8. Staffel, Folge 4

Be careful, what you wish for

von Mel, Steffi, Yamato

 

Länge: ca. 45 Seiten
Autor: Mel, für Willow, Faith: Steffi, Xander und Andrew: Yamato
Bildcopyright: Chris


Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.


Bisher bei Buffy….
Die Rückkehr von Giles, Dawn und Willow nach Cleveland.
Die Ankunft von Buffy auf dem Flughafen von Cleveland und Empfang durch Dawn und Xander.
Die gesamte Gang bis auf Willow vor dem Fernseher in Giles Wohnung, Andrews Ausbruch.
Willow schreckt aus ihrem „Alptraum“ in die Höhe.
Faith, Wood und Ronah, die durch die leeren Strassen von Silent Hill schleichen.
Die Kämpfe in Silent Hill.
Lily wird von Giles am Flughafen abgeholt.
Faith tötet Eve.
Giles steht in seiner chaotischen Wohnung – Popcorn, Gläser, Xander auf dem Sofa.
Dawn und Andrew gemeinsam umschlungen in Dawns Bett mit Buffy und Giles im Türrahmen.
Entdeckung von Kim in Silent Hill.
Faith Vision von den Reitern.

 

Cleveland
Kleine Einkaufsstrasse
.
Früher Morgen.

Die zittrigen von der Arthritis gezeichneten Hände von Henry Lowenstein hoben den Deckel von der Holzkiste und griffen verkrümmt in das Innere, um die heutige Lieferung mit den müden und alt gewordenen Augen zu begutachten. Lowenstone beförderte ein kleines Kästchen ans Tageslicht. Er schob sich mit einer freien Hand die vergoldete Brille auf die Stirn, kniff die Augen eng zusammen und versuchte die Schrift auf dem Kästchen zu entziffern. Orientalisch. Leider beherrschte er nur ein mittelmäßiges Englisch, das über die Jahre nie besser geworden war und seine deutsche Muttersprache, die er nie vergessen würde. Aber das hier.. arabisch?  – nein, er schüttelte das kahlgewordene Haupt und öffnete das Kistchen. Eine goldene Öllampe kam zum Vorschein, besetzt mit Edelsteinen und verziert mit Gravierungen.

 

Erneut bildete sich eine steile Falte auf der Stirn des alten Inhabers des dunklen, muffigen Antiquitätengeschäftes, dessen Goldletter stolz „Antiquitäten Lowenstein & Sons“ verkündete. „Sons“ war Henry und er führte den Laden in der zweiten Generation fort. Der alte Lowenstein vor ihm war längst an Herzversagen gestorben und alles was er besaß, war an seinen einzigen Sohn gegangen. Da er es seit dem Verlassen der Highschool nicht sehr weit gebracht hatte, war für ihn der Laden zunächst DIE Goldquelle gewesen. Doch über die Jahre musste er schmerzhaft lernen, dass Amerikaner Kitsch unter Antiquitäten verstanden. Sie suchten nach nichts, das Stil vermittelte und ihn reich gemacht hätte. Jedenfalls die meisten seiner Kunden.

Lowenstein nahm die Lampe in seine zittrigen Hände. Sie funkelte, als sich das wenige Licht im Laden darin brach und sich das fahle Gesicht des alten Mannes breit wiederspiegelte. Seine Finger glitten über den mit Edelsteinen besetzten Deckel, strichen weiter über den gravierten, goldenen Bauch und zogen sich dann fast ängstlich zurück. Er hatte sie nicht bestellt. Jedenfalls erinnerte sich Lowenstein nicht mehr daran. Es gab keinen Absender, kein Lieferschein, nicht einmal eine Rechnung. Lowenstein nahm das jedoch als gutes Zeichen. Als ein Geschenk.

 

Mit langsamen Schritten trippelte er zum Schaufenster, dessen Auslage auf einem lila samtigen Teppich präsentiert wurde - eine alte Taschenuhr, eine viktorianische Uhr für den Kaminsims, eine Münzsammlung aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, einige Bücher aus dem 19. Jahrhundert. Ein kleines Podest war noch frei, nachdem er vor einer Woche mit viel Überredungskünsten einer alten Dame aus Florida auf Besuch in Cleveland eine Tabakpfeife verkaufen konnte, die angeblich General Grant gehört hatte. Lowenstein wusste nicht einmal, wer Grant gewesen war, noch ob er zu Ruhm im Bürgerkrieg gekommen war oder ob er überhaupt rauchte. Hauptsache verkauft.

Die Öllampe rutschte ihm aus den Händen, als er sie auf das Podest stellen wollte und er musste einen Moment innehalten, um seine zittrigen Finger unter Kontrolle zu bekommen. Als die Lampe stand, dachte Lowenstein bereits daran, ein Preisschildchen anzubringen und eine erfundene Informationsgeschichte, um neugierige Leute zum Kauf zu bewegen.

 

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Cleveland
Kleine Einkaufsstrasse.
Später Nachmittag.

„Viel zu teuer,“ sagte Xander bestimmt, während er mit Buffy und Dawn an der Fensterscheibe eines Antiquitätengeschäftes klebte und sie sich die Nasen an dem Schaufenster mit den Goldlettern „Lowenstein & Sons“ platt drückten. Die Beleuchtung war nicht besonders und es kostete Mühe, die Preisschildchen zu entziffern.

 

„Glaubst du? Es soll schließlich unsere Zerknirschtheit ausdrücken....“, gab Buffy zu bedenken.

 

„Ich muss das Geschenk schließlich bezahlen,“ brummte Xander. „Und Giles wird sich sicher über alles mögliche freuen, denn der Gedanke alleine zählt, nicht der Preis.“

 

„Hey... ich bin auf dem besten Weg mir einen Job zu suchen. Dann bekommst du es zurück.“ Verteidigte sich Buffy.

 

„Ich könnte doch auch jobben?“ Schlug Dawn vor. „Das tun viele in meinem Alter. Dann könnte ich mich gebührend beteiligen...“

 

„Du wirst dich erst einmal auf die neue Schule konzentrieren.“ Wollte Buffy die Diskussion bestimmt beenden und deutete auf die Öllampe. „Was ist damit?“

 

Dawn zog ein langes Gesicht. Jedes mal blockte Buffy ab, wenn sie ihre Idee mit einem Job ansprach. Wo lag nur das Problem ihrer Schwester? Sie war doch alt genug? Und wenn sie sich ihr Taschengeld selbst verdiente, hatte Buffy eine Belastung weniger. Jedenfalls würde sie es nicht einen Tag mehr länger mit Giles, Lily und Buffy in der eng gewordenen Wohnung aushalten. Mit nur einem Badezimmer!

 

„Richtig... morgen, der große Tag. Wiedereinmal,“ murmelte Dawn lahm, statt zu widersprechen, als sie an die Schule dachte.

 

„Die Lampe?“ Xander zog die Stirn kraus. „Was will er damit?“ Er versuchte das Preisschild zu entziffern, aber es verschwamm vor seinem belasteten Auge. Er gewöhnte sich zwar langsam an die Situation, die Sehkraft von zwei Augen mit einem auszugleichen, aber hin und wieder gab es kleine Hürden oder starke Kopfschmerzen, die es zu nehmen und auszuhalten galten.

Der Preis wäre wirklich sehr interessant gewesen. Er war schließlich nicht Rockefeller, nur wieder in eine recht gute Position in der Baufirma gerutscht. Es reichte, um sich einen Wagen zu leisten, eine kleine Wohnung, die Steuern und Nebenkosten zu bezahlen und sich einen vollen Kühlschrank zu gönnen. Selbst Andrew konnte er streckenweise gut damit über die Runden bekommen. Aber auf die Dauer... er würde den nächst besten Job in der Firma anstreben, sich eine größere Wohnung suchen müssen, Rücklagen bilden für die Zukunft, an den Ruhestand denken... und irgendwann würde es auch  Andrew schaffen auf eigenen Füssen zu stehen.

 

„Hast du nicht gelesen,“ klang Buffy etwas ungeduldig und tippte gegen die Scheibe. „Sie kommt aus dem Morgenland. Ein Schatz von Alibaba....“

 

„Und solche Geschichten glaubst du noch?“ Grinste Xander. „Ich dachte inzwischen...“

 

„Kann ich euch irgendwie helfen?“

 

Xander, Dawn und Buffy sahen zur Seite und erblickten einen gebeugten, alten Mann, der im Türrahmen erschienen war und sie aus schmalen, aber wachen Augen über seine Brille hinweg anblinzelte.

 

„Eh ja...“, Xander sah Buffy an.

 

„Also...“, Dawn stieß Buffy in die Seite.

 

„Wir suchen ein Geschenk,“ beendete Buffy das Gestammel ihrer Begleiter. „Für einen uhm... älteren He.. Kunstliebhaber?“ Unsicher sah sie zu Xander, der breit grinste. Gut das Giles nicht in der Nähe war, um Buffys Beschreibung zu hören, sonst wäre das „Wiedergutmachungsgeschenk“ gleich für die Katz gewesen.

 

„Ah, da seid ihr bei mir völlig richtig. Kommt doch herein?“ Der alte Mann drehte sich herum und betrat seinen Laden. Die drei waren gezwungen zu folgen – irgendwie. Im Inneren war es düsterer, als der äußere Eindruck vermuten ließ. Es roch fast ein wenig wie in der alten Schulbibliothek, dachte Xander und erinnerte sich wehmütig an den vermoderten Geruch von Giles alten Büchern.


Dawn stieß mit der Hüfte gegen ein Regal und etwas kam klirrend ins Rutschen. Alle drei zuckten erschrocken zusammen und lächelten den Inhaber nervös an, als er sich fragend herumdrehte. Wäre das hier Sunnydale gewesen.. sie wären wohl sofort wieder gegangen.

 

„An was habt ihr denn gedacht?“ Sie waren zwischen Regalen eingepfercht zum Stillstand gekommen und der alte Mann baute sich hinter der Ladentheke auf.

 

„Nun.. diese Öllampe im Schaufenster...,“ fingt Buffy an und bekam von Xander einen leichten Knuff in die Seite und der Satz ‚bestimmt zu teuer’ drang geflüstert an ihr Ohr.

 

„Oh ja. Ein sehr schönes und seltenes Stück“, log Lowenstein ohne nervös zu werden.

 

„Und sie ist wirklich aus dem Schatz von Alibaba?“ Fragte Buffy etwas naiv und sah  Xander siegessicher an.

 

„Natürlich. Wir führen nur exklusive Ware und wenn Sie die Lampe von einem Experten untersuchen lassen, werden Sie feststellen, dass ich nicht gelogen habe.“ Lowenstein hatte die vielen letzten Jahre über, auf die Bequemlichkeit der Kunden gebaut. Kein einziger war je mit einem erstandenen Stück zu einem Schätzer oder Experten gegangen. Diese jungen Leute würden es ganz sicher auch nicht tun.

 

„Oh keine Sorge, wir glauben Ihnen. Wir wollten nur ganz sicher gehen.“ Sagte Buffy nun doch mit einem breiten Grinsen.

 

„Also die Lampe?“ Lowenstein verließ bereits seinen Standplatz und drängelte sich an Buffy und Xander vorbei, um sie aus dem Schaufenster zu holen. Buffy sah kurz Xander und Dawn fragend an. Dawn nickte und Xander nach anfänglichem Zögern ebenfalls.

 

„Wir nehmen sie!“

 

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CREDIT


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Cleveland
Lincoln-West High School
Am Morgen

Die Lincoln-West High School lag im frühen Morgenlicht vor Dawn, die ihre Tasche eng an die Brust gedrückt hielt und tief durchatmete. Das war sie also. Ihre neue Schule. Dort würde sie die nächsten zwei Jahre versuchen zu überleben. Falls Cleveland so lange stand. Dawn war sich da nämlich nicht so sicher. Aber die High School würde schon nicht auf dem Höllenschlund stehen. Ein recht kindlicher Gedanke, schimpfte sich Dawn selbst. Schließlich war immer alles möglich. Die Schule war jedoch recht klein und lag nicht direkt in der City. Die Gefahr Zentrum von allem Bösen zu werden oder zu sein, war gering. Aber nicht auszuschließen.

 

Ein Schulbus kam in diesem Moment hinter ihr quietschend zum Stillstand. Die Türen klappten auf und zu dem regen, bunten Treiben vor der Schule strömte eine weitere Traube lebendiger Schüler hinzu, die einem langweiligen Tag entgegenblickten – je nachdem wie man Schule definierte.

 

Jetzt bedauerte es Dawn doch, Buffy nicht als moralische Unterstützung mitgenommen zu haben. Da ihr jedoch noch sehr gut ihr erster mehr als peinlicher Schultag an der neuen Sunnydale High im Gedächtnis war, hatte sie dankend das Angebot ihrer Schwester heute Morgen abgelehnt. Sie wollte hier nicht gleich negativ auffallen. Es war so oder so schwierig genug „die Neue“ zu sein. Zudem musste Dawn beweisen, dass sie tatsächlich reifer und erwachsener geworden war, dass man ihr mehr zutrauen konnte und sie ganz gut zurecht kam.

 

Sie straffte ihre Schultern, glättete ihr Haar und ging gerade auf den gläsernen Eingang des sandsteinfarbigen Gebäudes zu. Es würde schon schief gehen - irgendwie.

 

In ihren Gedanken versunken, bekam Dawn nicht mit, wie links hinter ihr jemand „Vorsicht!“ und „Achtung!“ schrie. Dann passierte alles ziemlich schnell und irgendwie gleichzeitig – ein Softball flog scharf über ihren Kopf hinweg und sie wurde grob zur Seite gestoßen. Die Tasche fiel ihr aus den Armen, platzte auf dem Asphaltweg auf, ließ den gesamten Inhalt großflächig herausregnen und Dawn selbst, konnte sich gerade noch so auffangen und das Gleichgewicht wahren. Trotzdem stieß sie empfindlich heftig mit ihren Knien gegen eine Mauer.

 

„Tut mir schrecklich leid. Ist alles in Ordnung bei dir?“

 

Die tiefe Stimme drang ganz langsam zu Dawn durch und sie schüttelte fast benommen den Kopf, ehe sie ihn zur Seite drehte und den großen Jungen anstarrte, der unbeholfen an ihrer Seite stand und sehr verlegen wirkte. Er fuhr sich nervös mit seiner Hand durch das kurze, dunkelblonde Haar, ehe er seine Umhängetasche abnahm, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Er ließ sie auf den Weg gleiten und zog sich den Fanghandschuh aus, den er achtlos neben die Tasche warf. Dawn beobachtete ihn fassungslos dabei, wie er sich neben ihr nieder kniete, um ihre Sachen einzupacken. „Ich hab’ noch Achtung gerufen, aber du scheinst mich nicht gehört zu haben.“

 

„Ich habe nicht damit gerechnet, dass irgendwelche Idioten vor der Schule am frühen Morgen Baseball spielen.“ Dawn klang gereizt. Genau solch eine Szene hatte sie sich nicht gewünscht. Sie fühlte ziemlich alle Blicke auf sich gerichtet und wäre auf der Stelle am liebsten im Erdboden versunken.

 

Der Junge grinste. „Na ja, das schließt dann wohl mich und meinen Freund Marvin ein. Übrigens... ich bin Leroy.“ Er stand auf und reichte Dawn die Tasche zurück.

 

Dawn zog ein Gesicht, das deutlich machte, dass sie abwog, ob sie dem Jungen ihren Namen verraten sollte. „Dawn,“ rang sie sich schließlich doch noch dazu durch.

 

„Oh, du bist die Neue? Summers, oder?“ Leroy bückte sich nach seinen Sachen. Vor Dawns Augen wurde das Team-Emblem, eine comicartige Wespe im Angriff-Flug, auf dem Rücken von Leroy sichtbar, sowie der Name der Schulmannschaft – Pushy Wasps.

 

„Ja,“ brummte Dawn. „Und jede Wette, dass jetzt die gesamte Schule von meiner Ankunft erfahren hat?“

 

„Hey... ich sagte doch es tut mir leid. Marvin,“ er winkte dem drahtigen Jungen einige Meter von ihnen entfernt zu, der nickte und sich in Bewegung setzte. „Trainiert für die Endausscheidung als Werfer im Team.“ Leroy blickte auf die Uhr. „Die ist in fünf Minuten. Hab’ ihn nur etwas warm gemacht.“

 

Dawn verdrehte die Augen. Diese Sportler waren doch an allen Schulen dieselben. Sahen gut aus, hatten aber nichts im Kopf. Wobei... Dawn nahm sich kurz die Zeit, um sich diesen Leroy, der sie zwar fast über den Haufen gerannt hatte, aber trotzdem höflich blieb, etwas genauer anzusehen. Er war niedlich, wirkte wie ein großes Kind, das aus Versehen in die Pubertät geraten war und nie wieder herausgefunden hatte. Groß, sportlich und doch unbeholfen. Seine Augen hatten etwas interessantes und sein Lächeln war strahlend. Aber nein... der Quarterback an der SHS hatte ihr gereicht. Sie würde sich so schnell nicht wieder in einen Sportler und Schönling verlieben. Hier gab es sicher noch jede Menge andere Jungs, für die man sich nicht umbringen wollte, nur weil sie eine verzauberte Jacke trugen.

 

Marvin war inzwischen zu ihnen gestoßen und knetete verlegen seinen Wurfhandschuh. „Hey... tut mir leid. War ja eigentlich meine Schuld. Alles in Ordnung.“

 

„Ich denke schon,“ Dawn zeigte zum Sportplatz, auf dem sich bereits Schüler in Baseball-Uniformen drängten. „Ihr solltet euch wohl lieber beeilen.“

 

Die beiden nickten und Dawn sah ihnen nach einer kurzen Verabschiedung hinterher, schüttelte den Kopf und legte die wenigen Schritte zum Eingang zurück. Sie kam an einer Steinbank vorbei, auf der sich drei Schüler bequem in der warmen Herbstsonne aalten.

 

„Summers?“

 

Dawn blieb stehen und blickte den Jungen, der auf der Lehne saß, irritiert an.

 

„Die Neue oder? Die Schule ist so verdammt klein, dass das immer gleich auffällt.“

Dawn sah misstrauisch den schlaksigen Jungen mit der gepiercten Augenbraue an.

 

„Oh ich bin Sam. Das sind übrigens Mara und Josh. Sind zusammen die beiden.“ Josh der Maras Kopf im Schoss liegen hatte, beugte sich demonstrativ herunter und küsste ungeniert Maras Lippen.

Als sich Dawn von dem Verhalten erholt hatte, nickte sie verspätet auf Sams Frage.

 

„Dachte ich es mir doch. Ihr schuldet mir zehn Dollar.“

 

Mara und Josh verzogen das Gesicht, zogen aber ohne Murren das Geld aus ihren Hosentaschen und gaben es Sam.

 

„Leroy ist übrigens ein Idiot. Der typische Sportstar einer Highschool. Der Rex würde ihn überall durchheben, Hauptsache Leroy spielt weiter im Team. Mach dir am besten nichts aus seiner rüpelhaften Art. Er hat einen IQ von ... es wäre zu peinlich, darüber zu reden.“ Sam sprang von der Bank. „Ich glaube wir haben ein paar Kurse zusammen. Da hier nie was passiert... führ ich dich gerne herum und du erzählst uns, wo du herkommst.“

 

Dawn fühlte sich völlig von Sams Art überrumpelt. Erst hielt sie es für plumpe Anmache, dann für echtes Interesse und schließlich sogar für so etwas wie Charme. Sie lächelte. „Okay.. wieso nicht?“

 

Mara und Josh standen auf und gesellten sich zu ihnen.

 

„Lass dich lieber nicht von Sams Art abschrecken. Er kann verdammt aufdringlich sein,“ kicherte Mara und schüttelte sich ihren blonden Pony aus dem Gesicht. „Ist aber sonst ein ganz lieber. Er versucht nur sein Image zu ändern.“

 

„Ach halt die Klappe,“ murrte Sam und öffnete Dawn die Türe.

 

„Vom Computergenie hin zum Punker.“ Grinste Josh und bekam eine Kopfnuss, als er an Sam vorbeiging.

 

„Seid ihr so etwas wie ne Gang,“ fragte Dawn vorsichtig und erntete lautes Gelächter. Als sich die drei wieder beruhigt hatten, erklärte ihr Sam:

 

„Die Gang, meine liebe Summers, sind die da.“ Er zeigte auf eine Gruppe Jugendliche, die sich um einen Ghettoblaster scharrten und tiefen Bassklängen lauschten, während ihre Hände in abgetragenen Lederhosen steckten und die ausgefransten Jeansjacken darüber irgendetwas von einem Club erzählten, der sicher nur für wahre Kerle und kleine Luder bestimmt war. Sie versuchten krampfhaft cool und gefährlich zu wirken. „Teuflisch gefährliche Jungs. Jedenfalls halten sie sich dafür.“

 

„Teuflisch,“ fragte Dawn panisch, aus Angst es stecke mehr dahinter.

 

„Ich wüsste nicht, wie ich sie sonst beschreiben sollte. Oder diese Gang.“ Sein Tonfall verriet Dawn, dass nichts weiter dahinter war. Sam zeigte weiter den Flur herunter. Eine Schar Mädchen hatte sich um eine Sitzecke gescharrt und ihr Gekicher drang noch zu ihnen herüber. „Trishas Weiberclan. Hat wohl jede Highschool. Frisuren, Make up, Kleider, Autos, Jungs... was wesentlich Interessanteres werden sie nicht bequatschen,“ winkte Sam ab. „Dann gibt es noch die Organisation der Sportler, eine Ansammlung von Idioten, die sich beweisen müssen und die Cheerleader. Wobei die fast zu Trishas Fraktion gehören.“

 

„Und ihr?“ Dawn sah von einem zum anderen.

 

„Wir? Wir sind harmlos,“ winkte Josh ab und kramte nach Münzgeld, um sich am Getränkeautomaten am Eingang eine Dose zu ziehen.

 

„Normalos wollte er damit sagen,“ führte Sam seine Rede fort. „Leichte Beute für die,“ er zeigte von Gang eins weiter zu den anderen. „Für die und für die.“

 

„Für ihren Spott, für ihre Streiche und Gemeinheiten,“ ergänzte Mara und zog ihr Top zurecht, als sie sich ihre Lederjacke abstreifte.

 

„Wieso seid ihr nicht ...“

 

„Bei den anderen?“ Sam lachte. „Ich weiß nicht.. Mara hat sich nie viel aus Cheerleader oder Klatsch gemacht, Josh ist nicht der sportlichste und ich habe keine Lust wegen dem Sauhaufen da drüben ständig Schulausschluss zu kassieren. Daddy droht sowieso regelmäßig mit der Militärakademie,“ grinste Sam und Dawn wusste nicht, wie ernst Sam das wirklich meinte. Sie nickte daher nur stumm. Und fand eigentlich Mara sehr hübsch mit ihrem fast makellosen Körper, ihren Formen und dem geschmackvollen Outfit. Sie hätte es sicher mit jeder Trisha aufnehmen können. Und Josh wirkte sportlich wie jeder andere auch. Bei Sam war sie sich unsicher. Er war.. fast ein wenig zu sehr bestrebt intellektuell zu wirken. Vielleicht war er der einzige, der wirklich in keine der Gruppen passte und daher das Interesse von Josh und Mara genoss.

 

„Okay.. das heißt für mich wohl... ihr seid die richtige Gruppe für mich?“

 

„Oh das würden wir nie behaupten.. aber wenn du Wert auf gepflegte Unterhaltungen legst, und nicht nur den neusten Schrei aus New York ausdiskutieren möchtest, bist du bei uns schon richtig.“ Sagte Josh, als er die Dose öffnete und einen Schluck nahm.

 

Der Schulgong ertönte und erneut kam Bewegung in die Schule.

 

„Auwei... Englisch bei der alten Hexe,“ Sam schüttelte den Kopf. „Nicht gerade die beste Stunde, um deinen ersten Schultag anzufangen.“

 

„Hexe?“ Fragte Dawn erneut panisch.

 

„Ist irgendwas mit dir?“ Mara sah Dawn misstrauisch an.

 

„Oh nein.. ich ... ich will mich nur informieren.“ Redete sich Dawn heraus.

 

„Sie ist ne alte Jungfer, nicht mehr,“ erklärte Josh. „Streng, biestig, trocken und langweilig.. wirst schon sehen.“

 

„Tolle Aussichten,“ verdrehte Dawn ihre Augen und folgte den dreien. Irgendwie waren sie ... lustig. Und Dawn war froh, dass sie sich offensichtlich für sie interessierten und sich um sie kümmerten.

 

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College
Willow´s Zimmer
Gegen Abend.

Die langsam hinter dem Horizont verschwindende Sonne tauchte Clevelands Häuserwände in karmesinrot.

Willow Rosenberg kramte in ihrer Tasche nach ihren Psychologiebüchern. Sie wollte noch ein bisschen lernen, bevor Kennedy kam und sie ablenken würde. Als sie endlich fündig wurde und das gesuchte Buch in ihren Händen hielt, musste Willow unwillkürlich an ihre letzte Psychologie-Dozentin, Prof. Walsh denken. Willow schauderte bei dem Gedanken an sie, verscheuchte sie aber wieder ganz rasch. Prof. MacBeth schien ganz nett und normal zu sein. Normal bedeutete für Willow nicht an Cyber-Dämonen interessiert zu sein oder Buffy töten zu wollen.

Willow hatte ihren Schreibtisch fast erreicht, als sie plötzlich inne hielt. Ein heftiger Schmerz durchfuhr ihren Magen als hätte man sie heftig getreten. Eine einfache Magenverstimmung? Nein, es fühlte sich anders an und Willow spürte langsam Panik in sich aufsteigen. Der Schmerz wurde stärker und die Hexe hielt sich an der Tischkante fest, die sie nun erreicht hatte. Sie presste die Augen zusammen und hoffte die Schmerzen würden nachlassen, doch das taten sie nicht.

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Eine Lagerhalle.
Selbe Zeit

Der gewaltige Schlag eines Vampirs traf Faith so fest in den Magen, dass die Jägerin für einen Augenblick nach Luft schnappen musste. Nach vorne übergekippt, blickte die Jägerin keuchend auf. Der Vampir stand schadenfroh grinsend vor ihr. Eigentlich hatte Faith selbst Schuld. Sie war dem Vampir mit den anderen, ohne nachzudenken, durch die Kanalisation gefolgt und die Flucht des Blutsaugers war hier geendet in einer Lagerhalle. Sie war zwar ein berüchtigtes Vampirversteck, aber sicher nicht gut geeignet für einen großen Kampf.

 
Seltsamerweise war das Versteck jedoch leer. Vielleicht hatte man schon gestern von ihrer Ankunft gehört...

Der Feind holte zu einem Schwinger aus, der Faith so unglücklich traf, dass sie aus dem Gleichgewicht kam. Der zweite Schlag des Vampirs, schleuderte die Jägerin gegen einen Stapel Kisten. Das abgesplitterte Holz bohrte sich in Faiths Rippe. Die Jägerin grunzte vor Schmerz.


Erneut verzog der Vampir seine Fratze zu einem breiten, zufriedenen Grinsen. Aufgebracht und wütend setzte Faith sofort mit einer Faustkombination nach. Ihr Gegner durfte einfach nicht die Zeit finden Gegenangriffe zu starten, die der Jägerin noch mehr Kraft kosten würden. Doch gerade als Faith versuchte ihm einen Kinnhaken zu verpassen, war der Vampir schneller, fing ihre Faust mitten in der Bewegung ab und schlug ihr mit der noch zur Verfügung stehenden Hand so hart ins Gesicht, dass Faith ins Straucheln geriet.

 

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Cleveland. Unigelände
Selbe Zeit
Glücklicherweise hatte Kennedy nicht so lange gebraucht um ein paar Klamotten einzukaufen, wie sie gedacht hatte. Umso besser, dachte die Jägerin vergnügt. So kam sie schneller zu Willow, die sie sicher schon sehnsüchtig erwartete. Kennedy konnte nicht behaupten, dass sie sich weniger darauf freute den Tag mit ihrer Freundin gemeinsam ausklingen zu lassen. Fast zaghaft klopfte sie an die Tür zu Willows Zimmer.

’Wieso wohnen wir eigentlich nicht zusammen?, überlegte Kennedy. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich diese Frage stellte. Aber in einem Punkt war Willow eine Weltmeisterin. Darin unangenehme Entscheidungen aufzuschieben. „Ich will noch warten, Kennedy. In letzter Zeit passiert so unglaublich viel. Die Sache mit der Hüterin, der neu aufgebaute Rat und dann das neue Leben in Cleveland. Ich will einfach nichts falsch machen, verstehst du?“ Kennedy hatte sich, wenn auch mit einem kleinen Funken von Ärger, schließlich geschlagen gegeben.

 

Jetzt stand sie hier vor Zimmer 145 in der Chreston-Hall – Willows Zimmer - und wartete darauf, dass von drinnen eine Antwort auf ihr Klopfen kam. Doch nichts tat sich. Besorgt runzelte Kennedy die Stirn. War Willow etwa so in ihre Bücher vertieft, dass sie ihre Umwelt schon gar nicht mehr wahrnahm? Dieser Gedanke brachte Kennedy zum schmunzeln und so öffnete sie die Tür. Egal, ob Antwort oder nicht. Was die Jägerin sah ließ sie betroffen innehalten. Willow hatte sich über den Tisch gebeugt, eine Hand war gegen ihren Bauch gepresst und mit der anderen hielt sich so fest an der Kante fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Kennedy ließ die Einkaufstüten auf den Boden fallen, wodurch der Inhalt hervorquoll und sich verteilte, ließ die Tür ins Schloss knallen und rannte zu Willow. Panik erfasste die Jägerin.

„Willow!!!...Hey, was ist los?“ fragte Kennedy, während sie die Hexe sanft zu einem Stuhl führte, damit sie sich setzen konnte. Willows Gesichtszüge entspannten sich allmählich, aber Kennedy war dennoch besorgt. Was war mit ihr los?

Willow versuchte trotz der Schmerzen, die noch immer wie ein Echo in ihrem Magen, in ihrem Kopf und in der Seite hämmerten, zu lächeln. Kennedy sollte sich nicht unnötig sorgen. Vielleicht, so hoffte Willow war es ja nicht so schlimm. „Nichts. Ich hatte nur Magenschmerzen und jetzt noch ein wenig Kopfschmerzen,“ die rothaarige Hexe sah ihrer Freundin zum ersten Mal direkt ins Gesicht. Kennedy sah besorgt aus und schien ihrer Freundin nicht so recht zu glauben. Willow lächelte und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. „Mach dir keine Sorgen. Hatten wir heute nicht noch irgendwas vor?“ fragte die Hexe und grinste neckisch.

 

Kennedy erwiderte es und führte Willow zum Bett, wo sie sich gemeinsam niederließen, sich küssten und eng aneinander kuschelten. Kennedy spürte wie Willow gleichmäßig aus- und einatmete und küsste sie beruhigt. Die Schmerzen waren wohl genauso schnell wieder verschwunden wie sie gekommen waren.

 

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Lagerhalle
Selbe Zeit
Die Jägerin versuchte den Schmerz zu ignorieren und antwortete auf die Attacke des Vampirs mit einem Tritt der so hart war, dass er den Angreifer zu Boden streckte. Der Vampir knurrte wütend und rappelte sich auf.

 

„Gar nicht so schlecht. Du musst wohl eine Jägerin sein!!“ stellte er fest.

„Oh hast du das auch schon gecheckt?!“

 

„Hm.. trotzdem,“ der Vampir griff blitzschnell zu und hob Faith an der Kehle hoch. „Für eine Jägerin bist du aber nicht sehr auf Draht!!“, dabei wandte er seine gelben Augen ihrer Halsschlagader zu.


Die Jägerin knurrte wütend. Außerdem wollte sie diesen Kampf wegen ihrer Schmerzen so schnell wie möglich beenden, damit der Vampir nicht noch mehr Vorteile für sich nutzen konnte.


Mit Hilfe eines Überschlages, der den Vampir völlig unerwartet traf, schaffte sie es sich aus dem Griff ihres Gegners zu befreien. Der Blutsauger wurde in eine Kiste geschleudert, die sich am anderen Ende der Halle befand, und zerbrach. Faith grinste ein wenig über diesen kleinen Triumph. Dann schritt sie schnellen Schrittes zu dem Vampir, schlug ihren Kopf auf seinen, damit er nicht noch einmal die Chance bekam um aufzustehen und um einen Überraschungsangriff auf sie zu starten. Die Jägerin schnappte sich einen von den Holzsplittern, die von der Kiste heraus gebrochen waren und jagte ihn dem Vampir durchs Herz. Mit einem lauten Geräusch verwandelte sich ihr Gegner in eine Staubwolke. Faith lächelte und klopfte sich den Staub von ihrer engen Jacke,  während sie aus der Halle in die Abenddämmerung trat. Es war kühl geworden und die Schatten wurden länger.

„Siehst du? War doch gar nicht so schwer!“ 

 

Faith wandte sich einem Gebüsch zu, aus dem wenig später Robin und Kimberly, die junge Jägerin, die sie vor ein paar Tagen aufgelesen hatten, traten. Kimberly sah wahrhaft so aus als könne sie Tipps von einer erfahrenen Jägerin gebrauchen.
Kimberly begutachtete Faiths Rippe und Magen, die der Vampir ziemlich hart erwischt hatte.
“Der Vampir hat dich ziemlich geschafft!!“ meinte sie schließlich.

Faith machte zuerst ein entrüstetes Gesicht, lächelte aber dann milde.
„Hey! Ich lebe noch, also Punkt für mich, oder?“


Kimberlys Augen weiteten sich erschrocken. Sicher, sie hatte schon einem Vampir gegenüber gestanden, aber die Tatsache, dass sie sich ernsthaft verletzen konnte, hatte sie bisher verdrängt.
Faith, die bemerkte, dass sie Kimberly nicht gerade aufgebaut, sondern eher verunsichert hatte, kaute verlegen auf ihrer Unterlippe.

„Also, wenn du sie aufbauen wolltest…herzlichen Glückwunsch!!“ flüsterte Robin neben Faith.

„Du bist von uns doch der Pädagoge,“ zischte sie zurück und wandte sich dann an Kimberly.

„Hör mal. Es wird schon nicht so schlimm werden. Ich kenne eine Jägerin, die sogar schon zweimal gestorben und immer wieder....na ja...auferstanden ist.“

Hilfesuchend wandte sich die braunhaarige, erfahrenere Jägerin an Robin, der jedoch nur über Faith und ihre Motivationsversuche schmunzeln konnte.

„Ich schätze zu fragen, ob es eine Krankenversicherung für Jägerinnen gibt, ist überflüssig, oder?“ versuchte Kimberly von ihrer Angst abzulenken. Es war als begreife sie erst jetzt in welcher Gefahr sie mit ihrem „Beruf“ tatsächlich schwebte.

Der Blick von Faith und Robin war Kimberly Antwort genug und so seufzte sie nur hilflos:
„Dachte ich´s mir doch!!“

Aber obwohl es Kimberly Angst machte sich damit auseinander zu setzen, dass sie womöglich einen Kampf mal nicht gewinnen und sterben konnte, so wusste sie auch, dass die Chancen gut standen, soviel Glück wie diese Jägerin zu haben, von der ihr Faith vorhin erzählt hatte. Ein tröstlicher Gedanke, überlegte Kimberly und lächelte.

„Okay. Ich schlage vor, jetzt versuchst du es mal,“ meinte Faith und klopfte Kimberly aufmunternd auf die Schulter.

„Und denk an die wichtigste Regel: Lass dich nicht töten!“ warf Robin ein und trottete den beiden Mädchen hinterher in eine dunkle Gasse, von der sich Faith sicher war, dass sie – trotz der Tatsache, dass eine Jägerin hier war – bei Dunkelheit von Vampiren nur so wimmelte.

 

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Cleveland
Xanders und Andrews Wohnung
Selbe Zeit

“Andrew, das ist ein Schöpflöffel!” Mit leicht panischem Gesichtsausdruck ließ Xander seine Aktentasche fallen, und kam in die Küche gestürmt, wo Andrew gerade den bereits rauchenden Ofen geöffnet hatte. “Man benutzt keinen Schöpflöffel, um Brötchen aus dem Ofen zu holen! Du wirst ihn noch verbiegen!”

“Versuche nicht, den Löffel zu verbiegen!” Andrew setzte sein – wie er meinte – weisestes Zenmeister Gesicht auf, und hob die Handflächen gen Himmel, was in der langen Kochschürze, und dem kleinen weißen Mützchen auf seinem Wuschelhaar hoffnungslos lächerlich aussah. “Denk immer nur daran: Es gibt keinen Löffel!”

“Benutze die Gabel, Luke!” Xander riss den Besteckkasten auf, und holte die breite Schubgabel heraus, die sie normalerweise für Pommes Frites verwendeten. Beleidigt nahm Andrew sie ihm aus der Hand und beförderte die leicht angekohlten Brötchen auf einen Teller. “Ich koche! Du setzt dich hin, und wartest, bis es Essen gibt!”

“Okay, okay!” Xander machte kehrt und marschierte ins Wohnzimmer zurück, wo er sich seines Jacketts entledigte, und sich an den Tisch setzte, den Andrew bereits für zwei Personen gedeckt hatte. Er verkniff sich jede Bemerkung darüber, dass Gabeln, Messer, und Becher wild um die beiden Teller verstreut lagen. Inzwischen hatte er so seine Erfahrung mit Andrews Versuchen, sich im Haushalt nützlich zu machen, und wusste, dass man sich die Kritik besser für die wirklich wichtigen Dinge aufhob. Und bei Geschirr hieß das, zumindest solange zu warten, bis es zerbrochen war, bevor man ihn zurecht wies. Na ja, kurz davor eben.

Er sah sich im Zimmer um, wenigstens war die Wohnung endlich aufgeräumt. Andrew hatte den Müll runtergetragen, und seinen Krempel, so gut es ging, in Schränke, und Regale verstaut. Selbst den Boden hatte er gesaugt, wenn man davon absah, dass nun mindestens ein kleines He-Man Schwert in der Röhre des Staubsaugers feststeckte, und es Xander eine Extrastunde Arbeit kosten würde, das Ding wieder zum Laufen zu bringen.

Seufzend schob Xander das Besteck neben die Teller. Manchmal erinnerte der Junge echt an ein Wesen vom anderen Stern, das verzweifelt versuchte, die Gebräuche der Menschen zu erlernen. Wie in einem Science Fiction Roman.

Nein, wie im echten Leben! Wie eine tausend Jahre alte Ex-Dämonin, die plötzlich gezwungen war, ein menschliches Leben zu führen. Und erst langsam, und mühsam lernen musste, wie so etwas funktionierte.

Er schob den Gedanken sofort beiseite. Das Allerletzte, was er jetzt brauchte, waren sinnlose Grübeleien über das Schicksal, und warum es so entschieden hatte, und nicht andersrum. Sie hätte das nicht gewollt, soviel war sicher.

“Wir können essen!” Stolz kam Andrew aus der Küche gestapft, und balancierte dabei zwei riesige Schüsseln und einen Brötchenteller auf den Händen. Xander konnte gar nicht hinsehen. Nervös rutschte er auf der Stuhlkante herum, sofort zum Sprung bereit, falls wieder etwas zu Boden ging. Zum soundsovielten Male fragte er sich, warum er nicht einfach nach der Arbeit irgendwo vorbeigegangen, und sich etwas zu essen mitgenommen hatte. Aber dafür war es jetzt zu spät. Jetzt würde er diese “klingonische Spezialität”, wie Andrew sie nannte, eben ertragen müssen. Nun gut, solange er kein qagh zum Nachtisch verspeisen musste...

Außerdem hatte er mit dem Jungen noch ein Hühnchen zu rupfen, was seine nächtliche Zusammenkunft mit Dawn betraf. Buffy wollte wissen, was zwischen den beiden wirklich passiert war, und wie es jetzt weitergehen, oder besser gesagt, nicht weitergehen würde, wenn Andrew seinen Kopf auf den Schultern behalten wollte.

 

Sollte der kleine Trekkie wirklich in die Pubertät gekommen sein? Wurde ja auch langsam Zeit!

Aber er und Dawn? Konnte das gut gehen? Und selbst wenn, würde Buffy damit klarkommen? Wahrscheinlich ging es nicht einmal so sehr um Andrew, als um die Tatsache das die kleine Schwester langsam erwachsen wurde. Und dazu gehörte im allgemeinen auch ein Freund.

Das Essen schien eine Art Eintopf zu sein, überlegte Xander, als er sich die Mischung aus Fleisch, Gemüse und Soße auf seinen Reis häufte. Irgend etwas in der Richtung Indisch-Mexikanisch. Jedenfalls bemühte er sich, nicht zu sehr das Gesicht zu verziehen, als er den ersten Bissen nahm, und sein Mund zu explodieren schien.

“Sehr lecker!” brachte er heraus, und Andrew strahlte wie ein Honigkuchenpferd. “Iß Brötchen dazu,” schlug er vor, “dann ist es nicht so scharf!” Er selbst futterte das Zeug löffelweise runter, und störte sich nicht im Geringsten am scharfen Geschmack. Xander griff erst mal nach der Cokeflasche.

“Eigentlich gehört Blutwein dazu, aber ich habe nirgends ein Rezept gefunden, wie man den herstellt,” erklärte Andrew. “Aber geben muss es das, denn ich hab im Netz gelesen, dass sie ihn manchmal auf den Cons ausschenken.“

“Du warst noch nie auf einer Star Trek Con?” fragte Xander überrascht. Das hätte er jetzt nicht erwartet. Nicht von einem Science Fiction Verrückten, wie Andrew.

“Kein Geld!” Andrew schüttelte den Kopf. “Wir wollten, später, wenn wir welches haben, und aus Sunnydale weg sind, aber.....sieh mal, wir sind in einem Coke Film,” wechselte er plötzlich das Thema, und deutete auf die Flasche.

“Nun, willkommen in Cleveland, Convention City.” Xander grinste breit. “Was darf’s denn sein? Star Trek, Star Wars, B5, oder Herr der Ringe? Xena, vielleicht?“

Andrew stieß beinahe seinen Trinkbecher um. “Du willst mit mir... auf eine Con gehen?” fragte er fassungslos, als hätte Xander ihm soeben einen Heiratsantrag gemacht. “Wirklich? Nicht geflunkert?”

“Vulkanier flunkern niemals,” sagte Xander halb ernst halb scherzhaft, und wunderte sich wieder einmal darüber, welch einfache Dinge es brauchte, um Andrew glücklich zu machen. Man konnte glatt neidisch werden! War es wirklich schon so lange her, dass er mit Willow vor der Glotze rumgehangen und sich SF Serien reingezogen hatte? Oh ja, verdammt lange her! Das war sogar noch, bevor sie Buffy kannten.

Dann hatten die Friedhofspatroullien allmählich die langen Fernsehabende abgelöst, und sie waren zu sehr in ihre eigenen Probleme verwickelt gewesen, um sich noch groß um die Schicksale von Captain Picard und Commander Sinclair zu kümmern. Und als Willow dann aufs College ging, und sich für Hexerei interessierte, hatte sich sowieso alles geändert. Wenigstens hatte es damals noch Oz gegeben, der seine Filmsprüche und Comiczitate verstanden hatte, und mit ihm über die verschiedenen Arten von Kryptonit diskutieren konnte. Aber dann...

Vielleicht war es das, was er in Andrew sah, eine Möglichkeit, in frühere Zeiten zurückzukehren. Sozusagen, Urlaub vom Ernst des Lebens. Sich wieder, wenigstens für kurze Zeit, wie ein Teenager zu fühlen, und die Probleme, mit denen man als Erwachsener konfrontiert wurde, für einige Stunden beiseite zu schieben. Vielleicht brauchte er das jetzt einfach, nach allem, was geschehen war. Eine Auszeit. So wie damals in der Nacht vor dem großen Kampf, als sie zusammen D&D gespielt hatten. Egal, wie albern es in einer solch ernsten Situation schien.

“Du und ich, auf einer Con,” wiederholte Andrew immer noch total perplex, “das ist so ...wow! Was für Kostüme wollen wir uns eigentlich machen?”

Xander seufzte. Wie er jetzt noch das Thema auf Dawn bringen sollte, war ihm schleierhaft.

 

++++

 

Cleveland
Giles Wohnun
Selbe Zeit

„Und wo genau befindet sich jetzt dieser Höllenschlund?“ Lily fuhr sich mit einer Hand durch das lange, dunkelbraune Haar und strich sich eine Falte aus der Hose. Sie war müde und wirkte ein wenig gelangweilt. Sie saßen hier nun schon seit zwei Stunden zusammen und redeten permanent über Berufliches. Natürlich war ihr Tun vorrangig und wichtig, aber schon in London war ihnen so wenig Zeit geblieben, um sich gemeinsam an die alten Zeiten zu erinnern. Irgendwann brauchte doch auch Rupert mal eine Pause?
 

„Nun ja, dass ist ja das Problem. Wir haben keine Aufzeichnungen,“ schien Giles zu resignieren. „Jedenfalls keine mehr, die uns die Lage verraten würden. Noch irgendwelche, die uns etwas über die Aktivitäten hier verraten könnten. Der Wächter, den wir für Cleveland vor dem Untergang ab beordert hatten, ist seltsamerweise verschwunden, bevor die Morde von... an uns begannen.“ Fügte er leise hinzu, räusperte sich dann und fuhr fort. „Seine Aufzeichnungen mit ihm. Wir können uns nur auf das Wenige verlassen, das wir quasi noch vom Hörensagen wissen. Und das ist leider nicht viel.“ Er rutschte auf dem Sessel zur Seite und griff hinter sich. Etwas hatte ihm empfindlich in den Rücken gestochen. Er fingerte einen Manga hervor, den entweder Xander oder Andrew vergessen hatten. In den letzten Tagen fand er in allen Räumen irgendetwas, dass nicht ihm gehörte. Langsam aber sicher sehnte er sich nach Ruhe und einer Wohnung, die sein eigen war. Das alles hatte er doch schon einmal durchgemacht und auf eine Wiederholung konnte er verzichten. Trotzdem würde er Buffy oder Dawn nicht einfach vor die Türe setzen. Sie waren hier so lange willkommen wie sie wollten. Auch wenn Buffy offensichtlich im Moment weniger das Gefühl hatte und eine eigene Wohnung suchte. Aber Buffy von ihrem Vorhaben abzubringen, kam ihm auch nicht in den Sinn.

Lilys Pläne waren noch wage, aber zur zweit würde die Wohnung noch immer mehr Platz bieten, als zu viert.

 

„Allerdings,“ murrte Lily. „So gut wie nichts. Außer, dass Cleveland einen Höllenschlund haben soll. Beherbergt jeder Höllenschlund ein Heer an Übervampiren?“

 

„Nun das möchte ich doch bezweifeln.“ Dabei verdrängte er schnell Lilys Frage. Ähnliche Gedanken hatte er sich die Monate über immer wieder selbst gemacht, aber war nie zu einer beruhigenden Antwort gekommen. „Wir wissen, dass ein Höllenschlund ein Art Portal ist. Ein Wandelgang, von einer Wirklichkeit zur anderen. Nun ja, wer weiß, wie es zu öffnen ist, kann jeden Dämon, jeden Vampir in unsere Welt holen, den er möchte. Ansonsten schätze ich den Schlund hier nicht anders ein, als den inzwischen für alle Zeiten geschlossenen in Sunnydale. Er wird jede Menge Arbeit für unsere beiden Jägerinnen bedeuten. Dabei stellt sich mir immer noch die Frage, woher ein Höllenschlund kommt, wieso es zwei in den Staaten gibt und existieren noch mehr?“ Giles schloss erschöpft von den vielen Theorien, die sie in den letzten Stunden aufgestellt, verworfen und ausdiskutiert hatten, die Augen.

 

Lily seufzte. „Ja, wie gut, dass wir überall jetzt Jägerinnen haben.“ Lily klang ein wenig halbherzig überzeugt, lächelte dann jedoch. „Und wie gut, dass wir die Erfahrenste bei uns haben.“

 

Giles lächelte müde. Da war er sich nicht so sicher. Buffy wurde jetzt wirklich nur noch davon geleitet, was sie selbst für richtig und gut hielt. Es gab keinen Druck, es gab keinen Zwang. Würde Buffy weiterkämpfen, wenn sie je wieder vor einer solchen Belastung, Bedrohung standen, wie vor einem viertel Jahr? „Weil wir gerade davon sprechen.. Faith hat eine Jägerin in einem Ort, namens...,“ Giles zog die Stirn kraus, als er sich an den Namen zu erinnern versuchte. „Silent Hill gefunden. Willow scheint sie gespürt zu haben. Jedenfalls erwähnte Faith etwas ähnliches.“

 

Lily nickte. „Schön. Eine weitere Kriegerin in unserem Kampf. Hast du mit Willow deswegen gesprochen?“

 

„Nein noch nicht. Aber wir könnten langsam anfangen, nach dem Schließfach zu recherchieren, wenn wir gerade von Willow sprechen.“

 

„Ich habe damit schon angefangen.“ Überraschte Lily Giles. „Ich habe in zwei größeren Banken angefragt, die ihre Schlüsselnummern verzeichnen. Wird jedoch eine Weile dauern. Solange ist Willow auf sich gestellt.“

“Willow scheint im Moment sowieso alle Hände voll damit zu tun zu haben, sich an der neuen Uni zurecht zu finden.“

 

„Braucht sie als Hüterin überhaupt einen Beruf?“

 

„Es kann nie schaden. Von etwas muss ja die Miete bezahlt werden.“

 

„Du hast alle nie wirklich dazu ermutigt, ihr Leben ganz dem Kampf gegen das Böse zu verschreiben oder?  Nicht einmal deine Jägerin.“

 

Giles sah Lily kurz schweigend und nachdenklich an. Klang da Kritik mit durch?

„Bis auf Buffy und mich, haben alle freiwillig entschieden gegen das Böse zu kämpfen, ihr Leben zu riskieren. Ich hatte nicht das Recht sie zu mehr zu ermutigen, als dazu, ihren eigenen Weg zu finden.“

 

Lily erwiderte seinen Blick offen und sanft. Die „Kinder“ schienen ihm wirklich etwas zu bedeuten. Sie nickte zustimmend und straffte sich. „Das scheint dir gut gelungen zu sein. So,“ Lily stand vom Sofa auf. „Ich denke, eine Pause wäre jetzt genau das Richtige.“

 

Giles sah auf die Uhr. „Ich könnte etwas kochen?“

 

„Hm... ja, Dawn wird bald nach Hause kommen und sicher Hunger haben. Ich könnte dir helfen?“

 

Giles lächelte und stand auf. „Wie in alten Zeiten?“

 

„Oh ich hoffe deine Kochkünste sind besser geworden.“ Lachte Lily. „Und die Zutaten im Kühlschrank auch?“

 

Giles lachte unterdrückt auf dem Weg in die Küche. „Meine Güte ja....“

 

„Erinnerst du dich noch an das eine Mal, oder sollte ich eher sagen, and das letzte Mal - als du versucht hast dieses komplizierte, französische Gericht zu kochen?“

 

Gile nickte, während er in den Kühlschrank sah.

 

„Es wäre ja fast etwas geworden, wenn nicht dieser unausstehliche Typ.. wie hieß er gleich.. oh ja, Ethan, dazugekommen wäre,“ Giles zog in der Küche die Stirn kraus, als er Lily den Namen aussprechen hörte. „... und du über deinen Disput mit ihm, ob er gehen muss oder nicht, irgendwie dabei vergessen hättest, das Fleisch vom Herd zu nehmen.“ Sie kicherte, als sie sich an seine Wut und Enttäuschung erinnerte. Er hatte sie überraschen wollen. Wie romantisch... aber dann wurden sie von der Feuerwehr überrascht, die ein besorgter Nachbar alarmiert hatte, weil aus ihrem offenen Küchenfenster, schwarzer Rauch abgezogen war. Und Rupert hatte dabei noch alle Hände voll damit zu tun gehabt, seinen Freund vor die Türe zu setzen. Damit war der romantische Abend ins Wasser gefallen.

 

„Erinnere mich nicht an Ethan,“ knurrte Giles und Lily sah überrascht auf. So weit er sich erinnerte, hatte sie Gott sei Dank Ethan nur flüchtig kennen gelernt, als Lily ihn  in London besuchte, kurz bevor er wieder zurück an die Uni von Oxford ging und sich dem Rat treu ergab. Ethan und er steckten damals voll in der Geschichte mit Eyghon und er hatte verhindern wollen, dass Lily etwas davon mitbekam. Ethan war vorbeigekommen, um den Text für die Herbeirufung mit ihm zu übersetzen. Dabei hatte Giles mit dem Essen nur eines im Sinn gehabt.. Lily zu überraschen, sie so angenehm zu überraschen, dass sie ihn doch nicht verlassen würde. Aber wahrscheinlich hätte das Essen auch nichts mehr daran geändert.

 

Lily trat zu ihm in den Raum und hinterließ eine angenehme, süßliche Parfümspur. Selbe Marke wie damals, wie er mit wenig Erstaunen feststellte. Eine Frau mit Prinzipien. Etwas, das er immer an ihr geliebt hatte.

 

„Okay... was hast du da?“ Sie öffnete den silbernen Kühlschrank und wartete erst gar nicht eine Antwort ab, als sie auch schon einige Zutaten, die ihr kochbar aussahen, herausnahm und neben ihm auf die Anrichte schob.

 

„Sieht so aus, als würdest du wieder anfangen das Kommando zu übernehmen,“ Giles schmunzelte und griff nach einer Zwiebel.

 

„Ach so hast du das also früher gesehen?“

 

Er sah kurz zur Seite, um nach dem Messer zu greifen und blickte zu ihr. Sie lächelte und Giles ertappte sich ganz kurz dabei, dass er anfing, wieder Dinge zu sehen, die ihn damals schon verführt hatten. Sein Lächeln erstarb, als er wieder auf die Zwiebel herunterblickte und er sich zwang daran zu denken, dass er sich einem Kampf verschworen hatte, in dem kein Platz für Liebe war. Nicht so lange er noch immer die Angst vor erneutem Verlust hatte.

 

++++

 

Eine Etage tiefer...

Buffy saß im großen Konferenzraum an dem kleinen Seitentischchen und hatte die Zeitung vor sich liegen. Hin und wieder zückte sie einen Textmarker und umkreiste eine Stelle.

 

Die Tür ging in diesem Moment auf und eine breit lächelnde Dawn stürmte herein, warf ihren Rucksack auf einen der Stühle und sich daneben. Buffy sah etwas mürrisch auf, fühlte sich in ihrem Tun gestört. Doch Dawn hatte dafür im Moment kein Feingespür. Sie wollte einfach nur von einem fast perfekten, vor allem normalen, Schultag berichten. Von Sam, Mara, Josh... einfach von allem. Sie war so überglücklich, dass es nach dem etwas schlechten Start, doch noch so gut verlaufen war. Erwartungsvoll starrte sie Buffy an. Sie musste nur die entsprechende Frage stellen und Dawn würde übersprudeln.

 

„Ich sehe.. dein erster Schultag scheint vampir-, dämonen- und zombiefrei gewesen zu sein.“

 

„Es war einfach perfekt,“ schwärmte Dawn. „Ich glaube, ich habe sogar schon Freunde gefunden und ein paar Sonderkurse....“

 

„Das freut mich für dich, Dawn,“ Buffys Blick war bereits zurück zur Zeitung gewandert. „Wenigstens eine der Summers-Frauen macht Karriere und hat Erfolg. Ich scheitere schon an einfachen Wohnungsanzeigen. Diese hier... „Nette 2-Zi.Wohnung, zentrale Lage, Bad und DC...“ heißt das jetzt, sie ist eng und das Bad liegt auf dem Flur und die zentrale Lage bedeutet Tag und Nacht Lärm, oder ist sie harmlos und uns entgeht eine lukrative Wohnung?“ Buffy schob die Zeitung von sich. „Wenn das so weiter geht.... werde ich meine Ansprüche auf „Dämonenfrei“ beschränken müssen. Oh.. oder ich rufe Xander an. Der müsste ja Erfahrung haben. Oder Giles? Nein lieber nicht... Kennedy vielleicht? Nein Xander...“

 

Dawn überließ Buffy ihrem Monolog und ging über die Hintertüre in den kleinen Flur. Offensichtlich interessierte ihre Schwester im Moment vieles mehr, nur nicht ihr erster Schultag, der in den letzten Tagen doch noch so wichtig gewesen war.

 

++++

 

Sie hörte Giles und Lily von oben und fasste neuen Mut. Die beiden würden sicher zuhören.

Doch Giles tauchte in diesem Moment bei ihr auf der Treppe auf, offensichtlich am Gehen.

 

„Oh hallo Dawn. Auf dich haben wir gewartet. Das Essen ist so gut wie fertig. Uns fehlt nur noch die eine oder andere Zutat. Ich bin gleich wieder zurück.“

 

Und damit war er auch schon verschwunden. Dawn sah ihm leicht irritiert hinterher. War das noch der Mann, der vor Wochen in London so unter Druck und Stress stand, dass man mit ihm kein vernünftiges Wort hatte reden können? Und jetzt kochte er einfach so für alle? Machte sich sogar richtige Gedanken darüber? Klang irgendwie gelöst? Dawn hoffte inständig, dass das nicht schon die Auswirkungen des Höllenschlundes waren.

 

„Hallo Dawn,“ Lily winkte ihr aus der Küche zu und Dawn hob lahm die Hand. Sie hatte sich darauf gefreut mit Buffy oder Giles ihre ersten Eindrücke zu teilen. Jetzt lief es wohl darauf hinaus, mit Lily, einer Fremden, zu reden. „Wie war dein erster Schultag in Cleveland? Du siehst etwas bedrückt aus?“ Lily rieb sich die Hände an einem Küchentuch ab und kam zu Dawn ins Wohnzimmer. Das Mädchen wirkte wirklich betrübt und Lily widerstand dem Impuls sie in den Arm zu nehmen.

 

„Ach nichts... mit der Schule war alles in Ordnung.“ Sie strahlte plötzlich. Lily musste ja nicht wissen, wie es in ihr aussah. „Ich habe mehrere Stunden am Stück überstanden, ohne über Vampire, Dämonen und Monster nachdenken zu müssen. Das klingt doch vielversprechend oder?“

 

Lily nickte lächelnd. „Durchaus. Wollen wir uns setzen und du erzählst mir alles, bis Rupert wiederkommt?“

 

Dawn zögert, nickte dann aber schließlich und folgte Lily zu dem Sofa.

 

„Na ja, so viel gibt es auch wieder nicht zu erzählen. Die Highschool ist wie jede andere auch. Ein paar Gangs, ein paar Cliquen, nervige Lehrer, die Kantine lässt zu wünschen übrig, aber es gibt dort auch nette Leute.“ Sie erzählte von Sam, Mara und Josh, wie sie sich um sie gekümmert hatten und sie gleich für das Wochenende zu einer Cleveland Tour eingeladen haben. „Ich glaube, sie sind normal, wenn Sie wissen was ich meine,“ schloss Dawn ihren kurzen Bericht ab. „Nette, normale, junge Leute.“

 

Lily schwieg. Dawn schien ein großes Bedürfnis nach diesem „normal“ zu haben. Es war ihr in den letzten Tagen immer mehr aufgefallen. So oft wie sie das Wort gebrauchte, bedurfte es kein großes Feingefühl, um zu spüren oder zu ahnen, dass Dawns Selbstsicherheit und Eigenständigkeit zu einem großen Teil nur eine Fassade war, um zu verbergen, wie sehr ihr Leben und die Veränderungen darin, sie aus den Wurzeln gerissen hatten.

 

„Oh und sie haben mir wegen einem Job geholfen,“ Dawn stand auf und kramte aus ihrem Rucksack ein zusammengefaltetes Papier hervor. Sie starrte darauf und erinnerte sich daran, wie sie die drei nach einem Job für Schüler gefragt hatte. ‚Versuchs mal im Cleveland Rides. Fahrradkuriere. Suchen immer Schüler, die für wenig Geld bereit sind zu jobben. Einfache Sache, fragen nicht viel nach Hintergründen. Steuerfrei.’ Das waren Sams Worte gewesen. Es gab sogar Flugblätter, die ‚Cleveland Rides’ an Schulen verteilte. Eines davon hielt Dawn nun in den Händen, unsicher, ob sie Lily einweihen sollte. Aber sie war die einzige Person im Moment, die sich für sie zu interessieren schien.

 

„Du willst arbeiten?“ Lily hatte jeden Schritt von Dawn aufmerksam verfolgt.

 

„Nun ja, Buffy wird das alles alleine nicht schaffen. Wenn ich mir etwas nebenbei verdiene, entlastet es sie. Wollen Sie mal sehen.“ Sie reichte Lily das gelbe Flugblatt.

 

„Das ist sehr erwachsen von dir gedacht, Dawn.“ Sagte Lily mit ehrlicher Anerkennung und nahm dem Mädchen das Blatt ab. Sie überflog den Text. „Du denkst, das ist etwas für dich?“

 

„Jede Wette,“ Dawn strahlte Zuversicht aus und Lily beschloss dem Mädchen nicht mit Bedenken die Vorfreude zu nehmen. Zudem war sie weder Buffy noch Giles und hatte keine Rechte, Dawn in irgendwelcher Weise zu beeinflussen.

 

„Nun, dann viel Glück dabei.“


Dawns Lächeln wurde eine Spur breiter.

 

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College
Willows Zimmer

Der Abend war angebrochen und Willows College Zimmer hatte sich in eine gemütliche Kuschelecke verwandelt. Kerzenlicht durchflutete das Zimmer und Kennedy und Willow lümmelten auf der Couch. Kennedy war gerade dabei ihre Freundin zu massieren.

Es war ein herrliches Gefühl Kennedys Hände in ihrem Nacken zu spüren. Willow lehnte sich ein wenig zurück, schloss die Augen und seufzte zufrieden.

„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du toll massieren kannst?“ Willow drehte sich zu ihrer Freundin um und lächelte.

Kennedy erwiderte es. „Nun, wenn es mit der Karriere als Jägerin nicht klappt, könnte ich mich doch als Masseuse versuchen.“ Beide schmunzelten. Als Kennedys Hände tiefer wanderten und ihre Wirbelsäule entlang fuhren, schloss die Hexe wieder die Augen.

„Mmmhh…..Das ist genau das, was ich nach einem anstrengenden Tag in der Uni brauche!!“ seufzte Willow.

„So schlimm?“ fragte Kennedy behutsam und hörte auf sie zu massieren.

Ihre rothaarige Freundin war auf einmal nachdenklich geworden. „In letzter Zeit kommt so viel auf einmal zusammen. Der neue Rat, eine neue Umgebung und außerdem habe ich im letzten Jahr viel Stoff verloren. Du weißt schon….das erste Böse und der apokalyptische Kampf. Dabei weiß ich noch immer nicht so genau, in welche berufliche Richtung ich mich orientieren soll. Und dann wäre da noch…..“, Willow grinste Kennedy spitzbübisch zu. Die Jägerin lächelte und gab ihr einen sanften Kuss, aus dem die Hexe sich nach einer Weile löste.

„Mach weiter,“ verlangte sie und drehte sich voller Ungeduld und freudiger Erwartung wieder herum.


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Am nächsten Morgen wurde Willow durch die ersten Sonnenstrahlen geweckt, die sie durch ihr Fenster hindurch blendeten. Die Hexe blinzelte, schlug die Augen auf und erschrak. Kennedy lag nicht neben ihr im Bett. War Kennedy etwa gegangen? Ohne Willow zu wecken? Oder hatte sie verschlafen? Sie hatte doch Termine...

Gerade als die Hexe aufstehen, sich anziehen und nachsehen wollte, ob Kennedy ihr eine Nachricht hinterlassen hatte, hörte sie wie die Tür ins Schloss fiel. Kurz darauf tauchte Kennedy in Willows Blickfeld auf. In ihren Händen hielt sie zwei Becher, aus denen es nach Kaffee duftete.

„Morgen, Schlafmütze“ grinste die Jägerin, holte einen Teller aus der Essnische und kehrte samt Kaffeebecher und Teller zu Willow ans Bett zurück. „Ich habe uns Donuts und Kaffee geholt. Ich hoffe du hast Hunger!!“ lächelte sie.

„Als könntest du Gedanken lesen!“ schmunzelte Willow. Kennedy dachte eine Weile nach und lächelte sanft.

„Vielleicht kann ich das ja wirklich! Eine Jägerin muss nicht unbedingt nur zum kämpfen gut sein!“ Kennedy blinzelte Willow frech zu, so dass die Hexe nicht anders konnte als an der Jeansjacke ihrer Freundin zu ziehen, die sie noch gar nicht abgelegt hatte, um ihr einen sanften Kuss auf die Lippen zu geben.

„Siehst du…,“ Willow löste sich von Kennedy und sah sie verliebt an. „Du bist noch zu vielmehr gut.“ Kennedy lachte und stellte den Teller mit dem Beutel Donuts auf Willows Nachttisch.

„Wir sollten den Kaffee trinken, bevor er kalt wird,“ meinte die Jägerin.

„Wir könnten noch was ganz anderes tun,“ erwiderte Willow und fuhr Kennedy durch das Haar.

„Ach ja? Was denn?“ tat die Jägerin unschuldig. Willow warf einen Blick auf den Radiowecker auf ihrem Nachttisch und runzelte verstimmt die Stirn.

„Ich kann nicht….“, die Hexe deutete auf das Display, das neun Uhr anzeigte. „Giles und ich sind verabredet. Wir haben noch einige Dinge wegen dem Rat zu besprechen,“ seufzte sie.

„Aber doch nicht sofort, oder?“ grinste Kennedy und küsste die Hexe. Einen Augenblick lang gab sich Willow ihren Küssen hin, doch dann stieß sie Kennedy sanft von sich.

„Ken, ich meine es ernst. Giles hasst Unpünktlichkeit! Ich habe noch ein paar Minuten, aber nur weil ich zu einer Vorlesung muss.“ Willow nahm den Becher von ihrem Nachttisch und nahm einen Schluck seines heißen Inhalts. Kennedy zog einen Schmollmund wie ein vierjähriges Kind, dem die Mutter das Eis verweigert hatte.

„Ich könnte doch mitkommen!“ schlug die Jägerin vor.

„Süße…“, Kennedy sah ihre Freundin mit diesem durchdringenden Blick an, der es Willow unmöglich machte ihr einen Wunsch abzuschlagen. Trotzdem konnte sie nicht mit.  „Es geht nicht. Giles und ich wollten heute ein paar Dinge über mich, die Recherchen bezüglich der Hüterinnen besprechen... wir brauchen das Gespräch in Ruhe.“

 

„In Ordnung. Ich habe schon verstanden.“ Schmollte Kennedy weiter. „Dann schuldest du mir aber jetzt etwas...“, Willow fühlte sich auf einmal von der Jägerin sanft ins Kissen zurück gedrückt. Dann wurde ihr heiß. Willow löste sich erschrocken von ihrer Freundin und stellte fest, dass der Kaffee sich über das erst frisch bezogene Bett ergossen hatte.

„Mist!!“ fluchte die Hexe und stellte den Becher wieder auf den Nachttisch. Kennedy lachte.

„Tja man sollte den Becher vor dem Küssen abstellen!“ grinste sie.

„Sehr witzig!“ brummte Willow. „Das war die letzte, saubere Bettwäsche! Jetzt muss mir Buffy wohl was leihen! Oh nein.. Giles,“ stöhnte Willow. „Buffy besitzt ja nichts mehr.“

„Tja also, ich hätte nichts dagegen ohne Bettwäsche oder Kleidung zu schlafen!“ erwiderte Kennedy und zwinkerte keck mit den Augen.

Ohne es zu wollen, musste Willow nun doch lachen. Kennedy gab ihrer Freundin einen Kuss und versank mit ihr in der nassen Bettwäsche, wo die Küsse intensiver wurden und die Hände den Körper der anderen zu ertasten begannen.

 

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Irgendwo in Clevelan
Selber Morgen/früher Mittag

Buffy lief von einem düsteren Zimmer ins nächste. Staub wirbelte in dem wenigen Sonnenlicht auf, das durch heruntergelassene Jalousien drang. Unbehaglich drehte sich Buffy in dem engen Raum um ihre Achse, der laut Makler Wohn- und Schlafraum sein sollte. An manchen Stellen der abgeschossenen Tapete hatte Buffy Umrisse von Kreuzen gesehen. Offensichtlich wurde diese Gegend gerne von Vampiren besucht.
Sie schüttelte den Kopf, der Makler hakte sie mit enttäuschtem Gesicht von der Liste ab.

 

Die nächste Wohnung war nicht viel besser. Das Licht schien zwar etwas heller herein, offenbarte Buffy jedoch viel mehr, als ihr lieb war. Schimmlige Wände im Bad, fleckiger Teppichboden in der ganzen Wohnung, nackte Glühbirnen. Als sie den Teppich neugierig und unbeobachtet an einer Stelle zur Seite klappte, kam darunter ein Pentagramm zum Vorschein. Buffy seufzte, ließ den Teppichboden zurückschnalzen und hatte es eilig zu gehen.

 

Die dritte Wohnung besichtigte Buffy schon weniger enthusiastisch...  hier war schon das Umfeld unangenehm – überfüllte Mülltonnen, Autowracks am Straßenrand, beschmierte Türen und Wände. Buffy seufzte, als der Makler angefahren kam. Er fuhr nicht gerade das neuste Model, also kassierte er nicht die dickste Provision. Ihr war schlagartig bewusst, welche Bruchbude vor ihr lag. Es war frustrierend wie wenig man für sein Geld bekam, wenn man kaum welches besaß.

 

Die Wohnung war genau wie befürchtet. Schmutzig, dunkel. Die Scheiben schienen seit einem Jahrhundert kein Wasser gesehen zu haben, die Schränke in der Küche offensichtlich auch nicht. Der Boden klebte, einen Blick ins Bad warf Buffy alleine, als der Makler im Wohnzimmer sie bereits von der Liste als Interessierte strich. Als Buffy die einzelnen Blutspritzer in der Badewanne registrierte, ließ sie den Makler einfach stehen und floh.

 

Nummer vier schien etwas besser zu werden, aber Buffy glaubte inzwischen, dass die Bruchbuden zuvor nur so mies waren, um das dreistöckige Haus mit der braunen, schon abgeschossenen Fassadenfarbe wie eine Villa wirken zu lassen.

In der Wohnung selbst musste Buffy dann jedoch zu geben, dass sie sich verbesserte.. der Boden war weder fleckig, noch staubig, das Badezimmer war tadellos, nur die Möbel waren alle nicht mehr der modernste Schrei und abgeschossen. Doch der Preis war verlockend. Mit Farbe konnte man hier einiges anstellen.

 

„Und wieso ist die Wohnung so billig?“

 

Die Maklerin zog einen Vorhang auf und winkte Buffy an das schmutzige Fenster. Ihr Blick fiel herunter auf einen Friedhof, der direkt hinter der Gartenmauer anfing.

 

„Die Mieter verschwinden hier ab und an spurlos. Die ganze Gegend hat nicht den besten Ruf. Als Frau würde ich nicht unbedingt hierher ziehen.“ Erklärte die Brünette und Buffy war durchaus klar, an was das Verschwinden wohl lag. Für sie als Jägerin wäre die Wohnung natürlich am idealsten.. so nahe am Arbeitsplatz wohnte wohl selten jemand, aber für Dawn war es keine sichere Gegend. Nein.. ausgeschlossen.

 

Buffy verließ langsam der Mut, während sie von Wohnung zu Wohnung hetzte und alles mitmachte, was erdenklich war – in einer der Wohnungen war erst zwei Tage zuvor der Vormieter erschossen worden, Blutflecken und Kreideskizzen waren noch im Bad als Beweismittel zurückgelassen worden, eine andere Wohnung entpuppte sich als Vampirnest und Buffy musste dem Makler gegenüber etwas unhöflich werden, bevor er verschwand und sie die Hausbesetzer zu Staub verwandeln konnte, in der letzten war eine kleine Horde Ratten herausgesprungen.

 

Niedergeschlagen und müde betrat Buffy vor der Dunkelheit das Ratsgebäude. Ihr war heute  bewusst geworden, dass sie dringender einen Job brauchte, als eine Wohnung. Ohne Geld würde sie für Dawn und sich nichts finden, dass es wert war, Wohnung genannt zu werden.

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Ein kleines, ostamerikanisches Nest...
Selber Morgen
„Morgen!!“ gähnte Kimberly und gesellte sich zu Faith und Robin an den Frühstückstisch. Das „Fisher´s Breakfast“ war nicht unbedingt für Spezialitäten bekannt, aber es war immer noch besser als gar nichts zu essen. Außerdem war es das einzige Restaurant, das um acht Uhr morgens schon offen hatte.

„Sieh mal an!! Auch schon wach?“ fragte Faith und grinste, während Robin ihr für diese sarkastische Bemerkung einen tadelnden Blick zuwarf. Sie konnte sich einfach nicht beherrschen.

„Ja. Der Kampf gestern Abend hat ganz schön geschlaucht.“ Als Kimberly zum zweiten Mal gähnte, kam der Kellner an ihren Tisch, wünschte einen guten Morgen und fragte nach der Bestellung. Es wurde nicht viel bestellt. Drei Tassen Kaffee, und drei Portionen Pfannkuchen. Obwohl sich Kimberly ernsthaft fragte, ob sie es tatsächlich wagen konnten, in diesem Laden etwas zu essen. Über dem gesamten Lokal hing der Geruch von verbranntem Fett und auch die Blicke zu den Nachbartischen und dem was die anderen Gäste serviert bekamen, sah nicht unbedingt viel versprechend aus. Zack, der Besitzer des „Fisher´s Breakfast“ war ein fetter Mann Anfang fünfzig, der sich ständig am Bauch kratzte.
„Also ich kann mir nicht vorstellen, dass es hier wie zuhause schmeckt,“ stellte die junge Jägerin fest und deutete auf die beiden Bagels, die der Kellner vor einem jungen Pärchen, postierte.

„Zuhause ist es nicht nur am schönsten, es schmeckt auch am besten,“ fügte Robin hinzu und fühlte einen leichten Stich in seinem Herzen, den der Gedanke an seine getötete Mutter auslöste.

„Ich weiß gar nicht was ihr habt, ich habe schon schlimmer gefrühstückt,“ widersprach Faith und machte eine abwertende Handbewegung. Robin und Kim zogen die Augenbrauen nach oben. „Und außerdem macht es mir nicht so viel aus unterwegs zu sein, wie euch. Ich bin das seit Jahren gewöhnt,“ Faith zuckte mit den Achseln und beobachtete wie der Kellner die Kaffeetassen zu ihrem Tisch balancierte. Die Drei bedankten sich artig und als der Kellner wieder verschwunden war, nahm Robin den Gesprächsfaden wieder auf.

„Du kannst mir nicht erzählen, dass du dein Zuhause nicht manchmal vermisst,“ sagte er.

„Boston fehlt mir manchmal…,“ Faith goss nachdenklich die Milch in ihren Kaffee, rührte um und fügte schließlich leise hinzu, „aber mir fehlt nicht alles.“ Die Jägerin dachte an ihre Mutter und daran, was in ihrer Kindheit und Jugend alles vorgefallen war. Robin und Kimberly waren überrascht wie nachdenklich Faith auf einmal war. Es stimmte wohl wirklich. In jedem Mensch steckt eine harte und eine sensible Seite. Kimberly ahnte, dass es Faith unangenehm war über ihre Vergangenheit zu reden und beschloss deshalb das Thema zu wechseln.

„Wo sind denn die zwei anderen…..ähm…Ronah und Vi?“ fragte sie die Blicke zwischen Robin und Faith hin und her wechselnd.

„So weit ich weiß, trainieren sie ein bisschen,“ Faith grinste. „Sie wollen sich vor Kennedy wohl keine Blöße geben, wenn wir in Cleveland ankommen.“

Bevor Kimberly die Frage äußern konnte wer den Kennedy sei, platzierte der Kellner die Teller mit herrlich duftenden Pfannkuchen vor ihren Plätzen.

"Ich habe manchmal auch Sehnsucht nach zuhause!!" Sagte Kim plötzlich leise und vorsichtig. Ein Ausdruck von Traurigkeit legte sich auf Kimberlys Gesicht während sie ein Stück von ihrem Pfannkuchen abschnitt und in den Mund steckte. "Kann ich nicht auch in meiner Heimatstadt arbeiten? Ich meine wo es doch Jägerinnen überall auf der Welt gibt!!" Faith und Robin wechselten einen überraschten Blick.

"Ähm.....Das geht, denke ich, schon. Ich müsste mit Giles telefonieren, damit man dir einen Wächter schickt," antwortete Robin und schob sich ebenfalls eine mit Pfannkuchen beladene Gabel in den Mund. Kimberly lächelte dankbar. Es war doch leichter gegen das Böse zu kämpfen, wenn man Leute um sich hatte, die man liebte. „Allerdings könnte es sein, dass Giles in dieser Stadt schon einige Jägerinnen hat und du dir einen Wächter teilen müsstest.“


Kimberly winkte glücklich ab. „Das verkrafte ich schon. Boston ist groß.“

 

Keiner der beiden bemerkte Faith Gesichtsausdruck als der Name von Kim’s Heimatstadt fiel.

 

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Cleveland
Giles Wohnung
Am Abend

“Nein, du Trottel! Er heißt Leroy, nicht Leo! Ja, sehr witzig! Pass bloß auf, was du sagst, oder ich werd’ den nächsten Arbeitskollegen, den du erwähnst, zu Cole erklären. Ja klar, das sind diese Sportler doch alle. Nein, nein, auch nicht Leonardo. Eher Matt Damon, würd’ ich sagen. Mit einem Schuss Orlando Bloom vielleicht. Nein, absolut nicht! Keanu Reeves sieht niemals besser aus, als Orlando Bloom. Du leidest an Geschmacksverirrung...”

Buffy schloss die Tür zum Flur, um Dawn’s Geplapper am Telefon auszublenden und beugte sich über die nächste Wohnungsanzeige. Nach dem ganzen Herumgerenne des heutigen Tages, hatte sie zwar nicht die geringste Lust mehr, aber es musste sein. Von den paar Schwierigkeiten durfte sie sich nicht entmutigen lassen. Außerdem war ihre jetzige Situation doch nicht weniger problematisch. Schon allein die Tatsache, dass sie hier in Giles’ Schlafzimmer hockte, um ihre Anzeigen zu lesen, war doch Problem genug, oder nicht?

Aber im Arbeitszimmer brütete Giles über seinen Ratsakten, und im Wohnzimmer war Lily, der sie um jeden Preis aus dem Weg gehen wollte. Und, sich in Dawns Zimmer aufzuhalten, hätte nur wieder einen Streit heraufbeschworen.

Als sie die Seiten umblätterte, fiel ihr auf, wie dunkel es geworden war. Automatisch langte sie nach dem Lichtschalter – und hätte sich beinahe an dem zerbrochenen Plastik geschnitten. Natürlich, das Ding hatte ja erst vor kurzem Kennedys Faust zu spüren bekommen. Hatte sie überhaupt schon mit Xander geredet, damit er es reparierte?

“Dawn?” Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit, um zu sehen, dass ihre Schwester immer noch munter am Telephon schwätzte. “Beeil dich mal, ich muss auch noch jemanden anrufen!”

“Ja, schon gut!” Murrend begann Dawn mit der Verabschiedungszeremonie, während Buffy sich wieder den Anzeigen zuwandte. “Lebhaft”, das hieß in der Maklersprache, dass die Wände dünn, wie Papier waren, und man jedes Husten von nebenan hörte. Oder wahlweise auch, dass Tag und Nacht die Lastwagen am Haus vorüberdonnerten. “Ruhig” dagegen bedeutete zumeist einen Zwei-Stunden-Marsch zum nächsten Supermarkt.

“Dawn! Mach Schluss!”

Vielleicht sollte sie auch die Stellenanzeigen durchsehen. Möglicherweise gab es ja irgendwo einen Double Meat Palace in Cleveland, oder vielleicht sogar eine Schule mit einem Dämonenjäger als Direx. Tolle Aussichten.

“Dawn! Ich brauch das Telephon!”

“Bin schon weg, Moment noch!”

Unter den mürrischen Blicken ihrer Schwester flötete Dawn ein letztes “Gute Nacht” in den Hörer, legte auf, und verzog sich in ihr Zimmer. ‘Sie hat ja diesen Luxus’, dachte Buffy genervt, als sie Xanders Nummer wählte.

 

“Dawn? War noch was? Oder hast du mich einfach nur vermisst?” zwitscherte es aus dem Hörer.

“Andrew, hier ist Buffy! Gib mir bitte mal Xander!” Sie hoffte, dass ihre Stimme einigermaßen normal klang, und nicht erschrocken, oder abweisend. Als ihr klar wurde, mit wem sich ihre Schwester die ganze letzte Stunde unterhalten hatte, musste sie an das Gespräch über Jungs denken, dass sie mit Dawn hatte führen wollen. Es hatte sich einfach noch nicht ergeben. Hoffentlich hatte Xander wenigstens schon mit Andrew geredet.

“Hey, Buffy! Was gibt’s Neues?”

“Hi Xander!” Sie bemühte sich, fröhlich zu klingen, und nicht allzu abgespannt. “Ich wollte eigentlich nur wissen, ob du schon mit Andrew wegen der Lampe geredet hast?”

“Lampe?” fragte Xander zurück. Er hatte keine Ahnung, was sie meinte, es klang aber so, als habe sie versucht, zwei Dinge gleichzeitig zu sagen. Bei Buffy war das ein typisches Zeichen von Stress, und einem Versuch, ihn zu überspielen.

“Lampe?” fragte Buffy noch eine Spur verwirrter. “Nein, das mein’ ich gar nicht, ich rede von dem Lichtschalter in Giles’ Schlafzimmer! Du wolltest ihn doch reparieren!”

“Klar, kein Problem. Soll ich morgen nach der Arbeit vorbeikommen?” Eigentlich konnte er sich schon denken, was mit ihr los war, die ganze Wohnungssuche musste sie ziemlich geschlaucht haben. Oder war da noch etwas anderes? Hatte Dawn etwas in ihrer neuen Schule angestellt?

“Ja, gerne. Dann bis morgen!”

Xander war ziemlich verdutzt, wollte sie etwa schon auflegen? Da schien wirklich etwas nicht in Ordnung zu sein. “Hey, Buffy, wart mal – was hat Andrew mit dem Lichtschalter zu tun?”

“Gar nichts.” Er konnte die Anspannung in ihrer Stimme hören, obwohl sie immer noch einen halbherzigen Versuch machte, sie zu verbergen. ”Ich hab nur gerade festgestellt, dass er die ganze letzte Stunde mit Dawn telephoniert hat. Und ich weiß immer noch nicht genau, was sich zwischen den beiden abspielt.”

“Ich fürchte, da kann ich dir leider auch nicht weiterhelfen. Andrew hat noch nicht darüber geredet, ich schätze mal, das Ganze befindet sich erst im Aufbaustadium, und der arme Junge weiß noch gar nicht, wie ihm geschieht. Aber wäre es denn so schlimm für dich, wenn Dawn einen Freund hätte?”

“Nein, natürlich nicht...,” sie suchte nach den richtigen Worten...,” es ist nur, ich mach mir eben Sorgen, ich möchte wissen, was sie tut, wie’s ihr geht, und so, und ich will nicht, dass wieder so ‘ne Sache passiert, wie mit diesem Vampir. Aber mir erzählt sie ja nichts. Nicht über Andrew, nicht über ihre neue Schule. Sie schließt mich total aus ihrem Leben aus. Aber das ist ja nichts Neues, eigentlich sollte ich mich daran gewöhnt haben.”

“Ihr beide habt echt ein ausgeprägtes Talent aneinander vorbeizureden,” entgegnete Xander aufmunternd. “Zufällig hat Special Agent Harris über das scoobyeigene Spionagenetz herausgefunden, dass ein gewisser Dawnster sich über Vernachlässigung seitens ihrer großen Schwester beklagt hat. Du sollst Wohnungsanzeigen gelesen, und sie den ganzen Abend nicht beachtet haben...”

“Ach richtig, die Wohnung." Einen Moment lang verspürte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie wohl eine Gelegenheit verpasst hatte, mit Dawn zu reden. Aber schließlich war diese Wohnung genauso wichtig für Dawn, wie für sie, und ihre Schwester konnte auch ruhig mal anerkennen, welchen Stress sie sich antat, um etwas für sie beide zu finden. "Xander, du kannst dir gar nicht vorstellen, was das für ein Theater war! Ich hab eine Wohnung nach der anderen besichtigt, und nichts gefunden, außer Drecklöchern, Ratten und Friedhöfen!” Sie stieß einen wütenden Seufzer aus, der eher wie ein Fauchen klang. “Ich weiß echt nicht, wie das noch weiterlaufen soll, gibt es denn in ganz Cleveland keine einzige vernünftige Wohnung, ohne den Vermerk ‘unbezahlbar’? Wie seid ihr eigentlich zu eurer gekommen?”

“Nun, das lief über die Firma. Wir wohnen ja nicht allzu weit weg vom Hafen, da gehört alles der Barker Cooperation. Meine Baufirma ist ja nur eine Tochtergesellschaft von ihr, das hängt alles zusammen. Eine einzige große Verschwörung,” fügte er grinsend hinzu. “Aber ich will mal sehen, was ich tun kann. Käme eine Wohnung am Hafen, denn für euch in Frage?”

“Wieso nicht? Der Schulweg wäre für Dawn ein bisschen weiter, aber solange sie eine Schulbusverbindung hat, wär’ das ja kein Problem. Allerdings würde ich es vorziehen, wenn die Wohnung nicht an einem Friedhof liegt! Und keine bewegte Vergangenheit hat,” fügte sie hinzu, und dachte an Poltergeister, und ähnliche Spukgestalten.

“Dann hätt’ ich vielleicht was für euch,” überlegte Xander. “Ich kann zwar noch nichts versprechen, aber meine Firma hat vor einem halben Jahr zwei Wohnblöcke fertiggestellt, da wär’ vielleicht noch was frei. Ich selber hatte allerdings mit dem Projekt nichts zu tun, ich müsste mit meinem Kollegen reden, der dafür zuständig ist. Und was Vermietung und Preis angeht, hat natürlich die Barker Cooperation das letzte Wort.”

“Könntest du das machen?” fragte Buffy hoffnungsvoll.

“Aber klar! Für die Schönste aller Jägerinnen ist mir doch nichts zuviel,” versicherte er ihr.

 

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Cleveland Rides – Gebäude
Am nächsten Nachmittag stand Dawn nach der Schule unschlüssig vor einer Lagerhalle. Der Sitz von „Cleveland Rides“. Es herrschte Leben im Hof davor - Kuriere fuhren an ihr vorbei, auf dem Weg zu einem Kunden oder kamen von ihrer Fuhre gerade zurück. Für einen Moment kamen Dawn Zweifel. Sie hätte das doch alles erst mit Buffy oder Giles besprechen sollen. Aber für was? Damit sie es ihr ausredeten, weil die Schule wichtiger war? Nein, Lilly hatte schon recht, wenn sie glaubte, dass es das richtige für sie war, sollte sie es wagen.

Sie straffte ihre Schultern, setzte ein zuversichtliches Gesicht auf und betrat durch die offene Schiebetüre das Innere.

 

Sie wurde angenehm überrascht. Es ging hier bei weitem ruhiger zu, als sie von der Strasse aus geglaubt hatte. Gleich neben ihr befand sich ein kleiner Empfang mit einer jungen Frau hinter einer Theke, die sie anstrahlte.

 

„Hallo. Willkommen bei Cleveland Rides. Kann ich dir irgendwie helfen?“

 

„Uhm, ja,“ Dawn warf noch einen Blick in den hinteren Bereich, der offensichtlich Aufenthaltsraum, Reparaturwerkstatt und Annahmestelle war. Eine Treppe führte nach oben zu Büroräumen. „Ich habe dieses Flugblatt gestern gefunden.“ Sie zog das Blatt aus ihrer Jacke. Die Frau nickte. „Ich wollte fragen, ob ich hier anfangen könnte?“

 

„Als Kurier?“ Die Frau hatte bereits einen Kugelschreiber gezückt und zog ein Blatt hervor. Dawn nickte. „Okay.. dann füll mir bitte das hier aus und warte danach kurz. Das geht hier ziemlich schnell und unbürokratisch.“


“Danke,“ Dawn nahm ihr das Blatt und den Stift ab.

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„Dawn Summers?“

 

Dawn blickte zu dem Mann auf und ihr fielen sofort seine Glatze und die Brille mit den dicken Gläsern auf. Sie nickte und stand von dem Metallstuhl auf, der zwar schick aber doch recht unbequem über die letzten zehn Minuten geworden war.

 

„Ich bin Carl Trust. Der Personalchef.“ Sie reichten sich die Hände und Trust führte Dawn in den hinteren Bereich. „Wenn du hier anfangen möchtest, ist das so weit kein Problem. Deine Angaben sind in Ordnung. Fahrradfahren wirst du ja wohl können,“ er lachte über seinen eigenen Scherz und Dawn bemühte sich zu lächeln. „Du kannst sofort anfangen oder auch erst Morgen. Wie du willst. Du übernimmst die Ausfuhren zwischen vier und sieben. Ihr fahrt immer im Team und habt einen Bezirk unter euch. So sind die Mengen pro Tag und pro Bezirk leicht zu schaffen.“ Carl winkte jemanden herbei, während Dawn sich im ersten Moment von Trusts Worten überfahren fühlte. Ein junger asiatischer Mann kam auf sie zu. „Das ist Shin. Er arbeitet schon seit zwei Jahren bei uns. Dein Teampartner. Er wird dir alles weitere erklären.“

 

„Hi.“ Shin reichte ihr seine Hand und sein Lächeln wirkte echt, wie Dawn am Leuchten in seinen Augen feststellte. „Wann fängst du an?“

 

„Uhm.. morgen. Ich muss erst noch meiner großen Schwester Bescheid geben,“ sagte Dawn etwas verlegen. „Ich  bin Dawn.“

 

„Freut mich. Du bist nicht von hier?“

 

Verdammt... ihr kalifornischer Akzent... „Eh nein. Wir kommen von der Westküste.“

 

„Das dachte ich mir.“

 

„Wie ich sehe, versteht ihr euch prima,“ Trust klopfte Dawn auf die Schultern. „Nun dann.. Willkommen im Team.“ Damit verabschiedete er sich und ging eine Etage höher zurück in sein Büro.

 

Dawn und Shin standen sich einen Moment verlegen gegenüber. „Also gut, dann komm morgen einfach ein paar Minuten früher, damit ich dich den anderen vorstellen und dir auch das eine oder andere noch erklären kann.“

 

Dawn nickte und machte sich auf den Heimweg. Jetzt galt es, Buffy zu überzeugen.

 

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Cleveland

Giles Wohnung
Selber Tag, früher Abend
„Wieso?“ Buffy stand fast streitlustig da. In ihren Augen funkelte es gefährlich.

 

„Weil Lily und ich es für das Beste halten.“ Giles blieb ruhig und gelassen, auch wenn ihn Buffys Haltung ein wenig verletzte und irritierte.

 

„Sie und Lily? Die selbst ernannten Wächter?“

 

„Das ist jetzt nicht fair und das weißt du auch...“

 

„Was weiß ich? Meine Güte Giles, ich bin nicht mehr länger „Ihre“ Jägerin. Darüber waren wir uns ja schon im Frühjahr einig.“


Für einen Moment trat eine unangenehme Stille ein, ehe Giles den Faden wieder fand.

„Deswegen kannst du trotzdem über unser Angebot nachdenken. Es ist ein Angebot, kein Befehl.“

 

Buffy dachte einen Moment darüber nach. „Ich bin mir nicht sicher, ob Sie es mir nur unterbreiten, weil Sie sich dazu verpflichtet fühlen.“

 

Giles seufzte verletzt und nahm die Brille ab. „Wenn du das wirklich glaubst...“

 

Buffy spürte, dass sie wohl etwas zu weit gegangen war und während Giles gekränkt seine Arme vor der Brust verschränkte, senkte sie ihren Blick. „Na ich meine... was wissen wir schon von dieser Frau? Haben Sie sie überprüft? Nicht, dass das eine zweite Post wird oder denken Sie an Wesley...“

 

Giles musste fast schon wieder versöhnlich über Buffys Versuch Schadensbegrenzung zu betreiben schmunzeln. „Du brauchst dir über Lily keine Sorgen zu machen. Ich kenne sie wirklich sehr lange – sehr, sehr lange. Und mehr als nur gut. Du kannst ihr vollkommen vertrauen.“

 

Buffys Blick blieb skeptisch. Ihre Erfahrung mit Wächtern hatte gezeigt, dass sie niemanden trauen durfte. Nicht einmal Giles. Auch wenn sie das gerne wollte.

 

„Und es dreht sich dabei doch nur um eine beratende Funktion. Das hast du letzten Sommer für die Highschool auch gemacht. Also nichts Neues. Nur, dass dich der Rat diesmal dafür bezahlt, dass du für ihn arbeitest.“

 

„Ich denk darüber nach.“ Buffys Gesichtsausdruck war nachdenklich geblieben, als sie Giles stehen ließ und in Dawns Zimmer verschwand.

 

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Ein paar Minuten später...

„Und wirst du annehmen?“ Dawn saß mit untergeschlagenen Beinen auf ihrem Bett und sah Buffy dabei zu, wie sie die Öllampe aus einem kleinen Karton nahm. Geschenkkarton, Papier und Schleife lagen bereit.

 

„Ich weiß nicht. Ich meine, für Giles zu arbeiten ist eine Sache, aber für den Rat? Selbst wenn es der „neue“ Rat ist?“ Buffy hob die Lampe in die Höhe und blickte sie prüfend an.

 

„Es ist Giles Rat.“ Gab Dawn zu bedenken. „Du würdest also im Prinzip nur für ihn arbeiten. Ist doch besser als in einer Bar oder als Kellnerin? Oder.. oder Fahrradkurier?“

 

„Fahrradkurier?“ Buffy sah irritiert zu ihrer Schwester auf.

 

„Eh.. ja, Fahrradkurier. Im Ernst, was würdest du sagen, wenn ich bei so etwas jobben würde?“

 

„Das ich hoffe, dass das nur ein Scherz ist oder im schlimmsten Fall darunter weder Noten noch Pflichten zu leiden haben. Oh, und wenn die dort einen Logan haben, lass es mich wissen.“

 

„Damit kann ich leben. Ich fand Alec sowieso süßer,“ grinste Dawn. „Ich meine ja natürlich schaffe ich das alles.“ Setzte sie schnell hinzu, als Buffy warnend aufblickte. „Und mein Privatleben kommt sicher auch nicht zu kurz.“

 

„Apropos Privatleben,“ Buffy griff nach einem Tuch. „Wir sollten uns, wenn wir hier gerade das Wiedergutmachungsgeschenk verpacken, über den betreffenden Morgen unterhalten.“

 

„Was genau meinst du?“ Fragte Dawn mit voller Unschuld.

 

„Andrew und du.“

 

„Buffy!“ Dawn sprang entsetzt von ihrem Bett auf. „Andrew hat einfach nur bei mir übernachtet. Weil wir eingeschlafen sind.“ Fügte sie hastig hinzu. „Da gibt es nichts worüber wir uns unterhalten sollten.“

 

„Ich meinte eher, es wäre an der Zeit einmal ernsthaft über Jungs zu reden.“ Buffy versuchte sich ihr Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Sie wollte gerade mit dem Tuch die Lampe polieren, als sie nachdenklich beides in ihren Schoss sinken ließ. „Hat Mom jemals mit dir über so etwas geredet?“

 

„Natürlich,“ entrüstete sich Dawn. „Sie hat mich bei weitem nicht immer so wie du, als kleines Kind behandelt.“ Sie sank wieder auf ihr Bett zurück. Offensichtlich nicht sehr erleichtert über die Wendung des Gesprächs. Sie hatte gehofft, Buffy würde über ihren Job begeistert reagieren. Ihr Vorgehen vielleicht auch als reif und erwachsen betrachten, wie es Lily getan hatte. Sie hätten darüber reden können, wie sie alles organisieren würden und nebenbei hätte Dawn erwähnt, was sie und Willow nun schon seit einigen Wochen wussten – das sie eine Jägerin war. So allerdings sah sie keine Möglichkeit jemals darauf zu sprechen zu kommen. Auch wenn Buffy das Recht hatte, es zu wissen.

 

„Dann bist du also auch in den Genuss von Moms Aufklärungsversuchen gekommen?“ Buffy grinste in Erinnerungen.  „Dann schadet es gar nichts, wenn ich mit dir darüber noch einmal rede.“

 

Dawn zog ein langes Gesicht. Na wenigstens tat sie es selbst und überließ es nicht Giles, wie Dawn ursprünglich befürchtet hatte.

 

„Denn eines ist klar, Dawn.. wir Summers Frauen haben alle kein glückliches Händchen bewiesen, was die Wahl unserer Männer angeht. Vampire, Roboter, militärische Einrichtungen, Machos... alles dabei gewesen.“ Sie griff wieder nach der Lampe und dem Tuch. „Wenn du ein paar Dinge beachtest, bleibt dir das gleiche Schicksal vielleicht erspart.“

 

„Ach ja? Und was dann? Dann heirate ich eines Tages einen Mann, ich bekomme Kinder, er geht arbeiten, interessiert sich bald nur noch für sein Büro und verlässt mich am Ende wegen einer anderen?“ Stille senkte sich über die beiden. Buffy war sehr wohl klar, von wem Dawn sprach. Aber nicht alle Männer waren wie ihr Dad. Auf manche konnte man sich verlassen, auch wenn sie nicht immer in allen Dingen gut für einen selbst waren.

 

Buffy seufzte schließlich. „Du hast recht, am besten machen wir einen Bogen um Männer. Was meinst du?“

 

Dawn lachte. „Ich glaube, so einfach ist das auch wieder nicht. Ich arbeite zum Beispiel mit einem Jungen zusammen.“

 

„Okay.. dann beschränken wir uns einfach vorläufig darauf, dass du nie nach Sonnenuntergang einen Mann kennen lernst oder dich mit ihm triffst, er könnte ein Vampir sein. Wenn er Amulette trägt und im Zauberladen einkauft, meide ihn und sobald er mit merkwürdigen Codenamen um sich wirft, lauf davon.“

 

„Okay.. ich hab’s kapiert.. keine Vampire, keine Zaubermeister, keinen Soldaten, keine Sportler mit schicken Jacken.“

 

Buffy nickte zustimmend. „So und was meinst du jetzt da dazu? Braucht sie eine Politur?“ Sie hob Dawn die Lampe unter die Nase.

 

„Hm... könnte nicht schaden, sie wirkt so stumpf.“

 

Buffy ersparte sich eine Antwort und polierte statt dessen die entsprechende Stelle kräftig. Sie wurde tatsächlich etwas heller und Buffy dehnte das Polieren aus. „Scheint so, als wäre sie viel zu lange im Laden gestanden.“ Murmelte Buffy und bemerkte im Gegensatz zu Dawn nicht, wie aus der Schenköffnung eine dünne Rauchsäule entströmte. Ehe Dawn Buffy darauf aufmerksam machen konnte, explodierte die Rauchfahne in eine gewaltige Säule, die zu einer Wolke gegen die Zimmerdecke stieg. Buffy hatte inzwischen selbst bemerkt, was vor sich ging und ließ die Lampe erschrocken zu Boden fallen, sprang auf und zur Sicherheit gleich ein paar Schritte nach hinten. „Verschwinde von da, Dawn.“ Dawn sprang von ihrem Bett auf und kam zu Buffy. Obwohl sie bezweifelte, dass sie damit aus der Gefahrenzone war. Die Wolke füllte inzwischen den gesamten, oberen Bereich des Zimmers aus.

 

„Was.. was ist das?“

 

„Ein Djinn.“ Erklang eine tiefe, fröhliche Stimme mitten aus der Wolke. Mit einem lauten „Puff“ stürzte die Wolke in sich zusammen. Dawn und Buffy sahen mit großem Erstaunen zur Decke, blinzelten ein paar Mal und sahen sich dann an, als würden sie nicht glauben, was sie sahen... ein Mann mit Turban, gepflegten orientalischen Bart, roter, ärmellose Weste, nackter Brust und weißer Pluderhose, hing zwischen Decke und Boden und lächelte sie aus vergnügten Augen an. Sein Unterkörper verschwand in einer schmalen Rauchsäule im Inneren der Lampe.

 

„Wow.. ich glaube wir haben einen echten Dschinni...“, Dawn fand ihre Sprache wieder.

 

„Djinn.“ Verbesserte sie der Geist aus der Lampe. „Und sehr wohl, meine Damen.. Nur diese Verniedlichung des späten 19. Jahrhunderts habe ich bis heute nicht verstanden.“

 

„Eh... Djinn und wie weiter?“ Buffys Blick blieb misstrauisch.

 

„Nichts und weiter. Einfach Djinn. Falls Ihr die Regeln nicht kennt.. Ihr habt mich befreit. Also stehen Euch drei Wünsche frei.“

 

„Gleich drei?“ Dawn wären Hunderte eingefallen... es gab da eine sündhaft teure Hose, die sie seit Wochen im Schaufenster bewunderte. Oder einen neuen Computer.. so einen schicken Laptop wie ihn Willow besaß.. die Liste war unendlich. Und wenn Dawn näher darüber nachdachte, gab es auch viele tiefgreifendere, ernstere Wünsche...

 

„Und wer garantiert uns, dass Du echt bist?“ Buffy rührte sich nicht vom Fleck, während Dawn bereits neugierig ein paar Schritte zurück in die Zimmermitte machte.

 

„Niemand, natürlich. Ich bin echt. Was gibt es daran zu zweifeln? Wer außer einem Flaschengeist ist noch so verrückt und lässt sich in einer engen, nach Öl stinkenden Lampe einschließen, wartet darauf, dass man alle hundert Jahre im Durchschnitt erlöst wird, um dämliche Wünsche erfüllen zu mü....“

 

„Schon gut, schon gut,“ unterbrach Buffy das Gejammer. „Also drei Wünsche?“

 

Der Djinn nickte.

 

„Hm... ich wüsste etwas... einen Moment.. Dawn?“ Sie winkte ihre Schwester herbei und flüsterte ihr ihre Idee ins Ohr. Dawn nickte. Ein Versuch war es schließlich wert.

 

„Okay, Djinn... unser erster Wunsch. Ich meine.. schief gehen kann ja dabei eigentlich nichts... ich hätte also gerne...“

 

„Nein, nein, nein.. das muss heißen, ich wünsche mir...“, berichtigte der Flaschengeist.

 

Buffy stöhnte. „Also gut. Ich wünsche mir für mich und Dawn hier, die perfekte Wohnung.“

 

„So sei es,“ der Djinn nickte, klatschte in die  Hände und in diesem Moment verschwanden Buffy und Dawn aus dem Zimmer.

 

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„Buffy?“ Giles Stimme drang gedämpft von außen in das leere Zimmer, in dessen Mitte die Öllampe achtlos lag. Er wollte mit Buffy noch einmal über sein Angebot sprechen. Ihre Worte waren verletzend gewesen, aber vielleicht hatte sie ihn ja nur missverstanden? Er wollte nicht, dass sie für DEN Rat arbeitete. Er bat sie um Hilfe und Unterstützung. Sie sollte für IHN arbeiten, für Geld. Natürlich war Buffy misstrauisch, was den Rat anging. Das verstand Giles natürlich. Aber deswegen konnte sie doch zumindest versuchen, mit ihm darüber zu reden?


Giles klopfte erneut und trat dann ein. „Buffy, ich habe mir das mit dem Angebot noch einmal überlegt...,“ er blieb abrupt stehen. Gerade vor ein paar Minuten hatte er doch noch Dawns Stimme gehört? Und die von Buffy? Es war niemand durch das Wohnzimmer gegangen. Irritiert trat er auf den Flur, aber es war völlig ruhig und still. Wieder im Zimmer sah sich Giles flüchtig um, darauf bedacht nicht zu sehr die Privatsphäre der beiden Mädchen zu verletzen. Dabei blieben seine Augen auf der Lampe ruhen. Noch immer mit fragendem Gesichtsausdruck, bückte er sich danach und hob sie auf.

 

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„Cool, oder nicht?“ Dawns Gesicht strahlte beim Anblick der Wohnung, die sich vor ihnen erstreckte. Ein einladend großer, mexikanisch angehauchter Wohnraum, mit hohen, hölzernen Bogenfenstern an der Seite, die sicher auf eine Terrasse führten, Kolonial-Ledersesseln und Sofa mit stilechtem Couchtischchen rundeten den ersten positiven Eindruck ab. Die Wände waren mit mexikanischen Kunstgegenständen dekoriert, Kerzenleuchtern und Wandteppichen. Alles wirkte warm und hell. Dawn spielte bereits in der Küche an den Geräten herum, als Buffy langsam aus ihrer Starre erwachte.

 

„Hey Buffy, hier geht alles voll automatisch.“ Man hörte Dawn in die Hände klatschen und kurz darauf plätscherte Wasser in die Spüle. Buffy lächelte über ihre Schwester und machte zögernde Schritte in die Raummitte, die von der Sitzgruppe eingenommen wurde. Unter ihren Füssen gab ein mexikanisch gewebter Teppich weich nach. Die Decke war hoch, da eine Treppe nach oben auf eine kleine Galerie führte auf der Buffy Sandsack und Trainingsgeräte erspähte. Die Wände waren mit einem warmen Erdton in einer Wischtechnik gestrichen und die mexikanischen, indianischen Kunstgegenstände in den Ecken waren nicht aufdringlich in Szene gesetzt.

 

„Es ist perfekt. Perfekt!“ Dawn kehrte aus der Küche zurück.

 

„Ich suche noch immer nach dem Haken.“

 

„Meine Güte.. musst du immer so pessimistisch sein?“

 

„Nein, aber man bekommt gewöhnlich nichts geschenkt. Das wirst du auch noch lernen, in ein oder zwei Jahren.“ Buffy ging weiter, öffnete eine Türe und erblickte dahinter ein Badezimmer, das ihr für einen Moment den Atem raubte... Whirlpool in der Mitte, Terrakotta-Boden, beige Wände, hohe Spiegel, Palmen am Badewannenrand und auch hier alles hell und warm. Im nächsten Raum verbarg sich ein Schlafzimmer mit Himmelbett und Sternhimmel. Schlafzimmer zwei war vollgestopft mit Plüschtieren, Postern, Computer...

 

„Eh.. ich glaube, dass ist dann mein Zimmer?“ Grinste Dawn.

 

„Offensichtlich. Du solltest erwachsen werden.“

 

„Ich BIN erwachsen,“ meckerte Dawn und folgte Buffy bei der Wohnungsbesichtigung.

 

„Kein Haken.. hm..,“ Buffy hob den Teppich bei der Sitzgruppe in die Höhe.

 

„Was tust du da?“

 

„Nach Pentagrammen suchen.“

 

„Oh Gott,“ stöhnte Dawn und ließ sich auf das Sofa fallen.

 

„Man kann nie wissen...“

 

„Am Ende glaubst du noch, die Wohnung steht in der Hölle oder auf einem fernen Planeten?“

 

„Das ist nicht witzig Dawn.“ Aber offensichtlich auf eine gute Idee gebracht, ging Buffy zu den großen Flügeltüren. Buffy nahm sich nicht die Zeit die Vorhänge davor zurück zu ziehen sondern öffnete beide Flügelfenster mit Schwung. Eisige Kälte schlug ihr entgegen, nahm ihr sogar die Luft und ihre Zähne begannen sofort zu klappern.

 

„Was ist?“ Dawn war die plötzliche Stille unangenehm und sie kam zu Buffy. „Oh...,“ ihre Augen fielen auf eine weiße Schneedecke, die sich in der Unendlichkeit verlor.

 

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Giles Wohnung
„Hm,“ Giles drehte die Lampe hin und her. Sein Blick wanderte kurz zu der Geschenkverpackung, ehe er weiter die Lampe untersuchte.  Er entdeckte eine Stelle an der Lampe, die heller glänzte als der Rest und seine Liebe zur Ordnung und Sauberkeit, veranlasste ihn sich automatisch nach dem Putztuch zu bücken, um weiterzupolieren.

 

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„Alaska?“

 

„Wohl eher Nordpol?“ Schimpfte Buffy. „So war das nicht geplant...“

 

„Sag das unserem Djinn.“

 

„DJINN?“

 

„Ihr braucht nicht so zu brüllen,“ fuhr der Djinn, der wie aus dem Nichts auftauchte, Buffy an. „Ich bin nicht taub. Nur langsam. Was gibt es denn?“

 

„Wo sind wir hier?“

 

„In Sibirien.“

 

„Ist das nicht irgendwo in China?“ Versuchte Dawn zu glänzen.

 

Der Djinn zog ein mitleidiges Gesicht. „Versuch es mit Russland.“

 

„Sibirien? Wie um alles in der Welt kommen wir hierher.“

 

„Was stimmt nicht mit Sibirien?“ Fragte der Djinn unschuldig.

 

„Oh es dürfte für Dawn etwas schwierig werden morgens pünktlich in der Schule nach Cleveland zu kommen. Und wir können kein russisch,“ fügte Buffy ein wenig schnippisch hinzu.
 

„Ich verstehe. Nun, Ihr habt Euch eine perfekte Wohnung gewünscht.. wenn ich all die unterschwelligen Wünsche darin richtig interpretiert habe, ist das die Wohnung Eurer Träume. Aber es war keine andere frei, außer dieser hier. Der Wunsch beinhaltete keinen genauen Ort.“

 

„Okay.. okay,“ Buffy sah wo das Problem lag und entschloss sich dazu, es zu berichtigen. „Dann wünschen wir uns eben eine Wohnung in Cleveland.“

 

Dawn wollte protestieren, als der Djinn schon bestätigte:

„So sei es,“ er klatschte in die Hände und Buffy mit Dawn verschwanden mit einem leisen Puff.

 

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Giles ließ mit einem „Waha“, die Lampe fallen, als eine Rauchsäule aus der Öffnung stieg und zu einer Wolke wuchs. Der Effekt mit dem Knall und der sich auflösenden Wolke, beeindruckte dahingegen Giles weniger.  „Ein Flaschengeist?“ Giles rückte seine Brille zurecht.

 

„Zu Ihren Diensten?“

 

„Leibhaftig... ein Djinn,“ korrigierte sich Giles bei genauer Begutachtung des Turbans, der Kleidung und des Bartes.

 

„Ganz recht, mein Herr. Und heute seid Ihr schon die zweite Person, die mich befreit und somit drei Wünsche frei hat. Solch einen Stress hatte ich seit dem 11. Jahrhundert nicht mehr, als mich ein Kalif in seinem Harem vergaß.“

 

„Die zweite Person? Buffy?“

 

„Keine Ahnung wie die jungen Damen hießen,“ gab der Djinn zu. „Aber nun.. Eure Wünsche?“

 

„Uhm, klein, blond, schlank?“ Beschrieb Giles Buffy und ignorierte die Aufforderung. Der Djinn nickte.

 

„Kommt mir bekannt vor. Aber nun.. Eure Wünsche.“

 

„I-ich brauche Bedenkzeit.“ Giles hatte einiges über Djinns gelesen, aber einem selbst zu begegnen war etwas völlig anderes. Normalerweise hätte er gerade einen Flaschengeist für eine echte Ausgeburt der Fantasie gehalten. Die Wirklichkeit überraschte ihn doch immer wieder, obwohl er schon so vieles gesehen hatte. Zudem  beschäftigte ihn noch immer die Frage nach Buffy.

 

„Ich habe viel zu tun...“, drängelte der Djinn.

 

Da der Djinn offensichtlich nicht über Buffy reden wollte und Giles von der Neugier getrieben wurde, was geschah, wenn er einen spontanen Wunsch äußerte, ließ sich auf das Spiel ein. Und da sie gerade von Buffy gesprochen hatten...  „Gut, dann... wünsche ich mir, dass Buffy wieder anfängt mit mir zu reden, ihre Gedanken wieder mit mir teilt.“

 

„So sei es,“ der Djinn klatschte in die Hände und Giles glaubte irgendwo erneut ein leises Puff zu hören und der Djinn verschwand.

 

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„Meine Güte.. wo sind wir jetzt schon wieder gelandet?“ Dawn sah sich angewidert um. Die Wohnung war eng und es miefte irgendwie nach Schweißfüssen.

 

Buffy glaubte, die Wohnung schon einmal gesehen zu haben... auf ihrer Besichtigungstour. „Oh nein.. warte...,“ sie eilte an eine bestimmte Stelle des Bodens, hob den Teppichboden an und außer einer schnellen Kakerlake erblickten die beiden Schwestern ein Pentagramm auf dem Boden.

 

„Das ist ein Albtraum oder?“ Fragte Dawn vorsichtig.

„Ich bin mir nicht sicher.. bestimmt haben wir wieder einen Fehler gemacht.“

 

„Offensichtlich,“ sagte Dawn gereizt. „Ich hatte dich noch warnen wollen...klasse uns bleibt jetzt nur noch ein Wunsch oder?“ Buffy nickte. „Und wenn dieser auch schief geht, sind wir vielleicht irgendwo gefangen und kommen da nie wieder raus.“

 

„DJINN,“ rief Buffy eine Spur panischer.

 

„Zu Ihren Diensten?“

 

Buffy wirbelte herum. Der Djinn schwebte hinter ihnen. „Was ist das jetzt schon wieder?“

 

„Eine Wohnung in Cleveland,“ erklärte der Djinn geduldig.

 

„Aber wir wollten doch eine perfekte Wohnung.“

 

„Ihr sagtet:  Ich wünsche mir eine Wohnung in Cleveland.“

 

„Aber eine perfekte.“

 

„Das kam nicht im Wunsch vor. Und daran gedacht habt Ihr auch nicht.“
 

Schade, dachte Buffy, dass sie in ihrem Unterbewusstsein noch immer mit diesen Bruchbuden beschäftigt war. Frustrierend.  „Ich hätte einen guten und perfekten, dritten Wunsch.. bring uns... nein halt.. ich wünsche mir sofort mit Dawn zurück in unsere alte Wohnung in Cleveland, Eigentümer Rupert Giles, Erie Street...“, fügte Buffy hastig hinzu, um ja nichts zu vergessen.

 

„So sei es,“ der Djinn klatschte in die Hände und als diesmal das „Puff“ erklang, befanden sich Dawn und Buffy in Giles Wohnzimmer.

 

„Gott sei Dank... das scheint gut gegangen zu sein,“ seufzte Dawn und nahm erschöpft Platz. „Weißt du was, Buffy? Ich finde es hier gar nicht mehr so schlecht.“ Ihr Blick wanderte im Raum herum, während Buffy in der Küche verschwand, um sich etwas zu trinken zu holen.

 

„Na ich weiß nicht,“ Buffy hob prüfend die Orangensaftpackung hoch. „Schon wieder mit Fruchtstücken. Ich hasse Saft mit diesen ekligen, glitschigen Stücken. Das erinnert mich immer an eines dieser fiesen, schleimigen Kreaturen. Und das ist ein Grund, wieso wir ausziehen müssen.“

 

Dawn wollte gerade den Einwand bringen, dass sie sich gerade selbst davon hatten überzeugen können, wo eine eigene Wohnung sie hinführen würde, als Giles überraschend aus dem Zimmer der beiden Mädchen auftauchte.

 

„Da seid ihr ja,“ Giles wirkte sehr erleichtert.

 

„Wir waren nur... meine Güte, Sie werden uns das nie glauben,“ fing Dawn an.

 

„Sie haben schon wieder Saft mit Fruchtfleisch gekauft,“ sagte Buffy zusammenhangslos und anklagend.

 

Giles blickte sie etwas irritiert an. „Bitte?“

 

„Saft,“ Buffy hob die Packung hoch, damit sie Giles sehen konnte. „Fruchtstückchen,“ sie schüttelte zur Demonstration die Packung, in deren Inneren es schwappte.

 

„Ich bevorzuge nun einmal diesen Saft,“ antwortete Giles noch immer irritiert.
 

„Ja SIE. Aber wir sind hier zu viert.. ein wenig Rücksichtnahme wäre nicht schlecht.“ Trotzdem schenkte sich Buffy ein Glas voll.

 

„Ach ja,“ Giles verschränkte die Arme vor der Brust. „Nun, drücken wir es einmal so aus.. wenn du dich um Einkauf und die Finanzierung kümmerst, können wir uns darüber gerne noch einmal unterhalten.“

 

Buffy schenkte Giles einen ihrer „das meinen Sie jetzt ganz sicher nicht so ernst“ - Blicke und zog eine Augenbraue herausfordernd in die Höhe, als Giles ihrem Blick standhielt. Dawn war der Ansicht, die beiden würden sich wie zwei Duellanten gegenüber stehen. Doch schließlich nahm Giles die Arme von der Brust und trat näher an die Durchreiche zur Küche, griff sich das Glas und tat etwas völlig Überraschendes – er trank es vor Buffys entrüsteten Augen leer. „Ende der Diskussion.“ Und damit stellte Giles das Glas mit einem Rums ab. „Wir haben noch jede Menge anderes hier, das deinen Ansprüchen sicher gerecht wird.“

 

Buffy starrte ihn fassungslos an. Völlig perplex brachte sie kein Wort heraus, während Dawn alle Mühe hatte, nicht in lautes Gelächter auszubrechen und sich krampfhaft auf die Zunge biss.

 

„Also was habt ihr erlebt?“ Giles drehte sich zu Dawn und in seinen Augen blitzte es amüsiert auf. Es war lange her, dass er Buffy sprachlos machte.

 

„Es war völlig verrückt,“ begann Dawn los zu plappern.

 

„Ja, verrückt und merkwürdig,“ grummelte Buffy, wandte sich ab und suchte im Kühlschrank nach etwas, das sich trinken ließ.

 

„Oh, wenn ihr darüber reden wollt.. ich hätte ein wenig Zeit. Ich hatte nämlich auch gerade eine verrückte Begegnung.“ Giles wollte sich auf das Sofa setzen, als Buffy plötzlich an seiner Seite auftauchte.

 

„Reden. Reden ist ein gutes Stichwort, Giles. Ich wollte schon seit ein paar Tagen mit Ihnen reden, aber irgendwie hat es sich nie ergeben.“

 

„Oh.. uhm... gut....“, unsicher sah er seine ehemalige Jägerin an.

 

„Mir wäre es sehr recht..,“ Buffy sah zu Dawn und dann zur Treppe.

 

„Oh, uhm... natürlich .. unten? In meinem Büro?“

„Gut, wenn mich niemand braucht.. und sich niemand über Flaschengeister unterhalten möchte... ich bin mal schnell weg.. mich mit Sam, Mara... ach was soll’s,“ murmelte Dawn, als sie bemerkte, dass Buffy mit Giles längst gegangen war.

 

++++

 

Cleveland
Ratsgebäude
Selbe Zeit

Willow durchquerte den großen und menschenleeren Konferenzraum, um in Giles Wohnung nach dem Wächter zu sehen. Im Flur blieb sie kurz stehen, weil sie aus dem Büro Stimmen zu hören glaubte, aber offensichtlich hatte sie sich getäuscht. Ihr Weg führte weiter über die Treppe nach oben in die Wohnung.

„Giles?“ rief die Hexe mit Hoffnung, dass der Wächter oder einer seiner Mitbewohner ein Lebenszeichen von sich gaben. Sie ließ ihren Blick durch das leere Wohnzimmer gleiten und verstand was Buffy damit gemeint hatte, sie wolle Giles nicht noch mehr Unannehmlichkeiten bereiten. Überall auf dem Couchtisch zeichneten sich Ränder von abgestellten Gläsern ab, die wohl nicht abgewischt worden waren und auf einem Sessel fand sich ein Top, das seiner Größe nach zu urteilen, wohl Dawn gehören musste. Willow schmunzelte. So eine Unordnung und das bei einem Mann, der sogar seine Dämonenlexika nach Alphabet ordnete. Armer Giles!!

Als Willow weiterging und Dawns Zimmer betrat, in der Hoffnung wenigstens Dawn oder Buffy anzutreffen, fand sich zwischen einem Geschenkkarton und Putztuch eine alte, goldene Öllampe. Das Licht der Mittagssonne ließ sie strahlen. Willow runzelte die Stirn. Waren da Buchstaben auf dem Bauch der Lampe? Um sie besser lesen zu können, begann Willow an ihr zu reiben. Während sie mit dem Ärmel ihres dünnen Oberteils an der Lampe rieb, entstieg Rauch ihrem Ende. Erschrocken stellte Willow das alte Ding wieder an seinen Platz und sah zu wie Rauch aus der Vorderseite der Lampe aufstieg und mit einem Puff erschien ein Mann mit schwarzem Bart und Turban auf dem Kopf. Wie Willow feststellte, schwebte er einige Meter über dem Boden. Seine Kleidung ließ ihn aussehen wie die Helden aus den tausend und einer Nacht-Geschichten.

„Dauernd reibt jemand an der Lampe!!“ murmelte er und begann ein wenig an seiner kurzen, ärmellosen Weste zu zupfen.


„Ehm….Hallo?“ machte die Hexe einen schwachen Versuch die Aufmerksamkeit des Flaschengeistes auf sich zu lenken. Der Flaschengeist sah auf.

„Ihr habt also an der Lampe gerieben?“

Willow nickte. „Wer sind Sie?“

„Ich bin Djinn, ein Flaschengeist, und da Ihr an meiner Lampe gerieben habt, stehen Euch drei Wünsche zu!!“

Willow versuchte das eben Erfahrene zu verarbeiten. Dann gab es Flaschengeister also wirklich. Sie durfte sich was wünschen. Nur was? Hatte sie denn nicht schon alles was sie sich wünschte? Freunde, Studium, Zauberkräfte. Was wollte man mehr?

„Also ich höre. Wollt ihr, Ruhm, Macht oder gibt es jemanden, der sich in Euch verlieben soll?“ drängte der Djinn.

Willows Gesicht hellte sich auf. „Ich weiß etwas!! Ich wünsche mir einen Job, bei dem ich den Menschen Freude bringen und meine Fähigkeiten voll einsetzen kann!!“

"Wie Ihr wünscht, “ lächelte der Djinn, schnipste mit dem Finger und ließ Willow in einer Rauchwolke verschwinden. „Ich sollte zur Gewerkschaft gehen.“ Damit zog sich der Flaschengeist in sein beengtes Zuhause zurück.

+++

 

Schaurige Musik drang durch die Boxen an Willows Ohr und vor ihr reihten sich die Schaufenster der verschiedensten Geschäfte aneinander. Willow befand sich in einem Kaufhaus. Kleine Kürbisse zierten den Eingang der meisten Geschäfte und viele Kinder waren maskiert. Sogar ein kleiner Vampir fand sich unter den Verkleideten. Die Hexe schmunzelte. Wenn Buffy und Kennedy das sehen könnten….Plötzlich wurde ihr klar, dass es nach dieser Zeitrechnung Halloween sein musste, obwohl der 31. Oktober erst in einigen Wochen war. Wahrscheinlich hatte der Djinn einfach ein wenig an der Zeit gedreht. Das verwirrte die Hexe auch weniger als die Blicke, die ihr von Kindern und Kunden zugeworfen wurden. Ein Blick an sich herunter ließ Willow einen leisen Schreckensschrei ausstoßen. Sie trug ein schwarzes, langes Hexenkostüm.

„Du hast aber eine komische Nase!!“ kicherte ein junges Mädchen, das mit seiner Mutter vor Willow stand.

„Komische N…“. Willow stockte als sie plötzlich das Gummiband spürte, dass sich um ihre Backen und Ohren zog. Ganz langsam führte die Hexe ihre Hände an ihr Gesicht und speziell an ihre Nase und war schockiert. „Eine Plastiknase?!?“ schrie sie das kleine Mädchen vor sich mit schriller Stimme an.

„Ähm….Ich würde gerne ein Foto mit Ihnen und meiner Tochter machen. Sie sind eine wirklich gute Kaufhaus-Hexe!!“ lobte die Mutter des Mädchens und suchte in ihrer Tasche nach ihrem Fotoapparat.

„Kaufhaus-Hexe?!“ rief Willow noch schriller als zuvor und drängelte sich an Mutter und Kind vorbei zu einer Tür, auf der ganz groß  „Restroom“ stand. Der Blick in den Spiegel rief die schlimmsten Befürchtungen in der Hexe wach. Sie trug einen schwarzen Spitzhut auf dem Kopf, der absolut lächerlich wirkte. Ganz zu schweigen von den übertrieben rot geschminkten Backen und der Plastiknase inmitten ihres Gesichtes. Panik machte sich in Willow breit. Vor zwei Jahren noch hatte sie sich bei Dawn lautstark darüber beschwert wie albern doch diese Verkleidungen aussahen und nun das ihr. Einer echten Hexe. Dieser Albtraum musste ein Ende finden und das schnell!!!

„DJINN!!“ schrie sie deshalb. Es gab ein lautes Puff mit etwas Rauch, dann schwebte der Flaschengeist vor ihr.

„Was gibt es denn nun? Habt Ihr einen zweiten Wunsch?“ wollte er wissen als wäre nichts passiert.

„Du hast eine Kunden-Attraktion aus mir gemacht!!“ sagte die Hexe anklagend.

„Ihr wolltet einen Job, der Menschen glücklich macht und bei dem Ihr eure Fähigkeiten ausnutzen könnt,“ meinte der Djinn gelassen. „Das kleine Mädchen war wirklich sehr glücklich als es Euch gesehen hat. Aber ich denke, Ihr habt ihm Angst eingejagt.“

„Ich wollte mich aber nicht zum Affen machen!!“ jammerte Willow.

„Euch Menschen kann man auch gar nichts recht machen!! Na schön. Was ist Euer zweiter Wunsch??“ seufzte der Djinn.

Willow dachte angestrengt nach. Was wollte sie schon immer mal machen? Da fiel ihr ein wie gern sie unterrichtete und erinnerte sich an die Nachhilfestunden, die sie Buffy in der High School gegeben, und wie sie den Computerkurs von Miss Calendar übernommen hatte. „Ich wünsche mir zu unterrichten. An einer Schule. Vielleicht etwas mit Computern oder….“ Willow hielt sich zurück, die Zauberei ins Spiel zu bringen. Womöglich kam der Djinn sonst noch auf die Idee sie nach Hogwarts oder dergleichen zu schicken.

„Wie Ihr wünscht,“ sagte der Djinn, schnippte erneut, wodurch Willow zum zweiten Mal mit einem Puff in einer Rauchwolke verschwand.

 

++++

 

Giles Wohnung
Ein paar Stunden nach Willow

“Wo sind die denn alle hin?" Verwundert blickte Andrew sich in der Wohnung um. "Nicht, dass wir irgendwie in einer Paralleldimension gelandet sind," fügte er ängstlich hinzu, "oder vielleicht fünfzehn Minuten in der Vergangenheit." Er nahm einen Schluck aus seiner Coladose. "Nein, sie schmeckt noch!"

"Wie wär's damit, dass sie einkaufen gegangen sind?" Xander öffnete die Tür zu Giles' Schlafzimmer, und stellte den Werkzeugkasten ab. "Aber falls hier irgendwo ein toter Typ im Hasenkostüm rumrennt, sag mir Bescheid." Er brach ab. Der Gedanke an Hasen versetzte ihm einen schmerzhaften Stich, und ihm war klar, dass er jetzt besser das Thema wechselte. Er hatte einen Lichtschalter zu reparieren, also öffnete er den Kasten und suchte nach dem richtigen Schraubenzieher. Als erstes musste er die Überreste des alten Schalters von der Wand schrauben. Dann würde er sich erst mal die Kabel ansehen.

"Xander, sieh mal, was ich gefunden habe," klang Andrew's Stimme aufgeregt aus dem Nebenzimmer.

"Mach bloß nichts kaputt!" rief Xander zurück. Sie mussten nicht schon wieder Chaos und Zerstörung über Giles' Wohnung hereinbrechen lassen.

In Dawns Zimmer betrachtete Andrew die goldene, ein wenig exotische Öllampe, die auf dem Boden lag. "Da ist bestimmt eine Jeannie drin," überlegte er, hob den glänzenden Gegenstand auf, und begann ihn kräftig zu schütteln. "Jeannie? Jeannie, komm raus!"

Ihm fiel ein, das Schütteln ja nichts half, und er begann an der Lampe zu reiben. Als dichter Rauch das Zimmer füllte, musste er zwar husten, aber es überraschte ihn nicht besonders, als die Rauchwolke mit einem Puff verschwand. So lief das doch immer ab.


Es war allerdings kein blondes Mädchen, das über ihm im Zimmer schwebte, sondern ein orientalisch aussehender Typ. Na, das machte nichts, spätestens seitdem er Aladdin und Wishmaster gesehen hatte, wusste er, das Flaschengeister auch männlich sein konnten. Und ziemlich gefährlich, aber so böse, oder besser gesagt, so gut, wie Andrew Divoff sah der hier wirklich nicht aus. Man durfte eben nicht alles glauben, was man im Fernsehen sah.

"Ich wünsche mir," begann Andrew, noch bevor der Djinn überhaupt zu Wort gekommen war, "ich wünsche mir meine Eltern, und Warren, und Jonathan zurück, und dann noch eine neue Staffel zu Millenium, Dark Angel, Stargate, Babylon 5, und X-Files, und dann noch einen schwarzen Trans Am, oder besser noch, einen schwarzen Trans Am, und einen DeLaurian und einen..."

"Halt, halt," unterbrach der Geist Andrew’s Redefluss, "wie mir scheint, sind euch die Regeln gänzlich unbekannt!" Er hielt drei noch immer leicht qualmende Finger in die Höhe. "Ihr habt genau drei Wünsche frei, nicht mehr und nicht weniger!"

"Aber das waren doch drei!" Mit seinem unschuldigsten Unschuldsblick sah Andrew das schwebende Wesen an. Dieses jedoch runzelte die Stirn, bis Andrew verlegen die Augen abwandte. "Ähm..."

"Ihr müsst eben entscheiden, was Euch das Wichtigste ist." Bedauernd zuckte der Djinn mit den Achseln. "Und das möglichst bald, denn ich bin äußerst beschäftigt!"

"Also gut, also gut," murmelte Andrew vor sich hin. "Drei sei die Zahl, die du zählest, und die Zahl, die du zählest, soll drei sein. Weder sollst du zählen, bis zur vier...ach, kann ich mir denn nicht für den einen Wunsch zwei andere Wünsche wünschen, und vier haben?" fragte er kleinlaut, und sah flehentlich zu dem Geist auf. Der jedoch schüttelte stumm den Kopf.

"Ein 'Bitte' mit ganz viel Zucker, und ner Kirsche obendrauf?" versuchte Andrew es ein weiteres Mal.

"Ich mache die Regeln nicht, junger Mann," entgegnete der Djinn ungehalten. "Ich bin ebenso an sie gebunden, wie Ihr!"

"Na schön." Andrew schniefte in sein Spiderman Taschentuch, und sein Gesicht nahm einen trotzigen Ausdruck an. "Ich will mir nichts mehr wünschen! Soll Xander sich was wünschen!"

Er lief zur Tür und schrie in den Flur hinaus: "Xander! Komm mal her, hier ist eine männliche Jeannie, die Wünsche erfüllt!"

 

++++

 

Eine Etage tiefer... Giles Büro
„Setzt dich doch,“ Giles zeigte auf den freien Besucherstuhl. Er selbst ließ sich auf die Tischkante sinken, nahm seine Brille ab und spielte damit. Er war nervös...

 

„Ich denke, ich bleibe lieber stehen.“ Buffy setzte ein ernstes Gesicht auf und fing an, im kleinen Raum auf und ab zu gehen. „Ich denke, Sie wissen... nun... wir waren nie gut in diesen Dingen. Reden meine ich. Also, dachte ich mir ganz urplötzlich... reden könnte helfen.“

 

Giles lächelte sie gezwungen an, um sich Mut zu machen und hatte nicht die geringste Ahnung in welche Richtung sie das Gespräch führen würde.

 

„Es ist so vieles passiert seit Sie damals weg sind und das meiste wissen Sie ja sowieso.“ Buffy ließ sich nun doch auf den Stuhl sinken. „Und trotzdem... wir hatten vor meiner Abreise so wenig Zeit, um uns über das zu unterhalten, was, seit ich Caleb getötet habe, passiert ist. Habe ich Ihnen eigentlich erzählt, dass ich, als Angel so plötzlich in dieser Gruft aufgetaucht ist, alles vergessen, und mich einfach an seinen Hals geworfen hab’?“

 

Giles räusperte sich und glaubte rot zu werden. „Nein.. uhm... mit Sicherheit nicht Buffy, und ich weiß nicht, ob ich die richtige Person bin, der du davon erzählen solltest.“

 

„Nun ja.. meine Mutter ist tot, wie Sie wissen und mein Vater schert sich einen Dreck um uns.. ich habe niemanden... eh älteren, der mir etwas raten könnte, außer Ihnen, und wir stehen uns im Moment auch nicht mehr so nah.“

 

Erst hatten ihn Buffys Worte verlegen gemacht, dann erfreut und jetzt folgte ein Tiefschlag. Giles war erschüttert. So direkt hatte er all die Dinge nicht wissen wollen.

 

„Kommen Sie schon, machen Sie nicht so ein betretenes Gesicht. Das ist doch nichts, was wir nicht aus der Welt schaffen könnten.“ Er nickte gezwungen. „Ach und dann die Sache mit Spike.. ich hätte es Ihnen wohl besser erklären müssen, dann hätten Sie nicht so schnell geurteilt und mich besser verstanden.“ Buffy stellte überrascht fest, dass es ihr nicht schwer fiel über Spike zu reden. Merkwürdig... in den letzten Tagen war sie doch so froh gewesen, dass sie niemand auf ihn und auf das, was passiert war, angesprochen hatte? Und jetzt sprach sie ganz offen darüber? Etwas stimmte nicht. „Es ging dabei nicht nur um Gefühle und Sex...“

 

Giles hustete, räusperte sich und war nahe daran, Buffys Redefluss zu unterbinden, doch einmal in Fahrt gekommen, ließ sich Buffy nicht aufhalten. „... das war mehr bei Angel so. Wobei das Thema Sex natürlich tabu war. Wenn ich es mir genau überlege, ging es bei Spike und mir eine ganze Weile nur um Sex...“, was redete sie da nur? Buffy war sich bewusst, dass das Gespräch eine ganz andere Wendung nahm. Sie konnte nur nichts dagegen machen.

 

Giles erneutes Räuspern unterbrach sie dann doch. „Ihnen ist das unangenehm?“ Halt.. Sie hatte doch fragen wollen Sie merken auch, dass ich die falschen Dinge laut ausspreche?

 

„Nun... in gewisser Weise ja. Wir sollten fürs erste vielleicht über andere Dinge sprechen? Wichtigere Dinge? Deine Wohnungssuche...“

 

„Aber das tue ich doch,“ entrüstete sich Buffy.

 

Giles verdrehte die Augen und stand auf. „Ich habe das Gefühl, hier stimmt etwas nicht.“

 

Buffy sah ihn alarmiert an. „Sie merken das auch?“

 

Giles nickte. „Ich hatte vor ein paar Minuten eine Begegnung mit einem Flaschengeist...“

 

„Oh, Turban, Bart, Weste, Pluderhosen ...“, zählte Buffy auf, die sich insgeheim fragte, was Giles sich gewünscht hatte, dass sie so verkehrte Dinge sagte.

 

„Der Djinn.“ Bestätigte Giles.

 

„Sie haben sich von ihm gewünscht, dass ich mit Ihnen über Sex rede?“ Entsetzt über die Erkenntnis, schnappte Buffy nach Luft.

 

„Nein... um Himmelswillen, nein.“ Wehrte Giles ab. „I-ich wollte nur...reden.“

 

 „Verstehe. Das können wir gerne tun, wenn Sie dafür gesorgt haben, dass der Wunsch aufhört. Rufen Sie einfach nach dem Flaschengeist.“

 

„Uhm.. ja...,“  etwas zerstreut rückte Giles seine Brille zurecht und rief „Djinn?“

 

++++

 

Xander war gerade dabei die letzte Schraube festzuziehen, als er Andrew aus dem Nebenzimmer plärren hörte. Hoffentlich hatte der Junge nicht irgend was kaputtgemacht, oder mit magischen Artefakten herumexperimentiert! Das fehlte gerade noch!

"Was ist denn los?" Das erste, was er tat, als er die Tür zum Nebenraum öffnete, war, tief Luft zu holen, und mit vorsichtigen Blicken den Raum abzusuchen. Allerdings bot sich ihm weder ein heilloses Durcheinander, noch die Überreste eines fehlgeschlagenen Zaubers. Alles schien soweit normal zu sein.

Von einer Jeannie war jedoch nichts zu sehen.

"Eben war er noch da!" stammelte Andrew verwirrt. "Er ist hier oben rumgeschwebt!" Um es zu verdeutlichen, wedelte er mit den Armen über dem Kopf.

"Also gut, eben war er noch da," seufzte Xander. "Wahrscheinlich hat dieser Jeannie auch einen Astronauten zum Freund, und ist mit ihm auf den Mond geflogen. Ich wünschte, ich wär auch Astronaut, dann müsste ich mich nicht mit kaputten Lichtschaltern und nervigen kleinen....

"Ihr möchtet Astronaut sein?", erklang eine tiefe Stimme, und das Zimmer füllte sich mit Rauch. „Schon geschehen!"

Im nächsten Moment ging ein Ruck durch seinen ganzen Körper, und Dawn’s Zimmer um ihn herum, löste sich auf. Stattdessen blickte er durch die dicke Plastikscheibe seines Helmes auf eine karge zerfurchte Mondlandschaft.

"Was...was?" stammelte er verwirrt, und taumelte einen Schritt vorwärts. Seltsamerweise wurde aus dem Schritt ein Sprung, und er flog mindestens drei Fuß durch die Luft, bevor er auf den Boden knallte. "Wo bin ich?"

Niemand antwortete ihm. Er fingerte an seinem Helm herum, ließ jedoch die Arme sinken. Falls er sich wirklich auf dem Mond befand, brauchte er das Ding zum Atmen. Wie viel Luft hatte er überhaupt zur Verfügung?

'Mal angenommen, ich bin wirklich auf dem Mond', überlegte er, 'dann muss ich doch irgendwie hierher gekommen sein. Vielleicht hab ich ja ein Raumschiff, oder ein Mondfahrzeug, oder etwas in der Richtung.’  Er rappelte sich hoch, was ihm bei der geringen Schwerkraft relativ problemlos gelang, und begann die Umgebung abzusuchen. Nichts. Kein Fahrzeug, kein Raumschiff, keine Ausrüstung.

Das wurde doch von Minute zu Minute seltsamer.

Andrew hatte etwas von einer Jeannie gefaselt. Natürlich hörte sich das Ganze ziemlich unrealistisch an, doch dasselbe hatte er vor acht Jahren auch von Vampiren geglaubt. Also - einen Versuch war es allemal wert.

"Jeannie!" rief er in seinem luftgefüllten Helm. "Jeannie, wo bist du? Genie? Dschinni?"

Nichts geschah.

"Djinn!" brüllte er schließlich, und in diesem Moment stieg eine Rauchwolke aus dem kargen Mondgestein auf, und verwandelte sich - puff - in einen schwebenden, orientalisch aussehenden Mann. Xander guckte verdutzt. Mit einer theatralischen Geste wischte sich der schwebende Mann den imaginären Schweiß von der Stirn. Das es hier auf dem Mond keine Luft gab, in der man schweben, geschweige denn sprechen konnte, schien dem Djinn nicht das Geringste auszumachen. Als er den Mund öffnete, hörte Xander seine Worte klar und deutlich. "Wieso könnt ihr Menschen nicht einmal, ein einziges Mal nur, mit euren Wünschen zufrieden sein?"

"Wie viele Wünsche hab ich denn frei?" fragte Xander zurück, und der Djinn griff sich an den Kopf. "Ist das die Möglichkeit? Dieses Jahrhundert ist wirklich nicht zum Aushalten!"

"Sind es vielleicht drei?" wollte Xander vorsichtig wissen. Sein Gesprächspartner nickte seufzend, und Xander begann zu überlegen. Einen hatte er schon verschwendet, für den nächsten, wollte er sich etwas wirklich Praktisches wünschen. Etwas, womit er für den Rest seines Lebens etwas anfangen konnte.

"Ich wünsche mir, Karriere gemacht zu haben," erklärte er schließlich. "Und zwar in meiner Firma in Cleveland," fügte er hinzu, denn er hatte keine Lust, als kolumbianischer Drogenboss zu enden.

"Euer Wunsch sei Euch gewährt," erklang die Stimme des Djinns, und die Mondlandschaft außenrum verschwand, ebenso wie der Raumanzug. Erschrocken schloss Xander die Augen.

 

++++

Die Dunkelheit wurde von einem Puff durchdrungen und im selben Augenblick strich über Willows Wange etwas Kaltes, Nasses. Die Hexe verzog angewidert das Gesicht, öffnete ihre Augen und sprang erschrocken auf. Vor ihr stand ein Collie, der freundlich mit dem Schwanz wedelte und versuchte, an Willow hoch zu springen.

„Nein. Sitz!“ drohte sie mit dem Zeigefinger, wich ein wenig vor dem Tier zurück und zuckte vor Schreck zusammen, als der Hund protestierend bellte.

„Claire!!....Claire?...Was machst du schon wieder?“ rief eine Männerstimme sichtlich gestresst. Seine Frisur und sein schüchternes Lächeln erinnerten ein wenig an Angel. Na ja abgesehen von dem Umstand, dass der Typ blonde, statt brauner Haare besaß. „Hallo…ich bin Joey!!“ grüßte der Mann freundlich und legte seinen Hund, Claire, an die Leine. Erst jetzt hatte Willow die Gelegenheit den Ort, an dem sie zu sich gekommen war, näher in Augenschein zu nehmen. Sie befand sich in einer großen Halle, ähnlich einer Lobby. Jedenfalls deutete die hölzerne Theke am Ende des Raumes darauf hin.

„Sie sind es, stimmt´s?“ riss Joey die Hexe aus ihren Gedanken. Willow runzelte verwirrt die Stirn.

„Was?“

„Na, die Hundetrainerin“ lächelte Joey und deutete hinter sich, wo Männer und Frauen mit den verschiedensten Hunden herbei kamen. Der Meute voran ein Mann, Ende vierzig, der einen ausgewaschenen, dunkelblauen Anzug trug und die ganze Zeit über wichtigtuerisch mit den Händen in der Luft herumfuchtelte.

„Willkommen an der Dog School, Cleveland. Mein Name ist James Mathews und das…,“ Mr. Matthews trat neben Willow und schob sie vor sich. „…ist Ms. Rosenberg. Ihre Hundetrainerin. Also dann…viel Erfolg!“ Mr. Mathews tätschelte Willow aufmunternd die Schulter, flüsterte ihr noch ein „die Show gehört ihnen“ zu und stiefelte von dannen.

„M-Moment mal,“ stotterte Willow, doch Mr. Mathews war schon verschwunden. Stille hatte sich auf die Eingangshalle gelegt, bis auf Claire, die Willow erwartungsvoll anbellte. Als die Hexe den Hund mit „Sei still“ anfauchte, hob die Hündin ihr Bein ein wenig an und pinkelte auf Willows nagelneue Lederschuhe.

Joey lächelte entschuldigend und zog Claire von ihr weg. „Entschuldigen Sie. Sie ist in letzter Zeit so schlecht gelaunt. Hat Depressionen.“

Willow starrte den jungen Mann entgeistert an. „Ich dachte die kriegen nur Flöhe und sonst nichts?!“

„Ms. Rosenberg? Können wir dann mit dem Unterricht beginnen?“ wollte ein kleines Mädchen mit einem Yorkshire Terrier neben sich wissen.

„Unterricht? So wie Schule, ja?“ Etwas von der alten Unsicherheit, die Willow in ihrem ersten Jahr an der Highschool an den Tag gelegt hatte, kehrte zurück. Wie um Himmels willen, sollte sie mit einer Horde von Hunden fertig werden. Als Kind hatte sie sich immer die Welpen angesehen und ihre Eltern stets erfolglos um einen angebettelt.

Alle Augen waren erwartungsvoll auf Willow gerichtet. Die Blicke ihrer „Schüler“ brannten sich wie Feuer in Willows Haut.

„Geht schon mal ins Freie. Ich komme gleich nach und dann üben wir…“. Willow sah bewusst Claire an, die sie trotzig taxierte. „…irgendwas. Uns fällt schon was ein,“ lächelte sie schüchtern und bewegte sich langsam auf eine Tür zu, die die Aufschrift „Angestellte“ trug. Die Hundebesitzer wunderten sich zwar über das Verhalten der Trainerin, taten aber dennoch was Willow ihnen gesagt hatte.

Glücklicherweise befand sich niemand in dem Raum.

„Djinn!!!“ schrie sie und es dauerte nicht lange bis der Djinn mit einem lauten Puff vor ihr erschien.

„Gefällt es euch? Eine Hundeschule“ lachte der Djinn stolz.

„Nein. Mir gefällt das überhaupt nicht, Djinn!! Ich wollte unterrichten und etwas mit Computern machen!! Stattdessen werde ich angesabbert und bepinkelt.“ Sie deutete auf ihre Lederschuhe, auf denen man nun deutlich die Flecken sehen konnte.

Der Djinn zuckte mit den Schultern und verschränkte beleidigt die Arme vor seiner Brust. „Ihr sagtet VIELLEICHT etwas mit Computern. Das ist etwas anderes!“

Allmählich riss Willow der Geduldsfaden. Das war nun schon der zweite Wunsch, den der Djinn zu ihrer Unzufriedenheit erfüllt hatte. Jetzt war nur noch einer übrig und Willow hatte eigentlich schon gar keine Lust mehr sich noch irgendwas zu wünschen.

„Und da hast du die Initiative ergriffen und mich zu einer Hundeausbilderin gemacht?“ fragte die Hexe vorwurfsvoll.

„Ich weiß gar nicht, was Ihr habt!! Ich dachte, Menschen mögen Hunde.“

„Ich mag Hunde. Nur nicht unbedingt mit ihnen arbeiten. Schick mich wieder zurück,“ seufzte Willow.

„War das ein Wunsch?“ wollte der Djinn wissen. „Oh wartet... war es einer?“ Willow schüttelte den Kopf. Den dritten Wunsch musste sie sich genau und in Ruhe überlegen. „Dann müsst ihr einen Moment warten... ich werde gerufen...“

 

++++

 

Cleveland
Ratsgebäude – Giles Büro
„Komisch... bei uns hatte das vorhin funktioniert. Rufen Sie noch einmal,“ riet Buffy. „Sonst fallen mir noch ein paar Dinge ein... hm.. hab ich schon jemals mit Ihnen über einen Jungen namens Parker geredet?“

 

„Buffy bitte.... nicht jetzt.“ Giles wurde die Situation peinlicher und peinlicher. Und wenn er den Flaschengeist erwischte.... nun ja, den Hals konnte er ihm schlecht herumdrehen. „Djinn?“

 

„Schon zur Stelle.“ Der Flaschengeist erschien mit einem „Puff“. „Ein wenig eng hier unten.“ Kritisierte er ernsthaft das Büro.

 

„Wo hast du gesteckt?“ Buffy trat auf ihn zu und ignorierte seine Spitze.

 

„Hatte alle Hände voll zu tun. Aber was kann ich für Euch tun?“

 

„Meinen Wunsch rückgängig machen,“ brummte Giles. „Ich hatte mir das ganze etwas anders vorgestellt.“

 

„Sie müssen sagen, ich wünsch mir...“, belehrte ihn Buffy und wurde mit einem leicht genervten Blick belohnt.

 

„Ihr habt Eure drei Wünsche bereits gehabt.“

 

„Ich weiß,“ stöhnte Buffy. „Und ich verzichte auf weitere.“

 

„Und Ihr, was stimmt an Eurem Wunsch nicht?“

 

„Nun... ich wollte mit Buffy über unsere Probleme reden, aber nicht mit ihr ehm...,“ Giles räusperte sich erneut und Buffy unterdrückte ein Grinsen. „Über i-ihr Liebesleben sprechen.“

 

Der Djinn lächelte. „Das habt Ihr so aber nicht gesagt. Ihr ward nicht präzise.“

 

„Nun gut,“ Giles räusperte sich. „Dann machen wir es eben wieder rückgängig. Djinn.. ich wünsche mir, dass du meinen Wunsch zurücknimmst und alles beim alten belässt, wie es vor meinem Wunsch war.“

 

„So sei es,“ der Djinn klatschte in die Hände.

 

„Das war alles?“ Giles blickte misstrauisch den Geist an.

 

„Ja... wenn Ihr mich nicht mehr braucht...“

 

„Wohin willst du?“

 

„In meine Lampe, und mich etwas ausruhen.“

 

„Aber wir...“

 

„Warte Buffy,“ Giles zog die Stirn kraus. „Du kannst gehen. Meinen dritten Wunsch werde ich mir länger überlegen.“

 

„Wie Ihr wollt.“ Es machte Puff und der Djinn war weg.

 

„Wir sollten die Lampe suchen und sie untersuchen,“ schlug Giles vor und erklärte damit, wieso er den Djinn hatte gehen gelassen.

 

„Gerne,“ Buffy folgte ihm zurück in die Wohnung, einen Stock höher. „Sagen Sie.. habe ich wirklich in Ihrer Nähe die Wörter, Angel, Spike und Sex in den Mund genommen?“

 

Giles zog es vor, zu schweigen, aber das war Buffy Antwort genug. „Oh Gott,“ stöhnte die Jägerin und schämte sich dafür, während sie weiterging.

 

++++

 

Willow hoffte, dass der Djinn sie nicht vergessen hatte. Schon zum fünften Mal hatte sie Claire den Stock geworfen und immer wieder hatte sich dieser dumme Hund hingelegt und sie nur verständnislos angehechelt.  Willow sah Mr. Matthews wütendes Gesicht durch das Fenster spähen. Wie gerne wäre die Hexe lieber in ihrem kleinen Raum geblieben und hätte darauf gewartet, dass der Flaschengeist zurückkehrte. Gerufen worden sei er, hatte er behauptet.

Sie fühlte die wütenden Blicke ihrer Schüler. Am liebsten wäre sie im Erdboden verschwunden.

„W-Wir also machen zwanzig Minuten Pause“ stammelte sich Willow zusammen, während die Hundebesitzer erleichtert, aber auch verärgert über die Inkompetenz ihrer Lehrerin schienen.  Willow suchte nach einem Raum, in dem sie ungestört sein konnte und fand ihn zu ihrem Glück dann auch.

„DJINN!!“ hörte sie sich schreien. Mit dem üblichen Puff erschien der Flaschengeist daraufhin vor Willow.

„Wisst Ihr schon, was Euer dritter Wunsch werden soll?“ wollte der Flaschengeist wissen.

„Was kann ich mir wünschen, das nicht in die Hose geht?“ erwiderte die Hexe trocken.

„Hmm….Sarkasmus. Also habt Ihr Euch noch nicht für einen Wunsch entschieden?“ fragte der Djinn mit hochgezogenen Augenbrauen.

Willow zog die Stirn kraus und wollte den Mund öffnen um einen Wunsch zu äußern, als der Djinn aufschreckte und mit gerunzelter Stirn die Decke anblickte. Wieder hörte er Xander „Djinn!!“ rufen und schnaufte genervt. Heute gönnte ihm aber auch niemand eine Verschnaufpause.

„Tut mir leid. Ich werde von einem meiner anderen Meister gerufen. Überlegt Euch Euren nächsten Wunsch gut. Ihr habt nur noch einen.“ Riet der Flaschengeist.

„Wenn die Hunde da draußen mich nicht in den Wahnsinn treiben,“ murmelte Willow und warf, wie zur Bestätigung einen Blick auf die Schuhe, die Claire vorhin ruiniert hatte. Doch der Djinn hatte sich schon in Rauch aufgelöst und ihre Bemerkung nicht mehr hören können.

 

++++

 

"Das können Sie nicht machen! Das können Sie einfach nicht machen!" Flehend blickte die junge Frau Xander an, und verdrückte einige Tränen.

Xander, oder Mr. Alexander Harris, Management, wie das Schild an seiner Bürotür verkündete, saß, mit einem sündteuren Anzug bekleidet, an seinem riesigen Schreibtisch im obersten Stock des Hauptgebäudes der Barker Cooperation. Sein PC summte munter vor sich hin, und in der manikürten und beringten Hand hielt er einen gelben Highlighter. Offensichtlich war er gerade dabei gewesen, sich einige Passagen auf den vor ihm liegenden Blättern anzustreichen.

Vor dem Schreibtisch stand besagte junge Frau, und redete schluchzend weiter: "Meine Urgroßmutter lebt seit über neunzig Jahren in diesem Haus! Sie können es ihr nicht einfach wegnehmen!"

"Also...uhm...ich," stotterte Xander verwirrt, und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. Offensichtlich wollte seine Firma die alte Frau aus dem Haus raus haben, vielleicht, um es abzureißen, oder es neu zu vermieten, wie auch immer. Nun, damit würde jetzt Schluss sein. Er war jetzt Manager und traf die Entscheidungen!

In diesem Moment betrat eine blonde junge Frau in einem eleganten Kostüm das Büro, gefolgt von zwei breitschultrigen Männer in maroonfarbenen Uniformen. Sie lächelte Xander verführerisch an, und strich sich ihr langes Lockenhaar zurück. Dann bedachte sie die unglückliche Bittstellerin mit einem verächtlichen Blick, und winkte die beiden Sicherheitskräfte heran. "Na los! Bringen Sie den Eindringling nach draußen, wie Mr.Harris es angeordnet hat!"

"Was hab' ich angeordnet?" fragte Xander erschrocken und sprang auf.

Die blonde Frau trat auf ihn zu, und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Beruhige dich, Liebling. Ich weiß, du bist nervös wegen des Meetings, aber es wird sicher alles nach Plan verlaufen. Wir haben diese kleine Baufirma so gut, wie in der Tasche. Selbst wenn im Vorfeld nicht alles im richtigen Zeitrahmen abgelaufen ist."

"Äh...ja," stammelte Xander, der nicht die geringste Ahnung hatte, wovon seine Gesprächspartnerin sprach. Noch viel mehr verwirrte ihn die Intimität, die sie im Umgang mit ihm an den Tag legte. War er in diesem Universum vielleicht verheiratet?

Er sah auf seine Hände. Kein Ehering, zum Glück. Diese Alexis Colby in Blond würde er mit Sicherheit nicht zum Altar führen. Obwohl er gar nicht leugnen wollte, dass sie dieselbe raubtierhafte Faszination besaß, wie einst die gute Miss French. Genau der Typ Frau, der ihn sein Leben lang in Schwierigkeiten gebracht hatte.

Sie lehnte sich nach vorne, und er konnte die Wärme ihres Atems an seinem Gesicht spüren. "Was ich damit meine, Liebling," hauchte sie, und ihre dunklen Augen blitzten amüsiert, "wenn ich jemanden in einen Sarg lege und begrabe, obwohl er noch nicht tot ist, führt es schlussendlich doch wieder zu dem Ergebnis, dass in dem Grab eine Leiche liegt!"

"Ähm...ich glaub, ich muss mal!" Xander befreite sich aus ihren Armen, und lief mit hastigen Schritten zur Tür. Dieser Djinn würde sich was anhören dürfen, soviel war sicher!

 

++++

 

„Hm... sieht nicht ungewöhnlich aus,“ Giles drehte die Lampe in seinen Händen hin und her. Lily war inzwischen von einem Einkaufsbummel zurückgekehrt und hatte die beiden im Büro vorgefunden. Kurz entschlossen hatte sie ihre Hilfe angeboten.
 

„Zeig mal,“ Lily nahm ihm die Lampe vorsichtig aus der Hand, und als ihre Fingerspitzen seine Hand streiften, wurden Giles zwei Dinge bewusst.. die Berührung war nicht unangenehm und Lilys Augen ruhten auf ihm mit einem Blick, der eine Spur zu weich wurde. In den letzten Tagen war es öfters zu diesen kurzen Augenblicken gekommen, die ihn verlegen gemacht hatten. Er räusperte sich und ließ die Lampe los. Der Augenblick ging vorüber. „Hm ja, auf den ersten Blick... orientalisch. 10. Jahrhundert?“

 

„Wenn nicht sogar früher. Aber ein Flaschengeist verdreht die Wünsche nicht unbedingt, oder sucht nach der negativen Seite eines Wunsches. Unser Djinn hat Buffy und Dawn nach Sibirien geschickt und Buffy gezwungen, mit mir über Dinge zu reden, die wir... uhm... gehen wir nicht näher darauf ein.“

 

Buffy lächelte ihm dankbar zu und rutschte nervös auf der Tischkante. „Also.. was schlagen die klugen Wächterköpfe vor?“ Fragte sie schließlich sarkastisch genug, um zu zeigen, dass ihr das Warten zu viel wurde.

 

„Darf ich noch einmal?“ Giles nahm Lily die Lampe ab, bewusst kühl, um nicht zu zeigen, dass ihn zum einen Buffys Worte getroffen, und zum anderen, Lilys Berührungen durcheinander gebracht hatten. Er hob den Deckel von der Lampe. In ihrem Inneren glühte ein grünliches Licht und eine kleine Nebelfront zog darin umher. Es war für ihn aufregend und interessant zugleich. Noch nie hatte er das aktive Innenleben einer Wunschlampe beobachten dürfen. Aus diesem Grund hielt Giles stumm Lily die Lampe unter die Nase. Ihr interessierter Blick lockte Buffy schließlich herbei.

 

„Erinnert mich irgendwie an Ghostbusters... langweilig.“ Kommentierte Buffy, nach dem sie in das Innere geblickt hatte. „Sie sollten anfangen, Vorschläge zu machen, damit Sie Ihr Geld auch wert sind, das Ihnen Giles zahlt.“

 

„Der Rat,“ berichtigte Giles heiser und nahm den leicht verärgerten Blick von Lily wahr, den diese Buffy schenkte, ohne das die Jägerin etwas davon bemerkte. Er sah zurück auf die Lampe und drehte den Deckel in seiner Hand.

 

„Wie auch immer,“ Buffy fiel das Warten immer schwerer. So kamen sie nicht voran.

 

„Oh...,“ Giles entdeckte in diesem Moment  auf der Innenseite eine Inschrift und hob den Deckel näher an seine Augen. „Da steht etwas.. es ist wohl kein arabisch.“

 

Lily nahm ihm den Deckel ab. „Nein.. das ist eine dämonische Sprache. Hm.. ich glaube ich habe sie schon einmal gesehen.“

 

„Du kannst damit etwas anfangen?“ Giles klang erleichtert.

 

„Nun ich sagte, ich habe sie schon einmal gesehen. Vielleicht kann ich sie übersetzen,“ Lily reichte Giles den Deckel, der seinerseits nun ein wenig verärgert Lily ansah.

„Großartig.. und auf was warten wir noch?“ Buffy ließ sich, begleitet von einem lauten, protestierenden Krachen des alten Stuhles, fallen und starrte Giles resigniert an.

 

„Ich bräuchte ein paar Dinge.“ Lily wandte sich Giles zu, der nickte, bereit sich Lilys Wünsche anzuhören.

 

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Der Djinn erschien Xander, der ihn wütend anfunkelte. Er verdrehte die Augen.

 

„Ihr habt gerufen? Und lasst mich raten.. Euch passt der Wunsch auch nicht?“

 

Xander hatte eine ganze Rede für den Djinn parat gehabt, doch die Worte des Flaschengeistes ließen ihn stutzen. „Auch? Was heißt ‚auch nicht’?“

 

„Oh, ich hatte heute einen sehr geschäftigen Tag. Dann nennt mir euren dritten Wunsch.“

 

Jetzt war Xander erst recht durcheinander. Aber da bereits laut gegen die Türe geklopft wurde und man ganz dringend den ‚Chef’ sprechen wollte, hielt sich Xander nicht lange mit Fragen auf.

 

„Moment... das wäre dann mein dritter Wunsch. Ich muss nachdenken...“

 

„Tut das,“ seufzte der Djinn und lauschte, ob nicht wieder die kleine Rothaarige nach ihm rief.


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Während Giles in den beiden kleinen Schränkchen zu finden suchte, was Lily aufzählte, versuchte Buffy krampfhaft zu schweigen. Doch lange konnte sie sich den Mund nicht selbst verbieten:

 

„Ich schätze, da Sie den armen Giles hier herumscheuchen, haben Sie bereits den Text übersetzt? Sonst wüssten Sie wohl nicht, was Sie brauchen?“

 

Lily lächelte gezwungen und hielt inne, was Giles die Zeit gab, die Dinge in seinen Armen auf dem Schreibtisch abzulegen. „Einen Teil ja. Es scheint ein Fluch zu sein. Jemand hat den Djinn dazu verdammt, die Wünsche anders aufzufassen, als sie ausgesprochen werden.“

 

„Das habe ich schon einmal irgendwo gelesen,“ murmelte Giles.

 

Buffy verdrehte die Augen. Wieso musste man diesen Wächtern immer alles aus der Nase ziehen? Jetzt setzte Giles auch noch sein nachdenkliches Gesicht auf und war ganz verstummt. „Okay.. und was heißt das?“

 

„Hm..,“ Giles rieb sich die Schläfe. „Wenn ich mich recht entsinne gab es einen verstoßenen Bruder eines Kalifen im neunten Jahrhundert, der wegen seinen Machenschaften, seiner Brutalität und Thronansprüchen, des Landes verwiesen wurde. Er soll seinem Bruder als Versöhnungsversuch eine Öllampe geschenkt haben. Von diesem Tag an war der Kalif vom Pech verfolgt. Der Aufzeichnung zufolge, hat ein alter Hexenmeister für den Bruder die Lampe verflucht.“

 

„Kann das gefährlich werden?“ Buffys Ungeduld schlug in Sorge um.

 

„Der Kalif hatte das Spiel nicht durchschaut und starb bei seinem dritten Wunsch.“ Buffy sah Giles gequält an. Wieso endeten Giles Märchenstunden immer nur so negativ? Und das, wo sie nicht wussten, wo Willow geblieben war? Oh Gott und Xander.. er hatte heute vorbei kommen wollen, um den Lichtschalter zu reparieren. Was wenn er die Lampe entdeckt hatte?

 

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Ein paar Minuten später...
Der Raum war abgedunkelt und das einzige Licht spendete eine kleine Kerze, die auf Giles’ Schreibtisch stand. Hinter dem Tisch hatte sich Lily verschanzt. Vor ihr lag das Blatt Papier mit der hastigen Übersetzung des Fluches, und der kurzen Notiz eines Ritualspruches, der den Fluch umkehren sollte. Um die Kerze hatte sie drei kleine Häufchen aus getrockneten Kräutern arrangiert.

 

Buffy wagte kaum zu atmen und Giles neben ihr verhielt sich ebenfalls ruhig und steif. Lily hatte um absolute Ruhe gebeten, damit sie bei der wagen Übersetzung und dem wohl zu 99% richtigen Gegenspruch nicht auch noch einen Konzentrationsfehler beging. Buffy hatte das für nicht gerade vielversprechend gehalten, aber da sie bemerkt hatte, dass Giles und Lily zunehmend gereizter auf sie reagierten, behielt sie einen entsprechenden Kommentar für sich.

 

Die Spannung war fühlbar, und als Lily begann, in der seltsamen Dämonensprache den Spruch laut zu lesen, fröstelte es Buffy. Sie sah kurz zu Giles auf, der mit konzentriertem Gesichtsausdruck Lily beobachtete. Von Nervosität war nichts zu sehen. Offensichtlich vertraute er dieser Frau wirklich.

 

Lily griff nach der Kerze und ließ heißes Wachs auf das mittlere Kräuterhäufchen tropfen. Es fing Feuer und flammte kurz auf, bevor es in sich zusammenfiel und nur noch als merkwürdiger Geruch zurück blieb. Lilys Hand schwebte über dem rechten Häufchen und ein Wort, als würde sie versuchen, damit ihre Zunge brechen zu wollen, kam über ihre Lippen. Gespannt hielt Buffy den Atem an....

 

In diesem Moment wurde die Türe aufgerissen, und helles Licht flutete den Raum. Der Windzug blies die Kerze in Lilys Hand aus und Giles atmete hörbar frustriert auf. Buffy musste ihre Augen kurz zusammenkneifen. Doch ehe sie sich die Mühe machen konnte, zu erkennen, wer im Türrahmen stand, hörte sie Andrews panische Stimme, die sich fast ein wenig überschlug.

„Schnell... Xander... verschwunden. Er. Nein.. Moment.. er ist... also da war dieser alles andere als schöne Jeannie und ich konnte mich nicht entscheiden. Also habe ich Xander geholt, damit er sich etwas wünscht und dann...“

„Komm zum Punkt, Andrew.“ Sagte Giles nicht ganz frei von Ungeduld.

Andrew verstummte einen Moment und sah verletzt zu Giles. Ja, wie sollte er zum Punkt kommen, wenn er ihnen nicht erzählte, was passiert war? Der Punkt war, dass Xander sich vor seinen Augen in Luft aufgelöste hatte, und dass er an der ganzen Sache schuld war. Er hatte ihm schließlich seine Wünsche überlassen. Wenn Xander jetzt etwas zugestoßen war? Anya würde ihm das niemals verzeihen!

„Atme ruhig durch und versuch es dann noch einmal,“ mischte sich Lily ruhig ein und lächelte Andrew kurz zu, bevor sie nach den Streichhölzern griff und die Kerze wieder anzündete.

Andrew sah zu der Wächterin und lächelte. Wenigstens war hier jemand vernünftig. Er folgte ihrem Rat, sehr zu Buffys und Giles Unmut und holte tief Luft, hielt sie einen Moment an, um sie dann wieder auszustoßen: „Xander ist verschwunden. Ich hab an einer Lampe gerieben, dann kam so eine Wolke – ein Puff und der hässliche Jeannie war da. Ich sollte mir was wünschen, aber es war ein Wunsch zuwenig, also hab ich Xander gerufen, ob er sich vielleicht was wünschen will. Das hat er gemacht, und dann war er plötzlich weg. So.“

„Verdammt,“ entfuhr es Buffy. „Wir müssen uns beeilen.“

„Beeilen?“ Fragte Andrew verwirrt und wollte eintreten.

„Oh nein.. du bleibst draußen,“ Giles zeigte zur Tür. „Es reicht, dass du uns gerade eben das Ritual vermasselt hast. Wir können von Glück sagen, wenn wir Xander und vielleicht auch Willow noch heil wiederbekommen.“

Andrew ließ die Mundwinkel hängen. „Nie erklärt mir einer etwas,“ murrte er als Buffy ihm die Türe mit einem: „Wir erklären es dir später,“ vor der Nase zu schlug.

 

+++

 

Lily hatte sich wieder gesammelt und entzündete das rechte Häufchen, murmelte erneut ein Wort und entzündete auch das letzte Häufchen. Der Raum war erfüllt von merkwürdigen Gerüchen und plötzlich gab es eine leise Explosion, eine purpurfarbene Rauchsäule schoss in die Höhe, hüllte die Decke in eine Wolke und ein Windstoss fuhr durch das Büro. Aus der Öllampe stieg ebenfalls Rauch auf, weiß, und mischte sich mit der purpurfarbigen Wolke an der Decke.

 

Buffy, Giles und Lily beobachteten fasziniert das Schauspiel in der Wolke. Es schien, als würden sich die Farben bekämpfen. Sie durchzogen sich, mischten sich, zogen sich wieder zurück. Plötzlich legte sich der Wind, die Säule brach in sich zusammen und verschwand in der Lampe.

 

„Hat es funktioniert,“ flüsterte Buffy. „Oder hat jemand mitbekommen, welche Farbe sie jetzt hatte?“

 

„Das wissen wir gleich,“ Giles griff nach dem Deckel der Lampe, hob ihn hoch und drehte ihn herum, - die Schrift glühte purpurn kurz auf und verblasste von hinten nach vorne. Ein Schriftzeichen nach dem anderen verschwand,  bis die Inschrift nicht mehr existierte.

 

++++

 

Xander und Willow purzelten aus dem Nichts, kopfüber in Dawns Zimmer. Xander stöhnte auf und Willow betastete voller Sorge ihren Kopf.

 

„Meine Güte,“ jammerte die Hexe und richtete sich mühsam auf ihre Ellenbogen auf. Ihr Blick fiel wieder auf die ruinierten Lederschuhe und sie seufzte.
 

„Bist du das Will,“ ächzte Xander und sah sich, auf dem Rücken liegend, im Zimmer um. Sein Blick fiel auf seine alte Freundin und er lächelte beruhigt.

 

„Ja,“ stöhnte Willow. „Was machst du hier eigentlich, Xander?“

 

„Hm.. rumliegen?“ Endlich kam auch er in die Höhe. „Eigentlich wollte ich Giles’ Lichtschalter reparieren, der unter der rüden Behandlung deiner Freundin litt.“ Er grinste schwach. „Und dann kam Andrew angerannt und faselte etwas von einem Djinn. Nein warte.. von einer Jeannie. Ach egal...Und ehe ich es mich versah hatte ich drei Wünsche frei und machte die Hölle durch.“

 

„Kommt mir irgendwie bekannt vor.“ Nickte Willow und stemmte sich vollends in die Höhe. Sie reichte Xander eine Hand, der sie kurz fragend anblickte und dann mit einem Kopfschütteln selbst auf die Füße kam.

 

„Hm... Andrew war noch im Raum, als ich den ersten Wunsch mehr oder weniger laut aussprach... hoffentlich ist ihm nicht etwas passiert. Wir sollten sofort Giles und Buffy suchen.“

 

„Ich glaube die beiden sind unten. Vorhin, als ich gekommen bin, dachte ich, ich hätte Stimmen gehört.“
 

„Dann los, bevor es zu spät ist.“

 

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Giles Wohnung
Ein paar Tage später...

„Also... eh... eigentlich wollten wir Ihnen ja die Öllampe schenken, aber der kleine Zwischenfall.. nun es war keine so gute Idee“, lächelte Buffy verlegen und streckte Giles den Geschenkkarton entgegen. Dawn stand im Flur gegen den Durchgang gelehnt, während sich Andrew und Lily das Sofa teilten und Xander sowie Willow auf den Barhockern hingen.

 

„Wo steckt Ken,“ flüsterte Xander Willow zu, die seine Frage mit einem Schulterzucken beantwortete.

 

„Sie muss irgend etwas mit ihrem Vater am Telefon klären, und hat anschließend einen Termin bei der Bank.“

 

„Oh unsere Prinzessin hat Schwierigkeiten?“ Feixte Xander.

 

„Ach hör auf,“ raunte Willow. Xander grinste und sie richteten ihren Blick wieder nach vorne. Alle waren sie gespannt, was Giles zu der Idee sagen würde, die Buffy in letzter Sekunde gehabt hatte. Nun, Andrew war etwas mehr gespannt darauf, was im Karton war und Lily amüsierte sich mehr über die kleine, rührende Szene, als das es sie wirklich interessierte.

 

„Ich verstehe überhaupt nicht, wie ich zu der uhm... also,“ Giles griff leicht sprachlos nach dem Karton.

 

„Nun wir dachten, wir wären Ihnen das schuldig. Für das ganze Chaos hier und so,“ mischte sich Willow ein. „Und wir dachten diesmal würden selbstgebackene Kekse nicht wieder alles gut machen. Na ja, Sie wissen schon... Oz, dummer Zauber, Wiedergutmachungen....,“ lächelte Willow nervös, als sie an damals dachte und die Umstände, die sie zwangen mehrere Tage für alle Kekse als Entschuldigung zu backen.

 

Giles warf einen misstrauischen Blick in die Runde, ehe er langsam den Deckel herunternahm. Sein Blick fiel auf ein altes, in Leder gebundenes Buch. Für einen Moment war er sprachlos, als er es aufschlug und den Titel las: „Handbuch für Jägerinnen“

 

„Also ich dachte.. weil Sie nie eines für mich hatten, wäre es jetzt vielleicht an der Zeit, es in Ihrer neuen Sammlung aufzunehmen. So, als Ratsgründer und Verantwortlicher für alle Jägerinnen?“ Sagte Buffy verlegen, als Giles noch immer gerührt schwieg.

 

„Wo... wo hast du das nur um alles in der Welt aufgetrieben?“ brachte er endlich über seine Lippen.

 

„Na ja, wo man heutzutage alles herbekommt neben Gefäße für die Wiederbelebung.. bei eBay natürlich,“ grinste Buffy, erleichtert darüber, dass Giles das Geschenk zu freuen schien. „Jetzt schauen Sie nicht so.. ist wirklich von eBay.“

 

„Ja, und Willow hat es, wie immer, im Netz aufgespürt,“ sagte Dawn, stolz auf ihre Freundin.

 

Giles lächelte in die Runde. „Danke..,“ mehr brachte er nun wirklich nicht vor Rührung hervor. Vielleicht bestand doch noch ein Funken Hoffnung, dass er und Buffy in den nächsten Tagen ein klärendes Gespräch führen könnten. Oder irgendwann...

 

„Na bestens, dann sind wir wieder alle gut miteinander?“ Xander sprang vom Barhocker auf.

 

„Ich denke bei dieser Bestechung fällt es mir schwer, etwas anderes zu sagen,“ Giles nahm das Buch aus dem Karton und legte es vorsichtig auf einem Beistelltischchen ab.

 

Hab’ ich wirklich das Ritual gefährdet,“ wollte Andrew leise, um die Atmosphäre im Raum nicht zu stören, von Lily wissen. „Ich meine als ich reingeplatzt bin und Giles meinte, Xander und Willow.. also...“

„Keine Sorge, Andrew,“ Lily musste sich ein Lachen verkneifen. Andrew wirkte wirklich geknickt. Dabei war doch alles gut gegangen. Er sah es doch selbst. Kein Grund, sich länger Sorgen zu machen. „Dein Hereinplatzen hat mir eigentlich erst geholfen die beiden zu retten. Bevor du hereinkamst, wollte ich das falsche Häufchen anzünden. Wirklich,“ beteuerte sie als Andrews Gesicht einen skeptischen Ausdruck annahm. „Durch die Unterbrechung bin ich erst darauf gekommen.“ Sie klopfte ihm freundlich auf die Schulter und lächelte ihn an. Das war die Wahrheit. Sie sagte es nicht nur, um ihn aufzumuntern. Andrew sah sie nun doch fassungslos an, ehe auf seinem deprimierten Gesicht ein vorsichtiges Lächeln erschien.

"Uhm...Miss Usher?"

"Lily reicht," bot sie ihm an.

"Uhm...Miss Usher...Lily, was ich noch fragen wollte? War es wirklich so, dass jeder Wunsch von vornherein schief geh'n musste? "

Lily nickte. "Der Fluch auf der Lampe hat dafür gesorgt, ja."

Andrew stieß hörbar die Luft aus, und Lily wunderte sich, wie jemand über diese Information dermaßen erleichtert sein konnte. Anscheinend war dieser junge Mann doch nicht so einfach zu verstehen, wie sie gedacht hatte. Sie verzichtete jedoch darauf, weiter nachzuhaken.


„Gut.. uhm,“ Buffy sah unsicher in die Runde und schien sich einen kleinen Ruck zu geben, als sie zu Giles an das Tischchen trat. Der Wächter blätterte bereits konzentriert in dem geschenkten Buch. „Giles...“

 

„Buffy.“ Er sah mit einem Glanz in den Augen auf, den Buffy das letzte Mal wohl vor etlichen Jahren gesehen hatte, als er noch recherchierte und für sie die Kopf- und Planarbeit übernommen hatte. Es machte sie ein wenig stolz, dass sie trotz all den Schwierigkeiten in den letzten Jahren zwischen ihnen etwas gefunden hatte, das bei Weitem mehr Wert für ihn besaß, als diese kostspielige Lampe, die nun fluchfrei bei Xander als Blumenvase auf dem Küchentisch stand. Auch wenn Lily sich sicher war, dass der Fluch gebrochen worden war, hielten sie es für das beste, wenn sie den Djinn unter Beobachtung hielten. „Das Buch ist faszinierend. Es scheint eine alte Ausgabe zu sein. Älter als jene, die ich für meine Studienzwecke zur Verfügung hatte. Es wird mir ein Vergnügen sein, es näher zu studieren.“

 

„Das freut mich... uhm.. Giles könnten wir kurz.. unter vier Augen... reden?“ Brachte sie schließlich ihre Bitte hervor.

 

„Sicher. Natürlich.“ Er zeigte zu seinem Arbeitszimmer. Während sich die anderen noch über ihre Erlebnisse mit dem Djinn unterhielten und Andrew einen wissenschaftlichen Vortrag über Jeannies, Dschinnis und Wishmasters abhielt, zogen sie sich zurück. „Um was geht es denn?“ Er wandte sich ihr zu, als Buffy gerade die Türe hinter sich schloss. Sie ließ sich einen Moment Zeit, als müsste sie sich sammeln, bis sie endlich ihren Blick hob und ihn gefestigt ansah.

 

„Ihr Wunsch hat mich nachdenklich gemacht.“ Begann sie vorsichtig. „Und ich glaube, wir sollten uns wirklich unterhalten. Aber nicht darüber was war oder wer sich bei wem entschuldigen müsste. Sondern darüber was sein wird.“ Sie sahen sich einen Moment schweigend an, ehe Buffy fortfuhr. „Giles... das Geschenk wird nichts daran ändern, dass ich Ihrem Aufbau vom Rat weiterhin misstrauisch gegenüberstehe. Ich traue auch Ihrer Freundin nicht über den Weg und so dankbar ich Ihnen für Ihre Unterstützung bin.. Dawn und ich werden ausziehen. Nicht heute, nicht morgen, aber in den nächsten Wochen. Es hat sich einiges geändert und wir müssen nach vorne sehen. Wir haben kein Jägerin und Wächter Verhältnis mehr. Ich weiß nicht einmal mehr, wie weit es noch das einer Freundschaft ist oder mehr das einer Verpflichtung.“ Als sie Giles verletzten Blick registrierte, sah sie zur Seite. Und da Giles nichts sagen wollte oder konnte, drehte sie sich zur Türe herum. Sie griff nach dem Knauf und öffnete die Türe einen Spalt. „Und ich weiß wirklich noch nicht, ob ich für Sie arbeiten möchte. Ich brauche Zeit...“, das beharrliche Schweigen zwang sie zu gehen, obwohl sie Giles bestürzten Blick in ihrem Rücken brennen fühlte. Sie hatte endlich gesagt, was sie beschäftigte, aber wieso fühlte sie sich nicht erleichtert?

 

Giles war sprachlos. Er ließ Buffy gehen ohne zu widersprechen, ohne zu protestieren, ohne den Versuch unternommen zu haben, etwas klarzustellen. Er fühlte sich im Moment genau so hilflos, wie damals, als sie seine Hilfe gegen Angelus brauchte, obwohl er noch trauerte; als sie ihm das Kästchen mit der Spritze an den Kopf warf; als sie ihm sagte, sie würde lieber ihn töten, als Dawn zu opfern; als sie ihm die Türe vor der Nase zuschlug und ihn wegen des versuchten Mordes an Spike vorschnell verurteilt hatte. Das leise „Klick“ des Türschlosses riss ihn nicht aus seinen Gedanken und der traurige Blick ging leer durch die Türe hindurch.

 

Grrrargh....