicht, dass es mich groß interessieren würde, aber ich hab 'ne Bekannte da, die vielleicht hinwill."

Mit betont gelangweilter Miene griff er in die Keksdose auf dem Tisch, um auch ja allen zu demonstrieren, wie wenig Interesse er an solchen Veranstaltungen hatte.

"Ist doch klasse, dann machen wir ein Double Date." Mara strahlte, ein Lächeln, das sofort wieder verschwand, als sie den Ausdruck auf Dawn's Gesicht bemerkte. "Triple Date," verbesserte sie sich hastig, und wuschelte ihrer Freundin aufmunternd durch die Haare. "Hey, Kopf hoch, du findest schon noch jemanden. Die haben einfach alle nur Angst, dich zu fragen, die feigen Nüsse!"

Dawn zwang sich zu einem zuversichtlichen Lächeln, auch wenn ihr nicht danach zumute war. Sie wusste, mit wem sie gerne hingehen würde, aber wenn er sie nicht einlud, dann hatte das unter Garantie nichts damit zu tun, dass er sich nicht traute. Wohl eher damit, dass er sie nicht bemerkt hatte.

Sie stieß einen leisen Seufzer aus. Dabei hatte sie sich so fest vorgenommen, von solchen Schönlingen in Zukunft die Finger zu lassen! Soviel zu guten Vorsätzen, wenn es um Gefühle ging!

Ihren Freunden gegenüber ließ sie sich jedoch nichts anmerken, als sie sie an der Tür verabschiedete. Das hatte keinen Sinn, sie wusste schließlich, was Sam und die anderen von Leroy hielten. Gleich am ersten Schultag hatten sie sich abfällig über ihn geäußert. Sie würden sich unter Garantie über ihre Schwärmerei lustig machen, und das konnte sie jetzt wirklich nicht gebrauchen. Und falls Leroy davon erfuhr - nicht auszudenken! Allein der Gedanke trieb ihr die Schamröte ins Gesicht.

Im Moment wusste nur Andrew Bescheid, denn bei ihm musste sie keine Angst haben, dass irgendwelche Gerüchte in Umlauf kamen. Abgesehen von den D&D Treffen hatte er nichts mit den Leuten an ihrer Schule zu tun, konnte also auch nichts herumerzählen, was ihr gefährlich werden könnte.

"Er hat dich also immer noch nicht gefragt," stellte Andrew fest, offenbar hatte er ihren Gesichtsausdruck richtig interpretiert. "Dabei hast du doch erst gestern wieder mit ihm geredet. Als er vor dir in der Schlange fürs Mittagessen gestanden ist."

"Warum sollte er auch?" Dawn packte den Würfelbeutel und ließ ihn klackend auf den Tisch fallen. "Wenn er die ganze Zeit von solchen Zicken, wie Trisha und Teresa umgarnt wird!"

"Man muss immer die Sonnenseite des Lebens betrachten," erklärte Andrew altklug. "Sieh mal, wenn er dich wirklich gefragt hätte, dann wärt ihr vielleicht zusammen auf den Ball gegangen, und hättet miteinander getanzt, und euch ineinander verliebt!"

"Das war der Plan, ja! Guter Plan!"

"Schlechter Plan. Ganz schlechter Plan." Andrew's Gesicht nahm einen ängstlichen Ausdruck an. "So was endet immer damit, dass irgendwer erschossen, oder gehäutet, oder von komischen Typen mit keinen Augen in Stücke gehackt wird!"

"Wie schön, dass du immer alles so positiv siehst!" bemerkte Dawn trocken.

"Oder damit, dass jemand seine Seele verliert, oder jemand anderen killt, weil er seine Seele verloren hat, oder von komischen Amuletten verbrannt wird, und zu Staub zerfällt, nachdem er seine Seele wiedergekriegt hat...."

Andrew's Stimme hatte jetzt einen leicht hysterischen Klang angenommen und bei Dawn schrillten die Alarmglocken. Genau jetzt wäre eigentlich der passende Moment gewesen, um etwas ungeheuer Intelligentes und Einfühlsames zu sagen, damit Andrew nicht in Tränen ausbrach, doch leider konnte sie zwischen all den strahlend lächelnden, baseballschwingenden Leroys, die sich vor ihrem inneren Auge breitgemacht hatten, nichts Passendes finden. So beschränkte sie sich auf Plan B für solche Fälle, nahm einen großen Schokoladenkeks aus der Dose, und stopfte ihn Andrew in den Mund.

"Du muscht dosch nischtomall...."

"Was?"

"Du musst doch nicht vom Ball wegbleiben, nur weil dich keiner fragt." Andrew schien den Kampf mit dem Keks endlich gewonnen zu haben. "Ich meine, du und deine Freunde, ihr könnt doch einfach als Clique hingehen!"

"Wie sieht denn das aus?" fragte Dawn entrüstet. "Wenn ich als drittes Rad am Wagen auf diesem Ball auftauche, kann ich mich gleich einsargen lassen!"

"Wieso?" fragte Andrew verwundert, und griff nach dem nächsten Keks. "Jonathan hatte auch nie ein Date und ist trotzdem auf die ganzen Schulbälle gegangen. Und die Mädchen haben sogar mit ihm getanzt!"

"Ja, aber bei einem Jungen ist das auch was anderes," versuchte Dawn zu erklären. "Da wird nicht so rumgetratscht. Aber als Mädchen kann man so was einfach nicht bringen, verstehst du?"

"Ehrlich gesagt, nein." Andrew zog die Stirn kraus, und guckte hoffnungslos verwirrt. "Ich dachte, Mädchen dürfen alles tun, was Jungs auch dürfen. Eigentlich sogar noch mehr, denn sie dürfen Jägerinnen werden, und Jungs nicht!"

Bei seinem letzten Satz zuckte Dawn zusammen, und wandte das Gesicht ab. "Ja schon, " redete sie hastig los, damit er ihre Verlegenheit nicht bemerkte. "Aber es gibt....gewisse Regeln, an die sich ein Mädchen an einer High School halten muss, damit sie nicht zum Außenseiter wird. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie nicht zweimal hintereinander dasselbe anzieht, oder dass sie sich mit der einen Schulzicke gut stellt, wenn sie die andere schon vergrault hat. Oder eben, dass sie nicht allein auf einem Ball auftaucht. Und die wichtigste Regel, die allerwichtigste Regel von allen lautet, dass sie niemals, unter keinen Umständen einen Jungen um eine Verabredung bittet. Dann hätte sie ihren guten Ruf sofort ver..."

Ein strahlendes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus, denn soeben war ihr eine Idee gekommen. "Sag mal Andrew, hättest du nicht Lust, mit mir auf den Ball zu geh'n?"

+++

Cleveland, Hafen
Dämonenbar
selbe Zeit

Buffy schlängelte sich zwischen den eng gestellten Tischen des „Lustigen Piraten“ hindurch. In der Dämonenbar war recht viel los, was Buffy doch ein wenig verwunderte. Die blonde Jägerin war noch nicht all zu oft hier gewesen, da die Bar in Kennedys Gebiet fiel, aber bisher hatte sich der Ansturm auf diesen verlassenen Fleck im Rahmen gehalten.

Als sie endlich die Bar erreichte, sah sie eine dunkelhaarige Gestalt, die mit dem Rücken zu ihr gegen die Theke lehnte. Sie kam ihr recht vertraut vor. Schlank aber gut durchtrainiert. Nicht viel mehr größer als sie selbst....

„Kennedy?“ Buffy ging weiter, als sich die dunkelhaarige Jägerin kurz herum drehte. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.

„Hi Buffy. Was suchst du in meiner Bar?“

„Deiner Bar?“ Wunderte sich Buffy. „Ich dachte sie gehört uns beiden?“

„Zum Teil,“ nickte Kennedy ernst. „Aber es ist noch immer Fakt, dass ich sie entdeckt habe.“

„Von mir aus,“ gab Buffy dem Frieden zu liebe nach. „Was machst du hier?“

„Etwas trinken?“ Kennedy zeigte auf ihre Flasche Bier. „Hier wird man nämlich nicht nach dem Ausweis gefragt,“ fügte sie grinsend hinzu. Das Grinsen erstarb sofort wieder, als sie sich in Erinnerung rief, dass sie sowieso ein Alter erreicht hatte, in dem man keinen Pass mehr vorzeigen musste. „Und sie geben hier das beste Lagerbier aus. Irgend so eine dämonische Brauerei.“

„Pass lieber auf, dass dir danach nicht irgendetwas wächst... ein Horn, ein Schwanz,“ grinste Buffy und amüsierte sich über das kurz entsetzte Gesicht der anderen Jägerin.

„Zwei Jägerinnen gleichzeitig hier in unserer bescheidenen Bar? Was für eine Ehre.“ Buffy sah hinter sich und musterte misstrauisch den großen, bärtigen Dämon mit der massiven Brust, seinen geschwungenen Eckzähnen, die über die Lippen standen und der glatten Nase. ‚Wenn der jetzt Ärger sucht...’

„Hi Mo,“ sagte Kennedy mit dem Rücken zu ihnen, trank ihre Flasche aus und wandte sich dann doch herum. Buffy zog verwundert die Augenbrauen in die Höhe. Die beiden kannten sich?

„Hi Kenny. Hast’ deine Freundin mitgebracht?“ Er zeigte zu Buffy.

„Wir sind nicht....nicht so, wie du denkst...“, setzten die beiden Jägerinnen gleichzeitig ein, sahen sich dann an und verstummten peinlich berührt.

„Verstehe,“ brummte Mo und in seinen roten Augen blitzte es amüsiert auf. „Es trifft sich gut, dass ich euch begegne.“ Er kramte etwas aus seiner Hosentasche hervor. „In der Stadt passieren seit einigen Nächten komische Dinge. Einige Dämonen haben es auf Menschen abgesehen. Immer wieder kommt es zu Übergriffen. Erst gestern Nacht wieder.“ Er legte auf die Theke ein Fetzen Stoff, der dunkel lila war. Etwas war mit weißem Faden darauf gestickt worden. Kennedy griff danach und besah sich das Symbol genauer, ehe sie den Fetzen an Buffy weiterreichte. „Das ist ihr Symbol. Sie gehören alle einer Organisation an, eine Art Clan, vermutlich. Hässliche Burschen.“ Mo fügte eine kurze Beschreibung der Dämonen hinzu und sprach dabei von lippenlosen, langgliedrigen Wesen. „Viel mehr weiß ich allerdings auch nicht. "Es wird gemunkelt, dass die Angriffe nicht zufällig stattfinden, sondern dass ein Plan dahintersteckt, ein Konzept!"

Buffys Augen ruhten noch auf dem gestickten Symbol, ein Krummstab, der aufrecht in einem Kreis stand, von dem wie Sonnenstrahlen gewellte Linien ausgingen. Als Mo plötzlich schwieg, sah Buffy mit düsterem Blick auf. „Können wir das behalten?“

+++

Cleveland, Wächterhaus,
nächster Nachmittag

“Und das hat uns Mo überlassen. Kennedys Informant,“ erklärte Buffy der versammelten Runde am Konferenztisch und legte den Stofffetzen in die Mitte des Tisches. „Das Symbol dieser Gruppe. Oder Clan.“

„Hm.. interessant,“ murmelte Giles in gewohnt nachdenklicher Weise und griff nach dem Stoff. Willow saß bereits an ihrem Laptop und ließ die Beschreibung der Dämonen von Mo über alle möglichen Suchmaschinen laufen und klickte sich mit konzentriertem Gesichtsausdruck durch die Ergebnisse. Sie hatte nur kurz einen raschen Blick auf die Tischmitte geworfen, um das Symbol zu sehen und gab auch davon eine Beschreibung ein.

„An die Bücher?“ fragte Xander enthusiastisch und stand auf. Giles nickte und deutete auf das Regal. Lily war bereits mit Dawn dort beschäftigt. Sie suchten gemeinsam passende Titel heraus. Xander half den beiden den Stapel an den Tisch zu tragen. Andrew, Buffy und Kennedy griffen sich jeweils ein Buch heraus und fingen mit der Arbeit an. Giles reichte Lily den Stofffetzen und folgte zusammen mit Dawn dem Beispiel der anderen.

„Ich glaube ich habe einen vielversprechenden Treffer,“ meldete sich Willow plötzlich von ihrem Laptop zurück und klickte den weiterführenden Link an. „Eine Homepage mit recht propagandistischen Inhalt. Ich müsste sie mir einmal näher anschauen, aber ...,“ sie drehte den Laptop herum, damit alle darauf sehen konnten. „Sie verwenden als Portal das Symbol.“
Sie konnten sich alle selbst davon überzeugen. Ein lila eingefärbter Bildschirm in dessen Mitte, weiß und groß, das Symbol prangte.

„Großartig,“ lobte Giles, erfreut über den schnellen Fortschritt. „Am besten durchsuchst du diese gesamte Seite. Vielleicht finden sich ja weitere Hinweise. Wobei...,“ er hielt kurz inne. „Dieser Stab kommt mir bekannt vor. Er wurde früher bei den Ägyptern verwendete und symbolisierte die „Herrschaft“ eines Pharaos. Wenn dieses Symbol verwendet wird, müssen wir wohl davon ausgehen, dass diese Dämonen die Herrschaft über etwas anstreben.“

Willow nickte nur und drehte den Laptop wieder zu sich. Für eine Weile waren die Scoobies mit blättern und lesen beschäftigt, ehe Kennedy ihr Buch mit einem Rums auf den Tisch legte. „Hier... der sieht aus, als wäre er unser Kandidat.“ Sie schob das Buch zu Giles. Die Abbildung zeigte die Kreatur, die in der vergangenen Nacht im Parkhaus der Barker Cooperation gewütet hatte. Giles Blick fiel auf einen alten Holzstich, der einen Dämon mit langen, klauenähnlichen Händen darstellte, dessen Gesicht eine Nase missen ließ und an Stelle eines Mundes, ein lippenloses Maul hatte.

„Ein Iah K’uru,“ sagte Giles und übersetzte die lateinische Schrift unter der Abbildung. „Hier steht, dass die Iah K’uru Dämonen im Allgemeinen keine aggressive Rasse wären. Es ist allerdings nichts darüber bekannt, wie die Dämonen mit Menschen umgehen. Ob sie sie eher meiden, oder ihre Nähe suchen. Das sagt nicht viel aus.“

„Also wissen wir so gut wie nichts?“ Fragte Buffy mit wenig Hoffnung auf eine eher positive Antwort. Giles schüttelte den Kopf. „Gut, dann schlage ich vor, wir alle werden in den nächsten Nächten verstärkt patrouillieren gehen, um herauszufinden, was dahinter steckt.“

„Kein Problem,“ meinte Kennedy sichtlich stolz auf ihren Beitrag zum neusten Fall.

„Ich kann bestimmt meine Schichten tauschen,“ überlegte Andrew und war erstaunt, dass niemand anmerkte, dass man auf seine Hilfe verzichten könnte.

„Auf meine Unterstützung werdet ihr allerdings verzichten müssen,“ erklärte Lily und Giles nickte. Er hatte ganz vergessen, dass er Lily um Hilfe bei einer Sache in Virginia gebeten hatte, die mit den neuen Ereignissen verglichen, recht viel Ähnlichkeiten mit ihrer Situation in Cleveland aufwies. „Ich reise heute Abend nach Virginia, um mir dort die Probleme eines jungen Wächters anzuhören. Es gibt anscheinend dort unten auch eine kleine Gruppe Dämonen, die ihm und seinen Jägerinnen Schwierigkeiten machen. Ich will mir das vor Ort ansehen.“

„Wir werden das sicher auch ohne Sie schaffen,“ versuchte Buffy nicht all zu abweisend zu klingen. Aber seit sie das Gespräch zwischen Giles und Lily belauscht hatte, war sie noch schlechter auf die Frau zu sprechen. Sie alle wussten noch immer nicht genau wer sie war, außer, dass Giles sie gut kannte und man ihr ach-so-sehr vertrauen konnte.

„Wie schön,“ gab Lily kühl zurück und schüttelte kaum merkbar den Kopf über Buffys Verhalten.

„Ich würde vorschlagen,“ lenkte Giles mit bestimmter Stimme ab, “wir recherchieren noch etwas weiter. Vielleicht finden wir ja auch in den Büchern noch etwas mehr über diese Dämonen heraus. Vielleicht auch etwas über frühere Übergriffe auf Menschen.“

Buffy wandte mürrisch ihren Blick von Lily ab und stand auf. Während sich der Rest im Raum verteilte, wollte Buffy mit Giles noch einmal über ihren Traum sprechen. Vielleicht gab es schon Neuigkeiten. Giles blickte von seinem Buch auf, als Buffy neben ihn trat.

“Kann ich etwas für dich tun?“

“Wegen meinem Traum,“ sie warf einen kurzen Blick zu Lily, doch die Wächterin schien sich nicht für ihr Gespräch zu interessieren. „Haben Sie schon etwas herausgefunden?“

„Oh in der Tat,“ Giles legte seinen Zeigefinger zwischen die Seiten, die er gerade gelesen hatte und klappte das Buch zu. „Ich habe etwas herumtelefoniert. Es gibt offensichtlich drei Bücher, die für uns interessant sein könnten. Natürlich befinden sich diese Bücher nicht im direkten Besitz des Rates. Zu unserem Glück,“ fügte Giles schnell hinzu als er Buffys enttäuschtes Gesicht sah, „hat ein Wächter ganz in der Nähe einen der Titel in seiner Privatsammlung. Er würde ihn uns gerne leihen.“

„Klingt doch vielversprechend,“ sagte Buffy erfreut. „Und was machen wir mit Faith? Ich meine, weil sie in meinem Traum war?“

„Ich wollte Faith sowieso anrufen und sie bitten, uns das Buch zu holen. Sie sind in der Nähe dieses Wächters unterwegs und es wäre kein großer Umweg für sie und Robin. Ich rede mit ihr.“

„Tun Sie das auf jeden Fall. Es lässt mir keine Ruhe,“ fügte Buffy mit Nachdruck hinzu und ließ Giles weiter in Ruhe recherchieren, als sie sich zu ihrem Platz zurück begab.

....

Ein paar Minuten später.
Während alle vertieft in ihren Büchern waren, stand Giles auf und legte sein Buch mit den aufgeschlagenen Seiten nach unten auf den Tisch ab. Buffys Frage nach dem Traum und Faith ließ ihn nicht los. Es war vielleicht ganz gut, wenn er den anstehenden Anruf nicht zu lange hinaus zögerte.
Leise verließ Giles den Konferenzraum und ging über den kleinen Flur in sein Büro, um ungestört zu sein. Er griff nach dem Hörer und wählte die Nummer des Handys, das sich Robin mit allen drei Jägerinnen teilte.

++++

Pennsylvania
Selbe Zeit

Langsam glitt ihr Blick durch den Schulbus. Schon lange war sie nicht mehr in ihrem neuen Zuhause alleine gewesen. Sie schritt langsam an der kleinen Küche vorbei und trat vor eines der nicht geschwärzten Fenster, welches den Blick auf den Wald freigab, vor dem sie heute Nacht nach dem Traum gestanden hatte. Kampfschreie hallten durch die Luft, und drangen gedämpft durch die Scheiben des gelben Busses.

'Wie gut sie sich entwickelt haben ... ', ging Faith durch den Kopf, als sie Ronah und Vi dabei beobachtete, wie sie Schlägen auswichen, die Robin mit einem langen Holzstab in ihre Richtung austeilte. ' ... ob sie auch ab und zu solche Alpträume haben?', fragte sich die Jägerin weiter.

In diesem Moment wurde die Stille im Bus durch ein lautes, grelles Geräusch unterbrochen. Faith sah erschrocken auf, griff nach dem Handy und hob ab.

„Ja?“

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Cleveland
„Uhm Faith? Giles hier.“ Er wechselte kurz den Hörer in die andere Hand. „Ich hätte einen Auftrag für euch.“

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Pennsylvania
”Was? Ach so.. Moment!", Faith drehte sich vom Fenster weg, durch welches sie noch kurz erblickte, wie Vi Ronah durch einen Schulterwurf zu Boden brachte. "So.. jetzt.. großer Wächter.. was kann Ihre Stoßtruppe für Sie tun?“

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Cleveland
Mehr erheitert über Faith’ Worte, lächelte Giles in den Hörer und rieb sich die Stirn über der rechten Augenbraue. "In der Nähe von euch lebt einer der wenigen glücklichen, überlebenden Wächter. Er versucht jetzt allerdings mit acht Jägerinnen klar zu kommen," sein Lächeln verzog sich zu einem schadenfrohen Grinsen. Wenigstens erfuhr so jetzt mancher Kollege, wie es war mit einer Horde junger Mädchen zu leben. Die letzten Monate in Sunnydale waren die Hölle gewesen. Nicht nur wegen des Urbösen. Die erkämpfte Reihenfolge für das Badezimmer, der Streit um das letzte, frische Handtuch, vermisste Haarbürsten, Zahnspangen und das Verwechseln von Zahnbürsten konnten einem den letzten Nerv rauben. "Aber das nur am Rand. Es... uhm.. geht um ein Buch, das ihr abholen müsst."

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Pennsylvania
„Ein Wächter und acht Jägerinnen? Wow.. ich muss Bill hier mal sagen, dass er sich mit drei noch glücklich schätzen kann... ," kurz drehte Faith ihren Kopf noch einmal zum Fenster und musste mit einem leichten Lächeln feststellen, dass Ronah Robin durch einen Tritt zu Boden brachte. "Bücher? Oh .. Bücher kann ich gut abholen.. erinnern Sie sich noch an diese Bücher des Aufstie... uhm.. ich meine.. okay.. sind diese Bücher etwas besonderes?"

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Cleveland
„Uhm.. Bill?“ Fragte Giles kurz verwirrt nach und bekam zeitgleich ein mulmiges Gefühl, als Faith kurz an ihre dunkle Seite erinnerte. Und das nach so vielen Jahren.

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Pennsylvania
Faith schluckte kurz und verdrängte die Erinnerungen an Willkins und die vergangene Zeit zurück, vergrub sie tief in ihrer Seele. "Uhm.. ach so.. ich meine Robin..," antwortete sie leicht abwesend."... was ist nun mit den Büchern? Was macht sie so wichtig, das Sie uns dorthin schicken, anstatt irgendeinen jungen Wächtergehilfen?"

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Cleveland
„Oh uhm.. gut..,“ Giles wunderte sich zwar noch immer was Bill mit Robin gemein hatte, aber da die Recherchearbeit auf ihn wartete, wollte er das Gespräch kurz halten. „Ein Buch. Es geht um ein einziges Buch,“ berichtigte Giles Faith. „Es befindet sich in Clearfield. Der Wächter heißt O’Bailey.“ Er gab Faith die genaue Adresse und Telefonnummer. „Ich werde ihn aber anrufen und Bescheid geben. Was die Wichtigkeit betrifft... Buffy hatte womöglich einen Prophezeiungstraum.“ Er räusperte sich umständlich. „Ich, eh... ich bin mir nicht sicher, ob dir jemals jemand davon erzählt hat, oder du eine Ahnung von Prophezeiungsträumen hast...“

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Pennsylvania
"Gut.. wir werden uns auf den Weg machen. Prophezeiungstraum? Nein.. nie was von gehört..," Faith wunderte sich. Giles meinte doch nicht diesen Traum, der sie letzte Nacht so vor Angst erschaudern ließ.. dieser schreckliche Alptraum...

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Cleveland
„Wie soll ich dir das kurzgefasst erklären?“, seufzte Giles. „Wenn etwas Großes bevorsteht, wie ein Weltuntergang zum Beispiel, hat eine Jägerin oftmals einen Traum, in dem sie diesen vorhersieht. Allerdings scheint Kennedy nicht wie Buffy von einem Traum heimgesucht worden zu sein,“ sinnierte Giles abwesend, ehe er sich bewusst wurde, dass er noch immer Faith in der Leitung hatte. „Buffy hat von Reitern geträumt, die Chaos über das Land bringen. Wir müssen unbedingt mehr darüber herausfinden, gerade da Reiter in den Mythologien und Religionen eine große Rolle spielen. In diesem Buch könnten wir wichtige Hinweise finden.“

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Pennsylvania
"Echt? Das muss mein letzter Wächter wohl vergessen haben, mir zu erklären..," Faith dachte an den Traum zurück, und an das heiße Feuer, dass sie am Schluss ergriff. "Kann Buffy nicht einfach nen’ Alptraum gehabt haben?"

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Cleveland
„Die Möglichkeit besteht immer,“ gab Giles zu. „Aber für gewöhnlich sind diese Träume realer, als man es sonst empfindet. Intensiver.“

+++

Pennsylvania
Faith wurde es immer mulmiger zumute. War es möglich, dass sie so einen Traum gehabt hatte, zusammen mit Buffy? "Aber .. wieso sollte nur B. vom Weltuntergang träumen? Müssten Ihre Leitungen nicht heißlaufen wegen anderen Jägerinnen, die ebenso diesen Traum hatten? Ich meine vielleicht ist B. einfach ein bisschen hysterisch.. nach allem was letztes Jahr so passiert ist.. "

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Cleveland
Das war eine gute Frage, über die er noch gar nicht länger nachgedacht hatte. Nicht ob Buffy hysterisch war, aber wieso niemand außer Buffy den Traum gehabt hatte. „Es ist anzunehmen oder davon auszugehen. Allerdings hat mich bis jetzt noch niemand deswegen angerufen. Hm...,“ es fiel ihm schwer zu zugeben, dass er darauf keine Antwort hatte. Die Situation mit so vielen Jägerinnen war ihm genauso neu und fremd wie allen anderen auch. „Buffy hat dich im Traum gesehen... was natürlich nichts bedeuten muss, aber falls du ähnliches träumst, solltest du mit Robin sprechen und mich anrufen.“

+++

Pennsylvania
Nicht nur, dass sie in ihrem Traum Buffy gesehen hatte, nein.. Buffy hatte auch sie gesehen! Sie konnte das alles nicht glauben. Sie und Buffy konnten doch unmöglich den gleichen Traum gehabt haben?

"Und in ihrem Traum kamen Pferde vor? Okay.. ich werde mich melden, wenn ich so etwas Träume." Faith wurde auf einmal wieder mit dem Traum konfrontiert. Die Bilder der blinden Zerstörungswut der Reiter versetzte sie wieder in einen unerwarteten Angstzustand, der sie veranlasste, mit ihrer freien Hand eine Faust zu formen. Ohne es zu merken, presste sie diese so fest zusammen, dass die Blutzufuhr unterbrochen wurde. Sie konnte doch nicht in so einem Zustand zu Robin gehen.. sie konnte sich ihrem Wächter gegenüber nicht so angsterfüllt zeigen.. sie war eine Jägerin.. sie hatte keine Angst...

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Cleveland
„Ja, Reiter, eine Oase, eine Pyramide, Wasser, Feuer...,“ versuchte Giles alles aufzuzählen, was Buffy ihm berichtet hatte. „Gut.. falls nicht, melde dich spätestens, wenn ihr das Buch habt.“ Damit verabschiedete er sich von Faith und ging zurück zu den anderen in den Konferenzraum.

++++

Pennsylvania
Faith legte den Hörer beiseite, und stieg aus dem Bus.

"Faith, du wir gehen gleich Einkaufen.. kommst du mit?" schrie Ronah vom Trainingsplatz her.

"Nein.. !", antwortete diese, sah sich noch einmal kurz zu den dreien um, und begann sich dann vom Bus weg zu bewegen.. sie lief so schnell sie konnte.. sie brauchte jetzt Zeit für sich.

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Cleveland, Wächterhaus
ein oder zwei Stunden später

Willow klickte sich noch immer durch die Homepage dieser, von ihr inzwischen als Sekte bezeichnete Organisation. Anders konnte sie den Inhalt der Seite nicht bewerten. Sie versuchte seit mehr als zwei Stunden herauszufinden, wer die Homepage betrieb, oder wer der Guru der Sekte war. Doch das gestaltete sich als recht schwer. Die Seiten waren zu verschachtelt aufgebaut und stellenweise schien man Seiten verschlüsselt zu haben oder verwendete eine dämonische Sprache.

Der Rest der Gruppe brütete währenddessen über den Büchern. Dawn starrte Löcher in die Luft. So richtig war sie nicht bei der Sache. Sie dachte über den Ball nach und darüber, dass Andrew ihr eine Antwort schuldig geblieben war. Musste sie jetzt doch alleine auf den Ball? Vielleicht sollte sie mit Buffy darüber reden. Sie hatte sicher genug Erfahrung in ihrem Leben gesammelt, die sich um Jungs, den Schulball und Begleiter drehten. Dawn stand auf, strich sich nervös ihr Shirt glatt und ging zu Buffy, die alleine an einem der Nebentischchen saß. „Ehm.. Buffy.. kann ich dich mal kurz etwas fragen?“

Buffy sah von ihrem Buch auf und nickte knapp. „Wenn’s nicht zu lange geht?“

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Am Bücherregal
"Xander? Ich...uhm...müsste dich was fragen?"

Xander schob das Buch, das er gerade überflogen hatte, ins Regal zurück, und wandte sich Andrew zu, welcher mit nervöser Miene vor ihm stand. "Was gibt's, Nr. 1?"

"Dawn hat mich gefragt, ob ich mit ihr auf den Hallowe’enball gehe. An ihrer Schule."

"Tatsächlich?" fragte Xander überrascht. Das hatte er nicht erwartet. Hatte Dawnie es doch tatsächlich satt, darauf zu warten, dass der schüchterne Andrew den ersten Schritt machte. So was sah ihr eigentlich gar nicht ähnlich! "Wie es scheint, hat Captain Dawnster auf Warpgeschwindigkeit geschaltet," grinste er und sah Andrew erwartungsvoll an. "Und? Hast du ihr schon eine Antwort gegeben?"

+++

Am Tisch
Buffy sah Dawn an, als hätte sie der Blitz getroffen. „Andrew,“ fragte sie entsetzt, fast eine Spur zu laut. „Du willst ausgerechnet mit Andrew dorthin?“

„Wieso nicht,“ erwiderte Dawn etwas irritiert.

„Ich dachte ihr beide seid nur Freunde,“ fuhr Buffy etwas leiser fort, aus Angst jemand bekäme das Gespräch mit. „Wenn du mit einem Jungen auf einen Ball gehst, signalisiert das immer gewisse.. uhm...nun ja Signale.“

„Sehr hilfreich,“ grinste Dawn. „Und wenn es dich beruhigt.. Andrew und ich sind nur Freunde,“ versicherte sie unschuldig. „Daher würde er sicher nicht nein sagen. Immerhin war Andrew noch nie auf einem Ball. Es wäre also auch eine gute Tat. Zudem,“ fügte sie ernst hinzu, „wissen wir von Andrew, dass er kein Vampir oder Dämon ist.“

Buffy grinste schwach, ehe sie antwortete. „Dann frag ihn doch einfach,“ schlug sie schließlich ihrer kleinen Schwester vor. Dabei fühlte sich Buffy sehr unsicher bei ihrem Rat. Noch immer war sie sich nicht ganz klar darüber, was jene Szene in Dawns Zimmer bei Giles zu bedeuten hatte, als sie die beiden dort eng umschlungen vorgefunden hatten. Allerdings spürte sie auch, wie sehr Dawn sich daran klammerte, dass Andrew ja sagen könnte und sie eine Begleitung für den Ball hatte.

„Das habe ich ja schon,“ seufzte Dawn.

„Du hast einen Jungen gefragt?“ Buffy schüttelte den Kopf. „Ich glaube, du musst noch sehr viel lernen. Auch wenn es NUR Andrew ist.“

+++

Am Bücherregal
"Ich möchte ja," murmelte Andrew leise. "Aber ich war noch nie auf einem Ball, und ich weiß überhaupt nicht, wie so etwas abläuft. Wenn ich nun etwas Falsches sage, oder tue, dann fällt das auf Dawn zurück, und sie ist bei den anderen unten durch."

Xander sah ihn nachdenklich an. Wahrscheinlich war Andrew während seiner Schulzeit zu schüchtern gewesen, um ein Mädchen um eine Verabredung zu bitten. Und falls er es doch getan hatte, nun ja, er war bestimmt nicht der Typ gewesen, dem die Frauen hinterherliefen. Das weckte doch eine Menge Erinnerungen.

"Hey!" Xander sah ihn aufmunternd an. "Weißt du, wie lange es bei mir gedauert hat, bis sich endlich ein Mädchen für mich interessiert hat? Jahrelang war ich nur der Trottel, über den sie sich lustig gemacht haben. Aber eines Tages - ganz unerwartet - verliebte sich das hübscheste Mädchen unserer Schule in mich. Und das, obwohl sie mich eigentlich überhaupt nicht ausstehen konnte." Er hob die Hand. "Das ist kein Märchen, es ist wirklich passiert!"

"Buffy hat sich in dich verliebt?" fragte Andrew neugierig.

Xander stutzte. "Na, eigentlich hab ich von einem anderen Mädchen gesprochen. Aber was soll's, es geht ja jetzt gar nicht um mich. Ich wollte dir nur klar machen, dass auch ein durchgeknallter Star Trek Fan eine Freundin finden kann. Er muss einfach nur an sich glauben, und die Dinge etwas lockerer sehen!"

"Ja gut, aber was hat das mit mir und dem Hallowe’en Ball zu tun," fragte Andrew noch viel verwirrter.

Xander seufzte.

+++

Am Tisch
Dawn verzog ihr Gesicht zu einer gequälten Miene. „Er hat ja nicht zugesagt, aber auch nicht abgesagt. Soll ich ihn noch einmal fragen?“

„Auf keinen Fall,“ beeilte sich Buffy zu sagen. „Warte, bis er den nächsten Schritt macht. Wenn er wirklich mit dir gehen möchte.. ich meine gehen im Sinne von.. auf den Ball gehen, dann wird er zu dir kommen.“

Erleichtert darüber, dass ihre Schwester ihr die Entscheidung so leicht machte, stand Dawn auf. Am liebsten hätte sie Andrew doch selbst noch einmal gefragt, aber sie wollte den Rat von ihrer großen Schwester annehmen und beherzigen. Zudem schien Andrew in ein Gespräch mit Xander vertieft zu sein. Es würde warten müssen. Mit einem raschen Blick auf die Uhr, stellte sie fest, dass es Zeit für ihren Job wurde. „Ich muss los Leute,“ verabschiedete sie sich von allen und verließ den Raum.

+++

Am Bücherregal
Xander blickte noch immer in Dawn's Richtung, als die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war. Warum musste das alles immer wieder so kompliziert sein? Dawn mochte Andrew, und Andrew mochte Dawn. Doch, bis es den beiden klargeworden war, und sie endlich darüber geredet hatten, würde wohl noch ewig Zeit vergehen. Es war nicht anders als damals, als er selbst noch ein Teenager gewesen war.

Aber so naiv und unbedarft wie Andrew war er mit zwanzig nicht mehr gewesen. Dieser Junge war wirklich ein Spätzünder und die Pubertät war restlos an ihm vorübergegangen, ohne einen Zwischenstop einzulegen! Inzwischen glaubte er ihm sogar, dass in der Nacht, die er bei Dawn geschlafen hatte, wirklich nichts passiert war. Andrew war viel zu schüchtern, um sich etwas in der Richtung zu trauen, und hatte wahrscheinlich auch nicht viel Ahnung, wie. Obwohl er doch von seinen Filmen und Serien her einiges mitbekommen haben müsste.

"Erinnerst du dich an die TNG Folge, in der Wesley sich in diese außerirdische Prinzessin verliebt?"

Andrew nickte begeistert. "Das war so romantisch. Ich fand es so traurig, dass sie am Schluss weggehen musste. Und er hat sie immer noch geliebt, als er wusste, dass sie in Wirklichkeit ein Lichtwesen...oh!" Erkenntnis blitzte in seinen Augen auf. "Du glaubst also...dass ich und Dawn...aber so ist das nicht! Wir sind nur gute Freunde!"

"Immerhin hat sie dich um eine Verabredung gebeten." Xander blickte ihn forschend an. "Meinst du nicht, dass da ein bisschen mehr dahintersteckt?"

Diese Frage schien Andrew ein wenig zu verunsichern. "Ich weiß nicht. Ich kenn mich nicht aus, mit so was. Es ist kompliziert," erklärte er mit hilflosem, leicht abwesendem Gesichtsausdruck.

"Deshalb bin ich ja da, um dir zu helfen," grinste Xander. "Du willst mit Dawn auf diesen Ball gehen? Mach es so, Nr.1!"

+++

Selber Raum, einige Zeit später
"Willow?", flüsterte Kennedy, als sie ihre Freundin von hinten umarmte, und ihren leicht süßlichen Duft wahrnahm, der sie an manch zärtliche Momente erinnerte. Augenblicke, die es leider in letzter Zeit nicht so oft gab. Zuerst ihre örtliche Trennung dank des Einsturzes von Sunnydale, und in den letzten Tagen kam immer etwas dazwischen. Willows Klausuren, die Patrouille,... hinzu kam, dass Willow strikt noch immer darauf bestand, in verschiedenen Wohnungen zu leben, was Kennedy nicht immer besonders leicht fiel.

"Mhm?", fragte Willow, noch immer vertieft in ihren Laptop. Am Bildschirm bauten sich neue Fenster auf, und Kennedy folgte den Fingern, die flink über die Tastatur flogen.
Leicht enttäuscht, schmiegte sich die Jägerin näher an Willow, die sie nicht einmal eines Blickes würdigte, starr auf den Display schaute, und die Zeilen überflog.

"Wie wär’s mit einer Pause Liebling?"

"Pause?", antwortete Willow, und sah nun ihrer Freundin in die Augen. "Ja, Pause,...du sitzt hier schon einige Zeit, und ich denke, für ein paar Minuten könnten wir die anderen auch allein die Recherche übernehmen lassen, oder?", entgegnete Kennedy erwartungsvoll, und sprach etwas lauter, um Zustimmung der anderen zu erhalten.

"Ich weiß nicht, schließlich zählt Giles auf uns und,..."

"Du kannst dir ruhig 'ne Auszeit nehmen Willow, wir kommen hier auch allein klar, und in den alten staubigen Büchern findet man vielleicht doch noch mehr Informationen als in deiner Kiste.", lächelte Xander, der Kennedy ihre Enttäuschung ansah.

Als wäre es nur durch seinen Ausspruch geschehen, stellte Andrew einen neuen Stapel Bücher krachend vor ihm ab, und so bahnte sich der Staub den Weg zu Xanders Nase, der danach einem Hustenanfall unterlag. Für einen Augenblick sah Andrew ihn fragend an, doch dann zuckte er mit den Schultern, und setzte sich ans andere Ende des Tisches.

Die beiden Verliebten grinsten, und so schaltete Willow ihr Notebook mit einem Mausklick in den Standby Modus, und stolperte fast Kennedy hinterher, die sie mit sich zog. Der einzige Raum in dem sich niemand der Scoobies befand war der große Konferenzraum, und so wurde dieser von Kennedy auserkoren, um endlich wieder für kurze Zeit mit ihrer Willow allein sein zu können.

"Und was haben wir jetzt vor?", fragte die Rothaarige, die fasziniert von Kennedy war, als die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster geworfen wurden, die Schönheit ihrer Freundin noch mehr untermalten. "Mhm.. was ist?", fragte Willow, die nach ein paar Sekunden nur einen Windhauch, der ihre Lippen streifte, spüren konnte.

"Ich würde gern öfter in deine Augen sehen, dir nah sein..."

"Aber das bist du doch jetzt?", entgegnete Willow verwirrt.

"Ja, vielleicht in diesem Augenblick...aber vielleicht verstehst du nicht was ich meine... Hattest du noch nie das Gefühl jemanden so zu vermissen, obwohl man wenige Zentimeter von dieser Person entfernt ist? Du bist einfach immer mit den Gedanken wo anders..."

"A-Aber ich war damit beschäftigt, Infos für uns zu suchen? Das ist etwas vollkommen anderes!"

"Ist es etwa immer etwas anderes? Natürlich, okay ich hab’ akzeptiert, dass du nicht willst, das wir zusammenziehen, und dass du nicht jede freie Sekunde mit mir verbringen willst, aber..."

"Wer hat bitte gesagt, dass ich nicht jede Sekunde mit dir verbringen will?", Willow schnitt ihr das Wort ab. "Wieso denkst du das? Ich bin mit dir zusammen, Ken, und ich würde alles dafür aufgeben, um dir immer nah sein zu können.", sie sah die Jägerin durchdringend an, doch diese schüttelte nur ihren Kopf, und funkelte sie an.

"Ich habe es gesagt, und glaubst du nicht, dass ich es nicht fühlen kann, dass du es nicht tust? Es gibt einfach immer etwas Wichtigeres als mich. Weißt du, wie leid ich es bin, immer hinten anzustehen, und darauf zu warten bis alles andere erledigt ist? Du hast immer noch für jeden anderen Zeit gefunden, für Dawn, Buffy, doch für deine Freundin? Es kommt mir schon so vor als würdest du mich manchmal nur als lästigen Zeitvertreib sehen!"

Willow wusste nicht was sie antworten sollte, bis vor wenigen Sekunden dachte sie, zwischen ihr und ihrer Freundin gäbe es keinen Grund für eine solche Auseinandersetzung. Kennedy sah ihr noch immer in die Augen, es brannte ein Feuer in ihr, das nun bereit war alles in sich Aufgestaute frei zu lassen. Willow war, als würde sie mit ihrer Freundin mitfühlen können, ihren Schmerz tief in ihrer Seele spüren, und noch nie war ihr so klar, dass sie sie vielleicht doch links liegen gelassen hatte. Aber was war so falsch daran den Rat aufzubauen? Giles bei seiner Arbeit zu unterstützen? Sich am College wieder anzustrengen, um dem Wunsch, endlich keine Unterbrechung ihres Studiums mehr zu riskieren, nachzuhängen?

"Ich,...", flüsterte Kennedy, und versuchte ihre Tränen zu unterdrücken. Sie hatte sich schon lange von Willow gelöst, ihre Hände ballten Fäuste, zitterten leicht. Wie konnte diese Frau sie so wahnsinnig machen? So wahnsinnig nach der Liebe zu ihr, und doch nicht das zu bekommen was sie wollte.

Willow bekam eine kleine Gänsehaut als Kennedy die Stille durchbrach, sah ihr in die Augen.

Die Jägerin konnte diesen Gesichtsausdruck nicht ertragen, sie konnte fühlen, wie eine Träne ihre Wange hinunterlief, doch das wollte sie nicht. Sie wollte hier nicht gegenüber von ihrer Traumfrau stehen, und heulen wie ein Kleinkind, nein, nicht sie.

Mit einem gleichgültigen letzten Blick zu Willow, ging sie an ihr vorbei, schloss die Tür hinter sich. Willow starrte aus dem Fenster, hörte das Rauschen des Windes, und Kennedy wie sie die letzten Schritte auf dem Flur mit einem Knarren hinter sich ließ...

AKT 2

Konferenzraum, Wächterhaus
einige Minuten später

"Was...?", flüsterte die verwirrte Willow. Sie richtete ihren Blick noch immer aus dem Fenster, konnte die Wärme langsam an sich vorbeiziehen spüren, die sich vor ein paar Minuten noch ausbreitete, aber der nun durch Kennedys Worte dieses wohlige Gefühl von Zärtlichkeit genommen wurde.

Erst das Krachen als die Haustür ins Schloss fiel, riss sie aus ihrer Trance. Was hatte sie nun wieder falsch gemacht? War es wirklich so, dass sich Kennedy vorkam, als würde sie sich nicht im Geringsten für sie interessieren? Sie hätte es bemerkt, wenn es so gewesen wäre. Hätte gemerkt wie es in dem Inneren ihrer Freundin aussah.

Eine solche Reaktion hätte sie niemals erwartet. Vielleicht war es Zeit für diese Worte gewesen, Zeit ihr die Augen zu öffnen. Zeit, sie allein in diesem kargen Raum stehen zu lassen, ihre Gedanken zu durchwühlen, die immer noch von den nicht ausreichenden Ergebnissen der Recherche erdrückt wurden.

Sie wollte sich nie mit Kennedy streiten. Sie nie so verletzen, wie sie es anscheinend unbewusst getan hatte. In letzter Zeit hatte sie sich mehr auf andere Dinge konzentriert, doch sie wusste nicht ob es wichtigere Dinge waren. Kennedy gab ihr ein Gefühl, für dass sie alles aufgeben würde, doch sie hatte schon so oft etwas aufgeben müssen, um alles mehr oder weniger gekämpft. Wahrscheinlich wollte sie nicht auch um Kennedy kämpfen, es war so selbstverständlich jemanden zu haben, an dem man sich fest halten konnte.

Willow fühlte einen Kloß in ihrem Hals, konnte nur erahnen dass Kennedy sie vielleicht nie wieder sehen wollte, da sie ihr nie gesagt hatte, wie viel sie ihr bedeutet. Doch sie wusste, dass sie versuchen musste, es ihr zu zeigen, ihr zu beweisen, dass sie ihre Welt war.

Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte, wie sie mit ein paar Worten alles wieder gut machen konnte. Aber es war die einzige Möglichkeit.

Wenn sie sich nur sicher sein könnte, dass es richtig war. Ob sie Versprechen die sie machen würde, wirklich einhalten könnte, und ob es wirklich einen Platz für Kennedy in ihrem Leben gab.
Sie hatte sie gebraucht, gebraucht um Taras Tod schlussendlich zu akzeptieren, und für kurze Zeit mit ihr glücklich zu sein. Sie würde es nicht aushalten können, wenn Kennedy mit ihr vielleicht nicht glücklich sein konnte. Doch es kam ihr wie ein Versuch von ihrer Freundin vor, sie wieder aufeinander zu fixieren, zu wollen, dass die beiden sich wieder viel näher kamen, geistig wie auch körperlich.

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Vor dem Ratsgebäude
selbe Zeit

Wieso? Wieso musste sie mit Willow reden? Wieso hatte sie nicht einfach ihre Augen geschlossen, sie geküsst und alles um sich herum vergessen? Es war ein Fehler mit ihr zu diskutieren. Als hätte sie sich diese Worte überlegt, doch sie hatte nicht einmal genauer darüber nachgedacht, nie vorher auch nur einen Gedanken daran verschwendet. Vielleicht hatte sie diese Gedankengänge einfach nur so lange in ihrem Inneren vergraben, bis sie sich eines Tages endlich den Weg an die Oberfläche gesucht hatten. Hatte sie nun alles zerstört? Sie hatte schon immer alles kaputt gemacht, wieso jetzt nicht auch diese Beziehung?

Kennedy lehnte sich gegen den nächsten Baum, hatte das Haus hinter sich gelassen und hörte nur das Rauschen der wenigen Autos, die an ihr vorbeifuhren. Der kalte Wind brannte leicht in ihren Augen, hatte aber dennoch die sich anbahnenden Tränen getrocknet. Die grauen Wolken verliehen dem Tag eine trübe Stimmung, nahm den Straßen und deren Umgebung das Leuchten.

Die Jägerin sank in sich zusammen, schlang die Arme um ihre angewinkelten Beine. Der Boden war kalt, leicht feucht, doch es störte sie nicht. Das einzige was sie störte war ihre eigene Dummheit. Sie konnte nicht zu Willow gehen und sich entschuldigen, sagen, dass sie einfach alles vergessen sollte, was in der letzten halben Stunde zwischen den beiden geschehen war..

....

"Ken...?", flüsterte Willow, die kurz vor der Jägerin stehen geblieben war. "Was machst du hier?"

Kennedy hatte sie nicht kommen gehört, vielleicht war sie einfach nur mit den Gedanken so weit abwesend gewesen, dass sie nichts anderes mehr wahrnehmen konnte.

"Nach was sieht es denn aus Will? Ich sitze hier, warte auf dich, und auf dass das du mir sagst, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, weil ich wohl total überreagiert habe...", entgegnete Kennedy ruhig aber bestimmt, ohne Kraft ihrer Freundin in die Augen zu sehen.

Sie hatte allein schon als sie ihren Kopf hob, Willows Gesichtszüge erkennen können, die schon wieder diesen unaushaltbaren Blick zeichneten, dem sie einfach nicht stand halten konnte.

"Ich denke, da kannst du etwas lange warten, weil das wohl nicht geschehen wird...", sagte Willow. "Ich bin wohl schuld an der ganzen Sache. Ich hätte dir nie meine Abweisung zeigen müssen. Es.. es ist einfach so schwer alles unter einen Hut zu bringen, und da vergisst man wohl immer das Wichtigste..."

"Wenn ich nicht so blöd gewesen wäre und alles gesagt hätte, dann wären wir wahrscheinlich gerade mit ziemlich netten Dingen beschäftigt."

"Wir haben sicher noch demnächst Zeit, um uns mit diesen Dingen zu beschäftigen.", grinste Willow. Auch wenn sie keinen blassen Schimmer davon hatte, wann sie Zeit hatten. Aus diesem Grund war dieser Streit entstanden, und sie hatte Angst, dass ein neuer mitentstehen könnte.

"Demnächst..", sagte Kennedy leise vor sich hin, als wüsste sie genau dass Willow mit diesem Wort jeglichen Zeitpunkt der Zukunft meinen konnte.

"Es tut mir leid...", flüsterte Willow Kennedy ins Ohr, als sie sich zu ihr gekniet hatte, und ihr anschließend in die Augen sah. Der Jägerin blieb nichts anderes, als ihren Blick zu erwidern. Willow fasste es anders auf, beugte sich vor um Kennedy zu küssen, doch diese rührte sich nicht, sah sie noch immer an, und murmelte: "Demnächst, wenn wir mehr Zeit haben..."

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Cleveland Rides
Spätnachmittag

„Hier fang!“, Spielerisch warf Shin Dawn ein Päckchen zu. Sie fing es auf, wenn auch total überrumpelt, er hatte sie vollkommen unvorbereitet erwischt. „Hey!“, protestierte sie, doch als sie Shins breites Grinsen sah, lächelte sie amüsiert. Shin war so ein…

Dawn kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, denn sie wurde unterbrochen. „Wenn ich das noch einmal sehe, dann gibt’s Ärger!“. Carl Trust war hinter den beiden aufgetaucht, und sah Dawn und Shin streng an. Dawn lächelte entschuldigend und verstaute das Päckchen in ihrem Rucksack.

„Hai, Boss-sama!“. Immer noch grinsend verbeugte sich Shin. Die kleine Ermahnung konnte wohl nicht verhindern, dass er die Situation amüsant fand. Er war eben eine Frohnatur, das wusste Dawn, und er ließ sich nur äußerst selten die Laune verderben.

Carl Trust drehte sich von den beiden weg und winkte zwei bullige Jungs heran, die in einiger Entfernung an der Wand lehnten und schon seit geraumer Zeit zu Dawn und Shin hinüber gestarrt hatten. Nun kamen sie in ihre Richtung getrottet und blieben neben der kleinen Gruppe stehen. Argwöhnisch betrachteten die beiden Neuankömmlinge ihre Gegenüber…

Trust wendete sich wieder Dawn und Shin zu. „Das sind Vincent und Gregory, die beiden fangen hier neu an!“. Er warf Dawn einen kurzen Blick zu. Sie grinste verlegen. Endlich nicht mehr die Neue…

„Hi…!“, Shin streckte den beiden Jungs die Hand entgegen, doch diese sahen Dawn und Shin nur abschätzend an und folgten dann Carl Trust, als dieser in sein Büro verschwand.

"Ein bisschen Höflichkeit könnte euch auch nicht schaden!" rief Dawn den beiden hinterher.

"Unsicherheit, kombiniert mit Selbstzweifel, neh?" Gelassen zuckte Shin die Schultern. „Was soll’s! Lass uns fahren!" Er warf Dawn sein gewohnt lockeres Grinsen zu, schnappte sich seinen Rucksack und das Fahrrad und verschwand Richtung Ausgang.

Dawns Blick wechselte von Shin zur Tür von Carl Trusts Büro und wieder zurück. Solche Typen nervten sie, das konnte sie nicht ändern. Aber sie konnte auch nicht ewig hier rumstehen und sich darüber aufregen, also nahm sie ihr Fahrrad und folgte Shin nach draußen…

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Cleveland, Friedhof
Selbe Zeit

”Und wieder haben unsere Helden eine neue gefährliche Mission zu erfüllen,” flüsterte Andrew wichtigtuerisch und spähte um einen Grabstein herum. Er zog den Kopf jedoch sofort ängstlich zurück, als vor ihm Kennedy‘s wütendes Gesicht auftauchte. ”Fall mir auf den Wecker, und du bist tot, klar?”

Andrew schluckte und versteckte sich vorsichtshalber hinter dem Stein. Einer wütenden Kennedy kam man besser nicht die Quere. Fast so schlimm, wie eine wütende Willow, aber zum Glück auch nur fast.

Kennedy beachtete ihn nicht weiter. Sehnsüchtig starrte sie den stillen schattigen Hang hinunter zur Friedhofsmauer, als könne sie dadurch die Monster aus ihren Gräbern locken. Für Vampire war es noch ein wenig zu früh, aber ein paar Dämonen wären jetzt genau das Richtige, um ihre aufgestaute Wut loszuwerden. Wo waren die komischen Viecher mit den vielen Nasenlöchern, die angeblich die Stadt unsicher machten? Immer, wenn man jemanden zum Verprügeln brauchte, war keiner da.

”Vielleicht suchen wir am falschen Ort,” überlegte Xander, als er seinen Blick über den Friedhof schweifen ließ. ”In Giles‘ Büchern stand nichts davon, dass die Iah K‘uru unbedingt in Friedhöfen rumlungern würden. Eigentlich könnten wir es ebenso gut in ... sagen wir mal ... Restaurants mit leckerem warmen Essen versuchen.”

”Videospielarcaden vielleicht,” schlug Andrew hoffnungsvoll vor. ”Oder wie wär’s mit Kinos?”

”Wie wär’s mit einer anderen Arbeitsmoral?” fauchte Kennedy.

”Kennedy! Hey!” Xander trat vor die junge Jägerin und sah sie ruhig, aber bestimmt an. "Du musst uns auch mal eine Auszeit gönnen! Immerhin rennen wir hier seit einer Ewigkeit in der Gegend herum, und unsere Dämonen lassen sich nicht blicken. Andrew und ich haben nunmal nicht die Kondition einer Jägerin, das darfst du nicht vergessen."

”Schon klar.” Anstatt sie zu beruhigen, hatte Xander’s kleine Ansprache sie nur noch wütender gemacht. Sie hasste, es durchschaut zu werden, und Xander durchschaute sie, soviel war sicher. Ihr wäre es lieber gewesen, er hätte ihr einfach ihre miese Laune vorgeworfen, anstatt den Verständnisvollen zu spielen. So kam sie sich, wie ein dummes kleines Mädchen vor, das seine Gefühle nicht im Zaum halten konnte. Was brauchte es eigentlich, um jemanden, wie Xander aus der Fassung zu bringen?

”Du solltest auf ihn hören, Padawan, er ist erfahren und weise!” Aufmerksam hatte Andrew die ganze Szene verfolgt. Gedankenverloren spielte er mit seinem Star Wars Schlüsselanhänger, als er weiterredete. ”Du trägst zuviel Wut in dir, junge Jedi!”

”Halt endlich die Klappe!” Mit zwei Sätzen landete Kennedy neben ihm und riss ihm den Schlüsselanhänger aus der Hand. ”Du hast doch keine Ahnung von gar nichts! Du hast doch nichts im Kopf, außer deinen blöden Filmen, und was echte Menschen denken, was sie fühlen, was in ihrem Leben wichtig ist, ist dir alles scheißegal!” Ihre Stimme überschlug sich, und sie spürte heiße Tränen in ihren Augenwinkeln. ”Das existiert alles nicht für dich! Für dich existiert überhaupt nichts, außer deiner bescheuerten Phantasiewelt!”

Mit aller Kraft warf sie den Anhänger weg, und hörte im nächsten Moment das Platschen von Wasser. Das nahm sie aber schon gar nicht mehr bewusst wahr, vor ihren Augen verschwamm alles, als sich die Tränen ihren Weg nach draußen bahnten.

”Ken...” Xander sagte nichts weiter, er nahm sie einfach nur in die Arme, und als er sie festhielt, konnte sie förmlich spüren, wie sie die Kontrolle über sich zurückerlangte. ”Tut mir leid,” brachte sie mühsam heraus, ”ich führ mich hier grad, wie ein kompletter Trottel auf, tut mir echt leid!”

”Ich bin nicht derjenige, bei dem du dich entschuldigen solltest.” Mit väterlicher Geste reichte Xander ihr ein Taschentuch, damit sie sich die Tränen abwischen konnte. Sie sah sich nach Andrew um, doch dieser hatte sich abgewandt und starrte mit fassungslosem Blick auf den Brunnen an der Friedhofsmauer, als könne er nicht begreifen, was soeben geschehen war.

”Tut mir echt leid,” wiederholte sie unsicher, und trat einen Schritt auf ihn zu. ”Das, was ich über dich gesagt habe, mein ich, ich hab’s nicht so gemeint! Ich war einfach nur sauer, wegen dem Krach mit Willow, und ich wollte nicht...”

”Wieso hast du das gemacht?” fragte Andrew mit tonloser Stimme, und Kennedy hatte das Gefühl, dass es ihn gar nicht zu interessieren schien, was sie ihm vorgeworfen hatte, und noch weniger, dass sie ihm gerade ihr Herz ausschüttete. Ihm ging es nur darum, dass sein Spielzeug weg war, sein blödes kleines Raumschiff, welches sie aus Versehen in den Brunnen befördert hatte.

Sie begriff absolut nicht, wie jemand so sein konnte.

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Cleveland, unterwegs
einige Zeit später

Shin steuerte sein Fahrrad zielsicher an den Pfützen vorbei, die nach dem letzten Regen noch immer nicht getrocknet waren. Die Sonne schien nur selten ihr Licht in diese Gasse zu werfen, denn die Hauswände thronten hoch und die Gasse war eng. Ein trostloses Stück Asphalt…

Ein kurzer Zug an der Bremse und das Rad blieb stehen. Shin stieg ab und lehnte es gegen die Mauer. Ein ebenso kurzer Blick über seine Schulter versicherte ihm, dass Dawn ebenfalls schon abgestiegen war und ihr Rad an der gegenüber gelegenen Mauer abgestellt hatte. Er lächelte kurz, wendete sich wieder seinem Fahrrad zu und versicherte sich noch einmal, dass es einen festen Stand hatte.

„Hey Dawn, schmeiß mal das Päckchen rüber!“, rief er grinsend und Dawn begann zu lachen.

„Du weißt, was Trust gesagt hat?!“, sagte sie und zog die Augenbrauen hoch, fischte dann aber doch das Päckchen aus ihrem Rucksack. „Hier!“. Sie warf das Päckchen mit leichtem Schwung zu Shin, der es gekonnt auffing. Es wog fast nichts, so als wäre nichts darin. Er zuckte kurz mit den Schultern. Wenn er sich über jedes Päckchen, das er auslieferte. Gedanken machen würde, wäre er ein sehr beschäftigter Kerl. „Na dann wollen wir mal… wäre doch gelacht, wenn wir den Eigentümer des letzten Päckchens nicht auch noch finden…“.

Shin sah sich um und studierte die Hausnummern an den glatten Betonfassaden der protzigen Hochhäuser. Eigentlich war das keine Wohngegend, in der sie hier gelandet waren, stellte er nüchtern fest. Die meisten dieser Hochhäuser beherbergten Firmen und Büros.…

„Da!“, sagte Dawn und deutete auf eine große Glastür. Shin drehte sich um und blickte in die Richtung, in die Dawn gezeigt hatte. „Ja…“, er kontrollierte noch einmal die Adresse auf dem Päckchen, „… das ist es…! Komm!“.

Er trat zur Tür, hob die Hand und suchte nach der Türklingel, doch vergebens. Neugierig trat er näher heran, und spähte durch das Glas ins Innere des Gebäudes.

"Barker Cooperation," las Dawn das Schild an der Hauswand. Irgendwo hatte sie diesen Namen schon mal gehört, doch sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wo. "Vielleicht haben die noch einen anderen Eingang," überlegte sie.

Shin wollte sich schon abwenden, als er hinter der Tür das Geräusch von Schritten vernahm. Eine Gestalt bewegte sich von drinnen auf die Tür zu, durch das dunkle Glas war nur der Schatten zu erkennen. Ein Mann mit einer Aktentasche. Erst leise, dann immer lauter wurden die Schritte, bis sie direkt hinter der Tür verstummten.

Mit leisem Surren schob sich die Tür beiseite, und ein Mann mittleren Alters trat heraus. Spärlicher Haarwuchs, starre Gesichtszüge, grauer Anzug. Rechts trug er eine Aktentasche, in der linken Hand hielt er eine Zigarre, von der er dann und wann einen Zug nahm. "Kann ich euch irgendwie behilflich sein," fragte er und ein messerdünnes Lächeln erschien auf seinen schmalen Lippen. Ein Lächeln, welches seine kalten Augen nicht erreichte.

"Wir haben hier ein Päckchen für einen Mr. Michael Voorhees. Arbeitet er vielleicht hier?" fragte Shin freundlich.

"Allerdings." Der Mann musterte die beiden von Kopf bis Fuß, und Dawn hatte das Gefühl, dass sich sein Blick schmerzhaft in ihre Eingeweide bohrte. Ein Schauder durchfuhr sie, doch sie zwang sich weiter zu lächeln. "Ist Mr. Voorhees gerade hier?"

"Bedauerlicherweise nein." Der Mann hatte eine aalglatte, ölige Stimme. "Ich könnte ihm das Päckchen allerdings auf den Schreibtisch legen, sein Büro befindet sich gleich neben meinem."

"In Ordnung. Würden Sie bitte unterschreiben?“. Shin hielt ihm das Päckchen ohne Umschweife entgegen, während Dawn Stift und Block aus ihrem Rucksack kramte. „Hier!“, sagte sie und hielt ihm unbeirrt das zu unterzeichnende Stück Papier entgegen.

Der Blick des Mannes glitt von ihr zu Shin, und Dawn glaubte ein Funkeln in den kalten Augen zu erkennen. Sie blinzelte. ‚Sicherlich eine optische Täuschung!’…

Der Mann nahm Shin das Päckchen aus der Hand, sah wieder zu Dawn und griff nach dem Block. Dawn hatte das instinktive Bedürfnis vor diesem Mann zurückzuweichen, doch sie blieb stehen und wartete, bis er unterzeichnet hatte. Er gab ihr den Stift zurück und sie steckte ihn samt Block wieder in ihrem Rucksack…

Als sie aufsah, verschwand er auch schon wieder hinter der Glastür. Wie von Geisterhand bewegt, glitt diese zu und ließ Dawn vor Schreck einen Schritt zurückspringen, was Shin zu einem amüsierten Grinsen verleitete.

„Was war das denn für ein komischer Kerl!“, stellte Dawn verwirrt fest.

"Unsicherheit, gepaart mit übertriebenem Bedürfnis nach Anpassung, neh?" Shin zuckte mit den Schultern. „Mach dir nichts draus. Solchen Typen wirst du noch öfter begegnen.…!“, erklärte er gelassen und ging zurück zu seinem Fahrrad. „Kommst du?“.

„Schon unterwegs!“, meinte sie und blickte misstrauisch zur Tür zurück. ‚Hm…na, hoffentlich nicht, einer von der Sorte reicht mir!’. Dann folgte sie Shin…

+++

Cleveland, unterwegs
Selbe Zeit

„Ich glaube, wir suchen an den falschen Orten und Plätzen,“ Buffy blieb stehen und drehte sich um die eigene Achse. Die ruhige Strasse war menschenleer und alles was sich bewegte, war höchstens der Schwanz einer hungrigen Katze, die in den offenen Müllcontainern nach essbaren fischte. „Wenn diese Dämonen Leute überfallen, aus welchen Gründen auch immer, werden sie sich kaum an Gott verlassenen Plätzen aufhalten.“

„Sollen wir ins Zentrum gehen?“ schlug Willow vor und zeigte zurück zur Kreuzung.

„Vielleicht keine schlechte Idee. Oder in einen Park.“ Buffy lief in die gewiesene Richtung los. „Ich glaube es ist auch noch viel zu früh für sie. Aber wer weiß,“ Buffy zuckte mit den Schultern und blieb plötzlich erneut stehen. Sie wandte sich zu Willow herum. Ihr bekümmertes Gesicht ließ die Freundin schnell aufschließen.

„Was ist los Buffy?“ Willow sah ihr forschend ins Gesicht und Buffy seufzte gedehnt. Eines war klar – die Dämonenüberfälle belasteten Buffy nicht.

„Mir wächst so ziemlich alles über den Kopf,“ platzte es aus der Jägerin heraus, auch wenn sie gedanklich versucht hatte, ihre Probleme und ihre Stimmung der letzten Wochen Willow gegenüber nicht so kompakt zusammenzufassen. Aber sie hatte es einfach aussprechen müssen. Zu lange schleppte sie ihre Sorgen mit sich herum. Und die Patrouille alleine mit ihrer Freundin musste sie ausnutzen. „Ich weiß, dass ihr alle in mir jemand Starkes seht, aber das bin ich nicht mehr, Will. Es ist so vieles passiert und ich habe so vieles gesehen, das mich innerlich zerbrochen hat. Dazu die ganzen täglichen Probleme - ich ... ich habe keinen Job, um Dawn und mich zu ernähren, wir können uns kaum eine großartige Wohnung leisten und hausen bei Giles, dem wir langsam auf die Nerven gehen. Ich habe nicht einmal einen anständigen Beruf. Geschweige denn, die Zeit dafür einen zu erlernen. Die Welt ist dank mir und dir voller Jägerinnen, aber ich kann mich nicht dazu entscheiden, mich mehr und mehr zurückzuziehen, um das Leben zu führen, das ich nie hatte. Und ich weiß nicht einmal an was das liegt.“ Sie schwieg einen Moment und starrte zu Boden.

„Wenn du von mir eine Komplettlösung erwartest, muss ich dich leider enttäuschen.“ Bedauernd blickte Willow ihre Freundin an. „Deine Entscheidungen solltest du alleine treffen. Oder mit Giles besprechen. Zumindest den Teil mit dem Weiterjagen. Er als Wächter kann dir bestimmt einen kompetenteren Rat erteilen.“

„Ach Willow.. bitte,“ stieß Buffy ärgerlich aus und ging endlich weiter. „Giles hat doch nur seinen neuen Rat im Kopf und wie er ihn am effektivsten aufbaut, damit er funktioniert. Meine Probleme würden ihn nur aufhalten. Dass ich weitermache, kommt ihm doch sehr gelegen. Ich bin erfahren, brauche keine Betreuung mehr und räume unter dem Bösen gehörig auf.“

„Pflegeleicht und stubenrein,“ grinste Willow, ehe sie sich unter Buffys ernsten Blick wieder zusammen nahm. „Ich glaube, du tust ihm unrecht. Und das weißt du auch. Der Rat... der neue Rat, ist eine gute Sache. Giles versucht wirklich, alte Strukturen umzustricken und seine gesammelten Erfahrungen an deiner Seite mit einfließen zu lassen.“

„Und was macht dann diese Usher hier? Die offensichtlich zu den alten Strukturen gehört? Du solltest sie manchmal reden hören. Keine Ahnung welchen Narren Giles an ihr gefressen hat.“

„Sie scheinen sich ziemlich lange zu kennen, so wie ich das in London verstanden habe.“ Willow spürte, dass das nicht unbedingt die Worte waren, die Buffy hören wollte. „Also kennen im Sinn von Kollegen?“ Fügte sie unsicher hinzu.

„Netter Versuch.. aber das glaubt von uns ja wohl keiner im Ernst mehr. Ich hab sie beobachtet. Beide. Da läuft noch etwas anderes. Aber eigentlich kann mir das ja egal sein.“

Sie schwiegen eine Weile und Willow wusste zu gut, dass es Buffy durchaus interessierte. Gerade weil sie so sehr darauf bestand, dass es sie nichts anging.

„Du als Hüterin.. müssten dich meine Probleme nicht auch interessieren?“ Unterbrach Buffy schließlich das Schweigen.

„Wenn ich das wüsste,“ seufzte Willow. „Da wir noch immer nichts über Hüterinnen wissen, bin ich ziemlich hilflos in der Angelegenheit. Ich fürchte, du musst mit Willow als Freundin vorlieb nehmen. “

„Besser als nichts,“ lächelte Buffy. „Ich finde es auf jeden Fall sehr merkwürdig, dass der Rat angeblich nie etwas von Hüterinnen gehört haben soll. Vom Urbösen wussten sie doch auch....“

„Na ja, die letzte Hüterin mit der du gesprochen hast, scheint nicht viel vom öffentlichen Leben gehalten zu haben. Oder?“

“Nein,“ musste Buffy zugeben. Im Gegenteil.. sie hatte mehr das Gefühl gehabt, die Frau lebte gerne und bewusst im Verborgenen.

„Und Giles hatte bestimmt nicht zu allen Schriften Zutritt. Vielleicht sind wichtige Dokumente verbrannt, Aufzeichnungen der Entstehungsgeschichte.“

„Das sind mir ein paar Vielleichts zu viel. Wieso hat Giles zum Beispiel die Sense in London gelassen? Wenn er der neue Boss unter den Wächtern ist, sollte das wertvolle Stück in seinem Besitz sein und nicht bei Leuten, die wir kaum oder gar nicht kennen. Wir brauchen die Waffe bestimmt irgendwann wieder. Könntest du nicht mal mit ihm reden, Will?“

„Was.. ich über die Sense?“ Willow war über die Bitte überrascht. „Du bist doch die Jägerin. Du hast die besseren Argumente... ich bin nur...“

„Zwei Stufen über mir und eine über Giles,“ grinste Buffy.

„Ich würde das nie ausnützen.“

„Das solltest du aber. Du hast mehr Macht als alle Wächter zusammen. Tu mir doch bitte den Gefallen.. bitte?“ Buffy war stehen geblieben und hielt Willow am Arm fest. „Wenn ich es selbst versuchen würde, endet es bestimmt nur wieder in einem Streit.“

Willow ließ sich Buffys Worte durch den Kopf gehen und nickte schließlich zögernd. „Ich werde ihn aber nur fragen, wieso er die Sense nicht hier hat, und ob er nicht denkt, dass sie hier besser aufgehoben wäre.“

„Danke,“ seufzte Buffy erleichtert. „Da wäre aber noch etwas...“

„Nein,“ stöhnte Willow. „Ich hoffe nicht noch ein Gefallen?“

“Ein kleiner. Winzigkleiner.. du könntest ein Auge auf Lily und Giles werfen.“

„Bist du verrückt, Buffy? Ich kann doch nicht Giles.. bespitzeln.“ Hauchte Willow fassungslos.

„Nicht ihn direkt, aber Lily. Ich traue ihr keine zehn Fuß weit.“

„Und wie stellst du dir das vor?“

„Du hast täglich mehr mit ihnen zu tun als ich in letzter Zeit. Ich sehe sie vielleicht öfters in der Wohnung, aber da reden sie in meiner Gegenwart nicht viel über sich oder den Rat. Finde heraus, was Giles als nächstes für den Rat plant, was Lily davon hält und denkt...“

„Ich soll sie also aushorchen, ausfragen und belauschen?“

„Genau so,“ bekräftigte Buffy.

„Giles wird dich und mich umbringen, wenn er davon je erfährt,“ stöhnte Willow.

„Dann sorgen wir dafür, dass er es nicht herausfinden wird.“ Buffy klang zuversichtlich und Willow ließ sich davon anstecken.

„Okay. Aber nur weil du es bist.“

+++

Cleveland Rides Zentrale
Abends

„Hier!“. Shin unterschrieb das letzte Blatt und schob den Quittungsblock für ausgelieferte Päckchen über den Tresen. Dawn kam aus der Ecke, wo die Spinde standen und setzte ihrem Rucksack etwas zu schwungvoll auf dem Tresen ab. „Oops…“. Sie grinste Shin breit an. Sie war geschafft… wirklich fertig… hatte aber gute Laune.

„Wollen wir?“, fragte sie grinsend, schnappte sich einen Stift und quittierte schnell die Auslieferung der heutigen Päckchen und Eilzustellungen.

Shin nickte. „Wir wollen!“, sagte er lachend, hob seinen Rucksack vom Boden auf, schulterte ihn lässig und wartete bis Dawn mit dem Quittieren fertig war. Als ihre „Pflicht“ getan war, nickte sie Chad, der heute Dienst in der Zentrale schieben musste, noch einmal kurz zu und schnappte sich dann ihren Rucksack. „Wir können!“.

Dawn gähnte, streckte die Arme und sog die angenehm kühle Abendluft tief in ihre Lungen. Sie sah zu Shin, der ihr einen amüsierten Blick zu warf. „Du brauchst gar nicht so zu gucken!“, stellte sie fest und verschränkte die Arme vor der Brust. Als sie noch etwas ergänzen wollte, wurde sie von zwei anderen Stimmen unterbrochen…

„Schau dir den an…!“, sagte die eine Stimme.

„Ne, brauch ich nicht… ich seh’ auch so, dass der Typ ne Lusche ist!“, stellte die andere fest.

Shin seufzte und zog die Augenbrauen hoch. Dawn folgte seinem Blick und der Richtung aus der die Stimmen kamen. Wütend starrte sie die beiden Jungen an, die neben dem Eingang zu Cleveland Rides standen. Sie machte einen Schritt auf die beiden zu und wollte etwas sagen, als sie erkannte, wer diese Jungen war - die beiden Neuen. Sie ballte die Fäuste. So eine Frechheit… warum sagt Shin nichts… es … sie… grrr…

„Ihr…!“, begann sie, doch jemand legte ihr ruhig, aber bestimmt, eine Hand auf die Schulter und zog sie zurück.

„Lass es, Dawn. Die beiden sind es nicht wert!“, erklärte Shin gelassen und zog sie mit sich. Dawn wollte protestieren, doch als sie Shin ansah, schloss sie den Mund wieder. Ihm schien es wirklich egal zu sein. Wie konnte er bloß so ruhig bleiben.

"Nur nicht so hastig, kleiner Chinese!" Vincent, der größere der Beiden trat vor, ballte die Fäuste und ließ bedrohlich die Knöchel krachen. "Wir haben noch etwas zu bereden!"

Shin seufzte ein weiteres Mal. "Okay," entgegnete er schließlich betont gelangweilt. "Dawn, geh schon mal vor, und warte an der Bushaltestelle auf mich. Ich komme in ein paar Minuten nach."

Dawn's Herz raste, sie war sich sicher das die beiden Jungen es auf eine Schlägerei abgesehen hatten. Warum? Kannten sie Shin vielleicht von irgendwoher, und wollten ihm irgendwas heimzahlen. Gehörten sie einer rassistischen Organisation an? Oder waren sie einfach nur zwei Schlägertypen, die sich wichtig machen wollten?

Wirkliche Angst verspürte sie nicht. Ihre Jägerinnenkräfte würden sie relativ problemlos mit den beiden fertig werden lassen. Aber sollte sie sie wirklich offen zeigen? In Gegenwart von Shin?

Buffy hätte mit einer solchen Situation kein Problem gehabt, soviel war sicher. Sie hätten die Jungs einfach so aufs Kreuz gelegt, dass man es auf ihre Kampftechnik zurückführen konnte, ohne dass die höhere Körperkraft, Geschicklichkeit, und Reaktionsschnelle übermäßig auffielen. Aber sie selbst hatte noch keinerlei Erfahrung mit solchen Dingen. In ihren bisherigen Kämpfen hatte sie alles gegeben, wie man sich ordentlich zurückhielt, hatte sie noch nie trainiert.

Offensichtlich sah Shin etwas von dem inneren Kampf, der in ihr vorging, und interpretierte es als die Entscheidung zu gehen, oder zu bleiben. "Keine Sorge, ich hab alles unter Kontrolle," lachte er. "In chinesischen Familien lernen wir Kung Fu, sobald wir laufen können." Er zog ein Bein an, und machte eine ausholende Bewegung mit den Armen. "Grundstellung der tanzenden Bachstelze! Ausgangsposition für den betrunkenen Blindschleichenschlag!"

Gregory und Vincent wechselten einen nervösen Blick.

Shin stellte das Bein ab, und kreiste mit den Armen vor der Brust. "Was denn, Leute? Habt ihr das nie im Kino gesehen? Kennt ihr die Szene in Rush Hour, wo Jackie Chan von dem brennenden Lieferwagen springt, und dem Kerl mit einem Tritt ins Gesicht die Nase bricht? Das war ein betrunkener Blindschleichenschlag!"

Er trat einen Schritt vor, und Vincent riss die Fäuste hoch. "Heb sie noch etwas höher," schlug Shin vor, "so dass du sie genau vor den Augen hast. Wenn du dann mit deiner Rechten zuschlägst, benutze ich den zentrifugalen Rückstoß deiner Linken, um dir mit deiner eigenen Faust ein blaues Auge zu verpassen. Dieses Manöver nennt man übrigens 'Ching dö-dö, den Paarungssprung der werbenden Elritze! Ist eine geheime Kampftechnik unserer Familie, mein alter weiser Großvater hat sie mir beigebracht...hey, wartet! Wollt ihr sie nicht sehen?"

Bei seinen letzten Worten hatten die beiden Möchtegern Schläger kehrtgemacht, und stürmten Hals über Kopf die Straße hinunter. Grinsend sah Shin ihnen hinterher. "Na dann ein anderes Mal!"

Dawn grinste ihn an. "Ching dö-dö, der Paarungssprung der werbenden Elritze?"

"Wieso, klingt doch gut?" Shin zuckte mit den Schultern. "Eigentlich schade, dass ich kein Chinese bin. Kung Fu wär bestimmt cool!"

Dawn kicherte.

Eine plötzliche Bewegung ließ sie innehalten, ein Schatten auf einem Dach. Sie hob den Blick, und sah eine Gestalt verschwinden, eine Gestalt unter einer langen schwarzen Robe. Es ging zu schnell, um Genaueres zu erkennen, außerdem hielt der geheimnisvolle Beobachter sein Gesicht unter der Kapuze verborgen.

Nur eins hatte sie gesehen, ganz deutlich, bevor das ihr zugewandte Gesicht im Nachtdunkel verschwand..

Drei bösartig gelb glitzernde Augen.


+++

Cleveland, Friedhof
abends

"Vielleicht hatten die anderen ja mehr Glück als wir und sind....und sind auch nicht angegriffen worden," verbesserte sich Buffy gerade noch rechtzeitig, als sie sich mit einem Satz über die Friedhofsmauer schwang. Geschickt zog sich Willow hinter ihr an dem rauen Stein hoch. Sie war gut in Form, aber ohne Superkräfte dauerte es natürlich etwas länger, das Hindernis zu überwinden.

"Du könntest doch einfach....meine Hand als Räuberleiter benutzen," verbesserte sich Buffy ein zweites Mal, und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Gerade sie sollte es wirklich besser wissen, als solche Vorschläge zu unterbreiten.

Willow runzelte die Stirn, aber es waren nicht Buffy's kleine Versprecher, die ihr Sorgen machte. Natürlich, jetzt wo sie mit ihren Kräften wieder im Einklang war, wäre es ihr ein Leichtes gewesen, alle möglichen Hindernisse durch Magie aus dem Weg zu räumen. Ohne Angst vor möglichen Konsequenzen. Doch dies war mit Sicherheit nicht ihre Aufgabe als Hüterin.

Was war ihre Aufgabe als Hüterin? Dem Rat auf die Finger schauen, sowie Buffy es an sie herangetragen hatte? War sie nur eine Art Kontrollsystem, um das politische Gleichgewicht zwischen Jägerinnen und Wächtern zu halten? Irgendwie hatte sie sich das alles anders vorgestellt.

"Hey, Will!" Kennedy tauchte zwischen den Grabsteinen auf, gefolgt von Xander, der sich bemühte, mit ihr Schritt zu halten, und Andrew, der mit gesenktem Kopf an der Mauer entlang trottete. Ein Lächeln huschte über Willow’s Gesicht, Kennedy’s Nähe war tröstlich für sie, gab ihr Kraft, und Sicherheit, auch wenn ihre Probleme dadurch nicht gelöst wurden. Ihre Gedanken drehten sich noch immer, um die Frage der Hüterinnen. Warum hatte sie bisher nichts darüber herausfinden können? Die Quellen des Rates waren zum Teil über tausend Jahre alt, solange konnte das doch alles nicht zurückliegen.

"Hey! Du hörst mir schon wieder nicht zu," beschwerte sich Kennedy und schnippte mit den Fingern vor Willow's Gesicht, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. "Ich wollte wissen, ob ihr diesen Dämonen begegnet seid!"

"Nein, keine Spur von ihnen!" entgegnete Buffy an Willow's Stelle. "Vielleicht haben die schon mit ihrer Hallowe’en Party angefangen. Oder sie sind einfach nicht so fleißig, wie ihr Ruf. Kennedy, kann es sein, dass dein Informant zu Übertreibungen neigt?"

"Mo? Was meinst du damit, ohne ihn hätten wir auch niemals etwas über diese komischen Vampire erfahren," setzte Kennedy zu einer Diskussion an, und Buffy setzte nach: "Aber..."

"Willow?"

Erschrocken zuckte Willow zusammen, als sie ihren Namen hörte. Wobei es weniger der Klang ihres Namens war, der sie zusammenzucken ließ, als die Stimme, die ihn aussprach. Wann hatte Andrew sich jemals mit irgendeiner Frage an sie gewandt? Üblicherweise gingen sie einander aus dem Weg, wenn es auch nicht das aggressive 'Bleib mir vom Leib!' Aus-dem-Weg-gehen war, sondern eher eine milde Form des 'Ich kann nichts mit dir anfangen!' Aus-dem-Weg-gehens.

Genaugenommen war es die pure Hilflosigkeit, und nichts anderes. Keiner von ihnen wusste so recht, wie er mit dem anderen umgehen sollte, aber beiden war ihnen klar, dass ein Gespräch von mehr als drei Worten unweigerlich auf die Vergangenheit zurückkommen würde. Und das wollten sie um jeden Preis vermeiden, zuviel Schmerz war damit verbunden.

"Willow...uhm, mir ist da was passiert, vielleicht könntest du mir helfen?"

"Ja?" Ihr Hals fühlte sich unglaublich trocken an.

Nervös trat Andrew von einem Fuß auf den anderen. "Ich hab da diesen Schlüsselanhänger. Den, der so aussieht, wie ein Star Destroyer..."

Sie suchte in ihren Gedanken nach einem Bild, aber sie fand nichts. Andrew besaß so viele Gegenstände, die irgendwie mit Science Fiction zu tun hatten, sie hatte nie wirklich darauf geachtet. Sie wusste beim besten Willen nicht, wovon er überhaupt sprach.

"Na jedenfalls, ist der Anhänger weg. Er ist in diesen Brunnen da drüben gefallen, der so aussieht, als würde da jeden Moment eine Sadako rausgekrabbelt kommen, auch wenn die da gar nicht reinpassen würde, weil der Schacht viel zu eng ist..."

"In Amerika heißt sie Samara, Andrew," versuchte Xander zu helfen, "wenn du Sadako sagst, dann weiß Willow nicht, was du.....das heißt, das ist jetzt überhaupt nicht wichtig," winkte er ab, und wurde noch im selben Moment von Kennedy unterbrochen: "Es war meine Schuld, Will! Ich hab den Anhänger weggeworfen, weil ich so gereizt war. Ich seh ja ein, dass es nicht gerade nett war, und hab mich auch schon entschuldigt. Ich versteh trotzdem nicht, warum er so ein Theater.."

"Wohnt in dem Brunnen so eine Art Dämon?" wunderte sich Buffy. "Ist es dass, was er meint?"

"Nein, das heißt....wir sollten das mal überprüfen! Xander legte einen Arm um Buffy, und den anderen um Kennedy und deutete in Richtung Brunnen. Ein wenig verwirrt ließen sich die Mädchen mitziehen. Willow blieb unschlüssig stehen, und wartet darauf, dass Andrew weitersprach.

"Na jedenfalls, der Brunnen ist zu eng, dass jemand runterklettern könnte, und ich wüsste auch keinen Dämon, den ich beschwören könnte, um ihn da runterzuschicken...." Andrew's Stimme wurde zusehends hilfloser. "Gibt es nicht vielleicht einen Zauber, um den Anhänger wieder rauszuholen?" fragte er verzweifelt.

Willow holte tief Luft. Nie hatte sie geglaubt, dass der Tag käme, an dem Andrew sie um Hilfe bitten würde, noch dazu um einen Zauber. Umso mehr tat es ihr leid, dass sie ihm seine Bitte abschlagen musste. Offensichtlich glaubte er, dass Magie dazu da war, um sich das Leben einfacher zu machen, und diese Vorstellung durfte sie nicht unterstützen.

Sie wählte ihre Worte sorgfältig und mit Bedacht, denn sie wollte Andrew nicht verletzen: "Sieh mal, die Sache mit der Magie ist eine sehr schwierige und komplexe Angelegenheit. Früher habe ich sehr oft Magie für alltägliche Dinge benutzt. Um mich anzuziehen, damit ich morgens länger schlafen konnte, um Sachen herbeizuholen, weil ich zu faul zum Aufstehen war, um Vorgänge zu beschleunigen, weil ich keine Geduld hatte. Und genau dieser verantwortungslose Umgang mit der Magie hat mich schließlich davon abhängig gemacht.

Magie ist nicht dazu da, um sich das Leben leichter zu machen, verstehst du? Wenn man diese Kräfte besitzt, muss man sich gut überlegen, wie man damit umgeht. Mit Magie verändert man die natürliche Ordnung der Dinge, und so etwas darf nie unüberlegt geschehen."

Einen Moment lang blickte Andrew sie misstrauisch an, als wolle er sagen: 'Gehören Leute ohne Haut auch zur natürlichen Ordnung der Dinge?', doch als er den Mund aufmachte, kam lediglich ein Filmzitat heraus: "Mit großer Kraft, kommt auch große Verantwortung!"

"Du hast's erfasst." Ein Lächeln huschte über Willow's Gesicht. "Oder besser gesagt, Onkel Ben hat's erfasst. Bei dir bin ich mir noch nicht so ganz sicher."

"Wieso wär' das verantwortungslos einen Schlüsselanhänger aus einem Brunnen zu holen? Das versteh' ich nicht," gab Andrew schließlich zu.

"Darum geht es doch gar nicht," versuchte Willow es weiter. "Es geht darum, wo ich die Grenze setze. Heute ist es dein Anhänger, morgen verliert vielleicht Xander seinen Autoschlüssel, und Buffy kommt zu spät zu einem Vorstellungsgespräch. Dawn schreibt eine schlechte Note, Kennedy's Lieblingsjacke geht kaputt, und allerspätestens in drei Wochen fragen sich alle Jägerinnen, warum sie überhaupt noch trainieren müssen, wenn ich doch einfach alle Monster mit ein paar Sprüchen in die Luft jagen könnte. Und wenn die Jägerinnen erst mal angefangen haben, in ihrem Training, und ihrer Wachsamkeit nachzulassen, sind sie bald völlig hilflos, und von mir abhängig. Und dann muss nur der Moment kommen, an dem meine Kräfte zu verbraucht sind, um zu handeln, und wir haben die Katastrophe..."

Andrew nickte langsam, er schien es jetzt wirklich begriffen zu haben. Doch sein Gesicht wirkte, nach wie vor so, als müsse er jeden Moment losheulen.

Um ehrlich zu sein, fand sie das Theater mit dem Anhänger ein wenig übertrieben, doch sie wollte es ihm nicht vorwerfen. Für Andrew waren nun mal andere Dinge wichtig, als für 'normale' Menschen, und zumindest hatte die ganze Sache dafür gesorgt, dass sie einmal mehr als nur drei Worte miteinander geredet hatten. "Ich könnte dir vielleicht auf andere Weise helfen," bot sie ihm an. "Wie du weißt, bin ich ganz gut darin, etwas im Netz zu finden, vielleicht kann man einen solchen Anhänger ja noch irgendwo kaufen. Selbst, wenn es ein seltenes Sammlerstück war, irgendjemand löst immer seine Sammlung auf, und bietet sie in irgendeinem Forum an."

"Danke." Andrew schüttelte den Kopf. "Aber Buffy hat mir damals auch was über Verantwortung beigebracht. Sie hat gesagt, ich darf meine Geschichten nicht dazu benutzen, um mir die Wirklichkeit schönzureden. Und wenn ich mir einen neuen Anhänger kaufe, und dann so tue, als wäre es meiner, dann würd ich doch genau das tun."

Er seufzte. "Schon kompliziert mit so vielen verschiedenen Leuten, die mir alle was über Verantwortung beibringen wollen."

+++

Zwei Blocks vom Wächterhaus entfernt
Abends

„Na, um die Möchtegern Schläger müssen wir uns keine Sorgen mehr machen“, stellte Dawn belustigt fest, und über ihr Gesicht huschte ein erneutes Grinsen. „Morgen geben wir Trust Bescheid, was passiert ist, und die beiden fliegen achtkantig raus!“

Shin schüttelte den Kopf und blickte zur Straße, wo die Autos in raschem Tempo an ihnen vorüber huschten. Schließlich sah er Dawn an. „Ach weißt du… wir müssen Trust gegenüber kein Aufhebens machen, das ist die Sache nicht wert. Mit denen kriegen wir bestimmt keinen Ärger mehr. Ich kenn solche Typen zu Genüge… glaub mir. Wenn die jetzt ihren Job verlieren, landen sie nur wieder auf der Straße und machen Ärger. Also, was soll´s.“, erklärte er gelassen.

„Hm!“, murmelte Dawn leise und sah Shin lange an. Hinter diesem Jungen steckte viel mehr, als die meisten auf den ersten Blick annehmen würden, viel mehr…

Aber die Sache mit dem Dämon auf dem Dach machte ihr doch Sorgen. War er nur zufällig dort gewesen? Oder hatte er am Ende mit dem Angriff zu tun?

Die beiden Jungs waren eindeutig Menschen gewesen, soviel stand fest, sonst hätten sie sich nicht so leicht einschüchtern lassen. Aber was sollte das mit diesem Angriff? Steckte da vielleicht mehr dahinter?

Ein Gedanke blitzte auf, ein Gedanke, der ihr im ersten Moment absolut hirnrissig erschien. Was, wenn es bei der Sache um sie ging? Wenn es so eine Art Test war? Der Dämon hatte die Jungs bezahlt, um sie und Shin anzugreifen, damit er ihre Reaktion beobachten konnte. Er wollte herausfinden, ob sie tatsächlich Jägerinnenkräfte besaß. Wenn sie gegen die Jungs gekämpft hätte, dann...Willow hatte sie doch gewarnt, dass so etwas möglicherweise passieren würde.

Nein! Niemals! Absoluter Unsinn! Sie hatte sich nicht verraten, sie hatte niemandem davon erzählt, und auch niemals ihre Kräfte eingesetzt.

Doch, der Ausrutscher auf dem Baseballfeld. Aber das war am helllichten Tag gewesen, und nur Leroy hatte es mitbekommen...

Nein. Sie sah Gespenster. Sie spann sich etwas zusammen, wo nichts war.

Trotzdem beschloss sie insgeheim, den anderen noch nichts von dem Dämon zu sagen. Was, wenn Buffy wieder ihren Rappel kriegte, und sie nicht auf den Ball ließ?

Shin lächelte. „Vergiss es einfach, Dawn, reden wir von was anderem. … Was geht so bei dir ab? Wie läuft es mit deinem Ball? Hast du schon ein Kleid?“, lenkte er vom Thema ab.

Dawn sah auf und… wurde rot. „Äh ja.. Ball… Hallowe’en Ball… !“. Was sollte sie ihm zuerst erzählen? Dass sie noch kein Kleid hatte, oder vielleicht, dass sie noch keinen hatte, der mit ihr hinging, das hieß, noch keine Zusage. Andrew hatte sich noch nicht gemeldet. Und alleine würde sie auf keinen Fall zu diesem Ball gehen… niemals und… überhaupt…

’Oh, Summers… reiß dich zusammen!’, schalt Dawn sich selbst und versuchte die Röte, die ihr ins Gesicht gestiegen war, unter einem breiten Grinsen zu verbergen…

„Hallowe’en Ball…“, setze sie noch einmal von Neuem an und schluckte. „Uh nein… kein Kleid!“, erklärte sie. „Ich meine… noch kein Kleid… im Sinne von noch nicht gekauft… und…!“, stotterte sie zusammenhangslos und sah Shin verzweifelt an. Shin grinste breit und nickte, dass er verstanden hatte. Dawn seufzte erleichtert…

„Ich war schon lange nicht mehr auf so einem Ball. Das ist schon Ewigkeiten her. Aber es war schön!“, sinnierte er und blickte dabei nachdenklich in den Himmel.

Dawn beobachtete Shin. Er wirkte abwesend, als würde er irgendwelchen alten Erinnerungen nachhängen. Na ja… so alt war er nun auch wieder nicht… aber trotzdem. Er war einfach ein netter Kerl. „Vielleicht sollte ich ihn fragen, ob er mit mir zum Ball geht?“, überlegte sie kurz. Jetzt, wo sie die Regeln schon einmal gebrochen hatte, kam es auch nicht auf ein zweites Mal an.

Als sie aufblickte, standen sie vor der Auffahrt zu Giles’ Wohnung, die in der unteren Etage zugleich auch als Wächterzentrale fungierte. Sie blieb stehen, Shin ebenfalls. Er lächelte. „Also Dawn-san… wir sehen uns!“. Er klopfte ihr auf die Schulter und wollte sich umdrehen, doch jemand - Dawn - hielt ihm am Ärmel fest.

Dawn sah Shin an. Hilfe, warum tat sie das nur? Doch ihr Mund war wieder einmal schneller als ihr Hirn und so stellte sie die Frage, der Fragen: „Willst du nicht mit mir zum Ball gehen?“.

+++

Zuhause in ihrem Zimmer ließ Dawn sich erst mal aufs Bett fallen. Geschafft! Sie hatte endlich einen Partner für den Ball. Und über irgendwelche Dämonen würde sie sich heute bestimmt keine Sorgen machen. Die würden eh bald ihre Hallowe’en Ruhe haben.

„Dawn?“ Buffy steckte den Kopf zur Zimmertüre hinein. „Andrew hat für dich angerufen. Er lässt dir ausrichten, dass er sehr gern mit dir auf den Ball gehen möchte, und es ihm leid tut, dass er dir nicht schon früher Bescheid gegeben hat....“


AKT 3


Lincoln West High
Vormittags

Die Schüler sprangen hastig auf, als die Glocke schrillte, kein Wunder, es war ja nur sieben Minuten Zeit, um zum nächsten Klassenzimmer zu gelangen. Dawn ließ sich Zeit, der Geschichtsraum war nur einen Gang weiter, und ihr Schließfach lag praktisch auf dem Weg. So brauchte sie das schwere Geschichtsbuch nicht immer den ganzen Tag mit sich rumzuschleppen.

"Bis später!" Mara lief an ihr vorbei Richtung Treppe. Sie hatte einen späteren Geschichtskurs belegt, um jetzt am Chemieunterricht teilnehmen zu können. Dawn runzelte die Stirn, sie würde nie begreifen, was an Chemie so großartig war, doch über Geschmack ließ sich bekanntlich nicht streiten.

Das war gestern wieder mal super gelaufen! Erst hatte sie ewig lang keine Verabredung für den Ball, und nun gleich zwei! Warum hatte Andrew ihr nicht einfach früher Bescheid geben können? Warum hatte sie nicht einfach die Klappe gehalten, anstatt Shin zu fragen, der eine Klasse über ihr war, und eigentlich Besseres zu tun hatte, als sich mit einem Mädchen aus dem Junior Jahr abzugeben? Außerdem kannte sie ihn kaum.

Und wie ging es jetzt weiter? Sollte sie Andrew sagen, dass seine Antwort zu spät gekommen war? Er würde so enttäuscht sein! Und Shin, sie konnte ja nicht etwas mit ihm ausmachen, und dann gleich wieder absagen?

Wahrscheinlich wäre es das Beste, den beiden Jungs einfach reinen Wein einzuschenken, überlegte sie. Dass das Ganze etwas unglücklich gelaufen war, und ob man nicht irgendwie eine Lösung finden, und vielleicht gemeinsam mit Sam und den anderen als Clique gehen konnte. Andrew würde bestimmt nichts dagegen haben, so wie sie ihn einschätzte, solange er sich nicht irgendeinen Blödsinn einredete, dass sie ihn nicht dabeihaben wolle. Bei Shin war es schon schwieriger. Obwohl er durchaus in Ordnung zu sein schien, hatte sie immer noch das Gefühl, ihn nicht richtig zu kennen. Zwar arbeiteten sie nun schon seit einigen Wochen zusammen, aber irgendwie war er verschlossen. Nein - verschlossen, war auch nicht der richtige Ausdruck. Sie hatten über Gott und die Welt geredet, es gab kaum ein Thema, bei dem er sich nicht auskannte. Aber über ihn selbst - nein, da wusste sie wirklich nicht viel.

Trotzdem, sie musste da jetzt irgendwie durch. Wenigstens war keine der beiden Verabredungen ein Date im eigentlichen Sinne, das hätte die Sache nur noch komplizierter gemacht. Das hieß - gab es überhaupt so etwas, wie eine platonische Verabredung zum Ball?

"Hey, Summers!"

Dawn konnte gerade noch rechtzeitig das Metalltürchen ihres Schließfachs festhalten, damit es nicht krachend zuschlug. Was in aller Welt machte Leroy denn hier? Er hatte jetzt auch Chemie, genau wie Mara, warum war er noch nicht unten bei den Chemieräumen?

Leider hatte sie nicht rechtzeitig daran gedacht, das Geschichtsbuch festhalten, welches nun mit einem lauten Klacken auf den Boden fiel, in welchem Dawn am liebsten auf der Stelle versunken wäre. Leider tat er ihr nicht den Gefallen.

"Diesmal bin ich aber nicht schuld!" Leroy grinste breit, bevor er sich bückte, um das Buch wieder aufzuheben. Als er es ihr in die Hand drückte, berührten sich ihre Hände, und es fühlte sich an, wie ein kleiner elektrischer Schlag, der prickelnd durch ihren Körper fuhr. Oh verdammt, warum musste dieser Typ auch nur so süß sein?

"Dawn?" Die Tatsache, dass er sie jetzt beim Vornamen nannte, machte es nicht besser. Jetzt fingen auch noch ihre Knie zu zittern an, passend zum Rhythmus der Schmetterlinge in ihrem Bauch.

Er lächelte, und dieses Lächeln schien den kalten und düsteren Schulflur in Licht und Wärme zu tauchen: "Also, um ehrlich zu sein hatte ich mich gefragt, ob ein so hübsches, und charmantes Mädchen wie du, schon eine Verabredung für den Hallowe’en Ball haben könnte..."

+++

Lock Haven
Mittags

Die dunklen Sohlen ihrer Schuhe berührten in kurzen Abständen den kühlen Belag der Straße. “Was für ein Kaff..” murmelte Faith wütend und ging mit schnellen Schritten weiter die Hauptstraße von “Lock Haven” entlang.

Eigentlich sollte sie Robin, Ronah und Vi beim Aufstocken der Lebensmittel helfen, aber der Traum, und das Gespräch mit Giles hatten eine große, innerliche Unausgeglichenheit zurück gelassen. War es möglich, dass Buffy den selben Traum gehabt hatte? Sie konnte immerhin nicht abstreiten, dass die blonde Jägerin kurz in ihrem Traum aufgetaucht war, auf der anderen Seite des Sees... kurz bevor sie beide in Flammen aufgegangen waren.

“Ma’am.. hätten Sie eine Sekunde Zeit?” unterbrach die Stimme eines etwa 17-Jährigen Faith’ Gedankengang.

“Nein..” antwortete diese, würdigte ihn keines Blickes und ging mit flotten Schritten weiter. Es war Mittag, und um diese Zeit schien der Ort wie ausgestorben. Nur hier und da hörte sie Stimmen aus Restaurants, an denen sie vorbei ging.

“Ma’am .. hätten Sie nicht kurz Zeit? Ich hätte nur einige Fragen zum Thema ..” nervte der Junge weiter.

Faith verlangsamte ihre Schritte, schloss die Augen, blieb schließlich ganz stehen und holte tief Luft. Wieso konnte dieser Idiot sie nicht einfach in Ruhe lassen? Konnte man nicht mal in einem Ort wie diesen, der am Arsch der Welt lag, seine Ruhe haben?

Sie holte noch einmal kurz Luft, öffnete die Augen wieder und drehte sich zu dem Jungen.

“So.. Kleiner.. pass jetzt ganz genau auf. Sieh mich mal genau an.. was erkennst du an meiner Körpersprache?” Wütend sah sie ihn an.

Langsam tasteten seine Augen Faith von oben bis unten ab.
“Uhm.. ich weiß nicht genau, was Sie meinen..” sagte der Junge vorsichtig, und sah dabei sehr verwirrt aus.

“Na gut, dann spitz mal deine Ohren...” Faith tat wirklich ihr Bestes, um dem Jungen nicht einfach eine zu knallen und weiter zu gehen. “.. ich bin gerade mit anderen Sachen beschäftigt. Ich habe wirklich andere Sorgen als bei diesen bescheuerten Umfragen hier mitzumachen. Wenn du nicht sofort ne Fliege machst, und mich in Ruhe lässt.. dann bei Gott.. wirst du dir wünschen, mich nie angesprochen zu haben!” Faith ließ nun auch ihr übertrieben gespieltes Lächeln aus dem Gesicht verschwinden und starrte den Jungen entnervt und vorwurfsvoll an.

“A .. aber.. ich .. nur ein paar.” stammelte der Junge weiter.

“Verschwinde endlich, du Parasit!” schrie Faith, und in dem Moment, in dem der Junge seine Beine in die Hand nahm und weg lief, hallte ein lauter, greller Schrei über den Hauptplatz.

Faith lenkte sofort ihre Aufmerksamkeit auf diesen, und hatte schnell die Quelle des Schreis gefunden. Direkt zwischen dem Theater und der Stadtwäscherei befand sich ein kleiner, dunkler Gang. Sofort lief sie darauf zu.

“Oh ja.. zwei Männer für mich!” schrie sie mit einem freudigen Lächeln im Gesicht, als sie zwei Kerle erblickte, die auf eine schreiende, blonde Frau einschlugen.

“Ach kommt schon.. was soll das? Legt euch gefälligst mit jemanden von eurer Kragenweite an!”

Als die zwei Typen keine Anstalten machten, auf Faith einzugehen, lief sie wütend auf die beiden zu, riss den Kräftigeren weg, und schlug ihm ihre Faust ins Gesicht. Geschockt sah der Mann sie an, fasste zitternd an seine Nase, die gebrochen zu sein schien, verdrehte dann die Augen und sank bewusstlos zu Boden.

“Angenehme Träume.” Faith, wollte sich gerade dem zweiten Typen zuwenden, als dieser von der Frau abließ, die wimmernd am Boden lag. Hasserfüllt starrte er die Jägerin an.

Erneut hob Faith die Faust. “Ich wünschte echt, du wärst ein Dämon, dann könnt ich wenigstens ordentlich draufhauen, du Mistkerl!”

Noch während sie redete, begann die Gestalt sich zu verformen. Die menschliche Haut verfärbte sich, und die Nase ging zurück, bis sie schließlich vollends verschwunden war. Eine grässliche Fratze formte sich, mit einer Reihe von Atemlöchern und einem großen Maul ohne Lippen.

“Ich wünschte, ich hätte ne Million Dollar!” Im nächsten Moment schoss Faith nach vorne, griff sich eine Eisenstange, die am Boden lag, und ließ sie auf den Typen herabsausen.

“Jägerin!” schrie er unter Schmerzen, und schien vergeblich nach einem Ausweg zu suchen.

“Hätt' ja sein können!" Faith ließ die Stange zu Boden fallen, und zog ihm mit einer kurzen Drehung den Boden unter den Füßen weg. Als er daraufhin hart aufprallte, lief sie sofort zu der jungen Frau, die blutüberströmt am Boden lag.

“Los.. hauen Sie ab...in Sicherheit!” schrie sie und half ihr noch schnell auf, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Dämon lenkte.

“Verschwinde!” zischte er sie an. “Du kannst dieser Frau nicht helfen, wenn ich draufgehe, werden andere kommen und sie holen!”

Faith blieb einige Meter vor ihm stehen, lächelte, und ging dann langsam auf ihn zu.

“Weißt du.. es geht mir nicht wirklich um sie..” begann sie zu sprechen.

“Ach ja?” fauchte der Dämon zurück, und machte sich zum Angriff bereit.

“Ja.. es geht hier rein um mich!” schrie Faith, drehte sich um und trat dabei so fest zu, dass er gegen die Hauswand der Wäscherei prallte.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wechselte sie plötzlich in den reinen Kampfmodus, schien die Umgebung um sich herum, vollkommen zu vergessen.

Nachdem sie zwei weiteren Schlägen des Dämons ausgewichen war, begann sie mit ihren Fäusten auf ihn einzuprügeln. Immer schneller folgten ihre Schläge, bis die benommene Kreatur nicht mehr reagieren konnte.

“Verdammt.. ich bin eine Jägerin.. ich habe keine Angst vor Alpträumen!” schrie sie plötzlich, sprang in die Luft, und trat nach dem Oberkörper des Wesens.

Ein lautes Knacken signalisierte den Bruch einiger Knochen, woraufhin der Dämon zu Boden sackte.

“Was ist los? Steh auf? War das alles? Du bist ne Schande für alle Dämonen, die ich bis jetzt bekämpft habe!” schrie sie und trat mit dem Fuß ein weiteres Mal nach ihm, als er versuchte, aufzustehen.

“Faith?” hallte es durch die Gasse.. doch die Jägerin reagierte nicht.

Sie erfasste den Körper der Kreatur, hob ihn hoch und schleuderte ihn gegen die Wand. Benommen blieb er wieder stehen

“Ich..” sie schlug ihm wieder ihre rechte Faust ins Gesicht. “...habe..” gefolgt von einer linken “.. keine..”, dann holte sie wieder aus und trat ihm wieder in den Magen. “.. ANGST!” Vor Schmerzen krümmte sich der Dämon nach vorne.

“Genug!” schrie plötzlich jemand, drängte sich an der Jägerin vorbei und schlug dem Wesen mit einem kurzen Schwerthieb den Kopf ab.

“Robin.. was.. ich hatte ihn vollkommen im Griff!” brauste Faith auf.

“Faith.. ich weiß, dass gestern Nacht etwas mit dir passiert ist.. es beschäftigt dich.. das kannst du nicht abstreiten.. aber du willst mit mir nicht darüber reden.. okay.. wie du möchtest.. aber als dein Wächter kann ich dir nur einen Rat geben: Es hat dir früher schon nicht gut getan, alles in dich hinein zu fressen..” Robin sah Faith an, drehte sich um und wollte gehen.

“Was weißt du schon.. du kennst mich doch gar nicht.. Robin!” schrie Faith, nahm eine Flasche und warf sie knapp an Robins Kopf vorbei gegen die Wand.

“Du kennst mich nicht.. !”

“Wie auch immer.. komm jetzt.. wir müssen gehen!”

Faith trat gegen eine Tonne, holte kurz Luft, murmelte “Wächter.. ppff”, und folgte ihm dann.

+++

Xanders und Andrews Wohnung
Nachmittag

"Also, die wichtigste Regel lautet: Du musst sie wie eine Prinzessin behandeln! Stell dir einfach vor, du bist in einem dieser kitschigen Ritterfilme!"

Andrew starrte Xander verständnislos an. "Du hast gesagt, ich soll auf dem Ball nicht über Filme reden. Weil die Leute mich sonst für einen durchgeknallten Filmfreak halten!"

"Nein, natürlich sollst du nicht über Filme reden! Du sollst es dir nur vorstellen!" Mit ausladenden Armbewegungen versuchte sich Xander an einer höfische Verbeugung. "Du bist Richard Gere, und sie ist Julia Ormond - ohne, das sie mit Sean Connery verheiratet ist, natürlich!" Er bot Andrew seinen Arm an, und führte ihn durchs Wohnzimmer. "Darf ich bitten, Mylady?"

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Giles Wohnung
selber Nachmittag

“B-u-f-f-y!” Dawns Schrei aus ihrem Zimmer kam plötzlich, panisch und für Buffy eine Spur zu hysterisch. Und da man an einem Ort, an dem ein Höllenschlund unerkannt schlummerte, nie wissen konnte, was passierte, warf Buffy ihre Illustrierte zur Seite, sprang aus Giles Ohrensessel auf und riss die Zimmertüre auf.

“Was ist passiert? Wer hat dir etwas angetan?”

Dawn stand vor dem geöffneten Kleiderschrank und sah ihrer Schwester entgeistert entgegen. “Bitte was?”

“Du hast... doch eben nach mir gerufen,” stammelte Buffy gedehnt und sah sich im Zimmer um. Weit und breit keine Spur einer Bedrohung.

“Ja? Oh.. nicht was du denkst.” Dawn zeigte in das Innere des Schrankes. “Ich habe völlig vergessen mir ein Kostüm zu besorgen.”

Deutlich spürte Buffy den ersten Schweißtropfen auf der Stirn.....

+++

Xanders und Andrews Wohnung
selbe Zeit

"Immer schön im Takt bleiben!" In Xander's Armen drehte sich Andrew durchs Wohnzimmer, oder besser gesagt, er stolperte von einem Schritt zum nächsten, und versuchte verzweifelt, seine Füße in die richtige Reihenfolge zu bringen. Aber Xander blieb hart: "Es ist überhaupt nicht schwer! Und wenn du gut tanzen kannst, dann sparst du dir die Hälfte an Konversation!"

"Konversation?" fragte Andrew entsetzt.

+++

Giles’ Wohnung
“Und das wenige, das da ist, ist gänzlich ungeeignet. Und die guten Kostüme sind bestimmt schon alle weg,” jammerte Dawn weiter. “Es ist hoffnungslos!”

Erleichtert über die Auflösung des Gebrülls, atmete Buffy tief durch und trat neben ihre Schwester, nur um einen völlig nutzlosen Blick auf die Kleider zu werfen.

“Dabei hatten wir auf dem Dachboden immer Kartons voller Kostüme,” sagte Dawn mit Traurigkeit und Wehmut in der Stimme und hängte die Kleider zurück.

“Na ja, ich bezweifle, dass du als Rotkäppchen los ziehen wolltest?” grinste Buffy schwach, der die alte Erinnerung ebenso weh tat. “Nun... dann werden wir wohl in die Stadt müssen.”

“Können wir uns das überhaupt leisten?” Dawn warf die Schranktüren zu.

“Hey.. dein Kostüm, dein Job, dein Geld...”

“Ah ich verstehe,” brummte Dawn wenig begeistert darüber, dass sie ihr Angespartes der letzten Woche nicht nur für den Balleintritt opfern musste. Aber natürlich hatte Buffy recht. Wenn sie etwas besonderes wollte, musste sie dafür auch selbst zahlen. Giles anzupumpen erschien ihr falsch. Sie lebten so schon großzügig genug auf seine Kosten. “Ausleihen könnte ich mir das Kostüm auch.” schlug sie vor.

Buffy lächelte verlegen und nickte zustimmend. Ihr war es offensichtlich unangenehm ihrer Schwester zu verstehen zu geben, dass ihre Finanzen nur noch knapp für die ersten beiden Mieten und die Nebenkosten reichen würden, sobald sie hier ausgezogen waren. Weihnachten musste dieses Jahr kleiner ausfallen als üblich. Außer sie nahm den Job bei Giles an. Aber das erschien Buffy im Moment, nach den Vorfällen der letzten Wochen unvorstellbar.

+++

Xanders und Andrews Wohnung
"Das Wichtigste an der Konversation sind die Komplimente," erklärte Xander fachmännisch. "Sag ihr, wie hübsch sie in ihrem Kleid aussieht, und wie gut ihr die Farbe steht! Wenn sie dir etwas erzählt, dann zeig ihr, wie sehr es dich interessiert. Du darfst nicht nur auf ihr Aussehen achten, sondern musst ihr zeigen, dass du von ihrem Intellekt beeindruckt bist. Frauen wollen als ganze Menschen wahrgenommen, und nicht auf ihr Äußeres reduziert werden!"

"Ich könnte ihr sagen, dass ihre Haare glänzen?" schlug Andrew hoffnungsvoll vor.

Xander nickte. "Zum Beispiel. Frauen lieben Komplimente über ihre Haare, aber es darf nicht zu abgedroschen sein. Sei kreativ!"

Als Andrew's Gesichtsausdruck immer hilfloser wurde, schlug er als Unterstützung vor: "Notfalls greifst du einfach auf etwas zurück, das du in einem Film gehört hast!"

"Ich dachte, ich soll nicht über Filme reden!"

"Okay, vergiss das mit den Filmen! Bleib locker, und sei einfach nur du selbst!"

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Einkaufszentrum
“Wie wäre es damit?” Buffy nahm ein langes, weißes Gewand vom Ständer des Kostümverleihs im Einkaufszentrum. Dawn winkte gelangweilt ab.

“Oh nein, damit rennt bestimmt die halbe Schule herum. Obwohl es Andrew sicher gefallen würde, wenn ich als Leia-Double ankäme. Aber dann müsste ich mir auch diese verrückten Haarschnecken drehen.” Sie verzog eindeutig ablehnend das Gesicht und Buffy hängte das Kostüm zurück. Um sie herum, war reges Treiben. Offensichtlich war Dawn nicht die einzige, die auf den letzten Drücker ein Kostüm brauchte. Allerdings war die meiste Kundschaft zwischen sechs und zehn. Ein Alter in dem die Kostümwahl noch einfach fiel.

“Die Auswahl ist nicht mehr so groß,” gab Buffy seufzend zu. “Du bist eindeutig zu spät dran.”

“Ach?” Dawn hob gespielt überrascht ihre Augenbrauen. “Was du nicht sagst. Wie findest du das?” Dawn hob eine Maske vor ihr Gesicht und machte ein bedrohliches, knurrendes Geräusch.

“Zombie steht dir nicht,” grinste Buffy und ließ ihren Blick durch den Laden schweifen. “Wie wäre es mit dem Löwenkostüm?”

Dawn legte die Maske zurück und folgte Buffys Blick. “Vor zehn Jahren fand ich ‘Der Zauber von Oz‘ großartig. Jetzt wäre es kindisch.”

“Dann scheidet wohl die Vogelscheuche und der Blechmann auch aus,” Buffy lief dabei von Kostüm zu Kostüm und schüttelte den Kopf. “Du bist anspruchsvoll.”

“Ich möchte nur Eindruck schinden,” gab Dawn offen zu. “Es ist nicht gerade so, dass ich großen Kontakt mit anderen Mitschülern hätte, bis auf die wenigen, die ihr inzwischen auch kennt.” Die Wahrheit war allerdings die, dass sie auf Leroy Eindruck machen wollte. Da Buffy aber nur von Andrew wusste und noch immer davon ausging, das mehr dahinter steckte, wollte sich Dawn in der Auswahl ein wenig zurückhalten. Sie wollte hübsch aussehen, aber keinesfalls schlampenhaft, es sollte etwas Originelles sein, aber nicht zu ausgefallen, dass jeder fragen musste, was sie darstellte... sie hätte sich eindeutig früher Gedanken über das Kostüm machen sollen.

“Oh wow.. warte...” Dawns Blick fiel auf ein wunderschönes, altmodisches Brokatkleid, das zwischen dem schlichten Kostüm eines Geistes und der Uniform eines Polizisten hing. Aus Angst, es könne ihr noch jemand vor der Nase wegschnappen, eilte sie darauf zu und riss es an sich. “Was denkst du?” Sie hielt es mit einem freudigen, überzeugten Lächeln vor sich. Buffys Gesicht nahm einen sonderbaren Ausdruck an. “Es gefällt dir nicht?”

“Doch, doch,” beeilte sich Buffy zu bestätigen. “Es weckt nur ein paar unschöne Erinnerungen. Ich würde lieber etwas nehmen, das Superkräfte verleiht... wie wäre es mit Xena.” Buffy hob das Kostüm in die Höhe.

Dawn grinste. “Also wenn uns heute jemand in das verwandelt, was wir darstellen, sehe ich bei mir in dem Kleid keine Gefahr. Ich habe keine Superkräfte, die dadurch verloren gingen.” Dawn drehte sich bei ihren letzten Worten von Buffy weg. “Und mich wird bestimmt niemand gezielt angreifen, so dass ich welche bräuchte.”

Sie log und das war ihr unangenehm. Die Alternative bestand leider noch immer darin, mit Buffy darüber zu reden und ihr Leben, das gerade einigermaßen in normalen Bahnen verlief, wieder umzukrempeln. Und das wollte sie auf keinen Fall. Sie würde als Jägerin so lange unerkannt bleiben, wie es nur möglich war.

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Xanders und Andrews Wohnung
"Gut, soweit hätten wir das!" Erschöpft ließ Xander sich aufs Sofa fallen, und lehnte den Kopf zurück. Doch einen Moment später wandte er sich Andrew zu, und sah ihn eindringlich mit seinem gesunden Auge an. "Über eine Sache müssen wir allerdings noch reden!"

"Noch mehr?" jammerte Andrew. Ihm rauchte schon der Kopf.

"Allerdings," nickte Xander. "Das Wichtigste!" Mit verschwörerischem Gesichtsausdruck lehnte er sich nach vorne: "Zuerst muss ich aber ganz sicher sein können, dass kein Wort vom diesem Gespräch den Raum verlässt. Wenn Buffy jemals davon erfahren sollte, würde sie mich auf der Stelle pfählen!"

"Ich schweige wie ein Grab!" flüsterte Andrew, und blickte sich ängstlich um, als befürchte er, jemand könne sie belauschen. Atemlos harrte er der Geheimnisse, die Xander ihm nun eröffnen würde.

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Einkaufszentrum
“Meinst du nicht, dass ist ein wenig zu... übertrieben?” Buffy nahm Dawn das Kleid aus der Hand, warf einen kurzen Blick auf das Preisschildchen und verzog überrascht das Gesicht. “Das könntest du bei dem Preis fast kaufen.”

“Mir egal. Ich will es haben,” für Dawn stand fest, dass sie in dem Kleid fantastisch aussehen würde, und sie hatte auch schon eine passende Idee, wen sie damit darstellen wollte.

“Du putzt dich für Andrew ganz schön heraus,” brummte Buffy, der die Argumente schnell ausgegangen waren. “Dafür, dass ihr ‘nur‘ Freunde seid.”

“Ich tue das nicht für Andrew, sondern für mich,” sagte Dawn schnippisch und verschwand mit dem Kleid in der Umkleidekabine.

Wer’s glaubt, dachte Buffy resigniert und folgte. Sie blieb draußen vor dem Vorhang stehen. “Hör zu, wenn du Andrew süß findest, dann gib es doch zu? Daran ist nichts Schlimmes. So lange es dabei bleibt.,” fügte sie in strengerem Tonfall hinzu. “Als Freund ist er für dich absolut ungeeignet, du bräuchtest jemanden, der reifer ist. Nicht gleich hundert oder zweihundert Jahre älter, das kann auch schief gehen, glaub mir, aber zumindest jemanden, der sich altersgemäß benimmt. Andrew hat nicht viel im Kopf außer seinen Lieblingsserien. Er ist ein Filmfreak und ziemlich ... ziemlich ...” Buffy suchte krampfhaft nach dem passenden Wort für Andrews oftmals merkwürdiges Verhalten. Wäre er ein Mädchen, hätte sie ihn als launische Zicke bezeichnet. Nur was nahm man da bei einem Jungen?

“Sensibel,” half ihr Dawn aus und Buffy verzog das Gesicht. Ja so konnte man es auch bezeichnen. “Buffy.. beruhig dich. Ich stehe nicht auf Andrew. Es gibt jemand anders.” Gab sie zögernd zu.

“Ach so ist das?” Buffy klang aufrichtig erleichtert. “Wenn das so ist, solltest du vielleicht mit ihm auf den Ball gehen, anstatt mit Andrew. Du machst ihm wahrscheinlich nur falsche Hoffnungen.”

“Es gibt nichts, um Hoffnungen zu machen.”

“Na ja, aber am besten wäre es, wenn du es auf dem Ball vermeiden könntest, mit Andrew zu tanzen, wenn er dich auffordert. Lass dir ruhig von ihm Getränke an den Tisch holen, aber bleib einfach nur höflich, anstatt nett zu werden. Unterhalte dich mit ihm und halte ihn auf Abstand. Er könnte das alles falsch verstehen. Und wenn du nicht an ihm interessiert bist, würde es vielleicht Andrew mehr schaden, als du annimmst, wenn er erfahren wird, dass du ihn nur als Begleiter benutzt hast.”

Dawn schlüpfte aus ihren Sachen und hielt ein, zweimal inne, als sie Buffy völligen Mist plappern hörte. “Andrew weiß, wieso ich ihn gefragt habe. Jetzt zerbrich dir nicht meinen Kopf.” Auch wenn es Dawn gefiel, dass sie mit ihrer großen Schwester etwas unternahm und sich Buffy richtig zu interessieren schien, wollte sie das Thema schnell beenden, bevor sie doch noch von Leroy und Shin beichtete. Da sie sich lebhaft vorstellen konnte, was Buffy davon hielt, schlüpfte sie zurück in ihre Jeans, bevor sie das Kleid anprobiert hatte und verließ eilig die Kabine. “Es passt. Ich nehme es. Gehen wir.”

Buffy blinzelte überrumpelt Dawn hinterher, schüttelte mit einem Lächeln den Kopf über sie und ging ihr zur Kasse hinterher.

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Xanders und Andrews Wohnung
Xander holte tief Luft. "Okay, nehmen wir einmal an, es verläuft wirklich alles nach Plan. Ihr tanzt miteinander, ihr unterhaltet euch, du machst ihr Komplimente, alles wunderschön. Nun, falls die Stimmung passt, und der Moment der richtige ist, und NUR, falls der Moment der Richtige ist, dann wäre es an der Zeit den nächsten Schritt zu wagen. Normalerweise würde ich vielleicht sagen: 'Lernt euch erst mal ein bisschen besser kennen!' aber ihr kennt euch inzwischen, und bei dir muss man auch keine Sorge haben, dass du die Dinge überstürzt, im Gegenteil.." er brach ab, als er Andrew's verständnislosen Blick bemerkte, und beschloss ein wenig direkter zu werden: "Wie viele Mädchen hast du denn schon geküsst, in deinem jungen Leben?"

"Na, hör mal!" rief Andrew entrüstet. "Ich war schließlich Oberfinsterling! Die Frauen sind mir zu Füßen gelegen! Ich hab so viele Mädchen geküsst, dass ich sie gar nicht...zählen kann!"

Seine Stimme wurde immer leiser, je amüsierter Xander ihn anblickte, und sein Gesicht immer röter. "Na schön", stieß er schließlich trotzig hervor, "Ich hab' noch nie ein Mädchen geküsst, aber was soll daran so viel schwieriger sein? Es ist doch wie ein Lichtschwertkampf im Mund!"

"Halt, halt, die Art von Kuss meinte ich gar nicht," unterbrach Xander, " das wär' ein bisschen viel für den ersten Abend!"

"Welche Art meinst du dann?" fragte Andrew neugierig zurück. "Eher die Star Trek Art vielleicht? Nett, bunt und anständig? Oder lieber in Richtung B5? Dunkel und mysteriös, und man kann's gar nicht abwarten, bis endlich die Fortsetzung kommt? Oder meinst du eher Matrix Style, dass sind die, wo plötzlich die ganze Welt außenrum in Zeitlupe läuft? Oder Ninja Turtle, dass sind die, die nach Pizza schmecken? Oder einen waschechten Hitchhiker's Guide, bei dem man unters Handtuch kriecht - nein, die kannst du nicht meinen, die sind ja nicht auf den Mund! X-Files, vielleicht? Aber die hören ja schon auf, bevor sie angefangen haben, weil die Bienen immer im unpassendsten Moment..."

Xander seufzte. Eigentlich meinte er einen ganz normalen Kuss, den ein realer Junge, einem realen Mädchen im realen Leben gab. Aber irgendwie glaubte er nicht, dass Andrew das begreifen würde. Nicht durch irgendeine theoretische Erklärung, die er ihm geben konnte.

Aber vielleicht, vielleicht passierte ja schon heute Abend etwas, das ihn einmal in seinem Leben den ganzen Comic-, Kino- und Serienkrempel vergessen ließ...


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Dämonenbar
selbe Zeit

"Bartholomew! Ein Wort unter vier - nein, fünf Augen!"

Blitzschnell schoss die Klaue aus der Dunkelheit hervor, und klammerte sich um Mo's Handgelenk. Der bärtige Dämon zuckte jedoch nicht zusammen, sondern blieb ruhig stehen, und nahm einen weiteren Schluck aus seiner Flasche. "Es tut auch gut, dich zu sehen, alter Freund," entgegnete er gelassen, und seine Stimme triefte vor Ironie. "Möchtest du etwas trinken?"

Sein Gesprächspartner ließ sein Handgelenk los, um mit einer heftigen Bewegung die Flasche von der Bar zu fegen. Klirrend fiel sie zu Boden, doch kaum einer der dämonischen Gäste nahm wirklich Notiz davon. Einige Köpfe fuhren herum, nur um sich Augenblicke später wieder ihren ursprünglichen Beschäftigungen zuzuwenden. Eine grauhaarige Frau schlurfte herbei, und begann die Scherben vom Boden zu fegen, und in einen Kübel zu schütten.

Jetzt endlich drehte sich Mo zu ihm herum, den Hauch eines Lächelns auf dem Gesicht. Er hatte einen winzigen Sieg errungen, sein Gegenüber hatte als erster die Kontrolle verloren. Der Priester des HtoGrom Clans war äußerst ungehalten, um nicht zu sagen, wütend, und vielleicht konnte man sogar einen Hauch von Angst unter all der Wut erkennen. Er mußte jetzt äußerst vorsichtig sein, und durfte ihn nicht mehr provozieren.

"Hast du wirklich geglaubt, ich würde dein kleines Spielchen nicht durchschauen, Bartholomew?" fragte Kan Hsirg, und lehnte sich drohend nach vorne. Sein Gesicht war, wie immer im Schatten seiner Kapuze verborgen, doch das gefährliche Glitzern dreier Augen war selbst im düsteren Schein der Barbeleuchtung deutlich zu erkennen.

"Hey, du, verschwinde!" fauchte der Iah K'uru die Frau an, welche immer noch zu ihren Füßen den Boden fegte, obwohl längst keine Glasscherben mehr zu sehen waren. Die Alte sah fragend zu Mo hoch, welcher ihr kaum merklich zunickte, und schlurfte mit ihrem Eimer davon.

"Zurück zu uns, alter Freund!" Kan Hsirg verschränkte die Klauenhände unterm Kinn. "Mir sind leider ein paar sehr bösartige Dinge über dich zu Ohren gekommen, die hoffentlich nicht der Wahrheit entsprechen. Es heißt, du und deinesgleichen hätten eine neue Methode gefunden, unliebsame Personen loszuwerden. Ihr verratet sie an die Jägerinnen, und seht dann gemütlich zu, wie diese die Drecksarbeit erledigen. Ich denke da nur an einen gewissen Vampirclan, der sich hier in Cleveland häuslich niederlassen wollte, und auf einmal wie vom Erdboden verschluckt war. Nicht, dass ich etwas dagegen einzuwenden hätte - Vampire sind gräßliche Halbdämonen, eine Laune der Natur..."

"Worauf willst du hinaus, Kan Hsirg?" fragte Mo ruhig.

"Das weißt du sehr gut, Bartholomew. Erzähl' den Jägerinnen was du willst, über Vampire, über irgendwelche unreinen halbmenschlichen Existenzen, aber wisse immer, was du sagst. Denn sollte es mir zu Ohren kommen, dass die Jägerinnen Dinge erfahren, die sie nichts angehen, werden wir ihnen unsererseits ein paar Geheimnisse flüstern. Und ich glaube nicht, dass es Malkuth besonders gut bekäme..."

Mit Befriedigung sah er, wie Mo bei der Erwähnung dieses Namen zusammenzuckte, und beschloss, nicht weiter nachzusetzen, sondern lieber ein wenig zurückzuschrauben. "Unser Krieg ist mit den Menschen, nicht mit euch!" Eindringlich sah er seinem ehemaligen Freund an. "Aber es liegt an euch, und eurer Politik, ob das auch so bleiben wird!"

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Wächterhaus
Spätnachmittag

“Und ich möchte keinen Kratzer im Lack entdecken. Er war erst vor zwei Tagen in der Waschstrasse und wurde frisch gewachst. Und beim Ausparken, schau in den Rückspiegel. Keinen abgefahrenen Außenspiegel. Such dir einen abgelegenen Parkplatz mit genügend Raum zum Aus- und Einsteigen..”, Giles ging bei seiner Aufzählung um den grünen Van in der Auffahrt herum und besah sich alles genau, als könnte er sich wirklich jede intakte Stelle merken.

Andrew versuchte mit ernster Miene, Giles’ Mahnungen zu trotzen. Doch inzwischen war die Liste mit Dingen, die er dem neuen Wagen auf keinen Fall antun durfte lächerlich geworden. Das hier war doch nur ein Van. Wäre es allerdings ein TransAm gewesen, hätte Andrew womöglich mehr Verständnis für Giles’ Panik gehabt. So nahm Andrew alles nur in Kauf, weil er Dawn nicht damit blamieren wollte, dass er sie zu Fuß abholte und so auf den Ball begleitete. Ein Wagen gehörte dazu.

Frustriert und auch leicht genervt nickte Andrew bei jedem neuen Punkt und starrte den Autoschlüssel in Giles Hand an, als könnte er ihn mit reiner, mentaler Jedi-Kraft daraus hervorzaubern.

“Du bringst ihn mir sofort zurück, wenn ihr den Ball verlassen habt.” Giles kam wieder zu Andrew zurück und hielt ihm den Schlüssel entgegen. Der junge Mann wollte danach greifen, doch Giles überlegte es sich noch einmal anders und zog seine Hand zurück. Andrew machte ein enttäuschtes Gesicht, das fast einen gequälten Ausdruck annahm. Das nächste Mal durfte auf jeden Fall Dawn Giles um den Wagen bitten! Falls es ein nächstes Mal gab, verbesserte sich Andrew in Gedanken.

Andrews Arm sank wieder nach unten, während Giles weitere Punkte einfielen, über die er Andrew in Kenntnis setzte. Ohne jegliches Gefühl dafür, dass dem jungen Mann langsam die Geduld abhanden kam. “Der Wagen wird nur zum Abholen von Dawn verwendet. Ihr fahrt direkt zum Ball und wieder zurück. Keine Ausflüge. Ich habe auf den Meilenstand geachtet. Mir würde das auffallen.”

Mit diesen Worten reicht der Wächter schließlich Andrew die Schlüssel und ließ nur widerwillig los. Xander den Wagen zu leihen oder Kennedy war ihm noch nie schwer gefallen. Beide waren doch schon einige Jahre erprobte Autofahrer und verlässlich. Bei Andrew war er sich nicht sicher und dann war der Anlass auch noch ausgerechnet für einen Schulball von Dawn. Giles hoffte, der Junge hatte die letzte Mahnung so verstanden, wie er es gemeint hatte. Es stand ihm nicht mehr zu sich direkt in das Leben von Buffy und Dawn einzumischen. Die beiden wurden sicher einig mit ihrem Leben und Dawn war älter geworden, um zu wissen, was alles passieren konnte, wenn sie unvorsichtig wurde...

Andrew schnappte sich erleichtert die Schlüssel, atmete sichtlich froh über das Ende der Ermahnungen auf, und stieg in den Wagen. Er versuchte nicht näher über Giles’ letzte Worte nachzudenken, die nur bedeuteten, dass Giles ernsthaft glaubte, er könnte es mit Dawn nicht ehrlich meinen. Er begleitete sie doch nur auf den Ball. Okay, Xander hatte etwas anderes gesagt, also vielleicht...

“Ich werde so tun, als wäre es mein Wagen,” versicherte er Giles und begann sich vorzustellen, er säße hinter dem Lenker eines TransAms.

“Das rate ich dir,” sagte Giles, nicht ohne einen leicht drohenden Unterton, und beugte sich auf das geöffnete Fenster abgestützt nach vorne, damit er zu Andrew ins Innere blicken konnte. “Und keine Softdrinks auf dem Armaturenbrett, keine fettigen oder klebrigen Sachen auf den Sitzen. Ansonsten lasse ich dich den Wagen für den Rest deines Lebens jeden Samstag waschen, wachsen...”

Es gab nur eines, um Giles zum Schweigen zu bringen - Andrew ließ den Motor an und setzte einfach zurück....

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Dämonenbar
selbe Zeit

“Ist Mo da?” Buffy lehnte sich über die Theke des Lustigen Piraten. Der Barkeeper nickte stumm und winkte mit dem Kopf zum rückwärtigen Teil der Bar. “Danke für das Gespräch,” murmelte Buffy und ging um die Bar herum, die in der Mitte des Schiffsrumpfes als geschlossenes Oval den Raum einnahm. Ihr war schon beim betreten der Dämonenbar einige Veränderungen aufgefallen. Der Lustige Pirat nannte sich jetzt Black Pearl und die Deco war düsterer geworden. Was sicher nicht nur an Hallowe’en lag.

Die Jägerin entdeckte Mo sofort an einem der hinteren Tische. Mit seiner Größe überragte er die Dämonen an seinem Tisch um einen Kopf, selbst im Sitzen. Mo sah zufällig auf und entdeckte Buffy. Er hatte es eilig aufzustehen, und kam auf die junge Frau zu. Buffy hat keine Chance, sich seinem Tisch zu nähern, denn Mo führte sie mehr oder weniger zurück an die Bar. Das Verhalten kam ihr komisch vor, aber da sie bis lang kaum Kontakt mit Kennedys Informanten gehabt hatte, ließ sie es zu.

“Hallo kleine Jägerin,” Mo winkte dem Barkeeper zu. “Kann ich wieder einmal etwas für dich und deine Truppe tun?”

“Allerdings... was ist mit der Bar passiert? Hat der Besitzer gewechselt?”

Mo lachte auf. Buffy kam es vor, als würde sich Mo unter ihrer Frage entspannen. Ganz so, als habe er etwas anderes erwartet. “Nein. Nur Dank Johnny erwarten die Kunden jetzt etwas mehr. Verdammte Filmbranche. Die Bar gehört noch immer mir.”

“Oh,” erstaunt sah Buffy an Mo hoch. “Das ist deine Bar?”

“Hat Kenny es nicht erwähnt?”, Buffy schüttelte den Kopf. “Ist ja auch egal. Darf ich dir einen unserer neuen Cocktails anbieten?” Der Barkeeper war zurückgekehrt und schob zwei Longdrink-Gläser auf Mo zu. Eine grün-blaue, undurchsichtige Flüssigkeit umspülte einen Berg von Eiswürfeln, dekoriert mit einem Sahnehäubchen, Ananas und Cocktailkirsche. “Caribbean Beach,” erklärte Mo und Buffy nippte vorsichtig daran. Der Cocktail schmeckte einem Swimming Pool recht ähnlich, aber sie wollte Mo nicht beleidigen, in dem sie seinen Barkeeper als Kopierer beschimpfte.

“Hm.. lecker,” stimmte sie zu, was nicht ganz unwahr war.

Mo hatte ein kurzes, zufriedenes Lächeln übrig, ehe er wieder ernst wurde. “Du bist sicher nicht wegen kostenlosen Drinks hier, oder?” er sah rasch um sich, als Buffy ihren Blick senkte, um einen zweiten Schluck aus dem Strohhalm zu nehmen.

“Nein. Ich bin wegen der Überfälle hier. Ich bräuchte noch ein paar Informationen mehr. Wir kommen nicht wirklich voran.”

“Überfälle?” Mo kratzte sich am Kopf und schien darüber nachzudenken. Ganz so, als würde er am Tag von mehreren Vorfällen erfahren und wüsste nicht mehr, von welchem er Kennedy und Buffy erzählt hatte. “Ach so... ja... die Überfälle. Das war nur falscher Alarm. Nichts Besonderes. Auch meine Quellen sind nicht hundertprozentig. Nicht alles, was man mir zuflüstert, entspricht der Wahrheit.”

“Falscher Alarm? Und was war mit dem Stofffetzen?” Buffy wollte Mo nicht so ganz glauben. Nicht nachdem Willow passend zu dem Symbol eine Homepage entdeckt hatte.

“Eine Fälschung,” bot Mo an und klang dabei selbst sehr überzeugt.

“Hm... du meinst dahinter steckt nichts?” Buffy ließ ihren Blick auf Mo ruhen. Er schien ein wenig nervös, angespannt... Sie bekam das Gefühl nicht los, dass er log.

Mo bemühte sich, lässig zu bleiben und winkte ab. “Ach nein, nur ein paar normale Straßengangs, die sich bekriegen. Dämonische versteht sich. Mein Informant hat wohl nicht ganz aufgepasst, als er ein paar Dinge beobachtet hatte. Ihr könnt das ruhig vergessen.”

Buffys Gesichtsausdruck blieb skeptisch. Sie hätte Mo noch gerne mehr ausgehorcht, aber einer der Dämonen am hinteren Tisch stand auf und rief etwas, das Buffy nicht verstand. Mo winkte zurück und sah dann bedauernd zu Buffy. “Tut mir leid.. ich muss zurück. Man braucht mich,” und ehe Buffy noch etwas sagen konnte, war Mo schon wieder zwischen den Tischen verschwunden. Wieso auch immer - Mo hatte sie los werden wollen. Buffy war sich darüber ganz sicher, als sie ihren Cocktail zurückstellte und die Bar verließ.

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Giles’ Wohnung
abends

Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu, aber irgendwie lächelte es nicht zurück. Jedenfalls kein echtes Lächeln. Falsch. So falsch, wie das Kostüm, das sie in jemand anderen verwandelte. So falsch, wie sie heute Abend ihre beiden Freunde behandelte, und den Jungen, den sie zu lieben glaubte.

"Wow!" Buffy hatte hinter ihr das Bad betreten und warf ihr einen staunenden Blick zu. "Du siehst umwerfend aus, Dawnie!"

"Findest du?" Dawn zwang sich zu einem weiteren Lächeln, vermied es aber, ihrer Schwester in die Augen zu sehen. Stattdessen betrachtete sie wieder ihr Spiegelbild. Mit den hochgesteckten Haaren wirkte sie richtig erwachsen, soviel war sicher. Ihr zierliches Gesicht, und die sanfte Neigung ihres Halses kamen besser zur Geltung, das wurde durch ein enganliegendes Dekollete noch unterstützt. Von der Brust bis zur Taille hinunter, war das majestätische Ballkleid geschnürt, und betonte so ihre schmale Figur.

Aber das allerschönste daran, war der Rock, in prächtigen ebenmäßigen Wellen fiel er nach unten, und schwebte nur wenige Zentimeter über dem Boden, so dass man gerade noch die Spitze darunter sehen konnte. Bei schnellen Bewegungen wirbelte er wie ein Kreisel um sie herum.

"Dreh dich mal," forderte Buffy sie auf, und dieser Satz versetzte beiden Mädchen einen Stich, kaum dass er ausgesprochen war. Als ihre Mutter zum letzten Mal ausgegangen war, hatte sie ebenfalls ein Kleid mit weitem Rock getragen, und ihre Töchter hatten sich einen Spaß daraus gemacht, sie immer wieder zum Drehen aufzufordern.

"Mom wäre stolz, wenn sie dich jetzt sehen könnte," sagte Buffy leise.

'Nein, das wäre sie nicht', dachte Dawn. Aber für Gewissensbisse war es jetzt zu spät. Sie würde den Abend irgendwie rumbringen müssen.

"Ich geh schon," sagte Buffy, als das Geräusch der Türklingel sie aus ihren Gedanken riss. "Mach' du nur in Ruhe dein Make-up fertig!"

Buffy und Andrew standen draußen im Flur, als sie aus dem Bad kam. Andrew starrte sie an, als wäre sie eine himmlische Erscheinung, es hatte ihm komplett die Sprache verschlagen. Mit seinen schwarzen Lederhosen, und dem Rüschenhemd sah er beinahe verwegen aus, nur sein schüchternes Lächeln wollte nicht so recht zu einem Piraten passen. Verlegen zupfte er an seiner Weste, die er über dem Hemd trug. "Hi...uhm...Elizabeth," brachte er schließlich heraus.

Dawn trat einen Schritt näher. "Hi Will!"

"Also, da der Ball um Mitternacht zu Ende ist, erwarte ich, dass ihr spätestens um halb eins wieder hier seid." Buffy's Stimme hatte jetzt einen geschäftsmäßigen Ton angenommen. "Keine Ausflüge. Und Dawn - nimm einen Schal mit, du musst deinen Hals ja nicht unbedingt jedem Vampir auf dem Silbertablett präsentieren."

"Zu Befehl!" Leicht murrend schlüpfte Dawn in Schuhe und Mantel. Das war typisch ihre Schwester, einen Augenblick schien sie ihr so nahe zu sein, und im nächsten spielte sie wieder die böse Unnahbare. Aber das war schon immer so gewesen...

"Ich wünsch euch beiden viel Spaß" sagte Buffy mit einem strengen Seitenblick zu Andrew, der sofort ängstlich zurückwich. "Und benehmt euch!"

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Taco Bell
etwas später

Die Autos von Mara und Sam standen bereits vor dem Taco Bell, wo sie Zwischenstation machten, und eine Kleinigkeit essen wollten. Das mexikanische Fast Food Restaurant war voller Leute, einige davon ebenfalls in Kostümen. Vor dem Getränkenachfüller stand eine Horde verkleideter Kinder, und stritt sich darum, wer als erstes seinen Becher unter den Eistee halten durfte.

"Dawn, Andrew!" Mara hatte die beiden entdeckt, und versuchte das Geschrei zu übertönen, als sie ihnen vom Tisch aus zuwinkte. Sie trug ein schwarzes Hexenkostüm, mit dem dazu passenden Gothic Make-up, Willow hätte sich sicher darüber beschwert, wenn sie hiergewesen wäre. Neben ihr saß Josh, der sich in seinem Warlock Aufzug sichtlich unwohl fühlte, aber Dawn musste mit einem leisen Lächeln zugeben, dass ihm der Kayal gut stand. Die Schminke verlieh dem braven Jungen etwas Dämonisches.

Sam's Kostüm war nicht besonders aufwendig, er trug lediglich eine braune Lederhose, und ein abgenutztes Leinenhemd. "Captain Okona, zu ihren Diensten," säuselte er, und Andrew strahlte wie ein Honigkuchenpferd. "Cool!" schwärmte er und hielt sich sogleich die Hand vor den Mund, als befürchte er, er könne wieder in den Geek Modus abgleiten. Sam's Begleiterin, ein braunhaariges Mädchen im duftigen Elbenkleid stellte sich als Evelyn, abgekürzt Lyn vor. "Mae Govannen," fügte sie noch hinzu, und Andrew, der seine Hand schon runternehmen wollte, presste sie sogleich wieder auf seine Lippen, damit er nur nichts Falsches sagte.

"Die haben keinen Eistee mehr," beschwerte sich ein weiteres Mädchen, und trat zu ihnen an den Tisch. Andrew wäre fast vom Stuhl gekippt, das schwarzhaarige Mädchen trug doch tatsächlich eine Star Trek Classic Uniform mit Minirock und hohen Stiefeln, deren Absätze leise auf dem Linoleum klackten. "Du wirst es überleben, Kleines!" Sam ergriff die Hand des Mädchens, und drückte charmant ein Küsschen darauf. Lyn hob drohend den Finger. "Bild' dir bloß nichts drauf ein, T'Mary Sue!"

"Ich? Eine Mary Sue? Und das ausgerechnet von dir, Mrs. Legolas? Das ist ein starkes Stück!" beschwerte sich die Angesprochene und rückte ihre Vulkanierohren zurecht. Gerade als Andrew sich fragte, wie er diesen Abend heil überstehen sollte, kam ein drittes Mädchen anspaziert, blondbezopft, in einer waschechten japanischen Schuluniform. "Also, diesem Kerl an der Kasse würd’ ich am liebsten mein Diadem an den Kopf werfen!"

Dawn's Blick glitt an Sam und seinen drei Begleiterinnen vorbei zum Fenster, und glaubte im nächsten Moment, ihr Herz müsse stehenbleiben. Eine große Limousine war soeben auf dem Parkplatz aufgefahren, und jetzt öffnete sich eine der hinteren Türen.

Er war es! Eindeutig, selbst in der Dunkelheit konnte sie seine schlanke, durchtrainierte Gestalt erkennen. Allein die Art, wie er sich bewegte, geschmeidig und doch kraftvoll. Sie hätte den ganzen Abend hier stehen bleiben, und ihn einfach nur ansehen können.

Nein, konnte sie nicht. Sie musste jetzt dafür sorgen, dass alles nach Plan verlief.

"Bin gleich wieder da," meinte sie zu den anderen und deutete in Richtung Toiletten. Hoffentlich fragte Mara jetzt nicht, ob sie mitkommen durfte, das hätte grad noch gefehlt. Aber zum Glück war sie zu sehr damit beschäftigt, an Josh' Frisur herumzuzupfen, um wirklich darauf zu achten.

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Taco Bell, Parkplatz
Die kalte Nachtluft schlug ihr entgegen, als sie aus dem Restaurant trat. Sie ging nicht sofort zur Limousine hinüber sondern schlich zwischen den geparkten Autos hindurch, zu Sam's Wagen. Immer wieder sah sie sich ängstlich um, ob auch niemand sie beobachtete. Aber die Stimmen von Leroy, und seinem besten Freund Marvin blieben weiterhin auf Distanz, also hatten sie ihren Platz bei der Limousine nicht verlassen.

Sie hielt ihr Kleid mit beiden Händen fest, als sie sich neben dem Wagen hinkniete, um das Ventil des Reifens zu öffnen. Doch sie konnte nicht verhindern, das der Rock den Boden berührte, und ein hässlicher Schmutzfleck auf dem Saum erschien. Das unangenehme Zischen der ausströmenden Luft drang an ihr Ohr, gefolgt von einem hysterischen Mädchenlachen. Offenbar bemühte sich Trisha gerade verzweifelt, einen Witz lustig zu finden, den entweder Leroy, oder Marvin gemacht hatten. Hastig stand sie auf, ordnete die Wellen ihres Kleides, holte noch einmal tief Luft und trat auf ihre drei Schulkameraden zu.

"Dawn! Wow - ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!" Leroy ging ihr einige Schritte entgegen, ergriff sie bei der Hand, und drehte sie einmal unter seinem Arm hindurch, dass ihr Rock flog. "Bezaubernd wäre eine echte Untertreibung!"

"Hi! Was für ein süßes Kleid!" Trisha's Lächeln war so strahlend, als befände sie sich auf einem Laufsteg, und nicht auf einem Parkplatz, doch wie viel davon echt war, wollte Dawn gar nicht wissen. Sie ließ die obligatorischen Wangenküsschen über sich ergehen, die im Moment als 'chic' galten, und bewunderte die Kostüme. Passend zu ihrem Kleid trug Leroy eine altmodische Marineuniform, während Trisha und der drahtige, hochgewachsene Marvin sich für Ramses, den Großen und Cleopatra entschieden hatten. "Ich hatte schon Angst, dass es nicht rechtzeitig fertig wird," flüsterte Trisha vertraulich zu Dawn, als diese ihre golddurchwirkte, mit ägyptischen Ornamenten verzierte Tunika bestaunte. "Ich war zwar schon vor über drei Monaten bei der Schneiderin, aber bei dem Andrang..."

Natürlich, Leute, wie Trisha, Marvin und Leroy griffen nicht auf einen Kostümverleih zurück. Bloß aufpassen, dass ihr nichts Falsches herausrutschte. Obwohl, das war sicher nur Trisha, Leroy hatte noch nie auf andere herabgesehen. Er war nicht einer von denen....

"Ich müsste noch mal kurz rein, und meine Handtasche holen," erklärte sie schließlich, und deutete Richtung Taco Bell, " es dauert nur einen Moment!" Sie musste sich jetzt beeilen, denn von der anderen Seite des Parkplatzes her, hörte sie bereits die Stimmen von Mara und Josh, die offensichtlich den Platten in Sam's Reifen entdeckt hatten.

So schnell es ihr möglich war, ohne aufzufallen, lief sie auf das Gebäude zu, umrundete es einmal, und tauchte auf der anderen Seite des Parkplatzes wieder auf. "Leute! Was ist denn da passiert! Das ist ja furchtbar!"

"Halb so wild!" Mara machte sich an dem Reifen zu schaffen. "Das Ventil ist offen, das bedeutet, er ist wahrscheinlich noch ganz! Man müsste ihn nur wieder aufpumpen!"

"Wahrscheinlich ein Hallowe’en Streich," überlegte Josh. "Wie machen wir das jetzt, rufen wir gleich jemanden an? Bis der Pannenservice hier ist, ist der halbe Ball vorbei!"

"Das sollten wir Sam entschieden lassen," schlug Dawn vor. "Wie wäre es damit, ihr beiden fahrt schon mal vor, und ich geh rein, und rede mit Sam und den anderen? Wahrscheinlich kommen wir dann eh mit Andrew's Wagen nach, und verschieben den Pannenservice auf morgen."

"In Ordnung." Gefolgt von Josh ging Mara zu ihrem Wagen, und Dawn wetzte so schnell sie konnte, ins Taco Bell zurück, um Sam Bescheid zu geben.

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Taco Bell, Parkplatz
"Nee, schon gut, ich kann ja nicht zulassen, dass meine drei Grazien ihren besonderen Abend verpassen." Gelassen betrachtete Sam den Schaden. "Ich geb' nur schnell dem Manager im Taco Bell Bescheid, damit die mir die Karre bis morgen früh stehen lassen. Wir quetschen uns einfach bei dir rein, Alter!" Er boxte Andrew leicht gegen die Schulter, und dieser warf einen verlegenen Seitenblick auf die Mädchen. Sich die ganze Fahrt über interessante Diskussionen anzuhören, und nicht mitreden zu können, würde eine Höllenqual sein. Aber es musste sein, denn er wollte sich um Dawn kümmern. Sie war schließlich seine Begleitung für den Abend.

"Sag mal, wäre es okay für dich, wenn ich bei Mara und Josh mitfahre?" fragte Dawn. "Mara und ich sind grad in einer total spannenden Diskussion, wie wir die Sache mit den Drow kurz und schmerzlos beenden könnten...“

"Kein Problem." Andrew zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn er sich ein wenig verloren vorkam. Dann musste er das mit den Komplimenten, und der Konversation eben auf später verschieben. So konnte er wenigstens noch mal alles im Kopf durchgehen.

Gedankenverloren blickte er Dawn nach, als sie zur anderen Seite des Parkplatzes hinüberging. Wie es wohl wäre, eine richtige Freundin zu haben? Hatte Xander vielleicht recht, und dann würde sich alles in seinem Leben ändern? Würde er dann ein ganz normaler Junge sein, und kein durchgeknallter Filmfreak mehr, den niemand für voll nahm? Würde er die ganzen schmerzenden Erinnerungen beiseite schieben können, wie einen bösen Traum, und ein neues Leben anfangen können?

Automatisch griff er nach seinem Schlüsselanhänger, bis ihm einfiel, dass er ihn gar nicht mehr hatte. Vielleicht war es Schicksal, dass er ausgerechnet letzte Nacht verloren gegangen war. So eine Art Hinweis. Der letzte Faden, der ihn noch mit der Vergangenheit verband, war durchtrennt worden. Weil es jetzt Zeit für die Zukunft war. Weil es jetzt Zeit war, alles zu vergessen, was gewesen war, und neu anzufangen. Als normaler Junge. Mit einem normalen Mädchen. Keine albernen Spinnereien mehr über Superschurken, Küsse mit Pizzageschmack, und einen Batman, der bei der ersten besten Gelegenheit abgehauen war, und ihn im Stich gelassen hatte. Nie wieder! Es war so, als hätte das alles gar nicht existiert. Es waren Phantastereien.

Es war eine Geschichte, die er sich irgendwann mal ausgedacht hatte. Das war alles.

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Taco Bell, Parkplatz
"Wurde auch langsam Zeit, Kleines!" Charmant hielt Leroy Dawn die Wagentüre auf, und wieder einmal konnte sie sich nicht an diesem süßen Lächeln sattsehen. Hier neben ihm zu sitzen, ihm einfach nur nahe zu sein, das war alles, alles was sie sich wünschte. Dafür nahm sie auch gerne Marvin's Prahlereien, und Trisha's dummes Geschwätz in Kauf.

Ein wenig hatte sie doch ein schlechtes Gewissen, weil sie Andrew so stehengelassen hatte. Aber der würde sich wahrscheinlich prächtig mit Sam und diesen Mädchen verstehen, und sie überhaupt nicht vermissen. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass sie rechtzeitig ankamen, damit niemand das Verwechselspiel mit den Autos durchschaute.

Sie lachte laut über einen Witz, den Leroy gemacht hatte, und es fiel ihr überhaupt nicht schwer, eine aufmerksame und fröhliche Gesprächspartnerin zu sein. Dieses Mal würde es funktionieren, da war sie sich ganz sicher. Dieses Mal würde die Liebe keine Katastrophe werden.

Dieses Mal würde sie Glück haben.


AKT 4

Holiday Inn
abends

Die Lichter des Holiday Inn strahlten ihnen schon von weitem entgegen, als die prächtige Limousine darauf zufuhr. Für den Ball hatte die Lincoln West High den großen Tanzsaal, nebst dem dazugehörigen Vorzimmer gemietet. Auch in der Lobby, und im Wintergarten dürften sie sich aufhalten, versicherte eine der beiden Zehntklässlerinnen, die ihnen an der Garderobe die Mäntel abnahm. Weitere Zehntklässler drückten ihnen lächelnd alkoholfreie Begrüßungscocktails in die Hände. Hätte nur noch gefehlt, dass jemand mit Silbertabletts voller Schnittchen, und kandierter Früchte umhermarschierte.

Leroy schien sich in dieser Umgebung so richtig wohlzufühlen. Lässig flippte er seine Kreditkarte hervor, um den Chauffeur der Limousine zu bezahlen, charmant flirtete er mit den Garderobenmädchen, und fürsorglich hielt er Dawn die Türe auf, und nahm ihr den Mantel ab. 'Ein perfekter Gentlemen', dachte Dawn immer wieder bewundernd, und sie konnte nicht verhindern, dass eine Reihe von Bildern an ihrem geistigen Auge vorbeizog. Mit Leroy in einem 'chic'en Nobelrestaurant, mit Leroy auf einem Empfang, mit Leroy an Deck eines prächtigen Kreuzfahrtschiffes. Im Stillen lächelte sie über sich selbst.

Ein wenig ängstlich blickte sie sich um, aber von Andrew und den anderen war noch nichts zu sehen. Aber Shin konnte jeden Moment hier auftauchen, und sie musste den Eingang im Auge behalten, um ihn rechtzeitig abfangen zu können.

"Wollen wir reingehen?" Leroy bot Dawn seinen Arm an, und deutete mit einem Kopfnicken auf die Eingangstür zum Ballsaal. Schüler in den verschiedensten Kostümen strömten an ihnen vorbei, überall wurden Hände geschüttelt, Komplimente ausgetauscht, verbales Gift verspritzt und Hälse gereckt, um dieses oder jenes Kleid zu betrachten, oder das neueste Gerücht mitzubekommen.

"Ich würde gern noch ein wenig frische Luft schnappen, wenn es dir nichts ausmacht," antwortete Dawn und spähte nervös zum Eingang. "Ich vertrag die Hitze nicht gut." Das war glatt gelogen, eigentlich war sie eher kälteempfindlich. Wie sollte sie diesen Abend nur rumbringen?

"Möchtest du vielleicht noch etwas trinken, oder eine Kleinigkeit essen?" schlug Leroy vor. "Hier im Hotel gibt es ein Restaurant, und wir haben ja noch etwas Zeit bis zum Grand March."

"Danke, das ist lieb von dir," lächelte Dawn, "aber ich brauch' wirklich nur etwas Luft." Wollt ihr drei nicht schon mal vorgehen, und mir einen Platz im Saal freihalten?"
Leroy zögerte noch etwas, aber im selben Moment packte Trisha seinen Arm, und zog ihn Richtung Tür. "Wir warten im Saal auf dich!" meinte sie hastig zu Dawn. Diese wäre fast eifersüchtig geworden, hätte sie nicht gesehen, dass in diesem Moment Trisha's Erzfeindin Teresa in einem leuchtendroten Carmen Kostüm vorübergeschwebt kam, ihren Toreador im Schlepptau. Dabei trällerte sie fröhlich vor sich hin, um auch wirklich jeden daran zu erinnern, dass sie die beste Sängerin der Schule, und das Aushängeschild bei Schulfesten war. Dawn fragte sich, ob Trisha als Antwort ein paar Cheerleader Sprünge zum Besten geben würde, doch sie begnügte sich mit einem süßlich-giftigen Lächeln in Richtung ihrer Rivalin, und stolzierte mit Leroy und Marvin an den Armen in den Saal.

Shin! Dort draußen stand er, und blickte sich suchend nach ihr um. Hastig zog sie das Blumenbändchen, das Leroy ihr überreicht hatte, von ihrem Handgelenk, und stopfte es in ihre Handtasche. Nur gut, dass Andrew vergessen hatte, ihr Blumen mitzubringen, sonst wüsste sie wirklich nicht mehr wohin damit.

+++

Vor dem Holiday Inn
etwas später

"Hi, Elizabeth."

"Hi Jack," begrüßte sie ihn fröhlich. "Ich hoffe, ich hab dich nicht zu lange warten lassen."

"Kein Problem." Er schüttelte den Kopf, und rückte seinen Hut zurecht. Die Kettchen und Münzen mit denen er sein Piratenoutfit komplett gemacht hatte, klirrten leise. "Außerdem warte ich gern auf dich."

"Tatsächlich?" Sie fand Warten einfach nur nervig und konnte sich nicht vorstellen, dass jemand Gefallen daran fand. "Wie kommt's?"

"Es ist ein Warten mit Ziel, neh?" Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. "Kein stumpfsinniges Vor-sich-hin-Warten, und auch kein hoffnungsloses Herbeiwarten. Und genau das ist der große Unterschied. Bevor ich's vergesse..."

Er griff in seine lederne Gürteltasche, und kramte ein Schächtelchen daraus hervor. Für ein Blumenbändchen schien es ungewöhnlich klein zu sein, überlegte sie, als sie das Geschenkband löste, und neugierig hineinspähte. Nun, es war ein Blumenbändchen, aber keines, wie man es in den Läden fand. Es bestand aus einer einzigen weißen Rosenblüte deren Ränder in hauchzartes Violett getaucht waren. Über einige Blütenblätter verstreut, lagen winzige Glasperlen, unregelmäßig wie Tautropfen. Sie fielen nicht herunter, als Dawn die Blüte bewegte, aber sie konnte auch nicht erkennen, wie sie befestigt waren. Die Illusion schien perfekt.

"Sie sind angenäht," grinste Shin, der Dawn's Verwunderung offensichtlich bemerkt hatte. "Mit Haaren, damit man es nicht sieht. Das ist der ganze Trick, es ist wirklich nichts Besonderes..."

"Tatsächlich?" Dawn beugte sich über die Blume, und spähte angestrengt zwischen die Blütenblätter. Ja, wenn man genau hinsah, konnte man es erkennen...

Und noch etwas anderes bemerkte sie, die Ränder der Blüte waren aufgemalt. Jedes einzelne Blütenblatt war mit einer Reihe hauchzarter violetter Markierungen versehen worden. Sie hätte es sich gern genauer angeschaut, doch soeben tauchte der Wagen von Mara und Josh auf der Straße auf. Die beiden durften sie hier nicht sehen, sie glaubten schließlich, sie wäre bei Andrew mitgefahren.

"Gehen wir rein," sagte sie eine Spur zu hastig, "mir ist etwas kalt hier draußen. Das Bändchen ist übrigens echt wunderschön, vielen Dank."

"Wie gesagt, nichts Besonderes." Shin lächelte. "Aber freut mich, dass es dir gefällt!"

+++

Holiday Inn, Lobby
etwas später

"Hey Dawn!" Kaum hatte sie die Lobby betreten, kam ihr auch schon Andrew entgegen, mit Sam, und den Mädchen im Schlepptau. "Wo sind denn Mara und Josh?" wollte Sam wissen, und blickte sich neugierig um.

"Sie...uhm...müssten gleich kommen," wich Dawn aus, und hoffte, dass Mara möglichst schnell einen Parkplatz fand. Nervös blickte sie zwischen Shin und ihren Freunden hin und her. "Das ist Shin, mein Teampartner bei Cleveland Rides. Shin, dass sind Andrew, Sam und...uhm."

"Lyn, Daisy, und Elena," stellte Sam die Mädchen vor, welche Shin neugierig beäugten. "Du hast Ähnlichkeit mit Takehito Koyasu," stellte Elena fest. "Dem Synchronsprecher von Aya aus Weiß Kreuz, falls dir das was sagt."

Shin zuckte mit den Achseln. "Für mich ist das nichts, aber meine Cousine ist ein riesiger Fan der Serie. Sie war sogar mal auf einem Konzert von Weiß in Tokyo, aber das ist schon ne Weile her..."

Elena und Daisy brachen in ein Kreischen aus, und wollten Einzelheiten wissen. Dawn nützte die Gelegenheit, um Andrew ein Stück beiseite zu ziehen, und ihm bei Ausziehen seiner Jacke zu helfen. "Sollte das nicht irgendwie umgekehrt sein?" fragte er ein wenig verwirrt, doch Dawn grinste ihn betont fröhlich an. "Leben wir im Zeitalter der Gleichberechtigung, oder was? Geh du ruhig mit den anderen schon mal vor, ich kümmere mich um deine Jacke."

Sie ging in Richtung Garderobe, und nickte Shin aus einiger Entfernung zu. Dieser entschuldigte sich bei den Mädchen, und folgte ihr.

"Nette Freunde hast du," meinte er, als er sie eingeholt hatte. "Diese Mädchen wollten mich gar nicht mehr weglassen. Sie haben mich so ziemlich über jeden Anime zugetextet, der jemals in Japan gelaufen ist. Na ja, zumindest wollten sie nicht wissen, ob ich Karate kann, oder ob mein Großvater für Pearl Harbor verantwortlich ist." Er lachte leise. "Das Beste war noch dieser Typ an meiner Schule, der mich gefragt hat, ob wir denn in Japan schon Autos und Computer hätten."

Dawn musste grinsen, aber in diesem Moment sah sie Leroy, der im Eingang zum Saal stand, und sich suchend umblickte. "Wärst du so lieb, und würdest dich um meine Jacke kümmern?" fragte sie, und legte Shin Andrew's Jacke über die Arme. "Ich hole uns nur schnell was zu trinken."

+++

Holiday Inn, Ballsaal
etwas später

"Ich hab mir schon Sorgen gemacht, geht es dir gut?" In Leroy's Stimme schwang echte Besorgnis mit. "Der Grand March beginnt in ein paar Minuten, die meisten haben schon angefangen, sich aufzustellen..."

Dawn lief es kalt den Rücken hinunter. Der Grand March! Wie hatte sie das nur vergessen können? Jetzt gab es verdammt noch mal keinen Ausweg mehr. Wie in aller Welt sollte sie mit drei Jungen gleichzeitig über die Bühne laufen? Und selbst, wenn sie von einem zum anderen rannte - die Namen der Schüler wurden laut aufgesagt. Jeder würde es hören! Sollte sie sich einen falschen Namen zulegen?

"Nein, sorry, mir geht es gar nicht gut," brachte sie mühsam heraus, "ich glaub, das Kleid ist schuld, ich hab's zu eng geschnürt, und jetzt ist mir total schlecht. Es tut mir leid - es tut mir echt leid!"

"Wir sollten jemandem Bescheid geben." Erschrocken sah Leroy sie an. "Hier im Hotel gibt es sicher eine Krankenschwester, die sich um dich kümmern kann. Nach dem Grand March gehen wir gleich zur Rezeption und fragen nach. Willst du dich bis dahin vielleicht einen Moment hinsetzen, und etwas trinken? Anstellen müssen wir uns nicht, Marvin und Trisha halten uns sicher einen Platz frei."

"Danke...danke, das mit der Krankenschwester ist eine gute Idee," murmelte Dawn. Sie hatte allmählich wirklich das Gefühl, dass ihr schlecht wurde. Außerdem war es die perfekte Lösung ihrer Probleme. Wenn sie mit Leroy zur Rezeption ging, hatte sie ihn ganz für sich alleine, und konnte ihm vielleicht endlich etwas näherkommen. Und Shin und Andrew konnten ihr auch nicht wirklich böse sein, wenn sie erfuhren, dass ihr schlecht geworden war, und sie sich hingelegt hatte.

"Gut, sobald wir durchmarschiert sind, kümmere ich mich darum," versicherte Leroy. "Komm, wir gehen zu Marvin und Trisha nach vorne, dann haben wir es gleich hinter uns...." Er legte einen Arm um sie, und zog sie in Richtung der Bühne.

"Leroy, ich kann nicht!" Sie versuchte sich aus seinem Arm herauszuwinden. "Ich steh das nicht durch, ich muss mich hinsetzen..."

"Bitte tue mir den Gefallen, und reiß dich etwas zusammen!" Seine Stimme klang wohl einen Ton schärfer als beabsichtigt, denn im nächsten Moment holte er tief Luft, und gab sich Mühe, wieder freundlicher zu klingen. "Sieh mal, ich bin Captain vom Baseballteam, wie schaut das denn aus, wenn ich beim Grand March fehle? Außerdem bin ich ja einer der Kandidaten für den Ballkönig. Ich kann das einfach nicht bringen, verstehst du?"

"Ist es dir egal, dass es mir schlecht geht?" Dawn traute ihren Ohren nicht.

"Nein, natürlich nicht," versicherte er. "Wenn das hier vorbei ist, gehen wir gleich zur Krankenschwester, versprochen...Sieh mal, es ist doch etwas ganz Besonderes, dass wir beide jetzt zusammen über diese Bühne marschieren, auch für dich. Sieh es einfach als eine Art Aufnahmeritual an deiner neuen Schule. Von heute an wirst du keine Schwierigkeiten mehr haben, Freunde zu finden..."

"Ich habe Freunde," unterbrach sie ihn wütend. "Ich bin nicht darauf angewiesen, mit dir über diese blöde Bühne zu laufen!"

Sein Griff verstärkte sich. "Dawn, sieh dich um! Um uns herum sind etwa hundert Mädchen, und jede einzelne von ihnen würde gern in deinen Schuhen stecken! Als hör auf, so ein Theater zu machen, und komm jetzt!"

"Lass mich in Ruhe!" Ohne darauf zu achten, dass sie möglicherweise ihre Kräfte preisgab, riss sie sich mit Schwung von ihm los, machte kehrt, und stürmte aus dem Saal.

+++

Holiday Inn, Ballsaal
etwas später

"....und obwohl wir vorher mindestens fünfmal ausgemacht haben, dass das Rollenspiel ohne Slash wird, hat die Draco die ganze Zeit die Harry angebaggert." Daisy senkte verschwörerisch die Stimme, und Lyn und Elena spitzten die Ohren. "Und die Sirius ist uns halb durchgedreht, weil sie ja im RL mit der Harry zusammen ist. Die haben sich am Schluss fast geprügelt, so eifersüchtig war die..."

"Na, ich würd die Draco auch keine drei Schritte an meine Freundin ranlassen," versicherte Elena. "Hab ich euch eigentlich erzählt, dass ich sie schon aus dem Digimon Fandom kenne, als sie noch Yamato hieß? Ich war damals nämlich ihre Taichi..."

"Nein!"

"Erzähl!"

Andrew nahm schnell einen Schluck von seinem Drink, um sich daran zu erinnern, dass er heute die Klappe halten, und ein normaler Junge sein musste. Sonst würde das mit Dawn nie funktionieren, soviel war sicher. Er musste ihr zeigen, dass er in ihre Welt hineinpasste. Er war ein Agent auf geheimer Mission! Er hatte einen Auftrag! Und er durfte sich auf keinen Fall verraten, sonst hatte er ausgespielt!

Wo in aller Welt blieb nur Dawn? Der Ballkönig und die Ballkönigin des vorherigen Jahres waren beinahe mit der Eröffnungsrede fertig. Eine schöne Rede. Selbst Buffy hätte es nicht besser gekonnt, und sie war gut im Redenhalten. All die wunderbaren Dinge über das wunderbare Leben von Schülern an einer High School. Schulzusammenhalt und Klassengeist und Gemeinsam-in-die-Zukunft-schreiten. Wie die perfekte Matrix, in der alle immer glücklich waren, und niemand niemals ein Problem hatte.

Er war auch an einer High School gewesen, aber nie ein Teil von dieser Welt. Damals hatte es ihm nicht wirklich etwas ausgemacht, er hatte geglaubt, es müsse so sein. Im Gegenteil, er konnte sich sogar glücklich schätzen, dass ihn niemand beachtete, so wurde er wenigstens in Ruhe gelassen. Warren und Jonathan hatten viel Schlimmeres durchmachen müssen. Er hatte es zwar nur über Tucker mitbekommen, der damals mit den beiden rumhing, aber bei dem Gedanken daran, schauderte ihm noch immer.

Aber das alles war Vergangenheit. In wenigen Minuten würde er mit Dawn über diese Bühne gehen, und alles andere hinter sich lassen. Die High School Zeit, und die Zeit danach. Die Zeit mit Warren und Jonathan, an die er nicht mehr denken wollte. Xander hatte vollkommen recht, auch er konnte eine Freundin finden, wenn er nur nichts falsch machte, und sich an die Regeln hielt.

"Melony Layer!"

"Eskortiert von Stephen Danford!"

Der Grand March hatte begonnen, und ein Paar nach dem anderen marschierte unter dem Applaus der restlichen Ballgäste über die Bühne. Mara und Josh würden auch bald an der Reihe sein. Er hatte sich gewundert, mit welchem der Mädchen Sam gehen würde, aber dieser legte offensichtlich nicht den geringsten Wert auf so etwas, gelassen hockte er auf seinem Stuhl, und beobachtet das Ganze wie einen mäßig interessanten Kinofilm. Noch nicht einmal, dass die Gespräche der Mädchen schon so manchen merkwürdigen Blick auf sich gezogen hatten, schien ihn weiter zu stören.

"Hope Peterson!"

"Eskortiert von Marc Cates!"

Wo blieb Dawn? Inzwischen war schon über die Hälfte der Paare durch, allmählich wurde ihm mulmig zumute. Vielleicht war sie irgendwo draußen und hatte die Zeit vergessen, aber vielleicht war auch etwas passiert.....

"Hey!" Sam lehnte sich zu ihm hinüber, "solltest du nicht mit Dawn da vorne stehen?" Er deutet auf die rasch kürzer werdende Schlange vor der Bühne.

"Ich geh sie suchen," murmelte Andrew und stand so hastig auf, dass sein Stuhl beinahe umkippte. Ohne einen Blick zurück zu werfen lief er aus dem Saal. Ihm blieben nur noch wenige Minuten, bis der Grand March vorüber sein würde.

+++

Holiday Inn, Lobby/Wintergarten
selbe Zeit

Wie konnte er nur! Das war doch nicht ihr Leroy, der immer so nett und fröhlich war. Unmöglich!

Es musste ein Zauber sein, eine andere Erklärung gab es nicht! Ja, ein Zauber, der ihn unter seine Kontrolle gebracht hat. Eine Hexe, Trisha vielleicht, hatte ihn becirct, damit er sich in sie verliebte! Und damit er gemein zu allen anderen Mädchen war!

Sie rannte durch die Lobby, welche jetzt natürlich menschenleer war, bis auf eine Gruppe Zehntklässler und die beiden Mädchen an der Rezeption. Fast wäre sie nach draußen gestürmt, machte aber im letzten Moment kehrt, und wandte sich nach rechts zum Wintergarten. Hier zwischen den Pflanzen würde bestimmt niemand nach ihr suchen. Höchstens die Liebespaare würden später hierher kommen, und die hatten Besseres zu tun.

Nein, es war nicht Leroy's Schuld! Es war alles ihre eigene! Sie hatte ihn belogen, benutzt, ihm etwas vorgemacht! Ihr war ja nicht einmal wirklich schlecht gewesen! Sie hatte ihn ebenso hintergangen, wie Shin, und Andrew und alle anderen. Wie hatte sie nur so etwas tun können... müsste sie nicht reifer sein, nach alledem, was sie schon erlebt hatte?

Nein, sie war nicht reif, sie war nicht erwachsen, sie war nur ein dummes kleines Mädchen, das den Hals nicht voll kriegen konnte. Kein Wunder, dass Leroy sie so behandelt hatte! Er hatte sie wahrscheinlich durchschaut! Für jeden Menschen mit Verstand war ihr wahrer Charakter so offensichtlich, wie der Fleck auf ihrem Kleid.

Heftiger und heftiger flossen ihre Tränen, als drinnen im Saal die Musik zu spielen begann. Dort würden jetzt alle tanzen, und das Fest genießen. Und sie hätte einer von diesen glücklichen Menschen sein können. Sie könnte jetzt dort drinnen mit Leroy tanzen, wenn sie nicht so unglaublich dumm gewesen wäre.

Sie kramte in ihrer Handtasche nach einem Kleenex, um sich das Gesicht abzuwischen, und fasste mitten in die beiden Blumenbändchen darin. Achtlos zog sie sie heraus, und hielt plötzlich ein weißes Blütenblatt in den Händen.

Es war ein Blütenblatt von der Rose, die Shin ihr geschenkt hatte. Jetzt, wo sie es einzeln in der Hand hielt, konnte sie deutlich die zartvioletten Markierungen am Rand erkennen. Es waren kleine, ineinander verschachtelte Striche und Linien, und plötzlich hatte sie das Gefühl, dass diese Zeichen nicht zufällig gesetzt waren.

Sie hielt das Blatt näher an ihre Augen. Tatsächlich, es waren Schriftzeichen. Jemand hatte das Blütenblatt mit Schriftzeichen umrundet, jemand hatte jedes einzelne Blütenblatt dieser Rose mit Schriftzeichen umrundet, und nur mit unendlicher Geduld, sowie mit Hilfe einer Lupe, und eines hauchfeinen Pinsels wäre so etwas möglich gewesen.

Es musste eine Arbeit von Stunden gewesen sein, das so hinzukriegen. Und sie hatte sie nicht einmal bemerkt.

Die Rose entglitt ihren zitternden Händen, und fiel zu Boden. Auf den dunklen Steinplatten des Wintergartens wirkte sie seltsam verloren.

Eine Hand hob die Rose vom Boden auf, und hielt sie ihr entgegen. Jemand war hier, war vielleicht schon eine Weile hinter ihr gestanden, und sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie ihn gar nicht hatte kommen hören...

"Ich wollte dich nicht stören," meinte Shin ein wenig verlegen, und trat einen Schritt zurück. "Falls ich irgend etwas getan haben sollte, um dich unglücklich zu machen, dann entschuldige bitte. Es war ganz bestimmt nicht meine Absicht!"

"Wie könntest du etwas getan haben, wenn doch alles meine Schuld ist?" schluchzte sie. "Shin...es tut mir so leid. Ich hab alles falsch gemacht. Ich wollte unbedingt auf den Ball....mit Leroy, und dann ging alles so durcheinander...oh, ich hätte niemals..."

Tränen erstickten ihre Stimme, und sie wandte das Gesicht ab. Eine sanfte Berührung an der Wange ließ sie erschauern, und sie sah, dass er neben sie getreten war, und mit der Blüte eine ihrer Tränen aufgefangen hatte. Wie ein winziger Tautropfen glitzerte sie jetzt auf dem sanften Weiß...

"Dawn, möchtest du mir nicht einfach erzählen, was passiert ist? Wenn ich irgendwie helfen kann...ich werd' es wirklich versuchen!"

Sie dachte an den Tag davor, an die Sache mit den beiden Jungs, und daran, wie er reagiert hatte. So gelassen. So souverän. Jemand, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ.

Vielleicht würde er verstehen. Vielleicht war er wirklich jemand, dem sie sich anvertrauen konnte. Andrew wäre zu verletzt, um es verstehen zu können, und Leroy durfte die Wahrheit niemals erfahren...

+++

Holiday Inn
Ballsaal

"Dieses ganze Konzept ist eigentlich total albern. Ich meine, die Tussi will doch nur ein ganz normales Schulmädchen sein, und stattdessen ist sie auserwählt, und muss in knappen Klamotten rumhüpfen, und Dämonen vermöbeln. Und dann wird auch noch ihr Lover böse, und sie muss gegen ihn kämpfen. Das ist doch kitschig!"

"Von welcher Serie redest du überhaupt. Sailor Moon?"

"Wedding Peach. Bei Sailor Moon gab's zumindest noch ein Lesbenpärchen, das war cool!"

Der Grand March war vorüber!

Der Grand March war vorüber, und er hatte nicht daran teilgenommen. War nicht mit den anderen Jungen und Mädchen über die Bühne marschiert. Dawn war fortgewesen. Und er hatte sie nicht mehr gefunden, obwohl er überall gesucht hatte.

Draußen in der Lobby war sie nicht gewesen, und auch nicht an der Garderobe. Auch nicht vor dem Hotel, um frische Luft zu schnappen und nicht im Mädchenklo, wo er eigentlich gar nicht rein durfte. Nachdem seine Suche erfolglos verlaufen war, war er in den Saal zurückgekehrt, in der Hoffung, dass sie vielleicht inzwischen dorthin zurückgekehrt war. Aber er hatte Pech, er traf nur auf Sam, und die drei Mädchen, die immer noch am selben Tischchen saßen. Mara und Josh waren bereits tanzen gegangen.

War es so eine Art Spiel? Hatte sie sich versteckt, und er musste sie suchen? Eigentlich konnte er sich das nicht vorstellen.

Ob sie mit Absicht weggegangen war? Hatte er irgendetwas Falsches gesagt, oder getan?

Oder war irgendetwas passiert? Irgendetwas Schlimmes?

Solange er hier blieb, würde er es nicht herausfinden. Er musste unbedingt weiter nach ihr suchen. Das Hotel war ziemlich groß, vielleicht war sie ja irgendwo hingegangen, wo eigentlich kein Zutritt für die Ballgäste war.

Draußen neben dem Fahrstuhl hatte er einen Plan vom Hotel gesehen. Vielleicht wäre es am besten, er würde systematisch vorgehen. Special Agent Wells suchte nach der vermissten Person. Seinen Spähaugen entging nichts! Er würde den Fall lösen, so wie er jeden Fall löste!

Jetzt ging es ihm gleich wieder besser! Und der Abend war ja noch nicht vorüber! Es war noch viel Zeit fürs Tanzen, und die Konversation, und alles, was Xander noch gesagt hatte!

Die James Bond Melodie vor sich hin trällernd, marschierte er aus dem Saal.

+++

Holiday Inn, Wintergarten
etwas später

"Ich weiß, dass es unverzeihlich ist, was ich dir angetan hab."

Dawn spürte, wie die Tränen erneut in ihr hochstiegen, aber sie ließ sie nicht fließen. Die ewige Heulerei machte es nicht besser, und Shin sollte nicht glauben, sie wolle Mitleidspunkte kassieren.

Sie hatten sich im Wintergarten auf eines der Holzbänkchen gesetzt, die zwischen den mediterranen Büschen und Bäumen aufgestellt waren. Über ihnen ragte eine Palme auf, und direkt daneben wuchs ein Rhododendrenbusch, welcher prächtige Knospen trug, die sich bestimmt schon in den nächsten Tagen öffnen würden. Und sie hatte zu erzählen begonnen.

Er hatte sie kein einziges Mal unterbrochen, sondern ihr aufmerksam zugehört. Die Worte waren einfach so herausgesprudelt, angefangen von ihrer Angst keinen Partner zu finden, und dem Abend, an dem sie Andrew gefragt hatte, über die Sache mit ihm selbst, und schließlich Leroy. Bis hin zu dem chaotischen Ballabend, an dem sie Sam's Auto einen Platten verpasst hatte, und von einem Jungen zum nächsten gerannt war.

"Auf alle Fälle wird es sehr schwer sein, das wieder in Ordnung zu bringen," entgegnete Shin ernst. "Mal sehen, ich glaube, es bringt nicht wirklich viel, wenn du jetzt zu Leroy hinrennst, und ihm die Wahrheit sagst. Gerade, wenn du immer noch versuchen willst, ihn näher kennenzulernen. Damit hättest du bestimmt deine Chancen verspielt! Nein, da ist es besser, du bleibst bei der Version mit deiner Übelkeit..."

Dawn traute ihren Ohren nicht. Keine Wut, keine Vorwürfe, er hatte nicht einmal die Stimme erhoben. Stattdessen Überlegungen, und Ratschläge, wie sie die verzwickte Situation auflösen konnte. Einen Menschen wie ihn hatte sie wirklich noch nie kennengelernt. Woher nahm er nur diese unglaubliche Gelassenheit?

"Aber den anderen solltest du auf alle Fälle die Wahrheit sagen," überlegte Shin weiter. "Was den Jungen mit dem Auto angeht, könntest du vielleicht morgen eine Pumpe für seinen Reifen organisieren, oder notfalls die Kosten für den Pannendienst übernehmen. Damit sollte die Sache eigentlich aus der Welt sein, falls er nicht einer von diesen Fanatikern ist, die ihr Auto anbeten."

"Nein." Dawn schüttelte den Kopf. "Das ist Sam sicher nicht."

"Zu Andrew kann ich jetzt nicht viel sagen, aber ihr seid ja ziemlich gut befreundet, so wie ich das mitbekommen hab. Wenn du ein bisschen nachdenkst, da fällt dir bestimmt was ein, was du tun könntest."

Ob sie ihm vielleicht eine DVD oder Actionfigur schenken konnte? Oder würde das so wirken, als wolle sie seine Freundschaft zurückkaufen? Vielleicht sollte sie ihn mit einem selbstgekochten Menü überraschen, oder ihn zu irgendeiner Veranstaltung einladen - nein, das wohl besser nicht...

"Was ist mit dir?" fragte sie leise. "Du musst doch auch ziemlich sauer sein."

"'Verletzt' wäre das richtige Wort," gab er offen zu. "Ich hätte das wirklich nicht von dir gedacht, Dawn. Ich wünschte, du hättest mir einfach abgesagt, als du die Zusage von Andrew bekommen hast."

Seine ruhigen Worte trafen sie mehr, als jeder Wutausbruch es hätte tun können. Der Kampf gegen die Tränen war nun entgültig verloren. "Ich will es wieder gut machen," schluchzte sie. "Es gibt doch eine Möglichkeit, wie ich es wieder gut machen kann, oder? Oder?"

Er nahm ihre beiden Hände und hielt sie fest. "Wir finden schon was!" Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, und verwandelte sich in ein spitzbübisches Grinsen. "Willst du mein Fahrrad abschrubben?"

"Du bist einfach...", trotz ihrer Tränen musste sie lächeln, und er nickte zufrieden. "Siehst du, jetzt geht es dir schon besser. Fang!"

Ohne jede Warnung warf er ihr das Rosenbändchen zu. Sie war total überrumpelt, konnte es jedoch im letzten Moment aus der Luft fischen. Jägerinnenreaktion, erinnerte sie sich mit einem leisen Seufzer. Noch eines ihrer vielen ungelösten Probleme.

"Ich hab mich gar nicht richtig für die Blume bedankt," sagte sie leise. "Du hast dir extra für mich eine solche Arbeit gemacht, und ich hab es gar nicht zur Kenntnis genommen. Willst du mir sagen, was darauf steht. Es sind doch Schriftzeichen, oder?"

"Es sind Gedichte," nickte er. Sie hielt ihm die Blüte entgegen, aber anstatt sie zu nehmen, legte er nur seine Hand auf die ihre. Offenbar kannte er die Zeilen auswendig, mit denen er beginnen wollte.

"Meine Hand fing ein fallendes Kirschbaumblatt
Als ich die Faust öffne
Ist nichts mehr da."

"Wo ist dann das Blatt geblieben?" fragte Dawn neugierig. "Und da wir schon von Blättern reden, warum hast du die Gedichte auf eine Blume geschrieben? Ich meine, soviel Mühe und Arbeit, und in ein paar Tagen ist sie verwelkt, und alles war umsonst."

"Glaubst du das wirklich?" fragte Shin leise. "Wenn ich ein Gedicht auf ein Blatt Papier schreibe, hält es dann für die Ewigkeit?"

"Nein, natürlich nicht." Sie zog die Stirn in Falten. "Du meinst damit, dass alles vergänglich ist, oder? Wie diese Mönche in den buddhistischen Klöstern, die zehn Jahre lang ein Bild aus Sand machen, und wenn sie fertig sind, zerstören sie es wieder?"

Shin grinste. "Ja, so kann man es ausdrücken. Weißt du, wir legen soviel Wert auf unwichtige Dinge im Leben. Wir regen uns über alles mögliche auf, streiten, haben Angst um unseren guten Ruf, machen uns Stress wegen Kleinigkeiten. Und am Ende bleibt doch nichts davon übrig. Einiges interessiert uns schon am nächsten Tag nicht mehr, anderes nach einer Woche, oder einem Jahr. Und wenn wir mal hundert Jahre in die Zukunft blicken, wer fragt dann noch danach, wer wir waren, und warum wir gelacht, oder geweint haben? Wir sind auch nicht viel anders als Kirschbaumblätter, die sich irgendwann in Nichts auflösen."

Dawn schwieg eine Weile und dachte über seine Worte nach. Wenn man es von diesem Standpunkt aus sah, dann war das natürlich ein Grund, um sich in Gelassenheit zu üben. Aber die Gedanken allein reichten nicht, es gehörte schon jede Menge Selbstdisziplin dazu.

"Das mit dem Kirschbaumblatt würd’ ich ein wenig anders sehen," meinte sie schließlich. "Ich denke, da geht es eher darum, dass man etwas festhalten möchte, wie zum Beispiel einen ganz besonderen Moment. Aber es geht eben nicht. Die Zeit bleibt nicht stehen, auch wenn man das noch so gerne hätte."

Sie lächelt ihn an, und bemerkte, dass er immer noch ihre Hand festhielt. "So, wie dieser Moment jetzt." Sie lehnte sich nach vorne, und blickte ihn an, ihre Gesichter waren jetzt nur noch wenige Zoll voneinander entfernt.

"Es freut mich zu sehen, dass es dir wieder besser geht, Dawn!"

Sie fuhr herum. Vor ihnen auf dem gepflasterten Weg stand Leroy, mit Trisha und Marvin im Schlepptau

+++

Straßen von Cleveland,
Nacht

Buffy ließ den Blick langsam über die Szenerie vor ihr schweifen. Um diese Uhrzeit wären die Straßen normalerweise fast leer gewesen, aber das war auch kein normaler Tag, schließlich war Hallowe’en. Die Straßenbeleuchtung, eher spärlich als wirklich nützlich, warf ein sonderbares Licht auf die vielen verkleideten Menschen, welche die Straßen bevölkerten, verlieh ihnen einen Hauch von Unwirklichkeit, sogar Bedrohlichkeit.

Mehr als einmal musste Buffy sich wirklich bemühen, ihre Jägerinneninstinkte zurückzuhalten, damit nicht irgendein Jugendlicher, der nur zum Spaß eine Monstermaske aufgesetzt hatte, eine unangenehme Begegnung mit ihrer Faust machte.

Angesichts der vielen verkleideten Menschen war es verwunderlich, dass es nicht ein paar Dämonen gab, die diese Gelegenheit nutzten, um unbemerkt ihren "Vergnügungen" - welcher unangenehmen Art auch immer - nachzugehen.

Aber angeblich war Hallowe’en den meisten Dämonen auf sonderbare Weise entweder heilig oder verhasst, weshalb gerade jetzt Ruhe herrschte - zumindest sollte es das sein, aber vergangene Jahre hatten zur Genüge gezeigt, dass man sich darauf auch nicht verlassen konnte.

Also hieß es, wachsam zu bleiben.

Zudem suchte sie ja auch nach einer besonderen Art von Dämon. Den Namen mochte sie allerdings noch nicht einmal in Gedanken wiederholen, aus Angst, ihre Gehirnwindungen könnten sich verknoten.

Was wieder einmal zu der Frage führte, warum Dämonen so merkwürdige Namen hatten.
Es war doch kontraproduktiv....wie sollte der Name eines Wesens Furcht in den Menschen hervorrufen, wenn diese ihn noch nicht einmal aussprechen konnten?

Na ja, es war eigentlich nicht so wichtig. Viel wichtiger war, dass sie diese Dämonen fand, diese Iah...wasauchimmer.

Ihre Freunde hatten die Suche schon längst aufgegeben, aber Buffy war sich nicht so sicher, ob das eine gute Idee war. Natürlich, es hatte keine weiteren Anhaltspunkte gegeben, aber trotzdem fühlte Buffy sich verantwortlich, sicherzustellen, dass wirklich keine Gefahr bestand.
Nicht davon zu sprechen, dass, wenn sie etwas herausfand, sie einen enormen Vorsprung vor Kennedy erlangte.

Kaum hatte sich dieser Gedanke in Buffys Hirn eingeschlichen, versuchte sie, ihn zu verbannen, in irgendeine Ecke ihres Geistes, wo er hingehörte. Rivalitäten dieser Art waren einfach nur dämlich....oder nicht? Immerhin war sie nicht mehr "DIE Jägerin", nur noch "EINE Jägerin"....und es wurde ihr immer häufiger bewusst.

Langsam, auch wenn ihr dieser Gedanke grauenhaft falsch vorkam....langsam spürte sie, wie Faith empfunden haben musste.

Buffy fröstelte und es war nicht nur die immer noch ungewohnte Kühle Clevelands, die dafür sorgte. Die Dinge schienen ihr zunehmend zu entgleiten. Giles und Lily, deren Verhältnis nicht nur für ihr ästhetisches Verständnis zu eng war, Willow, die nun ZWEI Stufen über ihr stand, der neue Rat, Quelle zunehmenden Misstrauens...und Dawn, die erwachsen wurde, was Buffy zunehmend Kopfschmerzen bereitete.

Buffy hatte es spät bemerkt, aber sie wusste nun, dass sie sich immer mehr verhielt wie ihre eigene Mutter damals. Sie bemühte sich nach Kräften, Dawn zu schützen, vergaß dabei aber, dass Fehler einfach gemacht werden mussten. Aber sie wollte Dawn nicht in die gleiche Lage bringen, in die sie immer wieder geraten war.

Doch drängte sie Dawn durch ihren Schutz nicht genau in solch eine Situation hinein?
Und es waren ja nicht nur die üblichen Teenagerprobleme, die ihr noch zu gut im Gedächtnis waren....da gab es ja auch noch die anderen Dinge. Unannehmlichkeiten wie blutrünstige Untote, Zombies, Werwölfe und Riesenschlangen.....

Zuerst hatte sie ja gedacht, dass es einfacher werden würde, Dawn zumindest von den übernatürlichen Problemen fernzuhalten, nun, da sie nicht mehr die einzige Jägerin war. Aber ärgerlicherweise interessierte es die Dämonen wenig, welche Jägerin sie vor die Reißzähne bekamen und ob diese sich aus dem "aktiven Dienst" ein wenig zurückziehen wollte oder nicht. Da waren diese Höllenwesen ziemlich unsensibel.

Plötzlich schauderte die Jägerin. Irgendwas war nicht normal. Sie ließ den Blick wieder schweifen, diesmal aufmerksamer als zuvor.

Da war etwas....ein junges Paar, welches gerade in einer dunklen Seitengasse verschwand. Der Mann war gekleidet wie ein mittelmäßiger Dracula-Verschnitt, komplett mit schlechtsitzendem Umhang.

" Das gibt’s doch nicht....." murmelte Buffy und eilte hinter den beiden her. Ihr "sechster Sinn" verriet ihr ziemlich genau, was da in den Schatten geschehen würde. Sie rollte mit den Augen und griff nach ihrem Pflock.

Nur wenige Augenblicke später zerrte sie einen vollkommen verwirrten Möchtegern-Vampir aus der Gasse. An seinem Umhang klebte noch Staub und sein Gesicht war selbst unter der Schminke kalkweiß.

" Ich...was...." stammelte er, aber Buffy schüttelte nur den Kopf.

" Das dauert jetzt zu lange. Nur soviel....nächstes Jahr ne andere Verkleidung, unter den Typen gibt’s ne Menge Leute mit zu viel schrägem Humor."

Soviel zum Thema Hallowe’en und Ruhe....

Sie ließ den Mann los und wanderte weiter die Straße entlang. Vampire waren keine mehr zu sehen. Aber wenn hier die Hallowe’en-Ruhe nicht eingehalten wurde, sollte sie vielleicht doch mal nach Dawn sehen....

+++

Holiday Inn, Wintergarten
selbe Zeit

"Leroy?" stammelte Dawn verwirrt.

"Allerdings, das ist mein Name," fauchte er. "Gut, dass du dir wenigstens das merken konntest, du kleines Miststück! Mit wem du hier bist, scheinst du ja offenbar vergessen zu haben!"

Dawn verschlug es für einen Moment die Sprache, sie wusste nicht, ob sie ihn anschreien, oder einfach nur losheulen sollte. Ihr schlechtes Gewissen vermischte sich mit Wut, er hatte allen Grund auf sie sauer zu sein, aber so ließ sie sich nicht behandeln! Und das war schon das zweite Mal, dass er so gemein zu ihr war, wenn sie an vorhin zurückdachte.

Ohne Eile stand Shin auf. "Hör zu, du hast jedes Recht wütend zu sein, aber so spricht man nicht mit einem Mädchen. Wir können dir alles erklären..."

"Halt's Maul, Schlitzauge!" Leroy baute sich vor Shin auf, er war fast einen ganzen Kopf größer, als der andere Junge. Drohend blickte er ihn an, doch Shin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Keiner von beiden sagte etwas, und auch die anderen schwiegen atemlos, für eine Weile war es so still, dass man den Unterhaltungen draußen in der Lobby hätte lauschen können.

Shin war es, der als erster einen Schritt zurücktrat. "Es ist nicht Dawn's Schuld," erklärte er ruhig, "sondern allein meine. Ich hab' sie hier draußen getroffen, und es ging ihr nicht gut, also hab ich mich um sie gekümmert. Das ist alles."

"Okay." Leroy atmete tief durch, und schien sich tatsächlich ein wenig zu beruhigen. "Verschwinde einfach, und wir vergessen das Ganze. Ich will dich nicht noch mal in Dawn's Nähe sehen, damit das klar ist!"

Dawn widerstand dem Impuls zu Leroy hinüberzurennen, und ihm eine zu kleben. Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein?

Ein lautes Krachen und Scheppern ließ die Jugendlichen herumfahren. Der große Tontopf, in welchem die Palme stand, war umgestoßen worden, und lag in Scherben am Boden. Der Baum selbst war zu Boden gefallen, nur seine Krone hing noch im Gebüsch fest. Trisha schrie entsetzt auf.

"Einfache Probleme fordern einfache Lösungen," sagte Marvin gelassen, und stieß den nächsten Topf um. Leroy und Trisha rannten gleichzeitig los, um ihn festzuhalten. "Hör auf, Mann, was soll das?"

Die Türe zum Wintergarten öffnete sich, und Ballgäste strömten herein. Erschrocken, neugierig, fasziniert. Dawn konnte ihre Blicke förmlich fühlen. Ein älterer Mann mit Schnauzer bahnte sich seinen Weg durch die Menge, es war Mr. Myers, ihr Geschichtslehrer, der für den Ball die Aufsicht übernommen hatte. "Was ist hier los?" fragte er und blickte dabei streng in die Runde.

"Der Kerl hier ist durchgedreht," antwortete Marvin als erster und deutete auf Shin. "Er und Leroy hatten einen Streit, wegen Dawn, und dann hat er plötzlich angefangen zu randalieren..."

"Du Lügner!" schrie Dawn. "Mr. Myers, das ist überhaupt nicht wahr! Marvin hat die Töpfe selbst kaputt gemacht, und jetzt..."

"Ruhe!" brüllte Mr. Myers. "Wenn ihr nicht in vernünftigem Tonfall mit euren Lehrern sprechen könnt, dann braucht ihr überhaupt nicht den Mund aufzumachen! Also, was ist hier passiert?"

Nervös blickte Leroy sich um, dann wandte er sich wieder an den Lehrer. "Es ist, wie Marvin gesagt hat."

"Sie will den Typen nur in Schutz nehmen," fügte Trisha mit einem giftigen Seitenblick auf Dawn hinzu.

"Du bist nicht von unserer Schule, oder?" Abschätzend sah Mr. Myers Shin an.

"Nein, Sir, ich gehe auf...."

"Dann verstehe ich sowieso nicht, was du hier verloren hast! Verschwinde, aber ein bisschen plötzlich, sonst ruf ich..."

"Er ist mit mir hier!" Dawn trat einen Schritt nach vorne, und sah ihren Lehrer ohne Angst an. "Wir dürfen Leute von außerhalb der Schule einladen!"

"Diese Regel sollte schleunigst geändert werden," brummte Mr. Myers. "Egal, du hast hier nichts mehr zu suchen, Junge. Hiermit bist du vom Ball ausgeschlossen!"

"Wenn Sie es sagen, Sir." Dawn wollte protestieren, als Shin sich, ohne einen Versuch zur Verteidigung, zur Tür wandte, aber er lächelte sie nur an, und schüttelte leicht den Kopf.

Dawn's Blick fiel auf Leroy, Marvin und Trisha, und ihre Augen verengten sich. Es war weniger Wut, als Verachtung, und Leroy schien das zu spüren, denn er wandte das Gesicht ab, und starrte düster zu Boden. Offensichtlich war er nicht so ganz glücklich mit der Entscheidung, die er soeben getroffen hatte. Trisha dagegen blickte sie trotzig und siegessicher an, und lehnte sich dabei an Marvins Schulter, um ihre Unterstützung für ihn zu bekunden. 'Fast wie Andrew in seinen bösen Tagen', dachte Dawn, und plötzlich fühlte sie Mitleid mit diesem Mädchen, das so hoffnungslos unter der Fuchtel von anderen stand, und sich so leicht kontrollieren ließ. Unsicherheit, kombiniert mit Selbstzweifel, neh? Wobei das übertriebene Bedürfnis nach Anpassung spielte hier sicher auch eine Rolle.

Etwas von ihren Gefühlen musste sich wohl in ihren Augen gezeigt haben, denn Trisha blickte jetzt nicht länger siegessicher, sondern hoffnungslos verwirrt in ihre Richtung. Vielleicht würden Leute wie sie und Leroy auch irgendwann mal mit dem Denken anfangen. Egal, sie konnte jetzt nichts dafür tun.

Sie wandte sich ab, und folgte Shin. Auf einem Ball, von dem er ausgeschlossen war, wollte sie keinen Moment länger bleiben.

Die Menge an der Tür teilte sich und bildete eine Gasse. Den Kopf hocherhoben, ohne nach links und rechts zu blicken, schritt sie hindurch, sie wollte jetzt nicht auf die Gesichter achten, die an ihr vorbeizogen. Und dass am Montag wahrscheinlich die ganze Schule über die Sache klatschen würde, interessierte sie nicht im mindesten. Gut, natürlich interessierte sie es schon, und es machte ihr auch Sorgen. Aber das würde sie jetzt bestimmt nicht zeigen.

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Holiday Inn, ein Gang im 2. Stock
etwas später

Lange, dunkle menschenleere Hotel Gänge erinnerten ihn immer an Shining. Sie hatten etwas echt Gruseliges an sich, und die Chance, dass es hier Dämonen gab, bestand durchaus. Dämonen waren schon an viel unwahrscheinlicheren Orten aufgetaucht, ganz besonders, wenn man sie selbst beschwor.

Ob ein Dämon Dawn verschleppt hatte? Einer von diesen Kerlen mit den vielen Nasenlöchern, die sie in den letzten Tage gesucht hatten? Vielleicht sollte er zu Giles fahren, und Buffy Bescheid geben?

Andererseits würde er nicht furchtbaren Ärger bekommen, wenn er wegfuhr, und Dawn hier zurückließ? Und am Ende war dann wirklich nichts Schlimmes passiert, und er hatte ihr den Ball versaut, indem er alle in Alarmbereitschaft versetzt hatte.

Er hatte jetzt drei der fünf Stockwerke durch. Auch den Wintergarten hatte er inzwischen gefunden, und den Fitnessraum. Dort hatte er ein Pärchen überrascht, und war schnell, und mit knallroten Gesicht wieder rausgelaufen. Puh, war ihm das peinlich gewesen.

Auch den Swimmingpool hatte er entdeckt, und im Wasser trieben keine Leichen herum. Gruselig war es trotzdem mit dem bläulichen Licht an den Wänden. Er machte, dass er da wieder rauskam.

Na ja, wenigstens würden hier keine toten Zwillingsmädchen rumrennen. Die Stimmen, die er vom Ende des Ganges hörte, klangen jedenfalls ziemlich lebendig.

"Wer denkt schon an Orlando, das Milchgesicht? Es heißt Frodo, der Ringträger, nicht Legolas, der Skateboardfahrer!"

"Er ist kein Milchgesicht! Elijah Wood ist das Milchgesicht!"

"Sie sind alle beide Milchgesichter. Und ihr seid blöde Ziegen, wisst ihr das? Die zwei sind nur ein paar Bübchen, die rumrennen, und gut aussehen. Viggo Mortensen, ja der hat Charakter!"

"Aber keinen Stil! Elijah Wood, der hat Stil!"

"Viggo Mortensen ist der einzige von dem Haufen, der schauspielern kann!"

"Orlando Bloom sollte einen Oskar gewinnen, und ihn Viggo Mortensen über die Rübe ziehen!"

Fast hatte seine Hand schon die Klinke runtergedrückt, als er erschrocken einen Sprung rückwärts machte. Wenn er jetzt in dieses Zimmer ging, würde er vielleicht nicht so bald wieder rauskommen. Und er musste doch nach Dawn suchen!

+++

vor dem Holiday Inn
selbe Zeit

"Ich hab dein Blumenbändchen nicht mitgenommen."

Traurig warf Dawn einen Blick zum Hotel zurück. "Aber ich würde um nichts in der Welt da wieder reingehen wollen."

"Mach dir nichts draus." Shin lächelte. "Du kriegst bei Gelegenheit ein neues. Und dann steh ich immer noch in deiner Schuld, für das, was du für mich getan hast."

Dankbar lächelte sie ihn an, sagte aber nichts, sie war zu erschöpft, um die richtigen Worte zu finden. Da er versprochen hatte, sie nach Hause zu bringen, befanden sie sich jetzt auf dem Weg zu seinem Auto. Oder besser gesagt, dem Auto seines Vaters, welches er sich ausgeborgt hatte.

Ansonsten hatten sie in den letzten Minuten nicht viel miteinander gesprochen. Die Erlebnisse auf dem Ball hatten sie tief bestürzt, sie musste das alles erst mal verarbeiten, und brauchte ein wenig Ruhe. Eigentlich wollte sie einfach nur nach Hause, und sich hinlegen.

"Da vorn steht er!" Shin deutete auf einen silbergrauen Toyota, der noch etwa dreißig Yard von ihnen entfernt auf der anderen Seite der Straße geparkt war.

"Okay," murmelte sie.

"Tetsu Shinichi!" rief eine Stimme hinter ihnen.

Marvin. Dawn rollte die Augen. Der Trottel hatte ihr jetzt gerade noch gefehlt. Wahrscheinlich freute er sich so sehr über seinen Triumph, dass er zum Abschied unbedingt noch ein paar blöde Sprüche klopfen musste.

"Verschwinde, Marvin, und lass uns in Ruhe," seufzte Dawn genervt. Sie wandte sich um, und ging einen Schritt auf Leroy's besten Freund zu, als sie Shin's Hand auf ihrem Arm spürte. Natürlich, er hatte noch die Geduld, sich mit der Nervensäge rumzuärgern, aber sie bestimmt nicht mehr.

"Kannst du autofahren?" fragte Shin unvermittelt

"Ja, aber... ich hab den Schein noch nicht...", stammelte sie verwirrt. Sie verstand nicht, was die Frage sollte.

Shin drückte ihr seine Autoschlüssel in die Hand. "Setz dich bitte schon mal rein, und warte auf mich, in Ordnung? Und lass die Türen verschlossen, bis ich da bin."

"Aber..."

"Tu mir einfach den Gefallen, weil ich dich darum bitte." Obwohl seine Stimme immer noch so ruhig und freundlich war, konnte sie seine Anspannung erkennen. Er war nervös. Er war doch tatsächlich nervös, und das hatte sie bei Shin noch nie zuvor erlebt. Wieso? Es war doch nur Marvin, und der konnte auch nicht schlimmer sein, als Leroy, oder die beiden Trottel, die sie bei Cleveland Rides gesehen hatten.

"Für einfache Probleme gibt es immer eine einfache Lösung."

Marvin ging immer noch auf sie zu, seine Stiefel klackten auf dem Asphalt der Straße. Es war ein seltsames Bild, ein Ramses inmitten all dieser Autos, und moderner Gebäude. In der Hand hielt er seinen goldenen Krummstab, das Zeichen der Herrschaft des Pharaos.

Und dann war er plötzlich nicht mehr Marvin. Seine Haut verfärbte sich, seine Augen wurden gelb, seine Arme und Hände verlängerten sich zu riesigen Klauen. Die goldenen Gewänder zerrissen in Fetzen, als seine drahtige Gestalt größer und breiter wurde....

Er sah nicht anders aus, als noch vor einigen Tagen, als er Michael Voorhees in der Tiefgarage ermordet hatte.

+++

Holiday Inn, ein Hotelzimmer,
etwas später

"Verdammt, die sind nicht schwul! Kann mir mal einer erklären, warum bei euch immer alle Typen schwul sein müssen?"

Vorsichtig spähte Andrew durch den Türspalt ins Zimmer. Er konnte Sam erkennen, der gemütlich auf dem Bett des kleinen Hotelzimmers lag, während sich Lyn, Daisy und Elena um den Fernseher scharten, und aufmerksam jede Bewegung ihrer Helden verfolgten. Nachdem ihre letzte Debatte ohne wirkliches Ergebnis geblieben war, hatte sich die Diskussion nun anderen Dingen zugewandt.

"Ich versteh' echt nicht, warum die immer alle nur Frodo/Legolas schreiben," stöhnte Daisy, und rückte ihre Vulkanierohren zurecht, "ich meine, die Typen sehen sich im ganzen Film nicht wieder. Legolas gehört zu Aragorn, und Frodo zu Sam, das ist doch so was von offensichtlich. Außerdem kann man Sam auf Frodo's Schoß setzen, jedenfalls wenn man ihm vorher das Cape auszieht!"

"Sie redet von den Actionfiguren," erklärte Andrew, als er Sam's verständnislosen Blick bemerkte.

"Hey, Andrew!" Sam grinste ihn an, dann wandte er den Blick wieder zum Fernseher. Merkwürdig war nur, dass er von seiner Position aus den Bildschirm gar nicht richtig sehen konnte. Diverse Beine, Hintern und Köpfe waren ihm im Weg. Andrew verstand absolut nicht, warum Sam den Mädchen nicht sagte, dass sie beiseite gehen sollten.

"Sag mal, dürfen wir eigentlich hier sein?" fragte Andrew schließlich und tat einen vorsichtigen Schritt in den Raum.

"Wohl eher nicht, aber solange es keiner mitkriegt, können wir uns die DVD auch zu Ende ansehen." Elena schob Daisy's Kopf aus dem Weg. "Wir sollten nur rechtzeitig um zwölf hier weg sein, weil dann der Ball rum ist!"

"Das schaffen wir aber nicht mehr!" Stirnrunzelnd sah Lyn auf ihre Uhr. "Lasst uns doch bitte die blöden Arwen Szenen wegspulen, okay? Erst klaut sie Glorfindel das Pferd, und dann rennt sie überall im zweiten Teil rum, wo sie gar nichts verloren hat, die dumme Pute!"

"Aber nicht die Szene, wo sie Aragorn den Anhänger schenkt," protestierte Andrew. "Die will ich sehen!" Er seufzte leise. "Es gehört mir, und ich schenke es, wem ich will. Wie mein Herz."

Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, da hatte er sie schon bereut. Er war nicht hier, um sich einen Film anzugucken, und er war nicht hier, um irgendwelche Anhänger anzuschmachten. Er war nur aus einem einzigen Grund hier, weil er Dawn suchen wollte. Er wollte mit ihr auf dem Ball tanzen, und ein ganz normaler Junge sein. Genau das wollte er und nichts anderes!

Konnte er sich nicht wenigstens den Film bis zur Anhängerszene angucken, und dann weitersuchen?

Nein, auf keinen Fall. Er würde jetzt aus diesem Zimmer gehen, und Dawn suchen, und nicht auf die bösen Einflüsterungen seines anderen Ich's hören. Er war Smeagol, und er würde Gollum besiegen! Auf jeden Fall!

Sogleich fühlte er sich wieder besser, und das Schuldgefühl verschwand.

"Den Anhänger kriegt er später von Legolas wieder," freute sich Daisy. "Ich sag's ja, Aragorn und Legolas!"

"Ich kann's echt nicht mehr hören!" Sam hielt sich die Ohren zu. "Die. Sind. Nicht...

"Immerhin bleiben Aragorn und Sam in Mittelerde, während Frodo und Legolas nach Aman fahren," wurde er von Andrew's Überlegungen unterbrochen, "und da Sam Rosie heiratet..."

"Aaargh!" Stöhnend hielt sich Sam ein Kissen über den Kopf, und sprang dann auf. "Ich brauch echt 'ne Auszeit von euch Mädels!"

"Ich muss auch weiter!" Mit einem letzten sehnsüchtigen Blick auf den Bildschirm riss Andrew sich los. "Ich muss Dawn finden!"

+++

Straße vor dem Holiday Inn
selbe Zeit

Dawn sprang einen Schritt zurück, und ballte die Fäuste. Sie hatte Angst ja, aber sie war schon Schlimmerem gegenübergestanden, als diesem lippen- und nasenlosen Wesen, und das ganz ohne Jägerinnenkräfte. Sie würde die Stellung halten, soviel war sicher. Und sie würde nicht zulassen, dass dieses Ding Shin was antat.

Es war ihr jetzt alles ganz klar. Marvin war an dem Vormittag auch auf dem Spielfeld gewesen, als sie sich verraten hatte. Wahrscheinlich hatte er an diesem Morgen Verdacht geschöpft, und ihr darum die beiden Schlägertypen auf den Hals gehetzt. Er wollte sehen, wie sie reagierte, wenn einer ihrer Freunde bedroht wurde. Ob sie sich verriet. Nun, das konnte er haben! Wenn er unbedingt kämpfen wollte, dann gegen sie! Nicht gegen Shin, der mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hatte.

Aber sie brauchte eine Waffe. Shin's Autoschlüssel würden ihr nicht viel weiterhelfen. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, etwas von einem der Autos abzureißen, oder zu brechen, aber das war wohl keine gute Idee. Sie hatte heute schon ein Auto demoliert, und das reichte.

"Nimm das, du Monster!" Sie zog einen Kanaldeckel aus seiner Verankerung im Boden, und hielt ihn drohend in die Höhe!" Der Dämon riss ungläubig die Augen auf, und brach anschließend in schallendes Gelächter aus.

"Vielleicht behagt dir das mehr!"

Ein Holzpflock bohrte sich von hinten durch die Brust des Monsters. Es schrie auf, fuhr herum, und wollte nach der Gestalt greifen, die dort stand, doch sie war zu schnell für ihn. Alles was er sah, war ein Fuß, der aus dem Nichts zu kommen schien, und ein Tritt, der ihn zu Boden beförderte.

"Buffy?" Erschrocken starrte Dawn ihre Schwester an. "Du hier?"

"Ja, allerdings!" schrie ihre ältere Schwester zurück. "Ich hier! Und ich werde dich nicht fragen, was du mitten in der Nacht mit einem wildfremden Kerl auf der Straße verloren hast, wenn du eigentlich mit Andrew auf dem Ball sein solltest!" Sie verpasste dem Dämon einen weiteren Tritt, der noch nicht wieder auf die Beine gekommen war.

"Lassen Sie mich bitte erklären...", begann Shin.

"Nein, von dir will ich keine Erklärungen!" Buffy sah aus den Augenwinkeln, wie der Dämon auf die Füße sprang und konnte sich gerade noch unter seinem Schlag hinweg ducken. "Ich rede mit meiner Schwester! Ich will wissen, warum meine Schwester immer dann, wenn ich glaube, dass sie endlich erwachsen wird,“ sie schlug dem Dämon ihre Faust krachend ins Gesicht, „immer dann, wenn ich ihr vertraue,“ einen weiteren, wütenden Faustschlag brachte sie gegen seine Solarplexus an, sofern das Monster einen hatte, „wieder einen solchen Mist bauen muss!" Sie ließ sich in die Knie fallen und fegte dem ins Wanken geratenen Dämon die Beine weg. Er fiel krachend auf den Rücken. "Denn ich versteh's nicht! Ich versteh' es absolut nicht!"

Dawn wandte das Gesicht ab. Buffy's Wut war berechtigt, aber es gab so vieles, das sie noch nicht wusste. In diesen letzten Tagen war so unheimlich viel passiert, wo sollte sie beginnen, wenn sie es ihrer Schwester erklären wollte? Sie würde viel früher anfangen müssen, mit jener Nacht in London, als sie zu erstenmal gespürt hatte, dass sie....und es würde nur noch weitere Vorwürfe nach sich ziehen, nein, nicht heute nacht! Sie wollte nur noch heim, und ihre Ruhe haben. Es war zu viel für einen Tag gewesen.

"Wir gehen nach Hause!" Buffy hatte den Dämon inzwischen im Schwitzkasten und machte dem Kampf mit einer raschen Bewegung, die dem Monster das Genick brach ein Ende. Dann wandte sie sich an Dawn. "Komm jetzt!"

Diese schenkte Shin noch ein leises 'Gute Nacht', bevor sie ihrer Schwester folgte.

+++

Holiday Inn, Ballsaal
etwas später

Er stand wieder am Eingang des Ballsaals und sah den tanzenden Jungen und Mädchen zu. Es war ein langsames Lied, zu dem sich die Paare engumschlungen auf dem Parkett wiegten. Die meisten hielten ihre Augen geschlossen, und hatten die Gesichter aneinander gelehnt, als sie sich langsam zur Musik drehten...

I see you when it snows
in crystals dancing down
from a sultry sky
when silence is pure and unbreakable

Wahrscheinlich wollte Dawn überhaupt nicht gefunden werden. Zumindest nicht von ihm. Wahrscheinlich hatte er irgend etwas gemacht, weswegen sie sauer auf ihn war, irgend einen Fehler, mit dem er sie vor den anderen blamiert hatte. Er hatte ihr keine Blumen geschenkt! War das der Grund gewesen? Oder war es etwas völlig anderes, das er einfach nicht verstand? Warum musste er nur immer alles falsch machen, und niemand erklärte ihm, was los war? Alle gingen einfach immer nur fort, und ließen ihn mit seinem Schmerz und seiner Verwirrung allein.

I can see you smiling
in every frozen tear
I can hear you whisper 'You and I'

Sein Leben als 'normaler Junge' war gescheitert, bevor es überhaupt wirklich angefangen hatte. Er war ebensowenig ein normaler Junge, wie er ein Oberfinsterling gewesen war. Auch damals hatte er alles falsch gemacht, und was war dabei herausgekommen? Eine Katastrophe, deren Folgen immer noch zu spüren waren. Nur, dass er sie nicht mehr spüren wollte. Er wollte ein neues Leben beginnen, so wie Xander es ihm erklärt hatte. Ein Leben in der realen Welt. Mit Dawn und all diesen Dingen, die für die reale Welt wichtig waren, und die er größtenteils immer noch nicht verstand, aber das war egal. Er brauchte sie nicht zu verstehen. Hauptsache, sie waren um ihn herum, so wie damals die Superhelden und ihre fantastischen Welten...

little did we know
that they were life itself
the days passing by
we both had our share in the sacrifice

Konnte man sich auch in die Realität flüchten? Konnte man sich in die Realität flüchten, wie in eine Geschichte? Oder war diese Welt überhaupt nicht so real, wie er zunächst geglaubt hatte? All diese Dinge, über die der Ballkönig und die Ballkönigin in ihrer Rede gesprochen hatten, waren sie wirklich? Schulzusammenhalt und Klassengeist, und Gemeinsam-in-die Zukunft-Schreiten? Und was war mit dem Ball selbst? All diese Jungen und Mädchen, die sich für einen Abend lang als kleine Prinzen und Prinzessinnen fühlten? War das real? Realer als Batman und Robin, und die Dinge, die für ihn immer wichtig gewesen waren?

once upon a time
we had something beautiful
once upon a time
I thought 'you and I'

Sein Blick wanderte über die Tanzfläche, all diese Paare ließen ihn an die Gespräche mit Xander denken. Gespräche übers Tanzen, und darüber, wie man einem Mädchen Komplimente machte. Hatte es bei diesen Leuten funktioniert? Waren sie wirklich so glücklich, wie es den Anschein hatte? Wie viele von ihnen liebten einander, und wie viele benutzten einander nur? Oder ließen sich benutzen? Taten einander weh. Waren voneinander abhängig. Klammerten sich aneinander fest, weil sie niemanden sonst hatten? Flüchteten sich in irgendeinen Traum, eine fixe Idee, einen Gedanken, auch wenn er nicht unbedingt etwas mit Weltherrschaft und Wetter kontrollieren und tragbaren Jet Packs zu tun haben musste? Er konnte schließlich nicht in ihre Herzen hineinblicken, und wissen, wie es darin aussah.

take me wherever
the answer lingers in the sand
show me the way as the story unfolds

Vielleicht war gar nicht alles seine Schuld gewesen. Vielleicht war es einfach passiert, so wie auch anderen Leuten schlimme Dinge passierten, auch wenn sie gar nichts getan hatten. Manches war seine Schuld, soviel war sicher, Jonathan's Tod, und in gewisser Weise auch der Tod von Katrina, Tara und Warren. Alles hätte anders kommen können, wenn er nur rechtzeitig andere Entscheidungen getroffen hätte. Aber die Dinge, die passierten, und die Dinge, die nicht passierten, hingen nicht von seinen Entscheidungen allein ab. Es war ein Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren, so wie die Chaostheorie, die Jeff Goldblum mit dem Wassertropfen erklärt hatte. Dass Dawn ihn heute Abend sitzengelassen hatte, und dass Warren damals mit dem Jetpack davongeflogen war, hieß nicht automatisch, dass er dafür verantwortlich war. Es konnte auch andere Gründe geben, die überhaupt nichts mit ihm zu tun hatten.

love is remote
in this wailing winter wonderland
show me the way to the temples of gold

Nur tat es deshalb nicht weniger weh. Es gab nichts Schlimmeres von jemandem im Stich gelassen zu werden, dem man vertraut hatte, und es machte es schwerer, soviel schwerer, erneut einem anderen Menschen zu vertrauen. Und er hatte Dawn wirklich vertraut. Schon lange bevor er diesem hirnrissigen Gedanken hinterhergerannt war, dass sie seine feste Freundin sein könnte, und er ein 'normaler' Junge. Das war lediglich eine Flucht gewesen, um die Vergangenheit zu vergessen, und das verstand er jetzt.

bless me with a kiss
across the universe
when day and night converge
and whisper my name till I fall asleep

Es ging nicht darum, dass er sich an die Regeln hielt, die Xander ihm erklärt hatte, nicht um das Tanzen, und nicht die Konversation. Es ging nicht darum, 'normal' zu sein. All das war überhaupt nicht wichtig. Wenn man wirklich mit jemandem zusammensein wollte, musste man es zuallererst einmal ehrlich meinen, sonst konnte es überhaupt nicht funktionieren. Nur weil er benutzt worden war, gab ihm das noch lange nicht das Recht einen anderen Menschen zu benutzen. Dawn hatte Besseres verdient, ganz egal, ob sie ihn heute Abend mies behandelt hatte. Sie brauchte jemanden, der sie wirklich liebte, um ihrer selbst willen, und nicht nur als Trostpflaster für alte Wunden. Selbst wenn das Gefühl, dass er ihr gegenüber empfand, eine Art von Liebe war, so war es nur, weil sie für ihn dagewesen war, ihm zugehört, und ihn im Arm gehalten hatte. Es war die egoistische Liebe eines kleinen Jungen, der einfach nur einen warmen Körper zum Anschmiegen brauchte, und allein der Gedanke daran, rief eine Flut von Erinnerungen hervor. Musste sich die Geschichte eigentlich dauernd wiederholen?

tell me tales from days bygone
tell me little lies
tell me once again it's just 'you and I'

Was damals geschehen war, war wirklich gewesen. Es war die Wirklichkeit. Es war keine Geschichte, die er sich ausgedacht hatte, selbst wenn es mit unsagbar vielen Geschichten, Filmen, Serien, Comics, und albernen Spinnereien zu tun hatte. Das machte es nicht weniger wirklich. Nicht weniger real. Verletzungen heilten nicht dadurch, dass man den Schmerz wegleugnete.

Man konnte den eigenen Schmerz nicht dadurch leichter machen, dass man jemand anderem denselben Schmerz zufügte. Willow hatte es zu spät verstanden, und das hatte Warren das Leben gekostet.

"Ich glaub nicht, dass du sie hier noch finden wirst."

Andrew wandte sich zu Sam um, der unbemerkt hinter ihn getreten war. "Wir haben anscheinend echt was verpasst," erzählte er weiter, "ich hab grad von Mara erfahren, dass Dawn unter ziemlich mysteriösen Umständen vom Ball geflogen ist. Sie war selbst nicht dabei, sie hat's auch nur wieder aus zweiter Hand. Anscheinend gab es zwischen Leroy, und diesem Japaner 'nen mächtigen Zoff, und randaliert wurde auch, aber keiner weiß was Genaues."

"Was ist mit Dawn?" fragte Andrew erschrocken

"Sie ist mit dem Japaner weggegangen. Du weißt schon, der Typ, den wir an der Garderobe getroffen haben."

Andrew nickte. "Das ist Shin. Sie arbeiten zusammen in einem Team bei Cleveland Rides."

Eine Weile sagte keiner der beiden etwas, gedankenverloren blickten sie in den Saal hinein, und sahen den Paaren beim Tanzen zu.

"Ich weiß natürlich nichts Genaues, aber falls du dir Hoffnungen wegen Dawn gemacht hast,"... begann Sam, doch Andrew schüttelte den Kopf. "Nein. Nicht mehr. Ich hab zwar dran gedacht, aber ich glaub, es würde nicht funktionieren..."

Sam grinste. "Ja, ich glaub’ auch. Irgendwann hätte sie nämlich die Schnauze voll davon, dass Captain Archer, Batman und Neo mehr Aufmerksamkeit kriegen, als sie. Sie würde dir die Glotze aus dem Fenster schmeißen, und du würdest hinterher springen."

"Ich hoffe trotzdem, dass wir uns wieder vertragen." Traurig blickte Andrew zu Boden. "Ich hab sie nämlich sehr gern, auch wenn es nicht so ist, wie im Kino. Vielleicht war es keine gute Idee hierher zukommen..."

„Wieso bist du eigentlich hergekommen," wollte Sam wissen. "Ich meine, so ein Ball ist doch nicht unbedingt interessant für dich, oder?"

"Na ja," Andrew überlegte, wie er es am besten erklären konnte. "Eigentlich bin ich nur auf den Ball mitgegangen, weil ich so was mal miterleben wollte. Das 'normale' High School Leben. Ich hatte das nicht, als ich noch in der Schule war."

Lässig lehnte Sam sich in den Türrahmen. "Was ist schon normal?" Mit schnarrender Stimme fuhr er fort: "Sie werden jetzt assimiliert werden!"

Andrew kicherte. "Widerstand ist zwecklos."

"Die leben doch alle in ihren eigenen Welten," fuhr Sam fort, "die Sportler, die Filmfreaks, die Streber, die Schönlinge, die Hip-Hopper, und wie sie alle heißen. Und jeder von ihnen will dir erzählen, dass seine Welt die einzig wahre, und richtige ist, und alle anderen komplett falsch liegen. 'Das ist Realität!' sagen sie, und dann wissen sie ganz genau, was wichtig ist, und worauf es im Leben ankommt. Und dann, ein paar Jahre später, ist es doch wieder alles ganz anders! Und es gibt wieder einen Haufen neuer Welten, die auch nicht viel anders sind. Wer weiß denn bitte schon, was Realität heißt, kannst du mir das mal verraten?"

"Frag mich nicht!" Abwehrend hob Andrew die Hände. "Mir erzählen sie alle andauernd, dass ich keine Ahnung von Realität hab. Sogar Xander, und der guckt alle Serien, die ich auch gucke."

Er wandte sich Sam zu. "Sag mal, in was für einer Welt lebst du eigentlich? Du bist doch nicht wirklich ein Filmfreak, auch wenn du dich mit einigem auskennst. Aber ein Normalo bist du genausowenig."

"Ich?" Sam errötete leicht, und lachte, um seine Verlegenheit zu überspielen. "Mann, du fragst vielleicht Sachen!" Er machte eine kurze Pause, und fuhr dann halb ernst, halb scherzhaft fort. "Ich bin ein Reisender. Ich fliege von Planet zu Planet und checke alles aus. Und wenn es mir irgendwo gefällt, dann bleib ich etwas länger, aber am Ende steig ich doch wieder in mein kleines Raumschiff und fliege weiter."

"Das ist sooo cool," Andrew's Augen glänzten. "Dann muss ich dir wohl danke sagen, dass du auf meinem kleinen Geek Planeten zu Besuch warst."

"Keine Ursache." Sam zwinkerte ihm zu. "Ich schau gern mal wieder vorbei. Apropos, wollen wir mal nachschauen, was die Mädels so treiben? Der Film dürfte noch nicht zu Ende sein, vielleicht sind sie sogar großzügig, und lassen dich diese Szene anschauen, an der du so hängst."

"Ja, vielleicht." Andrew wandte sich vom Ballsaal ab, und folgte Sam hinaus in die Lobby. "Ich hätte sowieso nie gedacht, dass es auch Mädchen gibt, die so verrückt nach Filmen sind. In meiner Schulzeit kannte ich keine."

"Ja, früher gab's da auch nicht so viele davon, ich denke, das ist erst in den letzten drei, vier Jahren so richtig aufgekommen."

"Harry Potter, Herr der Ringe, und die große Manga Welle!"

"So ungefähr. Sie gehen auch anders damit um, als die Jungs, mehr Fantasy, weniger High Tech. Und sie treiben uns mit ihrer ewigen Pärchenbilderei in den Wahnsinn...."

"Wobei mir einfällt, Gandalf und Saruman..."

"Ich will nicht mal dran denken!"

+++

Giles Wohnung
etwas später

Niedergeschlagen ging Dawn hinter Buffy die Treppe nach oben. Sie war müde und erschöpft. Aber die Gefühle wie Enttäuschung über den Ausgang des Balles oder Wut auf Buffy, die so gar nichts verstanden hatte, drängte die Müdigkeit zur Seite. Alles was sie sich jetzt wünschte, war eine heiße Dusche und jemanden zum Reden. Buffys Schweigen hatte sie auf den Weg nachhause fast wahnsinnig gemacht. Jeder Erklärungsversuch von ihrer Seite aus, war unterbrochen worden. Mit ihr würde sie sicherlich nicht reden können.

Vielleicht war Giles zu Hause, es wurde Zeit, dass sie mit jemanden über sich und ihrer Probleme sprach. Genauso wie ihr es Willow die ganze Zeit über geraten hatte. Giles erschien ihr nach Willow die richtige Wahl. Er war Wächter, er hatte bestimmt die richtigen Antworten für sie parat. Buffy hatte vorhin auf der Strasse nur einmal mehr bewiesen, dass sie noch immer die kleine Schwester in ihr sah, die beschützt werden musste und Dummheiten machte. Die Wahrheit würde Buffy bestimmt nur aufregen und ein sinnvolles Gespräch verhindern.
Zudem glaubte Dawn nicht, dass Buffy im Moment bereit dazu war, ihr zu zuhören. Einerseits verstand sie natürlich ihre große Schwester. Wäre sie an ihrer Stelle gewesen, hätte sie wahrscheinlich nicht anders reagiert. Andererseits.. wieso gab ihr Buffy nicht die Möglichkeit sich zu erklären?

Als sie oben ankamen, entdeckten sie Lily beim Lesen auf der Couch und sie schien sie gehört zu haben. Dawn sah rasch zu Buffy und sah ihrem Gesichtsaudruck an, dass ihr die Anwesenheit von Lily mehr als ungelegen kam. Dann hatte es doch etwas gutes... Dawn blieb vorläufig vor einem Donnerwetter verschont.

„Hallo ihr zwei. Dawn? Schon zurück vom Ball?“

Dawn wollte etwas sagen, doch Buffy kam ihr zuvor. „Ist Giles schon zurück?“

Lily schüttelte den Kopf. „Nein. Er ist noch unterwegs. Er wollte ein paar Runden extra drehen. Er traut der Hallowe’en- Ruhe nicht und sucht nach neuen Hinweisen auf diese Dämonen.“

Buffy warf Dawn einen strengen Blick zu und zog die Stirn kraus. „Da wird er lange suchen müssen. Ich habe den aktuellsten Beweis ausgelöscht.“

„Du bist einem begegnet?“ Lily stand interessiert auf.

„Eher wir,“ sagte Buffy grimmig und ließ Dawn nicht aus ihrem Blick.

„Es ist euch hoffentlich nichts passiert?“

„Nein, ich bin rechtzeitig gekommen. Wieder einmal! Aber wir sprechen uns noch, Dawn. Du wirst mir erklären müssen, was passiert ist. Und du wirst keine Ausflüchte machen und mir keine Lügen auftischen“, Buffy klang sehr bestimmt und trotzdem atmete Dawn erleichtert aus. Das hieß, sie würde die Chance bekommen alles in Ruhe zu erklären. Buffy würde nicht mehr lange auf sie wütend sein und brauchte auch nicht richtig enttäuscht zu sein.

„Ich gehe schlafen,“ sagte Buffy plötzlich erschöpft und ließ Dawn und Lily einfach stehen. Dawn sah ihr traurig nach. Das hieß wohl, sie würde ihrer Erklärung auf Morgen verschieben müssen.

„Was ist denn mit Buffy los? Sie klang so... verärgert,“ Lily setzte sich wieder auf das Sofa nieder. Ihr war Dawns niedergeschlagenes Wesen nicht entgangen. Vielleicht würde das Mädchen sich ihr anvertrauen. Eine gute Möglichkeit sich erneut ein wenig näher zu kommen. „Ist etwas zwischen euch vorgefallen?“

„Ach nichts besonders,“ lenkte Dawn ab und überlegte, ob sie erst ins Badezimmer gehen oder noch etwas länger auf Giles warten sollte.

„Also wie war es dann auf dem Ball,“ versuchte es Lily erneut und wechselte bewusst das Thema.

„Sie meinen abgesehen von einem katastrophalen Date nach dem anderen, einem Rauswurf, einigen Dämonen, die sich mal wieder nicht an die Hallowe’en-Ruhe halten wollten und einer verärgerten Schwester?“ Lily sah Dawn erstaunt an. „Nun, ganz nett,“ seufzte Dawn und raffte ihr Kleid zusammen, um sich auf den Sessel Lily gegenüber nieder zu lassen.

„Das klingt nach einem aufregenden Abend.“ Lily legte ihr Buch zu Seite.

„Und dabei habe ich Ihnen noch nicht einmal alles erzählt. Es war furchtbar,“ seufzte Dawn.
Dawns Gesicht spiegelte ihre Enttäuschung wieder, aber trotzdem versuchte sie sich an einem Lächeln.

„Wenn du darüber reden möchtest...,“ begann Lily zögernd. Etwas lag dem Mädchen auf dem Herzen. Man hätte schon blind sein müssen, um es nicht zu sehen.

„Nicht wirklich,“ sagte Dawn gedehnt und erinnerte sich daran, wie ihr Lily erst vor einigen Wochen noch den Rücken gestärkt hatte, als sie von ihren Absichten mit Cleveland Rides erzählt hatte. Anders als Buffy, die nicht zuhören wollte oder Giles, der zwar fast immer anwesend war, aber nur körperlich.
Zudem.. Lily war auch eine Wächterin und nach Giles Worten sogar eine sehr fähige. Giles würde ihr nicht so viel Vertrauen entgegen bringen, wenn sie es nicht wert gewesen wäre. So lange sie sich die Wohnung geteilt hatten, hatte sich Lily als zurückhaltende und nette Person entpuppt. Selbst Andrew fand sie ausgesprochen cool. Nur weil Buffy misstrauisch war, musste sie es ja nicht auch sein. Und die Dinge die sie belasteten, musste sie endlich laut aussprechen. „Na ja... doch, da wäre schon etwas...“

„Du kannst gerne mit mir darüber reden, wenn ich dir helfen kann? Geht es um deine Verabredung von heute Abend?“

„Verabredungen,“ korrigierte Dawn und musste grinsen, als Lily sie verwirrt ansah. „Und Andrew? Ach nein, wir sind Freunde. Das bekomme ich schon geregelt. Aber der Abend war so oder so ein Desaster,“ seufzte Dawn und sank zurück in den Sessel. „Ich war so dumm mich mit drei Jungs zu verabreden. Das konnte ja nur schief gehen.“

Lily hatte Mühe einen Grinsen zu unterdrücken, als ihr Dawn die Geschichte erzählte und wie sie in die dumme Zwickmühle geraten war.

„Aber das ist nicht alles,“ beendete Dawn ihren Bericht. „Ich meine Andrew ist ein guter Freund von mir. Ich werde mit ihm reden, Shin ist mir nicht böse und Leroy hat sich nicht als das entpuppt, was ich gerne in ihm gesehen hätte. Bei ihm werde ich mich wohl nicht so schnell entschuldigen müssen. Es ist mehr... Buffy... sie will mir nicht zuhören. Mal wieder nicht. Dabei dachte ich, alles wäre besser geworden. Dazu hat sie mich vor Shin blamiert und mich wie ein kleines Kind behandelt. Dabei habe ich ihn doch erst in die gefährliche Situation gebracht.“

„Wie das denn?“ Lily wurde hellhörig.

„Ist es nicht so, dass eine Jägerin, auch wenn sie gar nicht kämpfen möchte, die Finsterlinge anzieht? Wie ein Magnet?“

„Nicht unbedingt, aber Dämonen und Vampire erkennen eine Jägerin genau so, wie eine Jägerin einen Dämon oder Vampir erkennt.“

„Hab’ ich es doch gewusst,“ Dawn seufzte. Also war Marvin hinter ihr her gewesen. Nicht nur das sie Shin belogen hatte, sie hatte ihn unbewusst einer Gefahr ausgesetzt. Wäre sie trainiert gewesen wie Buffy, hätte sie bestimmt gewusst, wie sie in einer solchen Situation hätte vorgehen müssen.

„Ich verstehe nicht ganz?“ Lily war ehrlich überrascht. Sie hatte gedacht Dawn würde nur jemanden brauchen mit dem sie über ganz normale Probleme eines Teenagers reden konnte, aber die neue Richtung war verwirrend.

„Vor einigen Wochen, in London,“ begann Dawn stockend. „Habe ich in einer Nacht etwas entdeckt. Etwas das mein ganzes Leben verändern würde. Willow hat meine Entdeckung bereits bestätigt,“ sie sah zu Lily, um zu sehen, ob die Wächterin verstand. Etwas in ihrem Blick ließ Dawn weiterreden. „Und das hat heute Nacht dazu geführt, dass ich einen Freund in große Gefahr gebracht habe." Sie macht eine kurze Pause. "Ich bin wohl irgendwie eine Jägerin... und ich habe keine Ahnung, wie ich es Buffy sagen oder wie ich mich verhalten soll.“

+++

Barker Cooperation Gebäude
Nacht

"Wir haben heute zwei Bauern verloren. Diese Jägerinnen entwickeln sich langsam, aber sicher zur Plage."

"Es war ihre eigene Schuld." Kan Hsirg zuckte nicht einmal mit der Wimper. "Sie haben gegen unsere Gesetze verstoßen, und das heilige Samhainfest entweiht. Das Schicksal hat sie dafür bestraft."

Gleichgültig blickte er über den Konferenztisch. Was bedeuteten ihm schon zwei Bauern? Im Gegenteil, für die anderen würde es eine gute Warnung sein, sich in Zukunft besser an die Regeln zu halten.

Und nicht nur dann, wenn es um heilige Tage ging.

Er lächelte, ein messerdünnes Lächeln, welches seine kalten Augen nicht erreichte, und nahm einen Zug aus seiner Zigarre.

Grarrghhh