Episode 8.20

 

Vengeance upon mine Enemy

 

 

Von Yamato und White Magic

 

 

Co-Autoren: Mel, Stefan, Cthulhu, Lion

Bebilderung: HotWitch und Mel

Folgenbild: Stefan

 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von www.slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch ihre Partnerseiten pj-firepower.com, buffy-online.com und slayerworld.info. Weiterhin bedankt sich das Projekt für Unterstützung bei ihren Partnerseiten slayerzone.de, virtuelleserienonline.de, entertainyou.net, sowie bei allen weiteren Partnern.

 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount

 

 

 

Drei Reiter galoppieren auf die KAMERA zu. Sie sind nur als dunkle Schatten zu erkennen, einer hinter einer Flutwelle, der zweite hinter einem Feuersturm, der dritte hinter Kristallen aus Eis.

 

 

Giles (VO): Bisher bei Buffy:

 

Überblende: Lily hält Dawn in der Energiekugel gefangen. – 8.15

 

Lily (VO): „Nennen wir es ... die Wiederherstellung der alten Gesetze. Eine Jägerin in der Hand und unter der Kontrolle von vielen Wächtern. Sieh uns an... wir haben nichts unter Kontrolle. Junge, unerfahrene Frauen und Männer werden rekrutiert, um ebenso unerfahrene junge Mädchen zu leiten und zu lenken, damit sie das Böse auf der Welt bekämpfen.“  8.15

 

Überblende: Lily beschwört die drei Reiter. – 8.15

 

Lily (VO): Und hat es was gebracht? Sind Vampire bereits ausgerottet? Dämonen vor dem Aussterben bedroht? Nicht das ich wüsste,“ Oh Rupert und seine fantastischen Ideen.. sein Reformationswahn... alles verrückte Ideen, die uns nicht weiterführen.“ – 8.15

 

Überblende: Giles wird auf Lebenszeit vom Rat der Wächter ausgeschlossen. – 8.17

 

Lily (VO): Sie bringen uns weg vom alten Kurs, von Dingen, die unsere Vorfahren mühsam aufgebaut haben. Ich kann und werde es nicht zulassen, dass unser Erbe so in den Schmutz gezogen wird...“ – 8.15

 

Überblende: Lily bei einem Orakel – 8.17

 

Das Orakel (VO): “Ihr habt eine alte Macht entfesselt, statt neues gegen das alte zu vertauschen. Mächtige Wesen wurden befreit, die für immer verborgen hätten bleiben sollen und nun Unheil über diese Welt bringen werden. Eine Katastrophe nach der anderen wütet, während drei Reiter den einen suchen, der ihnen die Macht gibt, alles zu bereinigen.“ - 8.17

 

Überblende: Faith und Robin bekommen von Kieran O’Bailey ein Buch ausgehändigt, welches Informationen über die Reiter enthält. – 8.07

 

Lily (VO): Ich spreche von Buffy. Die Jägerin die mir im Weg steht...“ - 8.17

 

Überblende: Buffy und der Unsterbliche forschen gemeinsam in Rom in seiner Bibliothek über ein Amulett, um weitere Informationen zu finden – 8.19

 

Das Orakel (VO): “Sie ist der Schlüssel.“ - 8.17

+

 

D’Hoffryn (VO): “Wie lange willst du das noch mitmachen? Ein Leben lang? Dein Leben wird nicht mehr sehr lange dauern, das ist dir doch klar, oder? Selbst, wenn ich dieses Mädchen verschone, ein anderes wird sterben, und wieder eines. Und noch eines. Wie lange wirst du durchhalten, sag mir das? Wie lange?“ – 8.19

Überblende: Willow und Kennedy versuchen das Problem mit Hilfe eines Rituals zu lösen. Auf den ersten Blick scheint es zu funktionieren. – 8.19


D’Hoffryn (VO):
“Ich bin nicht für deine Schmerzen verantwortlich, Willow, ich nicht, und auch niemand sonst.“ – 8.19

 

Überblende: Willow hat eine Vision von Aiko, der Jägerin aus Shin’s Familie. Buffy versucht Aiko vor Lily’s Jägerinnen zu schützen, doch es gelingt ihr nicht – 8.18

 

D’Hoffryn (VO): Die Verbindung zu den Jägerinnen ist Teil der Aufgabe einer Hüterin. Nur, wenn sie die Gefühle der Jägerin versteht, kann sie diese zu einem reifen, verantwortungsbewussten Menschen erziehen. Es war nie vorgesehen, dass eine einzige Hüterin für so viele Jägerinnen verantwortlich ist. Diese Aufgabe ist nicht zu bewältigen. Sie wird dich das Leben kosten.“ – 8.19

 

Überblende: Traumbilder und Visionen von Willow: Hüterinnen, die sie um Hilfe bitten – Hüterinnen, die sich in einer geheimen Bibliothek verbergen – Hüterinnen, die von Wächtern gefangen genommen und getötet werden. – 8.19


D’Hoffryn (VO):
“Fünf Tage. Es ist nur fair, dass du es erfahren sollst.“ – 8.19

 

+

 

Kan Hsirg (VO): “ Hier geht es um einen Krieg im eigentlichen Sinne – angreifen – zuschlagen – vernichten.“ – 8.17

 

Überblende: Kan sitzt mit Lily, D’Hoffryn und den beiden Magiern in seinem Büro und plant den Krieg gegen Malkuth. – 8.18

 

Kan Hsirg (VO): “Punkt eins, mehr über meinen Gegner – Malkuth – herausfinden. Punkt zwei, eine Armee aufstellen. Punkt drei, einmarschieren und vernichten.“ – 8.17

 

Überblende: Malkuth, die Dämonenstadt unter dem See: Die verschiedensten Dämonenarten, die hier in einer großen Gemeinschaft leben – Clem trifft Andrew beim Einkaufen – Warren wird in die Gemeinschaft von Malkuth aufgenommen. – 8.18

 

Lily (VO): “Hunderte von Jägerinnen aus aller Herren Länder, und jede von ihnen steht unter dem Kommando des Wächterrats - meines Rats. “Innerhalb von vierzehn Tagen kann ich etwa zweihundert von ihnen mobil machen. Das sollte wirklich genügen, um jede Dämonenstadt in den Staub zu stampfen!““ – 8.18

 

Überblende: Das ’Trainingscamp in England’: Jägerinnen werden mit Drogen vollgepumpt – Jägerinnen kämpfen mechanisch wie Roboter. Auch Emma ist dabei, und weitere Jägerinnen, die wir aus der Serie kennen. – 8.17

 

Kan Hsirg(VO): “Auf die Vernichtung Malkuth’s!“ – 8.18

 

+

 

Warren (VO): “Manchmal versteh’ ich’s echt nicht, wie du’s mit mir aushältst. Ich meine...du hast dich so verändert, hast so viel erreicht, und da hättest du’s gar nicht nötig, dir diesen ganzen Stress anzutun.“ – 8.18

 

Überblende: Xander stellt Andrew wegen Warren zur Rede. Es kommt zum Krach zwischen den beiden, und zum Ende der Freundschaft. Andrew verlässt die gemeinsame Wohnung. – 8.18

 

Warren (VO): “Ich bin immer noch der derselbe Chaot, ich schubs dich rum, ich krieg meine Wutanfälle, ich versteh’ absolut nichts von Beziehungskrempel, und bau die ganze Zeit nur Mist...“

 

Überblende: Warren reagiert panisch, als Andrew versucht, ihn über die Vergangenheit auszufragen. Er verliert die Kontrolle über sich, greift Andrew an. Der Streit artet zu einer heftigen Prügelei aus. – 8.13

 

Warren (VO): “Ich hab’ mich auch verändert. Vielleicht nicht so wie du, aber ich weiß jetzt, dass mit dir alles anders werden kann.“ 8.18

 

Überblende: Gretchen bietet Warren im Auftrag D’Hoffryn’s an, ihn wieder zu einem Rachedämon zu machen, falls er bereit ist, Malkuth zu verraten. Doch Warren lehnt das Angebot ab. – 8.18

 

Warren (VO): “Solang’ ich dich bei mir hab’, kann ich gar nicht wieder abrutschen. Solang’ ich dich bei mir hab’, kann mir nichts geschehen.“  8.18

 

Überblende: Warren’s Kräfte lassen nach, die Energie von D’Hoffryn ist aufgebraucht. Mit panischer Angst sieht er zu, wie seine Hand zu Staub zerfällt. – 8.18

 

Warren (VO): “Ich will dich für immer bei mir haben, hörst du?“8.18

 

Überblende: Warren mit Andrew in der Halle von Binah – seltsamerweise ist er wieder völlig gesund. Durch ein Ritual der Verbundenheit wird Andrew ebenfalls Teil der Gemeinschaft von Malkuth. – 8.18


Warren (VO):Ich werd’ das hinkriegen, dass es diesmal nicht so daneben geht.“
– 8.18

 

+

 

Der schwarze Magier (VO): ”Ja, wir spielen gegeneinander. Üblicherweise übernehme ich die Guten, und mein Bruder die Bösen. Damit es nicht so klischeehaft ist, verstehen Sie, was ich meine? Der weiße Magier für die Bösen, und der schwarze Magier für die Guten.” – 8.18

 

Überblende: Der schwarze Magier führt das Ritual der Schattenmänner an den Jägerinnen durch, und stattet sie dadurch mit zusätzlichen dämonischen Kräften aus. – 8.18

 

Der weiße Magier (VO): “Ist deine neue Beziehung was Ernstes?” – 8.18

 

Überblende: Eve und Xander frühstücken zusammen im Bett. – 8.18

 

Eve (VO): ”Ich will, dass du sofort verschwindest, sonst wird das für dich gerichtliche Folgen haben, Alex. Ich habe dir schon bei unserer Scheidung gesagt, dass ich keinen weiteren Kontakt mit dir wünsche. Ich will weder dich noch deinen Zwillingsbruder je wieder sehen.“ – 8.18

 

Überblende: Eve wirft den weißen Magier aus ihrem Büro. – 8.18

 

Der Magier (VO): “Immer noch derselbe Dämon wie früher!” – 8.18

 

+

 

Silent Hill Eve (VO): “Du wirst sie nicht retten können!” – 8.03

 

Überblende: Faith hält die tote Vi in den Armen – 8.13

 

Silent Hill Eve (VO): “Du hast deine Freunde getötet!” – 8.03

 

Überblende: Traumbilder von Faith: Vi mit dem Pfeil in der Brust - Eve, welche hämisch lacht – der Friedhof und das Grab von Vi – Faith tötet Lily. – 8.14

 

Silent Hill Eve (VO): “Faith... du bist an ihrem Tod schuld!” – 8.03

 

Überblende: Faith rettet Kimberly aus Silent Hill – 8.03

 

Silent Hill Eve (VO): “Irgendwie ist es doch Ironie des Schicksals, dass du mich befreit hast, nicht? – 8.03

 

+

 

Yui (VO): “Eine unserer Aufgaben besteht darin, wie Ihre Schriften Ihnen bereits verraten haben, den Reiter des Todes zu bewachen, der sich auf asiatischem Boden befindet. Zu diesem Zweck lebt ein Teil unserer Familie in China.“ – 8.18

 

Überblende: Buffy kämpft mit ein paar dämonischen Ninjas in einem chinesischen Tempel. – 8.01

 

Yui (VO): “Eine weitere Aufgabe besteht im Kampf gegen einen Dämonenclan, der es sich zum Ziel gemacht hat, die Weltherrschaft durch die Kontrolle von Firmen zu erlangen.“ – 8.18

 

Überblende: Buffy kämpft gegen die Dämonen des HtoGrom Clans. 8.06 – 8.08 – 8.10

 

Shin (VO): Ich hab’ mich so sehr in dir getäuscht, Dawn, dabei sollte ich dich doch besser kennen. Ich möchte dich um Verzeihung bitten.“ – 8.18

 

Überblende: Shin und Dawn sitzen zusammen auf einer Parkbank und küssen sich. – 8.18

 

+

 

Akira, der Reiseleiter (VO): “Ich zeige Ihnen etwas...“ – 8.01

 

Überblende: Akira führt Buffy in eine Höhle und zeigt ihr die Zeichnungen an den Wänden. Buffy legt ihre Hände auf die Zeichnung, der vier Reiter, welche sich plötzlich zu bewegen scheint. – 8.01

 

Alle VOs blenden übereinander, ein vielstimmiger Chor...

 

Silent Hill Eve (VO): “Irgendwie ist es doch Ironie des Schicksals, dass du mich befreit hast...“

Der Magier (VO): ”Immer noch derselbe Dämon wie früher!”

Warren (VO):Ich werd’ das hinkriegen, dass es diesmal nicht so daneben geht.“

Kan Hsirg(VO): “Auf die Vernichtung Malkuth’s!“

D’Hoffryn (VO): “Fünf Tage. Es ist nur fair, dass du es erfahren sollst.“

Das Orakel (VO): “Sie ist der Schlüssel.“

 

Akira (VO): ...etwas, das Ihnen hilft zu verstehen.“ – 8.01

 

Die Bilder unter Buffy’s Fingern erwachen zum Leben und vier Reiter galoppieren auf die KAMERA zu. Sie sind nur als dunkle Schatten zu erkennen, einer hinter einer Flutwelle, der zweite hinter einem Feuersturm, der dritte hinter Kristallen aus Eis. Der vierte hinter einer Staubwolke.

 

 

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Teaser

Irgendwo in Cleveland,

nachts 
Es war eine Donnerstagnacht wie jede andere in Cleveland, Ohio, USA. Nachdem die Leute die Innenstadt nach einem harten Arbeitstag hinter sich gelassen hatten, und unbewusst zu ihren Häusern am Stadtrand geflüchtet waren, breitete sich Dunkelheit in Cleveland aus, eine Dunkelheit, die Geschöpfe gebar, welche nichts anderes kannten als Tod und Schmerz.

Doch nicht nur Dunkelheit sondern auch Kälte und Einsamkeit waren es, die sich wie ein Lauffeuer im Zentrum von Cleveland breit machten, nachdem die letzten Lichter der Bürohäuser ausgeschaltet wurden, und nur mehr einige wenige Gestalten durch die Straßen gingen, die sich dabei gar nicht bewusst waren, wie nahe sie dem Tod dabei eigentlich waren.

Die Schritte der beiden Jägerinnen hallten durch die Gasse, die nur von einem kleinen, grünen Notausgang Schild erleuchtet wurde, das über dem Hinterausgang eines Bistros hing, aus welchem leise, dezente italienische Musik drang.

„Da vorne müsste es sein.. flüsterte Faith, während sie Ronah zunickte, und dabei einen Pflock aus ihrer Tasche zog. Die jüngere Jägerin tat es ihr gleich, und kurz darauf standen sie vor einer alten, morschen Holztür, die früher zur Tower City Station der Red Line führte, allerdings wurde der Abgang zu der U-Bahn Station wegen seiner abgelegenen Lage und vor einigen Jahren aufgegeben.

„Also, nichts wie ran an die Arbeit.. sagte Ronah, trat mit einem kräftigen Tritt die alte Tür ein und folgte Faith daraufhin die alte Treppe in einen abgelegenen, gesperrten Teil der U-Bahn Station.

„Was ist hier passiert?“ fragte Ronah, als sie neben Faith trat, die mit einer starken Taschenlampe den Raum ausleuchtete. Einige Meter vor ihnen befand sich eine Wand, die anscheinend erst vor kurzem aufgezogen worden war. Rechts neben der Treppe standen die Überreste eines alten Wächterhäuschens, und links, einige Schritte von Faith entfernt konnten sie einen alten Toilettenraum entdecken.

„Robin hat gesagt, dass hier vor einigen Jahren eine Bombe hoch ging, die allerdings nicht stark genug war, um die Station zum Einsturz zu bringen. Allerdings wurde die Statik dabei so gefährlich beschädigt, dass die Station komplett hätte renoviert werden müssen. Der Stadt kam es billiger, diesen Teil einfach abzusperren, und für immer zu begraben...“ flüsterte Faith, die ihre Ausführungen allerdings unterbrach, als ein dunkler Schatten durch den Lichtstrahl ihrer Taschenlampe huschte.

„Ronah, mach dich bereit.. Faith legte die starke Taschenlampe so auf die Stufen, dass sie einen relativ großen Bereich der alten Station ausleuchtete.

Im nächsten Moment hallten grässliche Schreie aus dem dunklen, alten U-Bahn Tunnel, woraufhin fünf Vampire in den Lichtkegel sprangen und auf die Jägerinnen zuliefen.

Faith und Ronah spannten ihre Muskeln an, stärkten den Griff um die Pflöcke, und nickten sich noch ein letztes Mal zu, bevor sie sich in dem schummrigen Licht in den Kampf stürzten.

Faith machte einen Flipkick nach vorne, riss dabei dem ersten die Füße vom Boden, worauf hin er fest auf dem staubigen Betonboden aufschlug. Sie sprang auf, packte den nächsten Vampir, bei dem es sich um eine blonde Frau mittleren Alters handelte, und schlug ihr die linke Faust ins Gesicht. Die ältere Jägerin wurde plötzlich von hinten an den Schultern gepackt, doch sie brachte es zustande, die Hand ihres Angreifers zu fassen, und ihn mit einem kräftigen Schwung über die Schultern gegen einen alten Betonpfeiler zu schleudern.

Die blonde Vampirin sprang sie wieder an, schlug ihr fest in den Magen und brachte Faith fast zu Fall.

Ronah sprang nach links, wich dabei ihrem Angreifer aus, dessen gesamter Körper von Tatoos übersäht war, stieß sich dann wieder von der Wand ab und hechtete sich auf einen jung aussehenden, chinesischen Vampir.

Dieser knurrte aggressiv, als er mit dem Kopf auf dem harten Boden aufschlug, und die Jägerin dabei auf ihm saß. Er knurrte ein weiteres Mal, versuchte die junge Jägerin von sich zu stoßen, spürte daraufhin allerdings einen stechenden Schmerz, als ihm Ronah ihren Pflock mitten ins Herz rammte.

Lange konnte sie sich über ihren Erfolg allerdings nicht freuen, als sie plötzlich von einer rothaarigen Vampirin an ihren Haaren hoch gezerrt wurden, und schwungvoll mit dem Rücken gegen einen alten Einkaufswagen geschleudert wurde. Ronah verlor den Kontakt zum Boden und fiel rücklings über das Eisengestell und landete auf der anderen Seite auf dem kalten Boden.

Faith trat der blonden Angreiferin kräftig in den Magen, woraufhin sie diese gegen einen alten Trinkautomaten schleuderte und ihr einen Pflock ins Herz trieb. Schreiend löste sich die Vampirin auf, während Faith schon wieder von zwei kräftigen Händen gepackt wurde, und in der nächsten Sekunde durch die halbe Halle geschleudert wurde.

„Jetzt reicht es aber..!“ schrie Faith, nachdem sie aufgesprungen war, und fischte ihr Messer aus der Scheide, die sie sich um den Oberschenkel gebunden hatte.

Beide Vampire liefen auf sie zu, als sie über sich eine alte Eisenleitung erblickte. Im passenden Moment nahm sie das Messer zwischen die Zähne, sprang hoch, griff nach der Leitung und trat dabei gleichzeitig nach den Köpfen der Vampire, welche durch den Angriff benommen nach hinten taumelten. Faith landete wieder am Boden, nahm das Messer, sprintete auf den älteren der beiden zu, riss ihn zu Boden und trennte ihm mit einem Schnitt den Kopf vom restlichen Körper.

Vor Ronahs Augen wurde für einige Sekunden alles dunkel, nachdem sie auf dem Betonboden aufgeschlagen war. Sie tastete mit ihrer linken Hand nach hinten und musste entsetzt feststellen, dass sich auf ihrem Hinterkopf eine Wunde befand, die stark blutete.

“Oh.. nein.. flüsterte Ronah, und versuchte, aufzustehen. Benommen zog sie sich hoch, und musste dann feststellen, dass ihr die rothaarige Vampirin mit einem genüsslichen Grinsen im Gesicht gegenüber stand.

„Dein letztes Stündlein hat geschlagen, Jägerin!“ schrie diese, schlug Ronah fest ins Gesicht, packte dann die Jägerin mit beiden Händen und schleuderte sie auf die alten U-Bahn Schienen.

Faith drehte sich in diesem Moment um und musste geschockt mit ansehen, wie die Vampirin der Jägerin nach sprang.

“RONAH!“ schrie sie, wurde allerdings von dem letzten Vampir gepackt und in den Magen geschlagen. Sie schlug ihm fest ins Gesicht, trat ihm zwischen die Füße und stieß ihn zu Boden, bevor sie endlich Richtung Gleise laufen konnte. Während sie auf die Gleise zu lief, entdeckte sie Blut an der Stelle, an der Ronah vorhin gestürzt war. Eine schreckliche Vorahnung machte sich in der Jägerin breit.

„Ronah!“ schrie Faith ein weiteres Mal, als sie endlich bei der Kante des Wartebereichs angekommen war. Ronah lag benommen auf dem Gitter, das sich zwischen den alten Gleisen befand, die Vampirin saß grinsend auf ihr, und nickte Faith zu.

Bevor diese allerdings noch irgendetwas tun konnte, ergriff die Vampirin mit beiden Händen Ronahs Kopf und brach ihr das Genick.


+++

 

Straßen von Cleveland,

selbe Zeit 
Das mystische Mondlicht erhellte die Straße nur spärlich, als Chava in eben diese einbog, und dabei versuchte, immer so weit wie möglich von den dunklen, schwarzen Flächen entfernt zu sein. Sie wusste nur zu gut, dass in diesen Ecken, Spalten und Gassen Dinge lauern könnten, die meist jeden Bezug zur normalen Realität verloren hatten...

Eine leichte Brise umspielte ihr langes, braunes Haar, welches unter einem pinkfarbenen Kopftuch hervorquoll. Laut hallten ihre Schritte von den alten, heruntergekommenen Wänden wieder, während Chava immer ihr Ziel vor Augen hatte.

Eigentlich hätte sie ja schon längst zu Hause sein sollen. Doch Sam’s Geburtstagsfeier war einfach zu lustig gewesen, um sie schon vor Mitternacht zu verlassen. Sam war so ein netter Kerl, sie konnte gar nicht glauben, dass er noch solo war.

Hastig bog sie um die nächste Ecke und betrat dabei einen kleinen Park, in dem sie bei Tag schon unzählige Male mit ihren Freunden von der Lincoln West High gewesen war. Nachts jedoch schien sich der Park irgendwie zu verändern, und die wenigen Laternen, die neben dem Weg aufgestellt waren, gaben ihr nicht wirklich ein Gefühl der Sicherheit.

Angst stieg in ihr hoch, als sie glaubte, in einigen Metern einen Schatten durch den Lichtkegel einer Laterne huschen zu sehen, und daraufhin ein leises Rascheln von der linken Seite des Weges folgte.

„Hallo? Ist da jemand?!“ fragte Chava und begann gleichzeitig, schneller zu gehen. Als plötzlich laut ein Ast hinter ihr knickte, blieb sie stocksteif stehen. Sie atmete tief ein, und drehte sich daraufhin schnell um.

Erleichtert atmete Chava auf, als sie erkannte, dass es nur ein junges Mädchen in ihrem Alter war, welches hinter ihr stand und sie freundlich ansah.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“ fragte Chava, trat einige Schritte auf das andere Mädchen zu und sah sie mit ihren großen braunen Rehaugen fragend an.

„Hm, vielleicht schon.. antwortete das Mädchen und trat auf Chava zu. „Hast du in der Gegend irgendetwas Komisches bemerkt? Vielleicht...uhm Typen mit Klamotten, die vor zehn Jahren einmal in waren?“

„Nicht wirklich...“ antwortete Chava nervös, und warf einen erschrockenen Blick auf den hölzernen Pflock, den das Mädchen in der Hand hielt. “Ich hab’ hier niemanden gesehen.“ Ihre Stimme begann heftig zu zittern. „Es tut mir leid, aber...ich ... ich muss wirklich nach Hause!“

 

Sie wandte sich ab und ging auf den Ausgang des Parks zu.

 

“Warum hast du es denn so eilig?“ fragte plötzlich eine weitere weibliche Stimme, und ein zweites Mädchen trat aus den Büschen heraus, und ihr in den Weg. “Du fürchtest dich doch nicht etwa vor uns?“

 

“Was...was wollt ihr von mir?“ fragte Chava ängstlich. “Ihr seid eine von diesen Gangs, oder? Ich...hab’ wirklich nicht viel Geld, ich gehe noch zur Schule...“

 

“Du glaubst wohl, wir lassen uns von dir verarschen.“ Ein drittes und ein viertes Mädchen tauchten wie aus dem Nichts vor ihr auf. “Du weißt ganz genau, wer wir sind, und das tun nicht viele...“

 

“Fürchtest du dich davor?“ Ein Kreuz wurde vor ihrer Nase herumgewedelt, und Chava zuckte erschrocken zurück, als es so plötzlich vor ihrem Gesicht auftauchte, und gegen ihre Wange gedrückt wurde.

 

 “Ich...ich bin wirklich kein Vampir,“ stammelte sie und schob es mit der Hand beiseite. “Ich kann es anfassen, seht doch...“

 

“Nein, offenbar nicht. Wir haben uns wohl getäuscht.“ Eines der Mädchen, sie war blond und hatte ein blaues, enges Top und eine dunkelgrüne Jeans an, trat vor und sah sie von oben bis unten an. “Du gehst jetzt wohl besser nach Hause, die Straßen sind um diese Uhrzeit nicht sicher.“

 

“M-hm.“ Chava nickte und rückte ihr Kopftuch zurecht, welches durch das Kreuz verrutscht worden war. Hastig ging sie an den Jägerinnen vorbei, welche sie immer noch misstrauisch anblickten. Je schneller sie hier weg kam, umso besser.

 

Plötzlich schnellte ein Bein nach vorne, sie stolperte und schlug der Länge nach hin. “Ich hab’ dir gesagt, wir lassen uns nicht von dir verarschen, du kleine Missgeburt!“ Jemand riss ihr das Kopftuch weg, und wie automatisch fuhren ihre Hände nach oben, um ihre spitzen, leicht gedrehten Ohren zu verdecken, die von den buschigen Haaren nicht verdeckt wurden.

 

“Hört auf!“ schrie sie und spürte, wie ein trockenes Schluchzen ihre Stimme brach. “Ich...ich bin ein Halbdämon...aber ich hab’ noch nie jemanden...“

Sie ließen sie nicht ausreden. Noch ein Tritt, und noch einer, das Johlen und Lachen der Mädchen gellte schriller denn je in ihren Ohren. Chava krümmte sich zusammen, und schlang die Arme um den Kopf, um sich schützen.

 

Einmal schrie sie auf...

 

Einmal versuchte sie noch, auf die Beine zu kommen...

Kimberly’s Gesicht war starr und unberührt, genau wie die Gesichter ihrer Gefährtinnen. Sie hatten hier einen Dämon vor sich, selbst wenn dieses Mädchen beinahe wie ein Mensch aussah. Aber was sagte das schon aus? Woher wusste sie, dass sie nicht gerade von einer Party kam, auf der Menschenopfer verspeist wurden?

 

Sie wusste, was hier zu tun war, das wussten sie alle, denn Ms. Usher hatte es ihnen immer und immer wieder gesagt. Jeder Dämon war böse, und daher auch zu vernichten. Sie können dich im ersten Moment mit einem Engelsgesicht anlächeln und dir im nächsten dein Genick brechen und dann deinen Blut aus deinem toten Körper trinken, oder umgekehrt.

 

“Was...was hab’ ich euch denn getan?“ Die Stimme des Mädchens war nur mehr ein leises Wimmern, erstickt von Blut und Tränen.

 

“Du existierst.“ Ein weiterer Fuß trat gegen ihren Kopf und alles um sie herum wurde dunkel.
 

 

 

 

 

 

Das komplette Video könnt ihr HIER downloaden!

AKT 1

Irgendwo in Cleveland?

etwas später

 „NEIN!“ schrie Faith, die nicht glauben konnte, was gerade passiert war. Sie sprang, ohne weiter nachzudenken, auf die Gleise und wollte die Vampirin angreifen, doch die war plötzlich verschwunden. Verwirrt sah sie sich um, dann ließen allerdings ihre Knie nach und sie sank benommen zu Ronah, die sie mit ihren toten Augen anstarrte.

“Oh.. nein…“ flüsterte Faith und strich mit ihrer Hand über die linke Wange ihrer Freundin.

Plötzlich hörte sie ein lautes Hupen, und als sie aufsah, erkannte sie, dass eine U-Bahn genau auf sie zugerast kam.

„Aber.. ich dachte... der Teil ist abgesperrt.. flüsterte Faith verwirrt.

“Faith!“ hörte sie plötzlich eine andere weibliche Stimme. Verwirrt blickte Faith zuerst zu Ronah’s Leichnam, erkannte aber dann, dass es Eve war, die nach ihr gerufen hatte, und ihr nun ihre Hand entgegen streckte. „Du musst dich beeilen, sonst ist alles vorbei!“ schrie sie, doch Faith’s Füße wollten nicht. Sie konnte doch Ronah hier nicht liegen lassen. Die U-Bahn kam immer näher.

“Faith! Verdammt noch mal, vergiss sie doch!“ schrie Eve wieder, doch Faith sah ein unheimliches rotes Leuchten in den Augen der Frau. Das war nicht Xanders Eve, dessen war sie sich bewusst. Wenn dies das Ende sein sollte, dann war es eben so. Faith schloss die Augen, drückte sich an Ronahs Körper, und dann war alles vorbei...

Plötzlich riss Faith die Augen auf und starrte geschockt auf die Decke des Busses. Ihre Pupillen waren geweitet, und sie selbst war schweißgebadet während sie schnell und unregelmäßig atmete. Sie hörte leises Lachen aus dem hinteren Teil des Busses.

Als wäre Faith erst jetzt eingefallen, wer und wo sie war, schoss sie plötzlich hoch, warf die Decke beiseite und sprang aus dem Bett. Sie schob die dünne Tür, die ihren Schlafraum von dem von Ronah abtrennte beiseite und stürmte zu deren Bett. Das Lachen schien aus dem Bad zu kommen. Das blaue Mondlicht fiel durch die Fenster und zeigte Faith, dass Ronah in ihrem Bett lag und friedlich schlief.

Was war nur los mit ihr? War dieser Traum wieder nur ein Alptraum, oder eine der Vorahnungen, die eine Jägerin hin und wieder hatte? Faith öffnete leise die Tür, durch die sie in den kleinen Waschbereich schlüpfte. Natürlich war auch hier niemand, das Lachen war mittlerweile verschwunden. Verwirrt und gleichzeitig erschöpft rieb sich die Jägerin den schmerzenden Nacken, drehte den Wasserhahn auf und ließ sich lauwarmes Wasser über die Hände laufen. Sie schloss die Augen, beugte sich nach unten und tauchte ihren Kopf in das Wasser im Becken. Einige Sekunden war sie völlig ruhig, doch dann ließ sie unter Wasser einen lauten Schrei heraus, der nach einigen Augenblicken wieder verstummte. Sie hob ihren Kopf wieder an, wischte sich mit den Händen die nassen Haare aus dem Gesicht und öffnete dann langsam wieder die Augen. Was immer auch kommen würde, sie würde dafür sorgen, dass Ronah nichts passiert.

Sie musste einen weiteren Schrei unterdrücken, als sie aus dem Spiegel heraus die leeren Augen von Vi anstarrten. Vorwurfsvoll fuhr sich die tote Jägerin mit ihrer linken Hand über das verwesende Gesicht, wanderte mit der Hand über ihren Hals zu ihren Schulten und blieb schlussendlich bei dem Pfeil stehen, der in ihrer Brust steckte. Vi’s Augen fixierten Faith, die sich schockiert an die hintere Wand des kleinen Waschraums drückte und nicht fassen konnte, was sich hier gerade abspielte. Vi trat einen Schritt auf den Spiegel zu und streckte ihre Hand in Faith’s Richtung aus.

„Oh Gott.. „ flüsterte Faith, drehte sich um und riss die Tür auf. Sie wäre beinahe über Robin’s Beine gestolpert, wenn er sie nicht gefangen hätte, als sie von Panik erfüllt aus dem kleinen Raum stürmte.

„Was ist los?“ fragte Robin und drückte sich an Faith vorbei, die nur schockiert ins Bad zeigte.

Robin trat ein, konnte allerdings nicht entdecken. Im Spiegel war nur sein Spiegelbild zu sehen.

„Ich... uhm... hab gedacht, etwas gesehen zu haben, aber ich denke, ich hab mich geirrt.. sagte Faith, als Robin sie fragte, was passiert war. Sie wusste nicht, was im Waschraum passiert war, sie konnte es sich nicht erklären aber sie wusste, dass sie im Spiegel definitiv etwas gesehen hatte, und es war hundertprozentig Vi gewesen. ‚Ich weiß doch, was ich gesehen habe ...’  schoss es ihr durch den Kopf ‚... immerhin bin ich nicht verrückt!’

 

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Black Pearl,

etwas später

“Das ist wieder mal sooooo typisch!“ Kennedy knallte ihren Dragnesi Cocktail auf die Bar. “Die Reiter des Todes wollen die Welt zerstören, Lily intrigiert gegen uns, ein paar durchgeknallte Ninjas schlagen unser Wächterhaus zu Kleinholz, Giles verschwindet spurlos, und was macht Andrew? Andrew geht auf eine Con!“

 

“Hey, krieg’ dich wieder ein, ist doch nur übers Wochenende!“ Gelassen nahm Andrew einen Schluck von seinem MuddazaK Shake. “Schließlich braucht auch ein Beschützer der Menschheit ab und zu ein Privatleben.“

 

“Versetz’ dich mal in folgende Situation,“ begann der blonde Junge, als die Jägerin ihn immer noch finster anstarrte. “Stell dir vor, du und Willow, ihr habt euch grad ewige Liebe und Treue geschworen, und alles ist ganz toll und sie fragt dich, ob ihr nicht für ein Wochenende wegfahren könnt. Du stimmst begeistert zu, und im nächsten Moment sagt sie ’Tschuldigung, geht doch nicht, muss die Welt retten!’ Und dann fährt sie nach Rom. Zwei Wochen lang. Mit Reese Witherspoon.“

 

“Hm...“ Gespielt nachdenklich hob Kennedy den Blick zur Decke, wo sich zwei Tibboh Dämonen mit ihren Fangarmen festgesaugt hatten, und fröhlich eine Partie Karten spielten. “Wie wär’s mit: Reese Witherspoon einen Pflock durchs Herz jagen? Hört sich das gut an?“

 

Andrew grinste. “Nicht gerade kreativ, aber ein Anfang.“

 

“Okay.“ Kennedy erwiderte das Zwinkern von Mo, welcher sich an der Tür zu den hinteren Räumen mit einem ihr unbekannten Dämon unterhielt, bevor sie sich wieder ihrem eigenen Gesprächspartner zuwandte. “Also, fassen wir zusammen: Du gehst nicht auf diese Con, weil da irgendwelche Herr-der-Ringe Stars rumrennen, und irgendwelche durchgedrehten Leute in Kostümen, sondern einzig und allein, weil sich Warren sonst eine Knarre kauft – schon wieder – und damit auf Buffy losgeht...“

 

“Nein, sondern weil ich ihm versprochen habe, dass wir unser gemeinsames Wochenende nachholen, sobald ich aus Rom wieder da bin,“ protestierte Andrew empört. “Musst du alles mit Gewalt missverstehen?“

 

“Wenn du mich so direkt fragst, ja.“ Kennedy kippte ihren Drink hinunter. “Du hast mir immer noch nicht erzählt, wieso du und Mo auf einmal beste Kumpels seid. Bis vor kurzem hab’ ich ja nicht mal gewusst, dass du überhaupt hierher kommst...“

 

“Das ist eine lange Geschichte...“ Andrew überlegte, was und wie viel er Kennedy sagen konnte, ohne das Gesetz der Verschwiegenheit zu brechen. Insgeheim war er überrascht, dass es so lange gedauert hatte, dass sich jemand für seine Verbindung zu Mo und den Dämonen interessierte. Aber wahrscheinlich vermuteten die anderen, dass er jetzt bei Warren lebte, und das allein genügte, um nicht nachzufragen.  

 

“Ich hab’ Zeit.“ Sie wandte sich an den Barkeeper, um sich ein weiteres Getränk zu bestellen.

 

“Ich leider nicht.“ Andrew spähte zum Eingang, wo er meinte, soeben eine bekannte Gestalt entdeckt zu haben. Wahrscheinlich wollte Warren nicht hereinkommen, so lange Kennedy noch da war.

 

“Oh...“ Kennedy wandte den Blick ebenfalls zur Tür. “Egal, ich wollte eh’ noch auf Patrouille gehen. Na dann lass’ dir mal schön was einfallen, wie er hier rein, und ich rauskomme, ohne dass wir aneinander vorbei müssen...“

 

“Kommt gar nicht in Frage!“ Andrew hüpfte von seinem Barhocker. “Du bleibst schön hier sitzen, und wir gehen woanders hin!“

 

“Nix da!“ Kennedy stand auf, und verschränkte die Arme vor der Brust. “Ich habe gesagt, ich gehe, also gehe ich auch. Ich bin eine Jägerin, die zu ihrem Wort steht.“

 

Während Andrew noch nach einer passenden Antwort suchte, rief eine aufgeregte Stimme Mo’s Namen. Eine Frau mittleren Alters drängte sich zwischen den Dämonen hindurch, eine Frau, die selbst ganz und gar nicht dämonisch zu sein schien.

 

“Golde, was gibt es?“ Mo wusste sofort, dass etwas nicht in Ordnung sein konnte. Seine Frau kam sonst nie ins Black Pearl...

 

“Chava ist noch nicht zu Hause...“ Golde rang die Hände. “Wir hatten ausgemacht, dass sie bis Mitternacht daheim ist, aber nun ist es beinahe zwei, und sie ist immer noch nicht da...“

 

“Von wo daheim?“ Eine Falte hatte sich auf Mo’s Stirn gebildet. “Wieso weiß ich davon nichts?“

 

“Sie war auf einer Geburtstagsfeier bei einem Mitschüler eingeladen,“ beeilte Golde sich zu erklären. “Wir...nun wir dachten, wir sagen dir besser nichts davon, damit du dich nicht wieder aufregst. Und sie hat versprochen, spätestens um zwölf daheim zu sein und...“

 

“Na, das hat ihr ja wieder fein angestellt!“ Bisher hatte Kennedy Mo noch nie die Fassung verlieren sehen, aber nun schien der bärtige Dämon kurz davor zu sein. “Hundertmal hab’ ich dir gesagt, ich will die Mädchen nachts nicht auf der Straße haben. Geburtstagsfeier, meinetwegen, aber dann wird der Schlafsack mitgenommen, und dort übernachtet, und nicht bei Nacht und Nebel in der Stadt rumgerannt...“

 

“Haben Sie bei dem Freund schon angerufen,“ wollte Andrew wissen. “Vielleicht ist Chava ja länger geblieben, oder irgendwer hat sie überredet, noch mit in eine Disco zu kommen...“

 

“Ja, hab’ ich, der Junge meinte, sie wäre um kurz nach eins von dort weggegangen, und zwar allein...es muss unterwegs was passiert sein...“

 

“Das wissen wir nicht,“ versuchte Kennedy die aufgeregte Frau zu beruhigen. “Wir werden sie sofort suchen gehen!“

 

“Ich geb’ nur schnell Warren Bescheid!“ Andrew wetzte in Richtung Eingang davon, während Mo unruhig auf und ab ging, und sich schließlich an eine Clique von Dämonen wandte, die um den Kartentisch herum saßen. “Freunde, es ist etwas vorgefallen! Ich brauche dringend eure Hilfe.“

 

“Bin schon wieder da.“ Andrew kehrte mit Warren im Schlepptau zurück. Nervös flog sein Blick zwischen seinem Freund und Kennedy hin und her, die sich mit äußerstem Misstrauen in den Augen anstarrten. Einen Augenblick lang, lag eine Spannung in der Luft, die man mit einem Messer hätte schneiden können.

 

Dann wandten sich beide voneinander ab, als ob der andere nicht existierte, und richteten ihre Aufmerksamkeit stattdessen auf Mo’s Frau, welche immer noch verzweifelt schluchzend vor ihnen stand. “Wie weit wohnt dieser Freund von hier?“ wollte die Jägerin wissen. “Wo sollen wir anfangen zu suchen?“

 


+++

 

Buffy’s Wohnung,

nächster Morgen

„Hey, komm doch rein.“ Buffy öffnete Xander die Tür, er sah müde aus, „Hast du nicht gut geschlafen?“

„Ging so, ich hab’ auf einen Anruf gewartet.“ Er hängte seinen Mantel an den Kleiderständer, dann wandte er sich wieder Buffy zu, und setzte mit besorgter Miene zu einer Frage an „Schon irgendwas Neues wegen Giles?“

„Ja, aber nichts Gutes, leider. Komm mit in die Küche, Willow ist auch da,“ wies Buffy ihn an.

Willow saß zusammengekauert auf einem der Stühle, als die beiden die Küche betraten. Die Ringe unter ihren Augen waren noch nicht kleiner geworden, dennoch sah sie zumindest gesünder aus, als noch vor zwei Tagen.

Als sie Xander erblickte, hob sie ihre Hand zum Gruß: „Hi! Weißt du die schlechten Neuigkeiten schon?“

„Nein, ich bin grad erst gekommen.“ An Willows trübem Gesichtsausdruck konnte er erkennen, dass es wirklich schlecht für Giles aussehen musste.

Buffy bat ihm einen Stuhl an: „Setz dich besser!“

„Was ist denn los?“, fragte Xander immer mehr beunruhigt.

„Ich hab’ gestern Abend einen Anruf von Giles Verbündeten im Rat bekommen. Er war nicht bei der Verhandlung zugegen, doch wie ihm berichtet wurde, ist es dort wohl heiß her gegangen. Giles hat es beinahe geschafft, die Wächter zu überzeugen, aber nur beinahe, die Abstimmung ist ganz knapp zu Lilys Gunsten ausgefallen. Doch selbst diese knappe Mehrheit hat ausgereicht: Giles ist von all seinen Positionen im Rat auf Lebenszeit entbunden, außerdem hält Lily ihn in England fest,“ berichtete Willow. „Der Informant will weiter nichts mit der Sache zu tun haben, er sagt es ist zu riskant, noch einmal mit uns in Kontakt zu treten, oder überhaupt etwas zu unternehmen, das gegen Lily geht.“

„Uff.“ Xander atmete tief durch. „Sind das alle schlechten Neuigkeiten.“

Nicht ganz, dachte sich Willow im Stillen. Immer wieder gingen ihr D´Hoffryns Worte durch den Kopf, sie hätte nur noch fünf Tage. Zwei waren seither vergangen, und sie hatte immer noch keine Ahnung, was sie davon halten sollte. Fünf Tage, bis was geschah?

 

War es das, was sie vermutete? Wollte D’Hoffryn sie etwa umbringen, nachdem er keine Chance hatte, sie für sich zu gewinnen?

 

Oder hatte er sie nur erneut verunsichern wollen? Sie warf Xander einen kurzen besorgten Blick zu, den er für einen Moment erwiderte. Sollte sie es ihnen erzählen? Wenn es nur eine Lüge D´Hoffryns war, wäre es nur ein weiterer Grund für ihre Freunde, sich unnötig Sorgen zu machen, und noch weiter die Hoffnung zu verlieren. Gab es nicht schon genug schlechte Neuigkeiten, dass man auch noch mit albernen Drohungen anfangen musste?

„Ist irgendetwas Willow?“, wollte Xander besorgt wissen.

„Nichts. Ich hab nur über etwas nachgedacht, aber ich bin selbst nicht sicher, über was.“ Sie lächelte „Es ist nicht so wichtig.“

„Ich dachte, wir wollten in Zukunft keine Geheimnisse voreinander haben.“, fragte Xander und zog dabei seine Augenbraue hoch. “Kommen nicht alle Probleme immer wieder daher, dass wir nicht miteinander reden?“

 

Buffy und Willow lächelten gequält. Dieser Aussage konnte man nur zustimmen. Es war ein ständiges Auf und Ab, ein dauerndes Sich-Auseinander-Leben, und wieder Aneinander-Annähern, ein ewiger Kreislauf...

 

Nein, kein Kreislauf. Eher eine Spirale.


„Wenn es um ein konkretes Problem ginge, würd’ ich mit euch darüber reden!“ Willow blickte zwischen Buffy und Xander hin und her. „Glaubt mir, ich habe aus der Sache mit D´Hoffryn wirklich gelernt, ich werde euch nichts mehr verheimlichen! Wirklich nicht!“

“Weil wir gerade dabei sind...“ begann Xander, “...ich hab’ in letzter Zeit einiges an Mist gebaut. Das Auge, die Sache mit Dawn...der Streit mit Andrew...“

 

“Das mit Dawn war meine Schuld,“ unterbrach Willow sofort. “Ich war diejenige, die es zuerst wusste.“ Sie blickte zu Buffy hinüber. “Und ich hab’s dir verschwiegen...“

 

“Ja, das war schon ein verdammt harter Brocken...“ Buffy seufzte leise. “Aber ich denke, ich werd’s überleben.“ Ein gequältes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. “Wenn wir schon gerade dabei sind, uns zu entschuldigen...meine Worte euch gegenüber waren auch etwas hart. Wenn es um Dawn geht, dann hab’ ich mich manchmal nicht unter Kontrolle. Ich wünschte, ich könnte alles ein bisschen lockerer sehen, nicht immer gleich aus der Haut fahren. Aber es fällt mir so verdammt schwer. Jedes Mal, wenn es zwischen mir und Dawn gut läuft, jedes Mal, wenn ich das Gefühl habe, sie hat endlich gelernt, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, passiert wieder irgendwas. Glory will sie umbringen, Lily will sie umbringen, sie ist plötzlich eine Jägerin, und niemand sagt es mir...sie geht mit drei verschiedenen Jungen zum Ball...“

 

Buffy gab einen Laut von sich, der irgendwo zwischen einem Lachen und einem Seufzen lag.

 

“Ja, es ist ein verdammt mieses Gefühl, wenn man als Letzter erfährt, was alle anderen schon vor einem wussten,“ bestätigte Xander. “Ehrlich gesagt, glaub’ ich, das war einer der Hauptgründe, warum ich in der Sache mit Andrew so überreagiert habe...“ Gedankenverloren senkte er den Blick und betrachtete das Muster der Tischdecke. “Ich muss mich endlich bei ihm entschuldigen... das kann so nicht mehr weiterlaufen. Dieses ständige Sich-gegenseitig-Ignorieren....“

 

“Ich hab’ mich auch nie bei ihm entschuldigt,“ murmelte Willow. “Für die Dinge von damals... ich hab’ ihm nie gesagt, wie leid mir das alles tut...“

 

“Sollen wir jetzt versuchen, den Apokalypsen eine positive Seite abzugewinnen,“ versuchte Buffy zu scherzen. “Dass sie uns an all die Dinge erinnern, die wir falsch gemacht haben?“

 

Die Bemerkung war nicht witzig gewesen, und ihr Gesicht wurde sofort wieder ernst. Sie alle schwiegen für einige Momente, im Hintergrund summte leise das Radio.

„Also gut, und was wollen wir jetzt wegen Lily und dem Rat machen?“, setzte Xander an und blickte fragend zwischen den beiden anderen hin und her.

Buffy atmete tief durch, dann antwortete sie: „Wir kämpfen weiter. Ich weiß noch nicht, was wir tun können, doch wir werden ganz sicher nicht aufgeben, das sind wir Giles schuldig. So bald sich eine Gelegenheit ergibt gegen Lily vorzugehen werden wir sie auch ergreifen. Wenn wir zusammenhalten wie früher, können wir bestimmt etwas in Bewegung setzen.“

Willow und Xander nickten zustimmend, doch Buffy blickte nur gedankenverloren ins Leere. Plötzlich horchte sie auf: „Xander mach bitte mal das Radio lauter!“

„…die Polizei gab an, dass die 16-jährige, deren Identität noch nicht bestimmt werden konnte, wohl auf dem Heimweg von einer Gruppe Unbekannter brutal zusammengeschlagen wurde, und noch am Ort des Angriffs ihren Verletzungen erlag. Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei den Tätern um eine Gang handelt, auf deren Konto schon mehrere Überfälle und Angriffe in der letzten Zeit gingen. Erstaunlich bei diesem Fall ist vor allem, dass die Täter keinerlei Interesse an den Wertgegenständen des Opfers zeigten…“ las der Radiosprecher die Nachrichten vor.

„Falscher Alarm, wohl nichts Übernatürliches!“, kommentierte Xander und warf Buffy einen Blick zu. „Und selbst wenn, ich bezweifle, dass unsere Zeit reicht, sich darum zu kümmern.“

“Wisst ihr, was seltsam ist?“ fragte Buffy. “Jedes Mal, wenn ich so etwas höre, so einen Fall, bei dem mein Instinkt mir sagt, dass mehr dahinter steckt, dann ist mein erster Gedanke immer noch: ’Selbst wenn wir keine Zeit haben, wir haben jetzt so viele Jägerinnen und Wächter, wir finden ohne Probleme jemanden der sich um den Fall kümmern kann...’

 

“Und erst mein zweiter Gedanke ist dann: ’Hoppla, mit all diesen Wächtern und Jägerinnen können wir nicht mehr rechnen. Es ist genau wie früher, als wir noch alleine dastanden...entweder wir kümmern uns drum, oder niemand tut es.’“

 

 

+++


Shin’s Wohnung,

selbe Zeit

Zärtlich küsste Shin seine Freundin auf die Stirn. Sie lagen auf seinem Bett, Dawn hatte die Nacht bei ihm verbracht, und nach dem Frühstück mit seiner Familie waren die beiden wieder in seinem Zimmer verschwunden und hatten es sich noch gemütlich gemacht.

 

Die Nacht war kurz gewesen, lange hatten sie sich unterhalten. Über Kampftechniken, Musik und Religion. Selbst Shin musste nun lächeln, als er über die Zusammenstellung ihrer Diskussionen nachdachte. Aber das mochte er so an Dawn, sie hatte eine eigene Meinung und die vertrat sie auch standhaft. Es macht beiden immer sehr viel Spaß, die verschiedenen Aspekte einer Sache zu beleuchten. Beide Teenager hatten dabei jedes Mal das Gefühl vom anderen etwas gelernt zu haben.


Dawn drehte sich leicht zu ihm und sah ihm in die Augen. Sie fühlte sich wohl bei Shin. Bei ihm hatte sie nicht das Gefühl, sie müsse stark sein. Vor ihm konnte sie ganz sie selbst sein. Das gefiel ihr an ihm.


Ein leises Klopfen an der Zimmertür schreckte beide aus ihren Gedanken. Shin stand auf und ging zur Tür. Seine Mutter Yui stand davor. Leise wechselten die beiden ein paar Worte miteinander.

 

Shin drehte sich zu Dawn um. „Meine Eltern möchten gerne etwas mit uns besprechen.“


„Ja, klar. Ich komme schon.“ Flugs war Dawn aus dem Bett und folge Shin und seiner Mutter in das Wohnzimmer.


Sein Vater Gendou bat die beiden Platz zu nehmen. Neben Shins Vater saß noch ein weiterer  Japaner, der sich als Tetsu Akira vorstellte. Sein Alter war nur sehr schwer auszumachen, doch er schien älter als Shin und jünger als Shin’s Vater. Er sah Dawn freundlich und interessiert an und folgte ihr mit seinen Blicken. Shins Vater ergriff das Wort.


„Mein Sohn, wir haben erfahren, dass unsere Feinde hier noch nicht vollständig besiegt sind. Ein letzter Läufer des Cleveland Spiels ist noch am Leben und deine Aufgabe soll es sein, ihn ausfindig zu machen und ihn zu vernichten.“


Ein Schauer lief über Shins Rücken, sein Vater hatte ihn mit einer wichtigen Aufgabe betraut. Für Shin bedeutete dies, dass seine Prüfungen nun beginnen würden. Diese Aufgabe war der erste Test.

 

Der junge Japaner ließ sich seine Nervosität allerdings nicht anmerken. „Ich verstehe, Otoh-san. Ich werde sofort mit der Suche beginnen.“ Er war schon im Begriff aufzustehen.


„Verzeihen Sie,“ begann Dawn leise. Tetsu Akira betrachtete sie unverwandt. Sie wusste, dass sich hier alle Familienmitglieder mit größtem Respekt voreinander behandelten, aber die genauen Regeln hatte sie noch nicht ganz begriffen. Von daher benahm sich Dawn sehr vorsichtig.


„Wenn Sie nichts dagegen haben, dann würde ich Shin gerne bei dieser Aufgabe helfen.“ Aus den Augenwinkeln sah Dawn wie Akira ihr unmerklich zunickte und ein leises Lächeln andeutete.


Gendou und Yui wechselten einen Blick, dann sprach Shins Mutter: „Du bist für unseren Sohn etwas Besonderes und du achtest unsere Kultur. Wir sind einverstanden, wenn du Shin hilfst. Die Hilfe von Freunden anzunehmen ist keine Schande. Nun solltet ihr aber mit eurer Aufgabe beginnen.“

Zurück auf seinem Zimmer besprachen Shin und Dawn ihre weitere Vorgehensweise. „Ich hab’ dir doch von der Sache mit Xander’s Firma erzählt,“ begann Dawn, “und deine Familie hat von uns die Disc mit den Informationen über den HtoGrom Clan bekommen. Ich könnte die Firmen mal im Internet durchchecken...“

 

“Ich vermute, dass meine Familie das schon tut,“ überlegte Shin. “Außerdem stellt sich die Frage, ob der übrig gebliebene Läufer wirklich in einer der anderen Firmen gelandet ist. Meiner Meinung nach würde der Clan dieses Risiko nicht eingehen, nicht nachdem so viele Jägerinnen die menschliche Identität des Läufers kennen...“

 

“Romero...“ Unwillkürlich wanderten Dawn’s Augen zu Shin’s Computer. “Aber nach dem Namen können wir auf alle Fälle schauen, vielleicht finden wir was in einer der Suchmaschinen.“

 

 „Das ist keine schlechte Idee“, stimmte Shin zu. “Außerdem werde ich noch bei Maklern nachforschen, ob er irgendwo Räume gemietet hat. Wir teilen uns auf. Ich mach mich gleich auf den Weg.“ Shin nahm seine Jacke und gab Dawn einen Kuss. „Ich hab dich lieb, mein Kleines.“

 

Dawn lächelte ihrem Freund hinterher. Ihr ‚Ich dich auch’ hörte er schon gar nicht mehr.

 

 

+++

 

Einkaufszentrum,

selbe Zeit

Langsam ließ Faith ihren Blick durch die Halle schweifen. So viele Leute, die keine Ahnung hatten, was sich in der Welt, in IHRER Welt, wirklich abspielte. So viele Menschen, die nicht sehen wollten, was passierte, die Geschehnisse, die nicht in die physikalischen Regeln ihrer Welt einzuordnen waren, einfach wieder aus ihrem Gedächtnis verdrängten. Sie schmunzelte, zuckte dann jedoch mit den Schultern und wandte sich wieder dem Kleiderständer zu, der sich vor ihr befand.

Sie ließ ihre Finger über die einzelnen Farbabstufungen gleiten, von Gelb, zu Grün, zu Blau um schlussendlich bei Dunkelrot stehen zu bleiben. Sie griff zu, betrachtete das Kleid noch kurz, hielt es sich dann an den Körper und betrachtete sich im Spiegel.

„Ach was solls.. sagte sie zu sich selbst, wischte damit alle Zweifel weg, die sie noch hatte, suchte sich eine Umkleidekabine und probierte das Kleid. Sie wollte sich gerade umdrehen, um sich in dem großen Spiegel zu betrachten, als plötzlich der Vorhang kräftig zurückgezogen wurde.

Ruckartig drehte sich Faith um und starrte in das erfreute Gesicht von Kimberly, der Jägerin, die sie vor etwa einem Dreivierteljahr aus Silent Hill gerettet hatten.

„Faith! Gott sei Dank. Ich wusste doch, dass du das bist!“ sagte Kimberly erfreut und umarmte Faith, die völlig überrumpelt die Umarmung erwiderte.

„Kimberly?“ Überrascht trat sie einen Schritt nach hinten und betrachtete die junge Jägerin erfreut. „Was machst du denn hier? Ich meine... wie kommst du nach Cleveland? Hat dich dein Wächter aus Boston geschickt?“ Verwirrt, aber gleichzeitig erfreut sah sie ihre Freundin an.

„Na ja.. wollte Kim antworten, wurde dann allerdings unterbrochen.

„Hey Kimberly.. .ich uhm...was sagst du zu dem schrägen Teil? Kann man damit ’nen Kerl überraschen?“ Faith sah an sich herab und strich dabei das Kleid glatt.

“Es steht dir wirklich gut!“ sagte Kim und betrachtete die ältere Jägerin dabei von oben bis unten. Lily hatte sie eigentlich vor ALLEN Jägerinnen in Cleveland gewarnt, doch sie konnte bis jetzt nicht glauben, dass Faith wissentlich mit diesem Verräter zusammen gearbeitet haben sollte.

„Wir sollten unbedingt miteinander sprechen
ß> reden...“ flüsterte Kimberly, trat einen Schritt auf Faith zu und schob danach hinter sich den Vorhang der Umkleidekabine wieder zu.

„Stimmt.. aber was hältst du davon, wenn ich mich zuerst wieder umziehe und wir uns dann…“ doch Faith konnte den Satz nicht beenden.

“Nein, es ist wirklich dringend, und es wäre jeder andere Ort genau so unpassend für dieses Gespräch wie diese Kabine. Wir sollten über Rupert Giles reden. Bitte sag mir, dass du nicht auf der Seite dieses Verbrechers stehst!“ Kimberlys fröhlicher Gesichtsausdruck war augenblicklich verschwunden und es war nun ein fast bettelnder Blick gefolgt.

Überrascht und schockiert sah Faith die jüngere Jägerin an. War Kimberly etwa auch nach London geschickt worden? Hatte diese Schlampe namens Lily wirklich gewagt, nachdem sie Vi getötet hat, nun Kimberly zu bearbeiten?

„So.. jetzt mal alles der Reihe nach…“ Faith strich sich verwirrt ihre Haare aus dem Gesicht. „Erstens, was machst du eigentlich hier? Zweitens, wie kommst du auf die absurde Idee, dass Giles ein Verbrecher sein sollte?“

„Also, ich war auf der Suche nach dir. Lily hat uns so viele erschreckende Nachrichten über deine Freunde erzählt.. ich musste einfach sicher gehen, dass mit dir alles in Ordnung ist. Dass du auf der richtigen Seite stehst.. Kim sah Faith mit großen Blauaugen an.

„Bitte? Auf der richtigen Seite? Natürlich steh ich auf der richtigen Seite, und zwar auf der von Giles. Was hat dir Lily denn erzählt?“ Faith sah die jüngere Jägerin geschockt an.

„Oh mein Gott...“ Kimberly’s Kinn begann zu zittern und ihre Augen wurden feucht. “Dich hat er also auch eingewickelt, dieser Intrigant!“ Es schien, als wäre in diesem Augenblick eine Welt für die junge Jägerin zusammengebrochen.

“Aber.. aber.. Faith. Du, ich versteh das nicht. Ms. Usher wurde von diesem Rupert Giles verraten. Wir ALLE sind von ihm verraten worden. Wie kannst du nur auf seiner Seite sein?“ Es fiel Kimberly offenbar schwer, nicht in Tränen auszubrechen, doch die Jägerin schlug sich trotzdem tapfer.

„Kimberly, ich weiß wirklich nicht, was dir Lily erzählt hat, aber wahrscheinlich sind es nur Lügen gewesen. Ich versteh nicht, was sich diese Idioten im Rat nur denken. Lily Usher ist wahnsinnig“ Faith spürte die Spannung, die zwischen Kimberly und ihr aufgekommen war. Sie konnte sie fast in der Luft knistern hören, wie Elektrizität.

 

Erst jetzt ergriff sie das Gefühl der Enge. Es war hier viel zu klein für dieses Gespräch. Es war der falsche Ort und die falsche Zeit. Sie war darauf nicht vorbereitet. Was hatte diese Schlampe nur mit Kimberly gemacht? Sie hatte gewusst, dass Lily Lügen verbreitete, dass sie Leute aufhetzte, aber erst jetzt, als sie einem Mädchen gegenüberstand, das sie kannte, das sie als Freundin betrachtete, wurde ihr das ganze Ausmaß der Intrigen bewusst.

 

Faith fühlte wie sich ein Gürtel um ihre Lunge schnürte und sich langsam immer enger zusammen zog.

„Wie kannst du es nur wagen, so über Ms. Usher zu sprechen? Sie ist es, der wir unser Leben verdanken. Wäre sie nicht gewesen, wären wir alle, du eingeschlossen, schon längst tot. Sie wurde von Mr. Giles betrogen und dieser Verrat hat sie fast das Leben gekostet. Und das Schlimmste daran ist, dass wir zurzeit nicht einmal Zeit für solche Machtspielchen haben. Das Armageddon ist im Anmarsch, und dein unnützer Wächterfreund hat nichts Besseres zu tun, als Ms. Usher ständig das Leben schwer zu machen!“ Die Trauer in Kim’s Augen wurde langsam zu Wut.

„So ein Quatsch,“ fuhr Faith auf. “Ja, es kommt etwas Großes auf uns zu, aber das ist Lily’s Schuld! Nicht die von Giles, und tief in deinem Inneren weißt du das auch. Du bist eine Jägerin, Kim, du hast ein Gespür für Richtig und Falsch!“ antwortete Faith nun mit etwas lauterer Stimme.

„Pah, das musst mir gerade du erzählen, Faith. Lily hat uns alles über eure Truppe erzählt. Sie hat gesagt, dass ihr Giles folgt wie stupide Lemminge. Denkt doch mal nach. Bitte Faith, ich hatte so gehofft, dass du auf unserer Seite kämpfen wirst. Bitte!“ Kim trat einen weiteren Schritt auf die ältere Jägerin zu, die Kim nun aber schon wutentbrannt ansah. Es kostete Faith große Anstrengung, Kimberly in diesem Moment nicht kräftig eine zu scheuern, um die Lügen, die Lily in den Kopf dieses unschuldigen Mädchens gepflanzt hat, herauszuschlagen.

„Kim, hör mir zu, und schau mir in meine Augen. Lily Usher hat bewusst Vi getötet!“ Faith trat nun auch vor und packte Kim an den Schultern. „Sie hat Vi einfach so erschossen. Ohne einen Grund. Vi hatte ihr nichts getan. Und zu diesem Zeitpunkt war sie noch einer unserer Wächter hier in Cleveland. Dann hat sie sich Buffy’s Schwester genommen, Lily hat dir sicher von ihr erzählt, und wollte auch diese umbringen. Hat sie euch das erzählt? Nein? So ist es aber abgelaufen!“

“Das ist nicht wahr!“ Kimberly schlug Faith’s Arme weg, drehte sich um, riss den Vorhang so kräftig zur Seite, dass der Stoff an einigen Stellen riss und lief einige Schritte aus der Kabine hinaus. Dann drehte sie sich noch einmal um und sah Faith mit tränenden Augen an.

„Lass es nicht so weit kommen, dass uns die Lügen von Mr. Giles gegeneinander kämpfen lassen!“ sagte Kimberly, drehte sich dann um und lief aus dem Kaufhaus.

Faith sah der jungen Jägerin nach, lehnte sich gegen den Spiegel und rutschte dann langsam zu Boden. Benommen und abwesend starrte sie ins Nichts, als eine Verkäuferin näher trat und Faith besorgt ansah.

Ma’am, kann ich Ihnen irgendwie helfen?“

„Wie viel kostet das Kleid?“ fragte Faith und sah die Frau ohne jegliche Regung an.

Hmm... 70,69 Ma’am, aber Sie müssen es bei der Kasse bezahlen!“ antwortete die Verkäuferin.

„Hier..“ Faith drückte der Verkäuferin 80 Dollar in die Hand, schnappte sich ihre Sachen und verließ daraufhin ebenfalls fluchtartig das Kaufhaus.

 

+++

 

Flughafen,

selbe Zeit

Die Tür, hinter der sich Zoll und Gepäckausgabe befanden, glitt auseinander und entließ die erste Gruppe Touristen und Heimkehrer auf amerikanischen Boden. Laut und lärmend drängte sich eine Gruppe Jugendlicher an einem älteren Ehepaar vorbei in den Warteraum, gefolgt von einigen Geschäftsmännern, die müde wirkten und trotzdem sofort ankommende Anrufe entgegennahmen oder sich von ungeduldig wartenden Mitarbeitern in Empfang nehmen ließen. Familien, die ihren ersten Tag Urlaub antraten, kamen entspannt hinter der Tür hervor, bepackt mit Koffern und Kindern, gefolgt von älteren Ehepaaren, die Familienangehörige in Cleveland besuchen wollten. Nach und nach ließ der Strom an ankommenden Reisende nach und nur noch selten glitt die Tür auf, um Nachzügler auszuspucken.

Hinter einer kleinen grauhaarigen Amerikanerin, die von Tochter und Enkelkindern bereits ungeduldig erwartet wurde, verließ der letzte Passagier des Fluges den Zollbereich, dessen Äußeres auf eine lange Reise oder einen hastigen Aufbruch schließen ließ: Mit leicht zerknittertem Anzug, abgespanntem Gesicht, Augenringen und Bartstoppeln trat Rupert Giles in den Warteraum, ohne sich die Mühe zu machen, nach einem bekannten Gesicht zu suchen. Vor dem Abflug hatte er niemanden, nicht einmal Buffy, über seine Rückkehr informiert. Der Grund dafür war einfach - er brauchte jetzt keine aufgekratzten jungen Leute um sich, die ihn mit Fragen bombardierten, auf welche er wahrscheinlich keine Antworten parat hatte. Es gab vieles, das er ihnen erzählen musste. Und er wusste nicht, wie sie darauf reagieren, mit welchen Augen sie ihn betrachten würden, wenn er gestehen musste, dass er die entscheidende Schlacht vor der Anhörung verloren hatte. Es zählte dabei nicht, dass es sehr knapp gegen ihn entschieden wurde, sondern alleine sein Versagen.

Aber vielleicht gab es an dem Ganzen ja auch eine gute Seite, dachte Giles mit seinem Hang zum Sarkasmus und stellte sich gleich selbst die Frage, welche das wäre? Dass er für Lily endlich nichts mehr empfand? Das er dem Rat endgültig die Schulter zeigen konnte? Das er von jetzt an genügend Zeit hatte, um sich auf die Bedrohung durch die Reiter zu konzentrieren?

Bei allen Antworten, die er sich selbst gab, schüttelte Giles unmerklich leicht den Kopf. Nichts davon traf zu, so erschreckend es auch war. Aber seine Gedanken waren viel zu sehr von den letzten Stunden abgelenkt, um sich auf vier mächtige berittene Dämonen zu konzentrieren. Den Rat, den er sich aufgebaut hatte, um die vielen Jägerinnen zu schützen, konnte er nicht wirklich vergessen und aufgeben. Müde vom Kämpfen war er bereits, aber sein Wille war noch längst nicht gebrochen. Dazu gehörte schon mehr. Und dann waren da noch immer seine widersprüchlichen Gefühle für Lily, die er doch gar nicht mehr empfinden durfte.

Er war durcheinander gewesen, als er feststellen musste, dass sie ihn „verhaften“ hatte lassen, noch irritierter war er über manchen ihrer Blicke zu Beginn der Anhörung gewesen, aber das alles war nicht zu vergleichen mit seiner Verwirrung, die er noch immer darüber empfand, dass sie vor wenigen Stunden einfach so, alleine, in seiner Zelle aufgetaucht war, ihm seine Papiere zurückgegeben hatte, und ein Flugticket nach Cleveland dazu. Natürlich hatte Giles auf eine Erklärung gepocht und Lilys Worte, um so öfter er sie überdachte, brachten ihn immer wieder dazu, seine Gefühle neu zu überdenken – heimlich, ohne dass der Rest des Rates etwas davon wusste, war sie zu ihm gekommen.

 

Ihr schlechtes Gewissen habe sie getrieben, weil sie noch immer starke Gefühle für ihn empfände. Was auch immer geschehen war, und geschehen würde, habe nichts damit zu tun, dass sie Giles liebte.

 

Waren es nur leere Worte? Sollte er ihr Glauben schenken, weil er das gerne tun würde? Er war einfach zu müde, um klar denken zu können. Es gab einfach zu viele Gedanken, die er nicht haben wollte und Gefühle, von denen er geglaubt hatte, dass sie mit Lilys schändlichen Taten gegen sie alle erloschen wären. Aber trotz des Duells, das sie sich beide vor den anderen Wächtern geliefert hatten, trotz Lilys Intrigen, Dawns Opferung und dem Mord an Vi konnte er sie nicht hassen, oder als das unmenschliche Monster betrachten, das Faith zum Beispiel in ihr sah. Das verwirrte Giles viel mehr als die im Moment herrschenden Intrigenspiele. In diesem Zustand wollte er niemandem von seinen amerikanischen Freunden begegnen. Es hätte nur Fragen gegeben oder viel schlimmer – stumme fragende Blicke aus Angst, die falschen Fragen zu stellen.

Leise seufzte Giles über sich selbst und seine Verzweiflung, und steuerte dabei den Ausgang an. Fürs Erste sollte es genügen, dass er frei war und wieder hier in Cleveland sein konnte. Auch wenn er im Moment nicht wusste, was er als Nächstes tun sollte, und das nicht zum ersten Mal seit er Buffy’s Wächter geworden war. Oder besser gesagt, welcher Schritt der klügste wäre, um ihnen allen in diesem Chaos und den Bedrohungen zu helfen.

Ein Taxi würde ihn jetzt genauso gut durch Cleveland zu der alten Baptistenkirche fahren können, wie Xander und mit ein wenig Glück würde niemand im Gebäude sein oder seine Rückkehr über die Hintertür bemerken. Er könnte damit ein wenig Zeit für sich alleine gewinnen, ehe die Fragenstürme auf ihn hereinbrachen.

Giles hatte den Ausgang erreicht und wurde von einem überraschend milden Wetter begrüßt, das er nach dem kalten Winter in Cleveland und dem feuchten Wetter bei seiner Abreise nicht so schnell erwartet hätte.

Mit der Absicht, sich zu Hause von den Strapazen der letzten Tage erst einmal zu erholen, bevor er irgendjemanden anrief, überließ er seinen Koffer einem hilfsbereiten Taxifahrer und sank in das kühle Sitzpolster des Wagens zurück.

Auch die Fahrt durch die Stadt, die seit fast einem Jahr so etwas wie eine neue Heimat geworden war, half ihm nicht dabei, seine Gedanken abzuschalten und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – die Reiter. Etwas war ihm in London bewusst geworden: Egal was Lily plante und was sie vorhatte, es musste etwas mit der drohenden Apokalypse zu tun haben. Sie wusste von der Gefahr, die sie alle bedrohte - woher auch immer. Wenn er den anderen helfen wollte, musste er Gefühle, die noch da waren verdrängen und sich auf das konzentrieren, was die anderen vielleicht inzwischen herausgefunden hatten...

Das Taxi hielt vor dem Ratsgebäude und Giles ließ sich seinen Koffer aus dem Kofferraum holen, während er das Geld abzählte. Als sich der Fahrer wieder in den Verkehr einreihte, ging Giles über den Garten zur Hintertür. Ängstlich behielt er den alten Schulbus im Auge, doch niemand bewegte sich hinter den Fenstern. Die Tür sprang unverschlossen unter seiner Hand auf und die Stille des Gebäudes empfing ihn. Als er leise eintrat, schrillte das Telefon in seinem Büro los und erschrocken fuhr Giles zusammen. Doch niemand kam aus dem Konferenzraum, noch hörte er Buffy in seinem Büro. Das Telefon läutete unaufhörlich weiter, doch Giles ignorierte es, ging die Treppe nach oben in seinen Wohnreich, steuerte die Küche an und ließ auf dem Weg seinen Koffer einfach aus den Händen gleiten. Trotz aller guten Vorsätze gab es im Moment wohl nur eines, das ihn etwas beruhigen würde....

...mit einem vollen Glas Scotch nahm Giles schließlich erschöpft im Sessel neben seinem Kamin Platz und schloss nach einem Schluck aus dem Glas die Augen, als wollte er die Welt und das, was darin im Moment geschah, ausschließen und vergessen.

 

+++

 

Malkuth, Mo’s Wohnung

selbe Zeit

“Papa, wieso gehst du weg?“

 

“Ich bin bald wieder da, Liebling“ versicherte Mo, und versuchte dabei nicht in die großen fragenden Augen seiner jüngsten Tochter zu blicken, die auf dem Fußboden mit ihren Rennautos spielte.

 

Er konnte diesen Blick nicht ertragen. All die Fragen, auf die er eine Antwort wissen musste. Bielke war neun Jahre alt, in diesem Alter mussten die Eltern noch auf alles eine Antwort wissen. Oder zumindest so tun. Trotz aller Tränen lächeln, und versichern, dass die große Schwester nun an einem wunderschönen Ort war, an dem es ihr gut ging, und sie glücklich war.

 

Golde konnte das. Er nicht.

 

Seit dem frühen Morgen schon saßen sie alle miteinander in der Küche. Auch seine Älteste, die nicht mehr zu Hause lebte, war zu Besuch gekommen, und hatte ihr Baby mitgebracht, und so wurde das andauernde Reden und Schluchzen der Frauen und Mädchen in regelmäßigen Abständen von Babygeschrei übertönt. Mo konnte es nicht ertragen. Er konnte den Lärm nicht ertragen, den Aufruhr, die Tränen.

 

Er selbst hatte keine Tränen. In seinem Inneren war nur eine große furchtbare Leere und alles war sinnlos. So sinnlos.

 

Ohne einen Blick nach links und rechts zu verschwenden, bahnte er sich seinen Weg durch das Gewühl auf der Straße des Mondes, erwiderte den Gruß der Vorbeihastenden höchstens mit einem Nicken. Gemurmel folgte ihm, die Nachricht vom Tod seiner Tochter hatte sich schnell verbreitet, so wie alle Nachrichten in Malkuth.

 

Und Chava war nicht das einzige Opfer der vergangenen Nacht gewesen...

 

Eine Unruhe hatte die Stadt ergriffen, er spürte es ganz deutlich, trotz aller seiner Versuche, sich von der Außenwelt abzuschotten. Etwas stand ihnen bevor. Die vielen Jägerinnen, die plötzlich in Cleveland aufgetaucht waren, die vielen Opfer, das alles hatte die Bewohner von Malkuth nervös und ruhelos werden lassen. Gerüchte machten die Runde, überall wurde geredet, gemunkelt, vermutet. Und keiner wusste etwas Genaues.

 

Mo wählte nicht den Weg durch die Große Unruhe, er benutzte einen magischen Ausgang, der ihn direkt ins Black Pearl führte. Um diese Zeit würde die Hafenkneipe nicht gut besucht sein, er konnte sich in sein Büro zurückziehen, und... ja was eigentlich? Was würde er tun, wenn er die Ruhe gefunden hatte, die er so verzweifelt suchte? Grübeln? Gegen die Wand schlagen? Endlich weinen können?

 

“Morgen, Zaddik!“ Der Barkeeper nickte ihm zu, und deutete auf eine unbekannte Gestalt an einem Tisch in der Ecke. “Jemand möchte dich sprechen, er sagt, es sei dringend.“

 

’Ich hätte zu Hause bleiben sollen.’ Mo sprach den Gedanken nicht laut aus, sondern näherte sich stattdessen dem Unbekannten, welcher sich von seinem Platz erhob. “Sei mir gegrüßt, Zaddik Bartholomew.“

 

Auf den ersten Blick wirkte er menschlich, ein blonder junger Mann mit blasser Gesichtsfarbe, und hageren Zügen. Viel mehr als sein Gesicht konnte Mo auch nicht erkennen, denn er war von Kopf bis Fuß in eine leuchtendweiße Pannesamt Robe gehüllt, die zusätzlich mit Paillettenmustern bestickt war.

 

Seine Aura war jedoch alles andere als menschlich. Selbst wenn dieser Mann vielleicht als Mensch geboren war, so hatte er mit Sicherheit einige Experimente mit Magie und dämonischen Essenzen hinter sich.

 

“Mein Name ist Romolus,“ stellte sich der Unbekannte mit einer Verbeugung vor, wobei er mit der Pannesamt Robe wedelte. “Ich weiß, ich komme sehr ungelegen, doch meine Ankunft ist von allergrößter Wichtigkeit. Du bist in großer Gefahr, Zaddik, und nicht nur du, auch alle deine Freunde und deine Familie. Die Gemeinschaft von Malkuth wird bedroht, bedroht von schrecklichen Gefahren...“

 



AKT 2

Wächterhaus,

nachmittags  
„Und was genau bedeutet das jetzt für uns, Giles?“ Dawn sah besorgt zu dem Briten auf, der am oberen Kopfende des Tisches stand. Eine Mischung aus Schuld, Verlegenheit, Erschöpfung und Trotz stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er hatte gerade allen Anwesenden von seinen letzten Tagen in London berichtet, besonders vom knappen Ausgang der Entscheidung. Somit hatte er nebenbei einige der offenen Fragen geklärt, mit denen Buffy, Willow und Xander vor einer Stunde seine Nerven alles andere als geschont hatten.

„Dass wir weiter kämpfen werden,“ brachte Giles zu seiner eigenen Überraschung fest und selbstsicher hervor. „Nur weil Lily am längeren Hebel sitzt, und denkt, sie könne alles tun, was ihr beliebt, Menschen manipuliert und ...“

„Aber was können wir tun, jetzt, da der Rat Sie schon wieder rausgeworfen hat?“, Buffy, die zwischen Willow und Xander saß, bemerkte deren warnende Blicke nicht, die sich auf Grund ihrer unsensiblen Worte auf Buffy richteten. „Haben wir damit nicht den Zugang zu wichtigen Informanten verloren? Oder - oh mein Gott – bin ich jetzt auch arbeitslos?“

„Es ist nur ein Ausschluss,“ verbesserte Giles leicht pikiert. „Und ich denke nicht, dass er für die Ewigkeit sein wird. Irgendwann wird Lily einen Fehler machen und dadurch ihre „Verbündeten“ wachrütteln. Und selbst wenn nicht, wird es uns nicht daran hindern, die Welt wie immer zu retten. Wir haben auch andere Wege und Mittel.“ Dabei zeigte er auf die kleine Sammlung vor sich auf dem Tisch – das Buch von O’Bailey, einige alte Schriftrollen, die er aus England mitgebracht hatte, eigene Notizen, das Buch der Reiter des Todes und Buffys Amulett aus Rom.

Willows Blick war Giles Hand gefolgt, aber sie sah nicht wirklich was dort auf dem Tisch lag. In Gedanken versuchte sie zwar bei Giles und seiner Erzählung zu weilen, driftete aber immer wieder ab. Es wurde für Willow zunehmend schwerer nach den Ereignissen mit D’Hoffryn und den kaum noch zu ertragenden Schmerzen, Platz für andere Sorgen übrig zu haben. Das Gespräch am Morgen mit Buffy und Xander hatte ihr zwar ein wenig geholfen, aber nicht wirklich die große Sorge genommen: Die wenigen Tage, die sie noch leben sollte, sofern sie D’Hoffryn glauben durfte.

 

Es wäre natürlich sehr einfach für sie gewesen, wenn sie es als weiteren Versuch des Dämonenkönigs hätte abtun können, um sie für sich zu gewinnen. Leere Worte, um ihr Angst zu machen. Leider konnte sie sich dabei aber nicht wirklich sicher sein...

„Wir haben zwar ‚Mittel’,“ meldete sich Robin zur Wort. „Aber bisher haben sie uns nicht weitergeholfen. Das eine Buch lieferte nur Querverweise, das andere beinhaltet kompliziert ausgedrückte Prophezeiungen... und dieses Amulett...“

.. kann uns helfen,“ fiel ihm Buffy bestimmt ins Wort. „Ich habe es vom Unsterblichen selbst bekommen. Und einige wertvolle Informationen dazu.“

„Allerdings,“ pflichtete Andrew mit ernster Miene der Jägerin bei. „Und nicht nur vom Unsterblichen.“

„Was soll das heißen?“, fragte Xander ungeduldig. „Dass ihr aus Rom die Lösung all unserer Probleme mit gebracht habt?“

„Nein,“ schüttelte Andrew leicht betrübt den Kopf. „Diese Lösungs-Zauberformel funktioniert leider nur in Filmen. Aber immerhin,“ fügte er zuversichtlich hinzu. „...wir wissen von den Wächtern dort, dass Lily eine Armee Jägerinnen aufgestellt hat, um eine Apokalypse aufzuhalten.“

Kurzes, betretenes Schweigen trat nach diesen Worten ein, als allen durch Andrews Information bewusst wurde, dass Lily ihnen offensichtlich schon wieder einen Schritt voraus war.

„Mein Gott... heißt das, Lily weiß inzwischen von den Reitern?“, flüsterte Kennedy. „Und hat trotzdem nur ihre Ziele weiterverfolgt?“

„Es würde sich auf jeden Fall mit unseren Informationen von O’Bailey decken,“ nickte Faith grimmig. „Er hat fast alle seine Jägerinnen nach England zu Lily geschickt. Für irgendein Spezialtraining.“

„Und ich hatte ein nicht so schönes Wiedersehen mit einigen uns bekannten Jägerinnen in London,“ fügte Giles leise hinzu.

„Emma?“, fragte Buffy vorsichtig, während Faith in Gedanken an die eigene unheimliche Begegnung mit Kimberly zusammenzuckte.

„Auch,“ nickte Giles. „Sie war...ich weiß auch nicht. Es war merkwürdig und unheimlich zu gleich. Sie schien mich nicht wirklich zu erkennen.“

„Gehirnwäsche?“, schlug Ronah verbittert vor.

„Würde passen,“ Giles rückte seine Brille zurecht und sah in die Runde. „Zu Lily und dem Ausdruck in Emmas Augen.“ Er seufzte, schloss für einen Augenblick die müden Augen, um sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel zu massieren, ehe er fort fuhr. „Also gut.. wir müssen von jetzt an davon ausgehen, dass Lily weiß, was ihr kleiner Privatzauber ausgelöst hat. Möglicherweise weiß sie sogar mehr als wir. Ausschließen würde ich diesen Aspekt nicht. Was auch immer sie vorhat, wir dürfen sicher nicht mitspielen und irgendetwas sagt mir, dass Lily uns nicht helfen wird, die Reiter zu bekämpfen...“

„Gesunder Menschenverstand etwa?,“ warf Kennedy uncharmant ein.

„Nicht nur dieser...,“ lächelte Giles milde und versuchte sich nicht aus der Reserve locken zu lassen. Es war sowieso schon schwierig genug für ihn hier zu stehen und nüchtern über alle Möglichkeiten zu reden, die sie hatten oder nicht hatten, ohne sich von der Müdigkeit und Erschöpfung übermannen zu lassen, die seit seiner Ankunft von ihm Besitz ergriffen hatten. Oder von den Gefühlen. Aber er wusste auch, dass man ihn jetzt hier voll und ganz brauchte. „Wir werden versuchen mit denen, die auf unserer Seite stehen, die Reiter zu bekämpfen. Und wenn es sein muss, auch Lily. Aber letzteres ist natürlich fürs erste zweitrangig. Wir wissen noch immer nicht, wie viel Zeit uns bleibt, um uns gegen die Reiter zu rüsten, noch wie lange wir haben, um etwas Konkretes herauszufinden. Daher müssen wir unsere ganze Kraft jetzt erst einmal auf die Reiter konzentrieren.“

„Prima... aber wo fangen wir an? Bisher hat uns doch alles nur in Sackgassen geführt oder vor neue Rätsel gestellt,“ merkte Willow leise an und rückte ihren Laptop etwas zurecht, der vor ihr aufgeklappt stand. Es wurde Zeit, dass sie sich endlich auf das neue Problem konzentrierte.

„Gebt mir einen Namen und ich zieh los und prügle alle Infos aus ihm heraus,“ schlug Faith vor. „Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn Giles hundertprozentig der Ansicht wäre, Lily wüsste mehr als wir. Ich kauf mir sofort ein Ticket nach London.“

„Das wird uns kaum helfen,“ raunte Robin ihr leise zu und legte ihr beruhigend eine Hand auf ihren Unterarm. Er wusste, dass Faith viel darum geben würde, sich ungestraft an Lily für Vis Tod zu rächen. Und ehrlich gesagt.. manchmal wünschte er sich das auch. Erst recht nach den letzten Entwicklungen und den Dingen, die man Giles angetan hatte und damit auch ihnen. Es war eine Niederlage für die ganze Gruppe.

„Fangen wir doch bei den ungelösten Rätseln an,“ schlug Andrew vor. „Wieso hatten nur Buffy, Faith, Kennedy und Dawn Prophezeiungsträume? Warum glaubte Lily mit ihrem Zauber die „Linie der Jägerinnen“ zu schließen, um die alten Traditionen wieder herzustellen? Und von welcher Prophezeiung sprach sie, als sie Dawn davon erzählte?“

„Genau,“ nickte Dawn eifrig. „Oder wieso schickte mich der Lichtgott zurück auf die Erde – in der Gestalt von...eh... mir? Einfach so etwa?“

„Gibt es in dem Buch aus der Gruft auch einen Zauber, um die Reiter wieder zu verbannen?“, griff Xander eifrig die Fragerunde auf.

„Oder noch viel besser,“ mischte sich Buffy ein. „Gibt es einen bestimmten Grund, dass das Buch ausgerechnet in dieser Gruft versteckt wurde?“

„Und wenn wir schon dabei sind.. was ist jetzt mit D’Hoffryn? Waren die Münzen ein Zufall oder nicht?“ Willow zuckte bei Robins Frage hinter ihrem Laptop zusammen. Mit dieser Frage hatte sie sich schon lange nicht mehr beschäftigt. Aber sie war berechtigt. Nur war sich Willow nicht mehr so ganz sicher, ob der Fund der Münzen damals reiner Zufall gewesen war.

Giles hingegen musste bei den vielen Fragen erst einmal lächeln, nahm seine Brille ab und zog ein Taschentuch. „Langsam, Freunde. Fangen wir doch einfach halber mit den Fakten an, die bereits Antworten liefern.“ Das Polieren seiner Gläser nahm seinen Anfang. „Während ich in London in meiner Zelle saß, hatte ich viel Zeit, um nachzudenken. Und wenn man viel Zeit hat, kommt man zu ganz erstaunlichen Schlussfolgerungen,“ erklärte Giles bereitwillig, wobei er einen prüfenden Blick durch seine Brille warf, und weiter polierte.

„Hinzu kommen noch Buffys wertvolle Informationen, die wir dank dem Unsterblichen haben. Fangen wir also von vorne an - wir haben zunächst einmal die Prophezeiungsträume von vier Jägerinnen. Nur von ihnen. Keine andere Jägerin konnte davon berichten, noch konnte uns Ronah in diesem Fall anderes bestätigen. Buffy, Faith, Dawn und Kennedy scheinen damit den Schlüssel zur Bekämpfung der Reiter in ihren Händen zu halten. Vier Jägerinnen, vier Gegner. Ich schätze diese Möglichkeit hat Lily bislang außer Acht gelassen, ansonsten kann ich mir ihre aufgestellte Armee nicht erklären.“

„Tut Lily wirklich irgendetwas ohne Berechnung?“, fragte Buffy ein wenig gereizt. Giles musste verneinend den Kopf schütteln. „Gut, dann tut sie es vielleicht, um uns in die Irre zu führen, oder sie hat ganz andere Pläne, weil sie doch mehr weiß als wir.“

„Durchaus anzunehmen,“ gab Giles ungern zu, steckte sein Taschentuch wieder ein, warf seine Brille vor sich auf den Tisch und setzte eine entschlossene Miene auf. „Trotzdem haben wir ausreichende Kenntnisse über die Reiter – sie sind dämonisch, also für uns angreifbar. Allerdings gehören sie laut dem Unsterblichen zu den Alten, die die Welt beherrschten – somit eine wahre Herausforderung. Sie bringen über die Welt Unheil, jeder für sich alleine in Form einer Naturkatastrophe, Eis, Feuer, Wasser und möglicherweise Erdbeben oder ähnliches. Dabei ist es ihre jeweilige Waffe, die als Werkzeuge dient, um eine dieser Katastrophen auszulösen. Ihre Reittiere verleihen ihnen zusätzliche Kräfte. Letztendlich das Übel an der Geschichte - zu viert reicht ihre Macht, um die Welt zu zerstören.“

„Wobei uns noch der vierte Reiter fehlt,“ murmelte Robin.

„Den wir in Amerika vermuten,“ fuhr Giles unbeirrt fort. „Wenn wir die Katastrophen der letzten Wochen in der Welt verfolgen, ergibt sich aus den bekannten drei Richtungen – Europa, Asien und Afrika ein angestrebtes Ziel – Amerika. Zusammen mit Dawns Prophezeiungsträume drängt sich der unangenehme Verdacht auf, dass er sich hier in Cleveland befindet.“

„Sehr beruhigend,“ sagte Xander ironisch und verzog das Gesicht.

„Von welchen Annahmen Lily ausging, wieso Dawn zurückkehren durfte, was der Fundort des Buches betrifft oder wo genau der Reiter hier in Cleveland verborgen wird, müssen wir als nächstes in unserem Puzzle herausfinden. Vielleicht sind das die Antworten, die uns weiterbringen.“ Beendete Giles die Zusammenfassung der ersten wichtigen Fakten.

„Oh,“ Dawn richtete sich in ihrem Stuhl auf. „Wir könnten doch noch einmal mit Shins Eltern sprechen. Wenn ihre Familie über Jahrhunderte einen der Reiter bewacht hat, wissen sie vielleicht auch etwas über die anderen drei Reiter. Möglicherweise sogar einiges, das uns weiterhelfen könnte.“

„Ich werde mit meinen Eltern darüber reden,“ sagte Shin bedacht. Seine Eltern hatten zwar nach dem Kampf mit Dawns Freunden eingesehen, dass sie neue Verbündete gewinnen konnten, aber ein Quäntchen Misstrauen war sicher geblieben. „Sie werden sich sicher nach reiflicher Überlegung an Mr. Giles wenden.“


„Danke,“ nickte Giles Shin zu und wusste, dass ein Drängen und Eile in diesem Fall nicht von Vorteil wäre. Shins Familie war eine ehrbare, alte, traditionsbewusste japanische Familie und man musste gewisse Vorschriften im Umgang mit ihnen einhalten, um seinem Ziel näher zu kommen. Aber dass sie den Tetsu die CD-Rom mit den Informationen über den HtoGrom Clan überlassen hatten, war sicher ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Möglicherweise würde sich die Familie ihrerseits mit Informationen revanchieren wollen.

 

„Vielleicht konzentrieren wir uns zunächst einmal auf den vierten Reiter, damit wir eine Befreiung verhindern können,“ schlug Giles nun vor.

„Nun.. da könnte ich vielleicht helfen,“ meldet sich Willow zu Wort. „Erinnert ihr euch noch daran, dass Giles mir vor längerem bei einem Meeting den Auftrag gab im Internet nach Schamanenvereinigungen zu suchen?“, Willow tippte bei ihren Worten auf ihrer Tastatur herum, und öffnete ihre Notizen.

Zögernd nickten die anderen, während Giles hellhörig wurde. „Ich bin tatsächlich dabei auf etwas gestoßen. Wobei ich aber nicht sagen kann, ob es uns weiterhelfen wird.“

„Was genau hast du entdeckt?“, Giles nahm endlich Platz. Die Aussicht einen Schritt weiterzukommen, hatte etwas Beruhigendes an sich.

„Es gibt hier in Cleveland eine Vereinigung von Medizinmännern, die sich vor einigen Jahren gebildet hat, um laut ihrer Webpage die alten Traditionen zu pflegen, damit sie nicht in Vergessenheit geraden. Der Haken an der Geschichte ist aber der, dass diese Vereinigung schon viel länger existiert, als sie unter ihrem heutigen Namen Interessierte glauben lässt. Allerdings habe ich darüber noch nicht sonderlich viel herausgefunden. Was ich bereits weiß, ist, dass es heut zu Tage zahlreiche Treffen gibt, wo sie ihre Tänze aufführen und Traditionen niederschreiben, um sie nachfolgenden Generationen zu vermachen. Wenn man sich erst einmal ein wenig eingelesen hat, kann man gezielt nach ihren Aufzeichnungen suchen, und dabei bin ich auch auf etwas gestoßen, dass sehr nach unseren Reitern klingt.

 

Es ist die Rede von vier Dämonen, die erzürnt Katastrophen über die Lebewesen dieser Welt bringen werden, sofern man die Götter verärgert: verdorbene Ernten, Überschwemmungen, lange, kalte Winter. Sie glauben anscheinend fest daran und haben sogar Regeln aufgestellt, nach denen früher einige Stämme, die hier am Cuyahoga Fluss lebten, ihren Alltag ausrichteten. Ich wurde aufmerksam, als ich an einer einzelnen Stelle etwas von Verbannung der Höllenwesen las.“

„Klingt spannend,“ pflichtete Ronah bei, als Willow nach Anerkennung suchend aufblickte.

„Allerdings,“ stimmte Giles zu. „Versuche unbedingt einen Kontakt herzustellen oder einen Ansprechpartner zu finden. Ich vermute, ein Gespräch mit ihnen würde uns ebenfalls weiterhelfen, ebenso wie eine Unterhaltung mit der Tetsu-Familie.“  

„Und das Grab?“, erinnerte Buffy.

„Grab? Oh, ja richtig. Ich habe damals, als du mir das Buch brachtest einige Erkundigungen eingezogen und ich denke so ganz zufällig war der Fundort nicht. Die Gruft gehörte einer uhm... alten Wächterfamilie, die hier in Cleveland den Höllenschlund im Auge behielt.“

„Hat die etwa etwas mit dem spurlos verschwundenen Wächter zu tun?“, fragte Willow, während sie mit ihren Augen den Text auf ihrem Monitor verfolgte.

„Ja, er ist ein Nachkomme,“ bestätigte Giles und zog seine Stirn kraus. „Langsam glaube ich nicht mehr an Zufälle. Aber ich wüsste nicht, wie uns das weiterhelfen sollte, falls wir den Wächter oder eine Spur von ihm je finden sollten.“


„Nur so als gewagte Theorie,“ meldet sich Robin nachdenklich zu Wort. „Wenn es kein Zufall war, dass das Buch dort versteckt lag und der Wächter hier mit seinen Aufzeichnungen samt der Lage des Höllenschlundes verschwunden ist...könnte der Höllenschlund nicht der Bannort des vierten Reiters sein? Vielleicht ist er darauf gestoßen und dieser Fund ist ihm nicht sonderlich gut bekommen?“

Auf Robins Worte folgte ein langes Schweigen und alle Anwesenden sahen ihn erschrocken, fast geschockt und in Erwartung weiterer Worte an.

„Nur so eine Idee,“ fügte er abschwächend hinzu, aber mit einem raschen Blick zu Giles stellte er beunruhigend fest, dass er wohl nicht alleine mit dieser Theorie war und zumindest noch jemand diese Idee oder Möglichkeit in Betracht gezogen hatte.

„Überraschen würde es mich nicht, nachdem was Sunnydale alles so dank dem Höllenschlund geschenkt bekam.“, brummte Buffy düster.

„Es würde vor allem erklären, wieso der Höllenschlund über so viele Jahrhunderte inaktiv blieb. Wenn ihn jemand überwacht, der etwas verbergen möchte, wird zu verhindern wissen, dass sich seine Kräfte entfalten. Die Befreiung des vierten Reiters, sofern er sich dort befindet, könnte eine Aktivierung mit sich bringen.“

„Fein. Noch mehr Arbeit für uns,“ seufzte Faith und verdrehte gespielt die Augen.

„Ich glaube, wir haben jetzt genug theoretisiert,“ sagte Buffy plötzlich überraschend scharf und sprang von ihrem Stuhl auf. „Die Fakten sind klar – die vier Reiter werden schwere Gegner sein, gegen die wir im Moment noch immer nichts in der Hand haben. Oder aber...,“ Buffy griff nach dem Amulett, das auf den Büchern lag. „Wir konzentrieren uns darauf...“

„Auf ein Amulett?“, fragte Faith leicht spöttisch.

„Schon wieder?“, murmelte Ronah.

„Wieso nicht?“, fragte Buffy erstaunt und ließ einen Finger verspielt über den Edelstein im Inneren des Amuletts gleiten, während ihre Augen gebannt auf die Reihe von Ringen gerichtet waren. Die Zahlen und arkane Symbole hatten schon in Rom in Buffy ein merkwürdiges Schwindelgefühl ausgelöst. Daher schloss sie schnell die Augen. „Wieso sollte es jemand wagen, dem Unsterblichen unnützen Kram anzudrehen?“

Giles nahm Buffy das Amulett vorsichtig aus den Händen und besah es sich etwas genauer. „Nun... was wissen wir schon über diesen Mann? Woher kommt er? Wer oder was ist er? Ich schätze, auf diese Fragen hat er dir nicht geantwortet?“ Buffys gereizter Blick war Giles im Moment Antwort genug. „Habe ich es mir doch gedacht.“

„Ich weiß gar nicht, was ihr auf einmal habt. Schließlich haben wir ein paar neue Informationen von ihm, die helfen. Es gibt keinen Grund, ihm nicht zu glauben.“

„Haben wir denn einen Grund ihm zu vertrauen?“, konterte Giles vorsichtig. „Wieso hilft er uns so freizügig, ohne eine Gegenleistung zu verlangen?“

Bei Giles Fragen musste Andrew den Blick senken, um ein breites Grinsen zu verbergen. Dem Unsterblichen schien ein Date mit Buffy Bezahlung genug zu sein.

„Er wird schon seine Gründe haben,“ meinte Buffy ein wenig schnippisch. „Zudem.. das ist kein billiger Schund.. ich hab das Geheimnis um das Amulett gelöst.“

Nach dem kurzen, aber doch nicht ungefährlichen Wortwechsel zwischen Giles und Buffy richteten sich die leicht besorgten Blicke der anderen mit mehr Neugier und auch echter Überraschung auf Buffy, die Giles wieder das Amulett abnahm. „Jetzt seid ihr baff,“ grinste Buffy und umfasste das Schmuckstück mit einer Hand während die andere geschickt an den Ringen drehte, so dass der Edelstein in seiner Mitte zu glühen anfing.

„Das hier.. und die Farben.. sind nur Ablenkung, um den Finder des Amuletts zu verwirren.,“ begann Buffy zu erklären. „Ich musste bei den beweglichen Ringen an diese kleine Mistdinger denken...diese Zauberwürfel von Rubik. Alle Farben an die richtige Stelle drehen und so weiter. Irgendetwas sagte mir, wenn wir das gleiche mit den Ringen anstellen würden, müsste etwas mit dem Amulett passieren. Ein kleines hilfreiches Telefonat vom Unsterblichen half uns dann tatsächlich weiter. Das Amulett ist so eine Art Tresor. Die Ringe in der richtigen Reihenfolge gedreht öffnen einen kleinen außerdimensionalen Raum.“

 

Buffy setzte den letzten Ring an seine Position und in die Stille im Raum hinein war das leise, aber deutliche Einschnappen eines Mechanismus nicht zu überhören. Dort wo sich der Edelstein befunden hatte, gähnte plötzlich eine Öffnung, aus der ein bläuliches Licht herausstrahlte. Buffy griff ohne zu zögern in das Innere und holte ein kleines Stück Pergament heraus. „Tja und drinnen fanden wir das hier.“ Sie reichte Giles mit einem zufriedenen und triumphierenden Blick ihren Fund.

Mit erstauntem Gesichtsausdruck nahm ihr Giles den Zettel ab und entfaltete ihn. Es war ein sehr altes Pergament, fast ein wenig brüchig und die Faltlinien deuteten auf Jahrhunderte Jahr der Lagerung hin. Doch das erstaunlichste an dem Fund war nicht die Art, wie man es verwahrt hatte, sondern die Leere. Auf dem Pergament stand – nichts!

Giles runzelte die Stirn.

„Ich weiß,“ gab Buffy klein bei. „Ich habe auch mehr erwartet.“ Giles hielt bei Buffys Worten das leere Pergament in die Höhe, damit die anderen sehen konnten, dass es unbeschrieben war.

„Kann ich es mal sehen?“, fragte Andrew neugierig und Giles reichte es ihm. Andrew besah es sich von allen Seiten und reichte es – ohne ihn dabei anzublicken – an Xander weiter, der ebenfalls Interesse bekundet hatte. Offensichtlich schien sich jeder zu erhoffen, dass er etwas sah, das dem anderen entgangen war.

„Wusste der Unsterbliche darauf auch einen Rat,“ Giles konnte einen Hauch Sarkasmus nicht unterdrücken.

Buffy schüttelte den Kopf, während Dawn Willow das Pergament abnahm. Als ihr Blick darauf fiel glühte das kleine Stück in ihren Händen plötzlich rot auf und tauchte ihr Gesicht in dieselbe Farbe. Erschrocken ließ sie das Pergament auf den Tisch fallen.

Die Gespräche verstummten sofort und sowohl Neugier als auch Anspannung machte sich unter ihnen breit.

Als das Glühen abnahm, griff Dawn wieder danach und sofort wurde es wieder stärker. Vor Dawns Augen traten rote, verschwommene Linien aus dem Pergament hervor, die sich langsam in Reihen von Buchstaben verwandelten.

Wow,“ flüsterte Dawn leise, aber beeindruckt, während die Buchstaben sich langsam von selbst zu Wörtern anordneten. „Ich schätze, lesen kann ich das aber nicht.“ Die fremden Wörter wiesen zahlreiche Verschnörkelung auf, dekoriert mit Strichen und Punkten.

Giles kam zu ihr an die Seite und nahm ihr das Pergament ab. Im ersten Moment rechnete er damit, dass die Schrift wieder verschwand, doch sie blieb. Nur das Glühen hörte auf. „Hm... eine mir fremde Schrift...“

„Und wieder ein Rätsel mehr,“ seufzte Andrew.

„Vielleicht hilft das hier weiter,“ Buffy kramte in ihrer Umhängetasche nach etwas, bis sie einen Notizblock hervorzog. „Ich habe noch etwas, das mir der Unsterbliche anvertraute. Es gibt eine Schrift, aus der er diesen Satz zitierte: Die Töchter von Sineya, darunter zwei, durch ein gemeinsames Erbe verbunden...ihnen ist die Kraft gegeben, die Macht der Alten zu brechen.’“

Sineya?“, fragte Giles nach.

„Falls ich es richtig ausgesprochen habe... S-I-N-E-Y-A,“ buchstabierte Buffy.

“Ja, doch...hm... irgendwo habe ich das schon einmal gehört, aber ich denke in dieser Hinsicht muss ich erst einmal genauer recherchieren. Sie könnten mir dabei helfen, Robin.“

„Sicher gerne. Ich bin zu allem bereit, was uns weiterhilft.“

„Sehr gut. Wir beide kümmern uns um diese Schrift und um diese Prophezeiung, während wir darauf warten, dass Willow einen Kontakt mit einem der Schamanen herstellen kann, während uns vielleicht Shins Eltern mit weiteren Antworten weiterhelfen können. So lange üben wir uns in Geduld.“ Giles nahm seine Brille vom Tisch, um sie wieder aufzusetzen. „Ist sonst noch etwas Wichtiges geschehen, seit ich nicht hier war?“ Er blickte in die Runde.

Niemand schien darauf antworten zu wollen, also rutschte Faith ein wenig unbehaglich auf ihrem Stuhl herum, bis sie sich schließlich einen Ruck gab. „Ich bin Kimberly begegnet,“ sagte Faith leise, und fragte sich dabei, ob es nicht wichtiger wäre, Giles über Willow, oder Gretchen zu erzählen. „Hier in Cleveland.“

„Kimberly?“ fragte Robin und Ronah gleichzeitig erstaunt. „Wann“ – „Wo“

Faith sah zwischen Robin und Ronah unentschlossen hin und her. Als sie gerade erklären wollte, wie es zudem Treffen kam, flog die Tür des Konferenzraumes auf.

Bestürzt sah die Gruppe am Tisch zu, wie zwei Jägerinnen mit Armbrüsten, die sie leicht im Anschlag auf alle richteten, eintraten, gefolgt von zwei weiteren, bewaffneten Jägerinnen.

Buffy, Kennedy, Faith und Ronah sprangen sofort alarmiert auf, während der Rest am Tisch seine Überraschung erst noch überwinden musste.

Buffy machte den ersten Schritt auf die Eindringlinge zu, doch als sich die vier Waffen auf sie richteten, blieb sie sofort stehen. Auch die anderen drei Jägerinnen hielten inne, ließen aber die Bewaffneten nicht aus den Augen.

„Ich hätte ne Idee,“ flüsterte Xander Willow ins Ohr. „Wäre es jetzt nicht an der Zeit für einen  kleinen, magischen Trick?“

Willow wollte ihm gerade Recht geben, als eine ihnen bekannte Stimme die Situation noch heikler werden ließ.


„Ich hoffe wir stören nicht?“

Die Stimme mit dem arroganten britischen Unterton löste die verschiedensten Gefühle in den Scoobies aus. Niemand hatte mit diesem Besuch gerechnet und Giles am aller wenigsten, als er Lily entgegen blickte, die hinter den vier Jägerinnen in den Raum eintrat, frisch und ausgeruht. In ihrem Blick, den sie wiederum auf Giles richtete, gab es keine Anzeichen von Schuldgefühlen oder Reue.

Willow kam der Überzeugung – einen Entwaffnungszauber anzuwenden, noch einen Schritt näher, als hinter Lily zwei weitere Jägerinnen eintraten. Es gab keinen Grund für Zweifel, dass Lily Vorsorge getroffen und sich eine Schutzgarde mitgebracht hatte. Offensichtlich fürchtete sie sich vor den Anwesenden. Und dem konnte Willow nur mit einem grimmigen Lächeln im Gesicht zustimmen.

Unter dem Tisch bildeten sich zwischen Willows Fingern kleine Energiefunken, die Xander nach unten blicken ließ. Hoffentlich beeilte sich Willow, bevor Lily hier alle festnehmen ließ, oder was auch immer tat, weshalb sie hier war. Etwas Gutes war es bestimmt nicht.


„Und wenn schon,“ Lily zuckte mit den Schultern, gab den Jägerinnen durch ein kurzes Handzeichen zu verstehen, dass sie Position beziehen sollten und blickte zurück zu der Gruppe am Tisch. Ihr entging Giles steife, leicht verkrampfte Haltung nicht, noch die wütenden Gesichter von Buffy oder Faith. Allerdings vermied sie es, zu Willow und Dawn zu blicken. Sie wusste nicht wieso, aber das Gefühl, neben Giles gerade diese beiden verletzt zu haben, war recht stark.

„Ich würde gerne...“, weiter kam Lily nicht, denn in diesem Moment erhob sich Willow blitz schnell, riss ihre Arme in die Höhe und sendete zeitgleich auf alle sechs Jägerinnen um Lily herum grelle, blaue Energiestrahlen zu, die ihnen die Waffen aus den Händen schmetterten. Willow machte eine weitere, rasche Bewegung, als würde sie die Strahlen aus ihren Händen zurückziehen wollen, wobei sie jedoch nur die Waffen der Jägerinnen auf sich und anschließend hinter sich katapultierte, wo sie scheppernd und krachend auf einen Haufen zu liegen kamen.

Verdutzt blickten sich Lilys Jägerinnen an. Willow hingegen senkte mit einem zufriedenen Lächeln die Hände und murmelte einige Worte vor sich hin. In ihren Augen trat ein kurzes Leuchten, ehe die Pupillen schwarz hervortraten. Die Energiestrahlen begannen sich dabei um Lily und die sechs Mädchen wie Lianen zu schlingen.

Plötzlich in Gefangenschaft versetzt, erwachten die überraschten Jägerinnen und begannen sich gegen ihre magischen Fesseln zu wehren. Nur Lily blieb ruhig und schenkte Willow einen anerkennenden Blick, denn Willow kühl und eisig erwiderte. „Ich hätte es wissen müssen,“ seufzte sie gespielt resigniert. „Aber es ändert nichts daran, dass ich hier bin. Ich hätte nur meinen Auftritt vielleicht ein klein wenig anders inszenieren sollen,“ wieder seufzte sie und lächelte dann auf einmal wieder selbstsicher in Richtung Giles. „Ich habe einiges zu sagen, was euch interessieren dürfte.“


 

+++

Malkuth,

Halle von Kether,

selbe Zeit

“Weise Zaddikim von Malkuth,“ begann der Magier seine Rede. “Ich spreche hier und heute zu euch, weil eure Gemeinschaft von schrecklichen Gefahren bedroht wird.“

 

Mo hatte gründlich darüber nachgedacht, ob er dem seltsamen Fremden gestatten sollte, sich direkt an den Rat zu wenden. Sicher, seine Warnung bestätigte nur das, was er selbst schon eine ganze Weile vermutete, diese Jägerinnen waren eine ernstzunehmende Bedrohung geworden. Aber das bedeutete nicht automatisch, dass sie diesem Magier trauen konnten. Sie wussten nicht, wer er war, und welche Rolle er in dieser ganzen Angelegenheit spielte.

 

Dann stellte sich noch die Frage, wie der Fremde zum Rat sprechen sollte. Ihn in die Stadt zu lassen, wäre zu gefährlich, aber genauso wenig konnten sie sich außerhalb versammeln. Alle Zaddikim an einem ungeschützten Ort – falls dieser Romolus ein Feind war, wäre dies die perfekte Falle.

 

Aber zumindest das zweite Problem konnte gelöst werden. Da man in der Halle von Kether ohnehin nur körperlos weilen konnte, war es möglich, den Geist des Magiers dorthin zu bringen, ohne dass sein Körper die Stadt betreten musste. Es schien für ihn nicht einmal ungewohnt zu sein, Körper und Geist zu trennen. Auf seine Rhetorik hatte es jedenfalls keinen Einfluss.

 

“Lily Usher und ihre Jägerinnen sind auf einem Vernichtungszug. Ihr Ziel ist es, alles dämonische Leben auf dieser Erde auszulöschen, und sie werden dabei vor nichts und niemandem halt machen. Schuldig oder unschuldig, das spielt nicht die geringste Rolle für sie. In Cleveland hat es begonnen, und es wird nicht enden, bevor nicht auch der letzte Dämon vernichtet ist.“

 

Er setzte eine kleine Kunstpause, bevor er fort fuhr: “Sicher fragt ihr euch, wer ich bin, dass ich so einfach hierher komme und zu euch spreche. Einst war ich ein Mensch, doch ich habe mich dafür entschieden, dass euer Weg der bessere ist. Aus freien Stücken habe ich mich dafür entschieden, meinem Körper dämonische Essenz zu verleihen. Schon allein das sollte für euch ein Grund sein, meinen Worten zu lauschen. Ich bin ein Dämon, wie ihr und ich lebe mit derselben Gefahr, wie ihr.“

 

“Ob jemand menschlich oder dämonisch ist, sagt noch nichts über seinen Charakter und seine Loyalitäten aus,“ unterbrach Mo die offenbar gut vorbereitete Rede. Er versuchte nicht allzu kühl zu klingen, aber ein leises Misstrauen schwang doch in seiner Stimme mit. Er traute Leuten nicht, die allzu einschmeichelnd waren.

 

“Nun, wir sind dir sehr dankbar für deine Warnung,“ fügte Zaddik Babette hinzu.

 

“Allerdings.“ Die Wut in Zaddik Lakshmi’s Stimme war unverkennbar. “Alles, was uns hilft, gegen diese verfluchten Teufelinnen vorzugehen, ist...“

 

“Wir werden später darüber beraten, was wir unternehmen werden,“ unterbrach Mo, er hatte keinesfalls das Bedürfnis diese Diskussion vor den Ohren eines Fremden abzuhalten.

 

“Dürfte ich vielleicht meine Hilfe anbieten?“ schmeichelte die Stimme des Magiers. “Ich wüsste eine Möglichkeit, wie wir die Jägerinnen vielleicht besiegen könnten, ohne uns dabei selbst in Gefahr zu bringen. Jemand anderer könnte für uns kämpfen...“

 

“Niemand hat etwas von Kämpfen gesagt.“ Diesmal gab sich Mo nicht die Mühe, die Kälte aus seiner Stimme fernzuhalten. “Wir werden uns jetzt beraten, und uns gegebenenfalls mit dir in Verbindung setzen.“

 

“Ich danke dir, Zaddik Bartholomew.“ Falls der Magier gekränkt war, zeigte er es nicht, seine Stimme hatte nichts von ihrer Ruhe verloren. “Ich werde die Entscheidung des Rates abwarten.“

 

+++


Wächterhaus,

etwas später  
“Sie fallen doch nicht etwa drauf rein?“ flüsterte Buffy ungehalten Giles auf dem Flur zu, der sich unsicher und nervös an die Brille fasste. Misstrauisch äugte Buffy immer wieder zurück in den Konferenzraum, in dem sich die Jägerinnen und Lily noch immer in ihren magischen Fesseln befanden. Willow war inzwischen aufgestanden und hatte sich den Gefangenen genähert, um sicher zu gehen, dass die Wirkung des Zaubers nicht nachließ. „Oder etwa doch?“ fügte die Jägerin ängstlich hinzu.

„Ich weiß nicht, was Lily vorhat, noch kann ich wirklich sagen, wie ich dazu stehe,“ flüsterte Giles zurück, rückte erneut die Brille gerade, auch wenn es nicht nötig war und sah zu Lily in den Raum. Sie stand unbeweglich da und ließ Willow nicht aus den Augen.

Natürlich wusste er, wie er dazu stand oder zumindest darüber fühlte, aber das war zu privat, um es jetzt hier auf der Stelle mit Buffy auszudiskutieren. „Wir können uns wenigstens anhören, was sie zu sagen hat. Möglicherweise gibt es Informationen, die sie besitzt, und wir nicht.“

„Deshalb rückt sie mit sechs bewaffneten Jägerinnen an? Hallo? Haben Sie etwa vergessen, was Sie uns gerade noch über Lily und ihre Jägerinnen vorgepredigt haben,“ Buffy wollte ihn nicht gerade direkt als verrückt bezeichnen, auch wenn dies für sie auf der Hand lag, aber wenigstens versuchte sie, diplomatisch an Giles Vernunft zu appellieren, aber leider hörte er schon nicht mehr richtig zu. Abgelenkt von seinen Gedanken und Überlegungen, ließ er die Jägerin einfach stehen.

„Meine Güte,“ stöhnte Buffy auf, als Giles schließlich zurück in den Raum ging und sie so zwang ihm zu folgen. „Bislang dachte ich immer, ich hätte den schlechtesten Geschmack in der Wahl meiner Liebhaber...“

„Nun...,“ Giles, der Buffys Gemurmel überhörte, stellte sich neben Willow und blickte Lily streng an. „Ich spreche sicher für alle hier im Raum, wenn ich sage, dass wir sehr gespannt darauf sind, was du uns so Wichtiges mitzuteilen hast. Jetzt, nachdem du der Welt der Wächter und Jägerinnen zu spüren gegeben hast, dass wir es nicht mehr wert sind, um an der Welterrettung teilzunehmen.“

Buffy glaubte in Lilys Gesicht etwas zu sehen, dass sie fast als „betroffen“ bezeichnet hätte. Aber sie glaubte nicht ernsthaft daran, dass die Wächterin zu solch einer Gefühlsregung noch im Stande war. Möglicherweise war es nur ein Indiz darauf, dass Giles sie durchschaut hatte.

Die blonde Jägerin zog es vor, im Hintergrund bei den anderen Stellung zu beziehen, um zu beobachten, was Giles und Lily zu besprechen hatten.

„Rede,“ sagte Giles schließlich knapp, als Lily keine Anstalten machte, das Wort zu ergreifen.

„Reden?“, Faith sprang plötzlich aufgebracht auf. „Sie wollen sich anhören was sie zu sagen hat? Giles! Verdammt... sie hat Vi getötet!,“ die junge Frau schrie fast. „Sie wollte uns alle töten. Sie hätte Dawn fast getötet. Und was ist mit Ihrer Verhandlung? Haben Sie schon alles wieder vergessen? Reicht ein Augenaufschlag....“

„Das reicht, Faith,“ Lilys Blick richtete sich scharf auf die dunkelhaarige Jägerin. „Sofern ich weiß, gibt es keine Beweise für meine Schuld und der Rat ist da ganz meiner Meinung.“

„Nur um eine Stimme mehr,“ flüsterte Giles ruhig, aber kalt, und sah sie dabei herausfordernd an. Lily hielt seinem Blick stand und versuchte trotz ihrer Lage und den Angriffen auf sie die Haltung zu wahren, was ihr meisterhaft gelang. Trotzdem tobte in ihrem Inneren ein Kampf, von dem die anderen nichts wussten – und wohl auch nie erfahren würden: Sie stand hier inmitten der Menschen, die, wenn auch nur für kurze Zeit, für Lily zu Freunden geworden waren, die sie dennoch benutzt, ausgenutzt und betrogen hatte. Menschen, die sie gerne aufgenommen, und  an der Seite von Rupert akzeptiert hatten. Junge Menschen, die sogar teilweise zu ihr aufgesehen hatten. Und es war ja nicht so, dass Lily nichts für sie empfand, nur weil sie ein größeres Ziel verfolgte, das zum Wohl aller erreicht werden musste. Hinzu kam Rupert, der Mann, den sie noch immer zu lieben glaubte...


Schlussendlich galt es aber auch zu verhindern, dass zu viele Informationen an die Ohren ihrer Begleiterinnen drangen. Umso weniger sie wussten, desto treuer würden sie für Lily in den Kampf gehen. Aufgebrachte wüste Beschuldigungen, konnten unter Umständen ein Problem darstellen.

Als Giles bemerkte, dass sich Lily nicht auf ein Spiel einlassen wollte, sah er zu Seite, um sein Wort an Faith zu richten, damit sich die Lage etwas entspannte. „Wir müssen auf keine Forderungen eingehen. Lass uns einfach nur hören, was sie möchte.“

Faith zog scharf die Luft ein, warf Lily einen vernichtenden Blick zu und fiel zurück auf ihren Stuhl. Sie verkniff sich einen weiteren Kommentar, aber ihr düsterer Gesichtsausdruck sprach für sich. Dahingegen entspannten sich Lilys Gesichtszüge und ein Aufatmen konnte sie gerade noch unterdrücken.

„Vielleicht könnte man uns von den Fesseln befreien?“, fragte Lily ungewohnt vorsichtig. „Wir sind nicht hier um jemanden gefangen zu nehmen oder anzugreifen. Ich wusste einfach nicht, wie ihr auf mein Kommen reagieren würdet und wollte vorbereitet sein, im Fall eines Angriffes. Auf Willow waren wir, ehrlich gesagt nicht vorbereitet,“ für sich selbst vermerkte sie in Gedanken, dass sie das nächste Mal alle Möglichkeiten mit einbeziehen sollte, um Überraschungen aus den Weg zu gehen. „Ich bin nur hier, um Informationen auszutauschen, sofern ihr dazu bereit seid. Ich weiß, dass ihr hier alle nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen seid,“ Lily vermied es bei diesen Worten zu Dawn oder Giles zu blicken. „Und was auch immer in der Vergangenheit geschehen ist.. ich habe es getan, weil ich es für das Beste hielt. Aber das ist doch etwas, das wir alle wollen, nur auf unterschiedliche Art. Ich weiß, dass ihr anderer Ansicht seid, und das respektiere ich auch. Doch unsere Differenzen sollten uns eines nicht vergessen lassen – die bevorstehende Apokalypse.“

„Ach, woher die plötzliche Sorge?“, Buffy sah noch immer feindselig die Wächterin an, ohne zu verstehen zu geben, dass sie Lilys Bitte um Befreiung nachgehen wollte.

„Wir haben doch alle ein gemeinsames Ziel,“ antwortete Lily mit gespielter Verwunderung. „Wir wollen diese Welt von Dämonen befreien und vor dem Untergang bewahren.“

„Auf jeden Fall wollen wir die Welt nicht von Jägerinnen befreien,“ murmelte Kennedy.

Lily beschloss die Feindseligkeit für den Moment an sich abprallen zu lassen. Sie war nicht hier um zu diskutieren, oder sich zu streiten, und schon gar nicht um sich zu rechtfertigen. Es gab genug Ereignisse, die ihr Recht und Rückhalt gaben. Auch wenn ihr Giles Anwesenheit die Sache ziemlich erschwerte. Sie hatte damit gerechnet und versucht sich darauf innerlich einzustellen, aber egal wie sehr sie wohl geglaubt hatte, vorbereitet zu sein, so schien die Wirklichkeit sie eines Besseren zu belehren.

„Ich habe wie gesagt Informationen über die Reiter. Allerdings fehlen mir entscheidende Hinweise, um sie bekämpfen zu können. Ich hatte gehofft, ihr wärt bereit mir euer Wissen im Tausch gegen meine Informationen zu geben.“ Kurz sah sie zu Giles, der mit unbewegter Miene ihren Worten folgte. Er wusste, dass Lily Recht hatte. Sie mussten sich alle erwachsen verhalten und zumindest er sollte Lilys Vorschlag mit beruflicher Reife abschätzen. Es war zugegeben schwer, aber vielleicht gab es wirklich Dinge, die sie übersehen hatten...

„Ich bin mir nicht sicher... können wir Ihren Informationen denn überhaupt trauen?“, Willow sah mit düsterem Blick zu Lily, die langsam nickte.

„Ich habe hier drinnen,“ sie deutete vorsichtig mit ihrem Kopf zum Boden, wo eine schwarze Aktenmappe lag. Die Energiefesseln begannen bei der leichten Bewegung gefährlich zu knistern. „Textauszüge und Kopien von Prophezeiungen. Ihr könnt alles nachlesen.“

Giles bückte sich bei ihren Worten nach der Mappe und öffnete den Reisverschluss. Darinnen lagen tatsächliche einige Schnellhefter, ein altes Buch, zwei, drei Schriftrollen und einige lose Papiere. Er überflog sie kurz, runzelte dabei die Stirn und sah dann fragend auf zu Lily.

“Es gibt eine dämonische Vereinigung, die den vierten Reiter beschwören möchte, um damit das Ende der Welt herbeizurufen,“ fuhr Lily überraschend redselig fort. „Aber so lange wir nicht wissen, wo der vierte Reiter steckt, können wir es wohl kaum verhindern.“ Lily war sich sicher, dass der Versuch mit offenen Karten zu spielen bei der Gruppe besser ankam, als hartnäckig auf das Verhandeln zu beharren, oder ein Tauziehen um die Informationen zu veranstalten. Wenn sie das ganze jetzt noch klein wenig mit eingestandener Schuld würzen würde, würde es noch ehrlicher wirken. „Hört zu... ich weiß... ihr hasst mich, aber im Angesicht der Apokalypse müssen wir unsere privaten Differenzen zunächst einmal zurückstellen.“

Die Gesichter am Tisch blieben weiterhin düster und Giles konnte ein leises, zynisches Auflachen nicht wirklich unterdrücken. „Differenzen,“ ahmte er sie nach. „Das klingt so... ungefährlich. So vorsichtig ausgedrückt. Du vergisst wohl, dass die Reiter nur durch deine eigene Boniertheit entkommen konnten.“

Es kostete Lily ziemliche Kraft unter Giles beißenden Worten nicht zusammenzuzucken und ihr Gesicht zu wahren. Durch ihre zerknirschte Miene, gelang ihr auch dieses Meisterstück. „Natürlich habe ich das nicht vergessen. Wie könnte ich das vergessen,“ fügte sie etwas leiser hinzu und sah zum ersten Mal zu Dawn.

Die anderen sahen sich ratlos und betreten an. Lilys Argumente waren nicht von der Hand zu weisen, andererseits, nach allem was passiert war...konnten sie ihr wirklich vertrauen? Wollten sie das? Faith und Buffy wechselten kurze Blicke, die deutlich machten, dass sie zu letzterem tendierten, während sich auf Robins Gesicht ein Ausdruck breit machte, der annehmen ließ, dass sich der junge Wächter Lilys Vorschlag durch den Kopf gehen ließ. Die anderen zogen es vor, ihre Gedanken und Gefühle über Lilys Worte zu verbergen.

„Vielleicht hat Lily recht,“ Giles Worte kamen überraschend, nicht nur für die Gang, sondern auch für Lily, welche noch immer zu Dawn blickte, die in diesem Moment aufsah. Lily hatte nicht mit so viel Hass, Kälte und Wut gerechnet, aber auch nicht mit der Verletztheit, die in den Augen von Dawn aufblitzte. „Ich möchte auf keinen Fall private Probleme über das Schicksal der Welt stellen.“

Willow, die neben Giles stand, nickte zu den Worten zustimmend. „Giles hat Recht. Wenn wir das Ende der Welt in Kauf nehmen, nur weil wir mit dem „Feind“ nicht zusammen arbeiten wollen.. wäre das sehr... egoistisch.“

„Und als wir das letzte Mal auf ähnliche Weise egoistisch reagierten,“ fügte Faith leicht zerknirscht hinzu, „hat es einige Jägerinnen wirklich das Leben gekostet und ich wäre auch fast drauf gegangen.“ Es fiel der Jägerin alles andere als leicht, damit Lilys Worten Recht zu geben, aber Giles und Willows Einstellung entsprach den Tatsachen. Daran gab es nichts zu rütteln.

Ehe jemand noch Stellung beziehen konnte, sprang Dawn plötzlich von ihrem Stuhl auf und rannte ohne ein Wort aus dem Konferenzraum. Erstaunte Blicke folgten dem jungen Mädchen bis die Tür hinter ihr laut krachend ins Schloss fiel.

Shin zögerte nur einen Moment, dann stand auch er auf und folgte Dawn. Die anderen sahen sich verdutzt an und wussten nicht, wie sie im ersten Moment reagieren sollten. Alle bis auf eine: Buffy wusste nur zu gut, was im Inneren ihrer keinen Schwester vor sich ging: Ihre Freunde wollten gemeinsame Sache mit der Frau machen, die sie umbringen wollte. Ihre kleine Schwester! Im ersten Impuls wollte Buffy Dawn hinterher gehen, doch dann sah sie ein, dass Shin im Augenblick wahrscheinlich ein besserer Trost war, als sie.

Daher begnügte sich Buffy damit zunächst fassungslos in die Runde zu schauen, nur um zu erkennen, dass auch Robin bereits zustimmend nickte, ehe seine Worte nicht minder unverständlich für Buffy ihren Weg über seine Lippen fanden. „Wir sollten für den Moment Vergangenes beiseite lassen und uns in Anbetracht der Bedrohung zusammen tun. Was kann es schon schaden?“

„Und ein paar Schwerter mehr sind sicher hilfreich,“ stimmte Xander nachdenklich zu.

 

„Na ja, wenn ihr das meint...“ Andrew blickte traurig zur Tür, durch die Dawn und Shin verschwunden waren, und wechselte dann einen nervösen Blick mit Kennedy. Er wusste, insgeheim fragte sie sich genauso wie er, ob Lily’s Jägerinnen möglicherweise etwas mit Chava’s Tod zu tun hatten. Doch bisher gab es keinerlei Beweise dafür. Es konnten ebenso gut Dämonen gewesen sein, oder eine Straßengang.

Außerdem arbeitete er nun schon seit über einem Jahr mit der Frau zusammen, die seinen Freund ermordet hatte. Schlimmer konnte ein Bündnis mit Lily auch nicht sein...


„Ich glaube, ich hab’ mich verhört?,“ Buffy stand langsam von ihrem Stuhl auf und blickte ein wenig hilflos ihre Freunde an. Den einzigen zustimmenden Blick bekam sie von Faith und Ronah. Kennedy schien den einfacheren Weg zu nehmen – sie blieb neutral und sah zur Seite, als Buffys Blick sie traf.

Buffy atmete einmal tief durch, bevor sie mit fester Stimme weiter sprach. „Ihr wollt allen Ernstes dieser Frau, einer kaltblütigen Mörderin... “ das letzte Wort sprach Buffy hart aus und blickte kühl in Lilys Gesicht. Lilys rechtes Augenlid zuckte kurz nervös nach oben, was Buffy fast zu einem kleinen spöttischen Lächeln verleitet hätte, wäre die Situation nicht zu ernst gewesen, „...die Hand reichen, um die Welt zu retten? Mit ihrer Hilfe? Seid wann haben wir je Hilfe von Außen nötig gehabt? Besser gesagt – solch eine Hilfe? Wir werden sicher die Drecksarbeit machen dürfen und die Wächterin aller Wächter wird den Ruhm einheimsen. Haben wir die Welt bisher nicht nur deswegen gerettet, weil wir einander vertraut haben?“ Dabei sah sie von Xander zu Willow und Giles, die sich zu Beginn von Buffys Rede zum Tisch herumgedreht hatten.

Xander und Willow hielten Buffys Blick nur kurz stand, ehe sie betreten zur Seite blickten. Giles dahingegen erwiderte ihn und Buffy las leisen Zweifel an ihren Worten in seinen Augen. Daher beeilte sie sich diesen zu verflüchtigen: „Sicher, es ging dabei nicht immer harmonisch zu und wir haben Dinge gesagt und getan, die uns verletzt haben, aber der Erfolg gab uns doch bisher immer recht – wir haben das Richtige getan und uns immer für das Richtige entschieden. Aber heute, hier und jetzt, würden wir die falsche Entscheidung treffen, wenn wir den Worten von Lily glauben und ihr folgen. Wir haben uns schon einmal von ihr einwickeln lassen,“ ihr Blick fiel auf Xander und Willow. „Oder sind ihrem Charme erlegen,“ dabei sah sie zurück zu Giles, der versuchte etwas zu erwidern, aber von Buffys schnellen Worten keine Chance bekam. „Und wir haben ihr vertraut. Wohin hat es uns geführt?“

Schweigen war die Antwort auf ihre Frage, betretene Blicke, ein leises Räuspern von Robin und eine auffallend schweigsame Lily. Buffy fühlte sich durch das Schweigen bestätigt und fuhr mit grimmigem Blick fort. „Ich kann es euch verraten: Eine Jägerin, eine Freundin von uns wurde ermordet, und weitere Jägerinnen ebenfalls. Ein dämonisches, mächtiges Wesen hat versucht, uns Steine in den Weg zu legen und uns zu beseitigen, Dawn wäre heute nicht mehr unter uns, hätten wir nicht Willows Macht auf unserer Seite und der Rat der Wächter steht erneut vor einem Berg von Scherben...

 

Was hat Lily uns schon anzubieten? Was qualifiziert sie dazu, uns zu sagen, wie wir eine Apokalypse aufhalten können? War sie da, als wir alleine auf uns gestellt gegen das Urböse kämpfen mussten? War es nicht eher so, dass wir den Rat erst auf Knien anbetteln mussten, bis er uns Informationen über Glory überließ? War Lily an unserer Seite, als wir einen durchgedrehten Bürgermeister grillten, den Meister für alle Zeiten von dieser Erde verbannten oder einen wirklich gemeingefährlichen Vampir bezwangen, der die Welt versklaven wollte?“

„Natürlich war ich nicht da,“ nutzte Lily hastig eine Pause von Buffy, um nicht völlig in ihrer Autorität untergraben zu werden. „Ihr wart die Front. Die Kämpfer. Bis die Informationen bei uns ankamen, und Hilfe hätte unterwegs sein können, war das meiste....“

„So.. die Front,“ sagte Buffy leise und trat vor Lily. Nur wenige Zentimeter trennten die beiden Frauen. Das blaue Licht der magischen Fesseln spiegelte sich in Lilys und Buffys Gesicht wider. Es gab dem Ganzen einen gefährlichen Hauch.

 

„War es nicht eher so.. das ich das Instrument war, dass man benutzen konnte, wie man wollte? Oder zumindest dachte?“ Die beiden duellierten sich mit starren Blicken und hielten sich mit ihrem eisigen Ausdruck in den Augen gefangen. Keine sah zur Seite, um nicht als erste als Verliererin hervorzugehen. „Ausnützen bis zum Tod, wenn wir gerade bei der Wahrheit sind. Nicht wahr? So lautete die Devise. Eine Jägerin ist ersetzbar. Oh und ich bezweifle, dass irgendjemand hier im Raum vergessen hat, dass es dieses ersetzbare Instrument ist, das Sie zurück wollen! Ein einzelnes, nicht Tausende oder Hunderttausende,“ Buffy trat wieder einige Schritte zurück und blickte rasch zu Willow. „Lass sie frei.“

Willow konzentrierte sich auf die sieben Personen in ihren magischen Fesseln, nickte Buffy kurz zu und meinte: „Bist du dir sicher?“ Als Buffy nickte, hob Willow ihre Hände, rief „Eleuteria!“ woraufhin sich die knisternden Energiebänder von den Körpern zurückzogen, als würden sie sich selbst in sich aufwickeln. Die sechs Jägerinnen schienen sehr erleichtert und rieben sich verschiedene Körperstellen, die zu schmerzen schienen. Nur Lily blieb regungslos stehen und ließ sich nicht anmerken, wie sehr sie diese Lage gekränkt hatte.

„Es wäre besser, wenn Sie mit ihren hörigen Jägerinnen verschwinden würden. Jetzt gleich. Ich bin nicht noch einmal dazu bereit, ihnen zu vertrauen, um dann erneut ins Verderben zu rennen. Das Spiel haben Sie einmal mit uns gespielt. Noch einmal opfern wir nicht jemanden, nur weil wir alle geblendet waren. Ich schätze, damit spreche ich allen hier im Raum aus der Seele,“ sich bewusst, dass sie ein gewisses Risiko mit ihren Worten einging, versuchte Buffy erst gar nicht hinter sich zu sehen, um die Gesichter ihrer Freunde zu studieren.

 

Stattdessen griff sie nach Lilys Aktenmappe, die Giles noch immer in Händen hielt und warf sie Lily hart gegen die Brust. Instinktiv fing die Wächterin die Mappe auf. „Ich weiß nicht, was das für Informationen sind, die Sie sonst noch haben, aber ich wette darauf, dass Sie sie nur dabei haben, um uns ein weiteres Mal hinters Licht zu führen.“ Schließlich bezweifelte Buffy, dass Lily ohne die Informationen durch das alte Buch vom Friedhof, oder dem Unsterblichen wirklich Interessantes zu bieten hatte. Sie wollte und konnte das der Wächterin natürlich nicht zu verstehen geben, ohne dabei ihre eigenen Quellen zu verraten. Möglicherweise erkannten die anderen das langsam auch, denn niemand unternahm den Versuch Buffy daran zu hindern ihre Chancen auf neue Informationen zu verspielen.

Lily straffte ihre Schultern, gab den Jägerinnen einen Wink und blickte von Buffy kurz zu Giles, der jedoch nicht zu verstehen gab, dass er weiterhin darauf bestand, ihre Worte zu hören. Ihr Blick glitt zurück zu Buffy. „Wenn das euer Wunsch ist?“ Niemand gab der Wächterin darauf eine Antwort. „Nun gut, niemand kann behaupten, dass ich es nicht versucht hätte. Aber gebt nicht mir die Schuld, wenn diese Welt untergehen wird.“

„Ich glaube, Sie wissen noch wo die Tür ist,“ waren Buffys einzige Worte darauf und unter den misstrauischen, kühlen, zweifelnden Blicke der anderen zog Lily mit ihrem Gefolge ab. Sie gab sich alle Mühe, nicht geschlagen zu wirken, aber Buffy wusste, dass sie die Wächterin durchschaut hatte und diese Runde dieses Mal an sie alle ging.

 

 

+++

 

Draußen vor dem Wächterhaus,

selbe Zeit
Wütend schritt Dawn aus, sie konnte es nicht fassen. Shin lief neben ihr und wollte sie trösten, aber auch er wusste sich keinen Rat.


„Wie können sie so was tun?“ brach es aus Dawn heraus. Jetzt liefen die Tränen über ihr Gesicht. „Wie können sie nur im Traum daran denken mit diesen...Miststück zusammen zu arbeiten. Sie wollte mich ...mich...mir was antun.“

 

Dawn fehlten die Worte, ihr tat das Herz so weh. Sie fühlte sich verraten von den Menschen die eigentlich ihre Freunde waren. Nur weil Lily so tolle Reden halten konnte. Vergaßen sie denn alles was passiert war?


„Mein Liebling, es tut mir so leid. Wie kann ich dir helfen?“ Shin war außer sich. Er konnte es nicht ertragen, Dawn so leiden zu sehen. Er wusste aber auch, dass er ihr nicht helfen konnte.


Ruckartig blieb Dawn stehen.


„Ich weiß, wie du mir helfen kannst, lass uns diesen Dämon töten. Ich will den Läufer tot sehen, vielleicht geht es mir dann besser.“ Ein kalter Glanz war in Ihre Augen getreten.

 

Shin erschrak. „Nein, das wirst du nicht tun. Wir haben den Auftrag, ihn zu finden, vernichten werden ihn meine Mitkämpfer und ich. Dich möchte ich da nicht dabei haben. Außerdem haben wir ihn noch nicht gefunden und das kann noch länger dauern.“


Shin war betrübt, die Nachforschungen die er durchgeführt hatte, hatten noch nichts ergeben.“
Dawn drehte sich zu ihrem Freund um: „Ich habe mit einigen Maklern gemailt. Und heute Morgen hatte ich eine E-Mail im Postkorb. Rate mal was drin stand.“ Shin schaute sie nur an.
„Es war die Information, dass ein gewisser Mr. Romero ein Gebäude angemietet hat. Angeblich Büroräume. Ich hab die Adresse, aber ich will dabei sein, wenn ihr den Mistkerl fertig macht.“
Shin spürte, dass es Dawn ernst war, aber genauso hatte er Angst um sie.


„OK, so machen wir es.“ Die gekreuzten Finger hinter seinem Rücken bemerkte Dawn nicht.

 

+++

 


Malkuth,

Warren’s und Andrew’s Wohnung

früher Abend  
“Wer zum Teufel ist Daniel?“ Wutentbrannt stierte Warren auf seinen Laptop. “Kannst du mir vielleicht mal verraten, wie ein Nobody aus Deutschland, das die meisten von uns nicht mal auf der Karte finden würden, es geschafft hat, auf der Numero Uno der schlechtesten Filme aller Zeiten zu landen? Noch vor den Power Rangers Turbo und Police Academy – Mission in Moskau. Sogar die Superbabies II hat er geschlagen...“

 

“Hack dich in die International Movie Database und ändere das Ergebnis,“ schlug Andrew halbherzig vor. Er war in Gedanken nicht wirklich bei der Sache. Wie mechanisch legte er Klamotten und Kostüme zusammen und in den bereitstehenden Koffer.

 

Warren grummelte etwas Unverständliches, und klickte die IMDB Seite weg, um seine Mails zu checken. Schon wieder soviel Spam! Der Penisvergrößerer war immer noch auf der Jagd nach ihm, und irgendein afrikanischer Geschäftsmann, der angeblich im Sterben lag, wollte ihm sein Vermögen vermachen. Außerdem noch eine Grußkarte von George, der mit Jessica nach Hawaii geflogen war, und von seiner Mutter eine Warnung, dass das Frühjahrswetter im Norden tückisch sei, und er doch keinesfalls ohne Schal und Mütze aus dem Haus gehen möge.

 

Gerade, als eine weitere E-Mail in seinem Postfach ankam, klingelte es. Warren klappte den Laptop zu, doch Andrew war schneller. Mit einem Stapel Unterwäsche in der Hand öffnete er die Tür.

 

„Hallo,“ kam es von Clem, der Andrew mit breiten Grinsen entgegen sah.


„Hi, Clem. Du, wir haben gerade gar keine...Wow!“

 

Andrew war sprachlos. Während er Clem eigentlich abwimmeln wollte, trat der Dämon einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf ein scheußliches Etwas frei. Im ersten Moment musste Andrew genau hinsehen um zu erkennen was da auf dem Weg stand.


Es war die abstrakte Version eines Kinderwagens. Früher musste er mal schön gewesen sein, nun stand vor ihm ein Monstrum mit großen Metallrädern, welches überall mit knalligen Plüschschleifen verziert war. Obwohl verziert wohl nicht das richtige Wort dafür war. Übersät traf es wohl besser.


„Clem?“ fragte Andrew vorsichtig „Ist es das, was ich denke?“


„Uhm, ja ihr sollt die ersten sein, die es erfahren, mein Wonneproppen, mein Baby ist endlich da. Bonita und ich sind endlich Eltern geworden. Ist das nicht toll?“ Überschwänglich lief Clem zu dem Kinderwagen und holte ein kleines Bündel heraus. „Schau mal Andrew. Ist sie nicht niedlich?“


Andrew schluckte: „Sie? Ein Mädchen?“


„Ja, und wir haben sie nach mir benannt. Bonita bestand darauf.“


“Sie heißt Clem?“ Der Wäschestapel fiel zu Boden.


„Nein Dummerchen‚ Clementine!“ Andrew biss sich fest auf die Lippen, um nicht loszulachen.
Clem hielt ihm das Bündel hin.


„Hier, halt sie mal.“ Zu überrascht, um reagieren zu können, fand Andrew sich mit der kleinen Dämonin im Arm wieder. Zärtlich blickte der frischgebackene Vater auf das Bündel nieder. „Sie hat meine Ohren.“


Da musste Andrew ihm Recht geben, das was ihn da aus der zerschlissenen Decke ansah konnte man nur als eine Miniausgabe von Clem mit riesigen Ohren bezeichnen. Die Kleine nuckelte an ihrem Daumen und schaute ihn aus großen roten Augen an.


„Ach, wie ist die süüüß,“ quietschte Andrew. „Und so winzig! Warren, guck mal!“

 

Warren zog es vor, sicherheitshalber seinen Laptop wieder aufzuklappen, und sich dahinter zu verstecken.


„Na ja, das gibt sich noch. Bei uns sind die Kleinen mit sechs Jahren ausgewachsen. Wir werden nicht lange Zeit mit ihr haben.“ Er streichelte mit dem Finger über das winzige Näschen.

 

“Jetzt guck doch mal!“ Entschlossen marschierte Andrew zu Warren hinüber, der auf einmal entsetzlich beschäftigt schien. “Ich...uhm...nun ja, sie ist ganz niedlich!“ Angestrengt stierte er wieder auf seine Mails.

 

Seufzend und genervt mit den Augen rollend, wandte Andrew sich ab, und gab Clem die Kleine zurück. “Darf ich sie babysitten, wenn du mit Bonita ausgehst?“

 

„Wirklich? Das würdest du tun?“ Freudestrahlend legte Clem das Baby wieder in den Wagen, und kam auf Andrew zu. “Knuddelattacke!“ Andrew kreischte und versuchte den massigen Dämonenarmen auszuweichen, was ihm natürlich nicht gelang. 

 

“So, ich muss dann mal wieder.“ Clem rollte das Kinderwagenungetüm hinaus auf die Straße. Andrew blieb in der Tür stehen, und winkte den beiden fröhlich hinterher.

 

“Komm’ mir bloß nicht auf dumme Gedanken!“ Warren war neben Andrew getreten, und seine Stimme klang äußerst nervös.

 

“Ich?“ fragte Andrew mit seinem unschuldigsten Augenaufschlag. “Wie kommst du bloß auf so was?“

 

 

+++


Büro des Kriegsrats, Konferenzraum

etwas später
“Ihr Plan hat ja wirklich wunderbar funktioniert,“ spöttelte Khan Hsirg, und lehnte sich in seinem Sessel zurück. “Nun ja, ein paar Jägerinnen mehr, oder weniger, darauf wird es wohl nicht ankommen...“

 

“Mein Plan hätte funktioniert, wenn jemand anderer sein Wort gehalten hätte!“ Lily schoss einen wütenden Blick in Richtung D’Hoffryn. “Hatten Sie mir nicht versichert, die Hüterin würde zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Problem mehr sein? Was glauben Sie wohl, wer mich und meine Jägerinnen angegriffen hat, als ich versucht habe, mit Giles zu verhandeln? Ich bin ja nicht einmal dazu gekommen, in Ruhe mein Angebot zu erklären!“

 

“Es gab ein paar Komplikationen, was die Hüterin angeht, das ist wahr,“ stimmte D’Hoffryn zu, “allerdings, falls ich mich richtig erinnere, war es Buffy, die Sie in hohem Bogen hinausgeworfen hat. Ich könnte mich natürlich irren,“ fügte er mit einer spöttischen Verbeugung hinzu.

 

“Wie kommen Sie...?“ Lily war noch im Begriff, die Behauptung vehement abzustreiten, als ihr Blick auf den schwarzen Magier fiel, der neben ihr ein betont unschuldiges Gesicht zog. “Ich...uhm...er hat mich dazu gezwungen!“ Mit einem anklagenden Finger wies er auf D’Hoffryn.

 

“Wie schön. Wenn die Herren mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich habe zu tun!“ Lily stand so heftig auf, dass ihr Stuhl beinahe umkippte, und rauschte ab.

 

Sie schloss die Tür ihres Büros, und lehnte sich zitternd dagegen. Welcher Teufel hatte sie nur dazu geritten, sich mit einer Horde unfähiger Dämonen einzulassen? Das konnte ja nur schief gehen! Nur gut, dass diese Zusammenarbeit heute enden würde. Dafür hatte sie schon...

 

“Ms. Usher?“ fragte eine leise Stimme.

 

Sie hob den Kopf, und sah eine Jägerin vor ihrem Schreibtisch stehen. Caridad war ihr Name, wenn sie sich richtig erinnerte. “Was machst du hier?“ fragte sie das Mädchen mit hochgezogenen Augenbrauen.

 

“Sie haben mich rufen lassen, Ms. Usher.“ Caridad stand da wie eine Statue, steif, reglos, ohne ein Anzeichen von Langeweile, oder Müdigkeit. Wenn sie wollte, konnte sie das Mädchen stundenlang so stehen lassen.

 

“Ja, natürlich, setz’ dich doch. “Lily deutete auf den schweren Besuchersessel, der vor ihrem Schreibtisch stand, während sie selbst auf ihrem eigenen Sessel Platz nahm. Ihr neues Büro in Cleveland war nicht besonders groß, aber es genügte ihrem Zweck. Viel konnte sie hier ohnehin nicht ausrichten, da sie ja immer damit rechnen musste, dass einer der Dämonen heimlich einen Blick in ihre Sachen warf.

 

 „Caridad, ich habe dich rufen lassen, weil ich der Meinung bin, du unterscheidest dich von den anderen Jägerinnen. Du trainierst härter und machst die größten Fortschritte. Ich bin sehr stolz auf dich.“

 

Mit einem Lächeln lehnte Lily sich zurück. Sie hatte keine Ahnung, warum sie Caridad hatte rufen lassen, doch inzwischen war ihr eine Idee gekommen.


Caridad zeigte weiterhin keine Gefühlsregung. Von Zeit zu Zeit konnte man einen leichten grauen Schatten sehen, der durch ihre Augen zog. Ein Zeichen, dass der Dämon in ihr große Kontrolle über sie hatte. Sie war genau die Richtige für Lilys kleine Rache.

„Nun,“ setzte Lily an „Ich habe da einen kleinen Spezialauftrag für dich. Es geht um den Purificatio Talisman, ein Amulett, welches mir hier in Cleveland anhanden gekommen ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass Buffy es mir entwendet hat. Dieses Amulett ist ein wichtiger Talisman mit sehr viel Macht und er darf nicht in die falschen Hände gelangen.“

Hier setzte Lily eine kleine Kunstpause ein, bevor sie weitersprach. „Und ich denke, wir beide sind uns einig, dass Buffy’s Hände dafür die absolut falschen sind.“ Ein leichtes Nicken deutete Caridad's Zustimmung an.

„So,“ Lily erhob sich. „Ich denke, du weißt, was du zu tun hast. Ich vermute, Buffy hat es in ihrer Wohnung versteckt. Sei vorsichtig und errege keine Aufmerksamkeit. Ich lasse dir völlig freie Hand. Nur finde dieses Amulett. Wie ist mir egal.“

Ein Lächeln huschte durch Caridad’s Gesicht. „Werden die Jägerinnen zu Hause sein?“ war ihre einzige Frage.


„Um Buffy und Dawn kümmere ich mich. Ansonsten, du kennst meine Einstellung.“

„Sie können sich auf mich verlassen.“ war die einzige Erwiderung. Lily entgegnete das Lächeln und brachte die Jägerin zur Tür.


Als diese hinter Caridad zufiel, konnte Lily sich ein Grinsen nicht verkneifen. Das Mädchen würde den Talisman ganz sicher nicht in Buffys Wohnung finden. Es sei denn, Buffy hatte ihr Schlafzimmer in einen Gully verlegt. Aber diese Nichtigkeiten brauchte das Mädchen nicht zu wissen. Der Samen war gelegt und sicherlich würde die Jägerin in ihrer Wohnung keinen Stein mehr auf dem anderen vorfinden, wenn Caridad damit fertig war. Dafür würde der Dämon in ihr schon sorgen.


Und Buffys Gesicht konnte Lily sich lebhaft vorstellen. Das würde ein schwerer Schlag für die Jägerin werden.


Es war zwar nur eine kleine Rache, aber eine welche die Wächterin diebisch freute.

+++

 

 

Eve’s Apartmentgebäude,

abends, etwas später
Als sich die Tür des Fahrstuhls schloss, drehte sich Eve langsam und sinnlich zu Xander, drückte ihn gegen die kalte Metallwand des Lifts und strich ihm sanft mir ihrer rechten Hand über die Wange.

„Danke für den schönen Abend,“ hauchte sie ihm ins Ohr, strich ihm durch die Haare und küsste ihn kurz auf die Wange. Xander lächelte zufrieden. Der Abend war spitze verlaufen. Nachdem er sie überraschend zu einem Candlelight Dinner eingeladen hatte, genossen sie ein grandioses Abendessen im Sun Luck Garden Restaurant. Wider Erwarten, und durch die Bestechung des Kellners hatte er dort noch eine kleine, aber gemütliche und vor allem romantische Loge bekommen, in der sie das Essen, und auch die Atmosphäre genießen konnten.

„Keine Ursache,“ antwortete Xander, dessen Herz doppelt so schnell als sonst schlug. Er zog Eve wieder zu sich heran und gab ihr einen langen leidenschaftlichen Kuss, der nur durch das laute „PING“ des Fahrstuhls unterbrochen wurde.

Eve lächelte, erfasste Xanders Hand und zog ihn rückwärts aus dem Lift, während sie ihm tief in die Augen sah. „Jetzt wird es aber Zeit für die Nachspeise,“ sagte sie lächelnd, als sie bei ihrer Wohnungstür angekommen war, und seine Hand nur kurz los ließ, um damit den Schlüssel aus ihrer Handtasche zu suchen.

Xander stellte sich hinter sie, massierte kurz ihre Schultern und gab ihr dann einen Kuss auf den Nacken. Eve hielt inne, schloss die Augen und genoss die Liebkosung.

„Ein Dessert wäre jetzt genau das Richtige.. flüsterte er ihr ins Ohr, und fügte dann hinzu: „Hm, was hältst du von Mohr im Hemd?“ Eve verdrehte lächelnd die Augen. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss um aufzusperren, und plötzlich schoss etwas wie eine Welle durch ihren ganzen Körper. Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, und langsam drehte sie sich zu Xander um.

„Na ja, das hab ich leider nicht zu Hause,“ sagte sie gefühllos und sah ihn dabei nicht einmal wirklich an.

„Aber.. das war doch nur ein Scherz... mach dir keine Gedanken,“ antwortete Xander lächelnd und wollte sie daraufhin küssen, wurde aber zurückgewiesen.

“Es tut mir leid, aber mir ist gerade eingefallen, dass ich heute noch etwas zu tun hab,“ flüsterte sie.

„Bitte?“ fragte Xander verwirrt und trat einen Schritt zurück. Was war denn jetzt los? Er könnte Eve gleich hier auf dem Gang verschlingen, aber stattdessen schickt sie ihn nach Hause? Versteh einer die Frauen!

„Na ja.. sie sah ihm endlich in die Augen. Jegliche Emotion schien verschwunden zu sein.

“Ich hab jetzt weder Zeit, noch Lust darauf. Finde dich bitte damit ab. Bis morgen!“ Sie beugte sich vor, gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, sperrte dann endlich die Tür auf und verwand dann in der Wohnung.

 

Xander starrte verwirrt und ungläubig die dunkle Wohnungstür an. Er klingelte, aber von der anderen Seite kam keine Reaktion. Verwirrt und enttäuscht ging er wieder zurück zum Lift.

+++

 

 

Eve’s Wohnung,

selbe Zeit
Eve drückte die Tür hinter sich ins Schloss und sah in die Dunkelheit. Wie ein Schleier fiel plötzlich wieder das Gefühl, nicht zu wissen, was sie überhaupt machte, von ihr ab und verwirrt starrte sie in die Dunkelheit. Was hatte sie gerade getan? Wieso hatte sie Xander nach Hause geschickt?

Sie wollte sich umdrehen und die Tür wieder öffnen, als eine laute, donnernde Stimme sie aufhielt. „Das würd’ ich sein lassen, mein Schatz!“

Eve blieb mitten in der Bewegung stehen. Das Licht ging an, sie hätte allerdings auch so gewusst, wer hinter ihr stand. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, griff sie in ihre Handtasche, zog eine Pistole heraus und drehte sich zu dem hellhäutigen Magier um, der lächelnd hinter ihr stand.

„Verschwinde!“ drohte sie ihm, ohne seinerseits irgendeine Reaktion zu bekommen.

„Na na na, mein Schatz. Du solltest echt überlegen, welchen Ton du mir gegenüber anschlägst.. er wurde leicht wütend, wodurch eine blaue Ader unter seiner weißen Haut leicht anschwoll.

Ohne noch weiter zu warten drückte Eve ab, und wartete darauf, dass der Magier, von der Kugel getroffen zu Boden stürzte. Nichts passierte. Erst jetzt sah sie, dass genau zwischen ihnen die Kugel in der Luft schwebte, sich aber keinen Millimeter bewegte.

„Denkst du echt, dass du MICH mit so einer lächerlichen Waffe besiegen kannst, du Schlampe?“ schrie er nun wütend und lenkte die Kugel schlussendlich in die Richtung einer Vase, die eine Sekunde später in tausend Teile zersprang.

Eve begann am ganzen Köper zu zittern. Ihr fiel die Waffe aus der Hand als sie sich umdrehte und versuchte, die Tür aufzumachen, jedoch vergeblich..

„Ich hätte jetzt auch Lust auf ein Dessert,“ flüsterte der Magier, der plötzlich hinter ihr stand, und strich ihr mit seinen Fingern über den Nacken.

Tränen liefen über Eve’s Wangen, als sie spürte, wie der Magier den Reißverschluss ihres Kleides aufmachte, sie konnte allerdings nicht dagegen tun. Ihre Gelenke waren erstarrt, sie konnte nicht einmal schreien.

„Ich versteh ehrlich nicht, was du an dem Kerl findest,“ redete der Magier weiter, nachdem Eve’s Kleid zu Boden gefallen war, und er nun ihren BH öffnete.

Eve schloss die Augen, und versuchte, irgendetwas zu bewegen, es passierte jedoch nichts. Als der Magier seine Hände um ihre Brüste schloss, wurde ihr schwarz vor den Augen und sie verlor das Bewusstsein.

 

 

+++

Black Pearl,

etwas später

“Noch ’n Bier?“ Der Bardämon griff unter die Theke und führte eine weitere Flasche zutage. Er wollte das Getränk einschenken, doch die fellbedeckte Dämonin mit dem riesigen Maul im Gesicht packte die Flasche und warf sie einfach in sich hinein, als wäre sie ein Müllschlucker. Es klirrte leise, als das Glas in ihren Mägen zermalmt wurde.

 

Die Stimmung war anders als sonst, bemerkte Kennedy, welche nachdenklich an der Bar hockte. Leiser, misstrauischer, gedrückter. Viele der Dämonen hatten in der letzten Nacht Freunde, oder Verwandte verloren, man konnte ihre Trauer förmlich in der Luft spüren. Und ebenso ihre Furcht.

 

Es gab keine Zeugen. Also wussten sie immer noch nicht, ob Lily’s Jägerinnen dahinter steckten, oder ihnen unbekannte Dämonen. Kennedy vermutete eher Letzteres, sie konnte sich schwer vorstellen, dass Lily’s Jägerinnen im Angesicht der drohenden Apokalypse noch die Zeit fanden, unschuldige Dämonen zu jagen.

 

Ein lautes Krachen ließ Kennedy zusammenfahren. Köpfe flogen in Richtung der Eingangstür, die soeben aus ihrem Rahmen stürzte.

 

In dem spärlichen Licht, das vom Schrankraum nach draußen fiel, waren nicht mehr als die Silhouetten der etwa zwei Dutzend Mädchen und jungen Frauen zu erkennen, welche wie düstere Schattenbilder vor dem Eingang standen.

 

Ihre Schwerter, Äxte, und Messer jedoch blitzten metallisch auf.

 

 

 

Akt 3

 


Black Pearl,

etwas später

„Hört zu, Leute, es gibt überhaupt keinen Grund hier anzugreifen! Das ist alles ein Missverständnis!“

 

Kennedy’s Worte verklangen ungehört, in all dem Tumult, war es auch nicht möglich, sich Gehör zu verschaffen. Tische und Stühle fielen um, lautes Gebrüll und Schreie erklangen, die Dämonen jagten panisch zum Hinterausgang, nur um festzustellen, dass dieser ebenfalls von Jägerinnen blockiert war.

“Keine Panik, Freunde! Versucht, Ruhe zu bewahren!“ Mo’s Donnerstimme schaffte es schließlich doch, für ein wenig Ordnung zu sorgen, doch diese hielt nicht lange vor. Vier oder fünf Wurfgeschosse krachten ins Innere des Schankraumes und im nächsten Moment züngelten überall Flammen empor.

 

’Verdammt, sie wollen uns ausräuchern,’ schoss es Kennedy durch den Kopf. “Sie haben die Eingänge blockiert, und jetzt...’

 

„Mo?“ schrie sie. „Gibt es noch einen Ausgang?“

 

Der Dämon nickte, er war damit beschäftigt, ein kleines hundeähnliches Geschöpf unter einem brennenden Tisch hervorzuholen. „Ja, gibt es, doch er führt direkt nach Malkuth. Die Jägerinnen dürfen ihn auf keinen Fall finden...“

 

Kennedy nahm sich nicht die Zeit, nachzufragen, was Malkuth war, sie packte Tische und Stühle, und warf sie Richtung Eingang, um den Mädchen den Weg ins Innere des Schankraums zu versperren. Diese schienen jedoch gar nicht die Absicht zu haben, hereinzukommen, sie warfen lediglich ein paar weitere Brandgeschosse, und warteten mit gezückten Waffen darauf, dass jemand versuchte, der Flammenhölle zu entkommen.

 

„Folgt Nolrov!“ schrie Mo, und wies auf einen reptilienartigen Dämon, der in den Gang zu Mo’s Büro stürmte. Mo selbst rannte an ihm vorbei zum Hinterausgang, wo einige Dämonen versuchten, sich den Weg durch die Jägerinnen freizukämpfen. „Nicht, Freunde, das ist sinnlos!“

 

Er packte einen Tibboh Dämon an einem seiner langen Tentakel und versuchte ihn zurückzuzerren, doch zu spät, eine Axt hatte sich bereits tief in sein Fleisch gegraben. Mo spürte einen rasenden Schmerz im linken Arm, als ein Dolch ihn erwischte. Mit einem mächtigen Faustschlag schlug er die Jägerin bewusstlos, bevor sie ihn ein weiteres Mal treffen konnte, und schob einen weiteren Dämon zurück in den Gang, aus der Reichweite der Mädchen.

 

’Ich hab’ es wirklich getan,’ schoss es ihm durch den Kopf. ’Ich habe eine Jägerin angegriffen. Ich hab’ unser wichtigstes Gesetz gebrochen, und eine Jägerin angegriffen...’

 

Doch es blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Er musste jetzt seine Leute in Sicherheit bringen....

 

Kennedy hielt sich ihren Ärmel vor den Mund, um in dem immer dichter werdenden Rauch noch atmen zu können. Im Schein des Feuers sahen die Jägerinnen selbst wie Dämonen aus, mit verzerrten Gesichtszügen, und diesen unheimlichen leeren Augen. Noch schienen sie nicht bemerkt zu haben, dass es einen Fluchtweg gab, doch selbst wenn, sie würden sich umbringen, wenn sie in diese Flammenhölle...

 

„Sie entkommen!“ schrie eines der Mädchen und rannte nach vorne, stolperte über die brennenden Tische und Stühle, und stürzte zu Boden. In Sekundenschnelle fingen ihre Haare und Kleidung Feuer.

 

‚Oh mein Gott, sie sind vollkommen ausgetickt!’ Mit Entsetzen bemerkte Kennedy, dass das nächste Mädchen keine Anstalten machte, ihrer Gefährtin zu helfen, sie trat einen Schritt ins Innere, und schleuderte ihr Schwert in einen bereits brennenden Stützbalken der Decke. Kennedy warf sich zur Seite, als es Holz und Feuer regnete. Sie spürte einen heftigen Schlag gegen den Kopf.

 

’Nein, ich darf jetzt nicht das Bewusstsein verlieren...ich darf jetzt nicht...’

 

Sie wurde gepackt und nach oben gerissen, hustend und spuckend versuchte sie sich aus dem Griff zu befreien, doch ihre gesamte Kraft ging schon fürs Atmen drauf. Sie musste wach bleiben, sie musste....

 

Ihre Sinne wurden langsam wieder klarer, als sie frische Luft in ihren Lungen fühlte. Eine Falltür schloss sich über ihr und das Flammeninferno verschwand.

 

„Kleine Jägerin, bist du in Ordnung?“ Das war Mo’s besorgte Stimme, er beugte sich über sie. Und da war noch ein zweites Gesicht, das der fellbedeckten Dämonin mit dem riesigen Maul. Ihrer Retterin.

 

“Ich würd’ ja gern danke sagen, doch ich weiß noch nicht mal, ob du mich verstehst,“ murmelte sie benommen.

 

“Ich bin sicher, Irabnim versteht, was du meinst.“ Ein Lächeln huschte über Mo’s Gesicht, und er half Kennedy auf die Beine.  

 

“Danke, ihr beiden.“ Sie lächelte schwach und hielt sich den Kopf. „Hör mal, Mo, ich werd’ mit Buffy reden. Wir müssen unbedingt etwas unternehmen, so kann das nicht weitergehen.“

 

Ihr war jetzt klar geworden, dass Buffy vollkommen Recht gehabt hatte, sich nicht mit Lily zu verbünden. Etwas war hier ganz gewaltig faul. Und etwas stimmte nicht mit diesen Jägerinnen. Sie waren schlimmer als jeder Dämon.

 

“Allerdings,“ stimmte Mo ihr zu. “Aber wir werden beide mit Buffy sprechen. Jetzt ist die richtige Zeit dazu.“

 

 

+++

 

Fantasy Convention

Hotel

etwas später

“Hey, pass doch auf meine Ohren auf! Wenn sie abgehen...“

 

“Klebst du sie halt wieder dran, Doofkopf!“ Warren schubste einen quengelnden Andrew gegen die Tür, während er unter seinem Kettenhemd nach der Chipkarte fürs Zimmer kramte. Nicht, dass Andrew wirklich schlecht gelaunt gewesen wäre, er wollte nur ein wenig nerven. “Ich will, dass wir wieder runtergehen! Ich will den Rest vom Cosplay angucken!“

 

“Nix da!“ Warren öffnete die Tür, und drängte Andrew in den Flur ihrer Suite. “Das einzige, wo du runtergehst, ist auf den Poden, Pursche. Sternchen auf, fiesgrins, Sternchen zu.“

 

“Sternchen auf, protestier, Sternchen zu,“ begehrte Andrew auf, als die Tür mit einem Knall hinter ihnen ins Schloss fiel, und der helle Lichtstrahl von draußen verschwand. Sein Protest ging jedoch in einen undefinierbaren Maunzlaut über, als eine Hand seine Handgelenke umschloss und sie ihm hoch über den Kopf zog, während eine zweite ihn im Nacken packte wie einen jungen Hund.

 

Zur völligen Wehrlosigkeit verurteilt, zappelte Andrew in diesem unsanften Griff, die harten Berührungen ließen jede Pore seines Körpers erschauern. Trotz der Finsternis um sie beide herum, vermeinte er das Glitzern in Warren’s dunklen Augen zu sehen, und er fühlte das rasende Hämmern ihrer beider Herzen, während seine Knie zitternd unter ihm nachgaben.

 

Selbst dann, als er diese Augen gar nicht mehr wahrnehmen konnte, glaubte er immer noch ihren Blick auf sich zu spüren, ein Blick, welcher ihn verschlang wie ein bodenloser Abgrund, verschlang wie die gierigen Lippen und Hände auf seiner bebenden Haut. Leidenschaft, pochende Herzschläge und bittersüßer Salzgeschmack durchfluteten ihn, ließen ihn keuchend um Atem ringen in der wilden Hitze ihrer ineinander verschlungenen Körper.

 

Hitze wurde zu Glut, Glut zu Feuer, und Feuer zum Inferno, das sein Körper nicht mehr halten konnte. Als es aus seinem Innersten schoss, explodierten Sterne in seinem Kopf, und verglühten tief in seinem Herzen.

 

+++

 

Malkuth,

Halle von Geburah

etwas später
Die arkanen Symbole, die mit Tinte und anderen, weitaus absonderlichen Flüssigkeiten an Wänden, Decke und Boden des großen Raumes angebracht waren, erzeugten ein komplexes, auf sonderbare Weise verdrehtes Muster, das schon beim Ansehen für einen unangenehmen Druck hinter den Schläfen sorgte.


Eve hatte das ziemlich schnell bemerkt, weshalb sie die Szenerie mit halb geschlossenen Augen betrachtete.

Das war auch so ziemlich das einzige, was sie an ihrer gegenwärtigen Lage ändern konnte, denn ihr Körper war von einer Art durchscheinendem, grünlich schimmernden Kokon eingeschlossen, der jede Bewegung unmöglich machte.

Was war überhaupt passiert? Wie von einer Faust geschlagen, fuhr auf einmal eine Welle von schrecklichen Erinnerungen über sie hinweg. Er war in ihre Wohnung eingedrungen. Er hatte sie betäubt. Er hatte sie vergewaltigt.

 

Eve drehte sich der Magen. Sie wolle los schreien, bekam aber keinen Laut heraus. Alex hatte sie auf eine Weise verletzt, die sie ihm nie zugetraut hätte.


Nie hätte sie sich träumen lassen, dass ihr, einer starken, selbstbewussten Frau, so etwas einmal passieren würde. Sie schloss kurz wieder die Augen und versuchte sich innerlich zu beruhigen. Eines war sicher, kein Mann würde sie auf diese Weise erniedrigen, und dann unbestraft davon kommen.

 

Diesmal war er mit seinen abartigen Spielchen zu weit gegangen.


Wieder versuchte sie, sich aus dem Kokon herauszuwinden, doch das zähe Material gab einfach nicht nach.


„Du solltest das lassen“, murmelte Alex abwesend, der bisher damit beschäftigt gewesen war, weitere Zeichen an die Wände des Raumes zu zeichnen. „Ich möchte wirklich nicht, dass du dich verletzt.“

„Dafür hast du schon gesorgt,“ fauchte sie. „Also hol mich endlich hier raus! Ich...“


„Werde bei diesen Spielchen nicht mitspielen“, vervollständigte der Magier ihren Satz in einem Tonfall, der vor Spott nur so triefte. „Eve, das geht leider nicht. Eine falsche Bewegung von dir und es bestehen gute Chancen, dass wir beide draufgehen.“

„Um dich wär’s nicht schade“, zischte sie und in diesem Moment meinte sie jedes Wort. Nun drehte er sich zu ihr um. Was war es, was sie da in seinen Augen sah? Hatten ihre Worte ihn verletzt? Gut so.

„Falls es dich interessiert“, fuhr er schließlich fort, „ich habe nur getan, was mir rechtmäßig zusteht. Eine Ehe gilt schließlich für die Ewigkeit, hast du das nicht gewusst?“

 

„Nein, das tut sie nicht“, giftete sie zurück. Wenn sie doch nur ihre Arme freibekäme...

„Ganz ehrlich...es tut mir wirklich leid, was ich gleich tun muss. Aber du bist offenbar dafür vorbestimmt.“


In seinem Gesicht war tatsächlich aufrichtiges Bedauern zu erkennen. Eve hätte den Kopf geschüttelt, wenn das möglich gewesen wäre. Der Typ war wirklich völlig verdreht.

„Was hast du eigentlich mit mir vor? Meinst du, du kannst es über dich bringen, es mir zu sagen?“


Er begegnete ihrem Blick, der Dolche nach ihm schleuderte und seufzte. „Gut, dafür reicht die Zeit noch. Aaaalso...ich werde gleich einen Riss im Universum erzeugen...nur ein paar Fuß hinter dir. Dieser Riss führt direkt nach Xor’ia, der Ebene des Wahnsinns. Diese Dimension – deren Anblick allein für einen gewöhnlichen Menschen tödlich ist – ist die Heimat eines Alten, der sich einst dorthin zurückgezogen hat.“


Eve starrte ihn nur an. Er wand sich sichtlich unter ihrem Blick.

„Das darf nicht wahr sein...du entführst mich, um irgendeine alberne Opferung durchzuziehen? Ich dachte, so was wäre sogar unter deinem Niveau! Was kriegst du dafür? Macht? Geld? Frauen, die es mit dir aushalten?“

„Müssen wir diese Streitereien wirklich durchziehen? Das wird hier langsam zur Farce“, erklang plötzlich eine weitere Stimme aus den Schatten.


Eve starrte in die Dunkelheit und konnte nun auch vage die Silhouette eines Menschen in einer schwarzen Robe ausmachen. Hatte er die ganze Zeit dort gestanden?

Natürlich, es war Tim, Alex’ durchgeknallter Zwillingsbruder. Das hätte sie sich doch denken können, dass er mit in diese Sache verwickelt war.


„Das ist doch wohl meine Sache“, zischte Alex in Richtung der schwarzen Robe. „Du kannst froh sein, dass ich dich überhaupt zusehen lasse. Immerhin geht es hier um meinem Teil unseres Spiels.“

 

„Welches Spiel?“ fragte eine dritte Stimme, diesmal die einer, ihr unbekannten Frau. „Ich hoffe doch, ihr wisst, was ihr tut.“

 

„Natürlich, Zaddik Lakshmi“ entgegnete Alex ein wenig nervös. „Es verläuft alles nach Plan. Du wirst sehen, der Alte macht Kleinholz aus den Jägerinnen.“

 

„Und nein, das ist keine Opferung,“ wandte er sich wieder an Eve. „Ich öffne den Riss und locke den Alten an. Dann entnehme ich einen Teil seines Geistes und pflanze ihn dir ein.“


Eve starrte nur noch ungläubiger, woraufhin er erneut seufzte. „Du kennst ‚Der Exorzist’? So ähnlich dürfte das Ergebnis aussehen, allerdings ohne die Erbsensuppe und die Narben. Aber du bekommst nichts davon mit. Es ist wie ein tiefer Schlaf. Ich muss nur darauf achten, dass nicht zu viel von seiner Essenz in dich einfließt. Zuviel würde deinen Körper zerschmettern – und wahrscheinlich sogar dieses Universum. Hat was mit Energieerhaltung zu tun.“ Er lächelte schief.

Eve war fassungslos. Das ging wirklich über alles hinaus, was er bisher angestellt hatte. Setzte er wirklich alles aufs Spiel – inklusive dieser Welt – um seine dämlichen Spielchen fortzusetzen? Oder machte er sich nur wichtig?

Sie wollte erneut sprechen, doch Tim machte eine schnelle Bewegung und Eve spürte, wie ihre Stimme schwand. Entsetzt versuchte sie, zu schreien, doch kein Laut entkam ihrer Kehle.

„War das jetzt wirklich nötig“, fauchte Alex empört.

 

„Bringen wir es endlich hinter uns...ich kann das Gezanke nicht mehr mitanhören! Und jetzt fang an.“

Alex schnaubte wütend, doch dann holte er tief Luft und begann, Worte zu murmeln. Im Grunde waren es nicht wirklich Worte, vielmehr einzelne Silben, die in dieser Form keinen Sinn ergaben.

Ak kan nish’atar tak gor irr mod tay…” begann er.


Ein Hauch fauligen Windes erhob sich, ließ seine Haare flattern und erfüllte die Luft mit einem stechenden Geruch.

„Irr ik gar mak ged kor madd idr ang....“, fuhr Alex fort, wobei seine Stimme langsam immer tiefer wurde. Obwohl er sich nicht bewegt hatte, und immer noch direkt vor ihr stand, schien es, als würde sich seine Stimme immer weiter entfernen.

Trey i magorr fey lar...“


Ohne äußeren Anlass wurde seine Stimme mit einem Mal dermaßen schrill, dass Eve das Gefühl hatte, ihre Trommelfelle würden gleich platzen. Die Töne wurden laut von den Wänden reflektiert, ohne in ihrer Lautstärke nachzulassen, so dass bald ein Kanon aus infernalisch schrillem Gekreische den Raum erfüllte.

 

„Es funktioniert,“ wisperte die Stimme der Frau, „es funktioniert tatsächlich! Solche Macht, und wir haben nie gewagt, sie zu nutzen...“

Ra nal i magre iya iäd dran fi kra mro kay...“


Der verdorbene Wind wurde stärker, hinterließ ein unangenehmes Gefühl auf Eves Haut, als er ungehindert durch den Kokon fuhr. Sie fühlte sich schmutzig, als sei ihre Seele selbst besudelt worden.

„Taya mar xor xad mirj tjir wrin...“


Die Symbole an den Wänden begannen, zu verschmelzen, vor Eves Augen zu tanzen.
Ihr wurde schwindlig, doch die Symbole erschienen noch immer vor ihren Augen, als sie versuchte, ihre Lider zu schließen.


Außerdem stimmte etwas mit den Farben nicht. Sie verschoben sich langsam in verwirrende Bereiche, wandelten sich ins Unmögliche, erschufen Negative von sich selbst oder sprangen von den Objekten, die sie gehalten hatten, um frei im Raum herumzuschweben.

„Kral oir mexra tir nar ortha fatjir!”


Bei dem letzten “Wort” verzerrte sich Alex’ bereits unmenschliche Stimme einmal mehr in bisher ungeahnte Tonlagen, bevor sie versiegte.


Für wenige Sekunden waren keine Geräusche irgendeiner Art mehr zu hören.


Doch dann hörte sie es.


Es war ein Knirschen, ein Ächzen, wie von alten Balken. Gleichzeitig fühlte sie ein Ziehen, welches sich durch den gesamten Raum zog. Die Struktur des Universums stöhnte auf, als ihre tragenden Balken brachen – es gab begleitend zu dieser Metapher sogar ein reales Knacken direkt hinter Eve – und etwas zerriss.

Der Gestank nach Ozon erfüllte die Luft und Eve wurde sich seltsamer Geräusche hinter sich bewusst...nur ein Flüstern, gelegentlich ein ferner Schrei...Laute, die sie nicht verstand, die jedoch durch ihr bloßes Vorhandensein ihre Gedanken aus der Bahn warfen. Sie war verwirrt, als ihr Blickfeld sich schmerzlich verschob.

Tsagran, mächtiger Herr des Irrsinns, komm!“ rief Alex in den Strudel aus Unmöglichkeit hinein. „Tsagran, komm! Nimm dein Opfer an! Wandle wieder in Fleisch und Blut! Komm!“

Etwas bewegte sich hinter ihr und dann hörte Eve ein lautes Grollen, welches nicht nur hörbar war, sondern sogar Wellen in den Raum hineinwarf, wie ein Stein, der in einen See fiel.
Und dann war da diese andere Präsenz. Etwas Altes....Mächtiges...Unmögliches...ein Ding, welches nicht existieren konnte....

Es wurde dunkel.

„Lebt sie noch?“, erklang Tim’s Stimme aus dem Schatten, nachdem sich der Riss von allein geschlossen hatte.


Alex nickte. Aus seinen Augenwinkel und der Nase liefen breite Ströme von Blut.
Er war kreidebleich und zitterte so stark, dass er nicht mehr stehen konnte.


S-sie l-l-lebt n-no-noch...“


“Wie schön für sie.“ Der schwarzgekleidete Magier trat breit grinsend auf seinen Bruder zu und half dem zitternden Mann vorsichtig auf die Füße.


Tief unter der Erde schlummerte ein uraltes Wesen in einem jungen Menschenkörper. Nur ein leises Lächeln lag auf dem blassen Gesicht.

 

+++

 

Strassen von Cleveland,

selbe Zeit

Langsam gingen zwei Teenager die dunkle Straße entlang, sie wirkten unauffällig, so als ob sie sich verlaufen hätten. Ihre Gesichter suchten die Bürokomplexe ab, und ebenso die Straßenschilder.


Dawn blieb plötzlich stehen: „Hier muss es sein. Nummer 53, ein altes Haus.“


Shin schaute sie an: “Wollen wir es versuchen? Sieht ziemlich verlassen aus.“


Dawn lief ein Stück auf den Eingang zu, doch Shin hielt sie zurück: „Wir können da nicht einfach so reinmarschieren. Die haben garantiert Kameras und einen Alarm.“

 

„Was schlägst du vor?“ wollte das Mädchen wissen.

 

„Den unauffälligeren Weg!“ Shin deutete nach oben auf ein Dachfenster. „Du bist doch fit, oder?“

 

Dawn rollte mit den Augen.

 

 

+++

 

Bürogebäude

Konferenzraum,

selbe Zeit

“Nein, ich kann nicht im Geringsten verstehen, warum Sie solch ein Gezeter veranstalten müssen,“ D’Hoffryn zog verächtlich die Nasenflügel hoch, und wandte sich ab. Das Letzte, worauf er jetzt Lust hatte, waren Ms. Usher’s Gekeife, und Kan Hsirg’s Vorwürfe.

 

Nun gut, sein Plan hatte nicht funktioniert. Es war ihm nicht gelungen, Willow für sich zu gewinnen. Aber letztendlich war dies sein eigener Verlust, und hatte mit Kan’s und Lily’s Krieg nicht wirklich viel zu tun. Buffy und ihre Clique hatten es ja abgelehnt, sich in die Sache mithineinziehen zu lassen zu lassen, also brauchte sich niemand um sie Sorgen zu machen.

 

Kan’s und Lily’s Krieg. Er verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln. Es war niemals wirklich sein Krieg gewesen. Alles was es für ihn darstellte, war eine Möglichkeit, um Willow zu beweisen, dass sie der Aufgabe einer Hüterin niemals gewachsen sein würde. Zauber und Rituale konnten sie nur so lange beschützen, bis die Verbindung zu den Jägerinnen wieder durchbrach, und alles wieder von vorne anfing. Es war nicht Willow’s Schwäche, es war einfach nur die Unmöglichkeit der Aufgabe, die sie sich selbst gestellt hatte.

 

Aber jetzt wusste er – und die Erkenntnis war in den letzten Tagen mit tödlicher Sicherheit eingesunken, dass Willow niemals nachgeben würde. Sie würde den Tod wählen, und seine ausgestreckte Hand beiseite schlagen.

 

Also hatte es überhaupt keinen Sinn, sie noch einmal auszustrecken. Vielleicht sollte er einfach einsehen, dass er verloren hatte.

 

Und dem Schicksal seinen Lauf lassen...

 

 

+++

 

Bürogebäude,

ein paar Stockwerke höher

selbe Zeit

“Nur weil ich eine Jägerin bin, heißt das noch lange nicht, dass ich gerne Batman spiele.“ Dawn rieb sich ihre schmerzenden Arme, während Shin sein Drahtseil wieder zusammenrollte, und sich in der kleinen verstaubten Dachkammer umsah. “Musst du ja auch nicht,“ grinste er schelmisch, “das bin nämlich ich. Du bist nur mein Robin!“

 

“Danke, aber diese Allegorie ist leider schon vergeben,“ gab Dawn leicht schnippisch zurück. “Wenn du also mit Piper und Leo nicht mehr zufrieden bist, musst du dir wohl was Neues einfallen lassen. Aber bloß nichts mit Gebäck, das verbitte ich mir!“

 

Als die beiden die Flure abliefen, stellten sie fest, dass die meisten Büros verlassen waren. Eine Staubschicht hatte sich schon auf einigen Schreibtischen niedergelegt. Die Flure waren nicht verwinkelt, im Gegenteil, sie waren schnurrgerade und so hatten Dawn und Shin die obersten Stockwerke schnell durchsucht. Im dritten wären sie ums Haar einer Gruppe junger Mädchen in die Hände gelaufen. Gerade noch rechtzeitig konnten sie in eines der leer stehenden Zimmer huschen. Als die Gruppe vorbei war,  schlichen die beiden weiter.

Zwei Räume weiter hörten sie plötzlich laute und wütende Stimmen aus einem der Räume kommen. Sie sahen sich hastig um, und versteckten sich in dem Zimmer daneben. Sie hatten Glück, der Raum war eine Teeküche mit Durchgangstür, die sogar einen Spalt offen stand, so dass die beiden alles hören konnten.  

 

+++

 

Bürogebäude

Konferenzraum,

selbe Zeit

“Ich hätte wissen müssen, dass bei der Zusammenarbeit mit Dämonen nichts herauskommen kann,“ fauchte Lily und griff nach ihrer Handtasche.

 

Kan verspürte den Drang sie zu ohrfeigen, ihr auf richtig menschliche Weise eine zu kleben, um ihr zu zeigen, dass er diese Beschimpfungen nicht duldete. Er kannte ihre Einstellung zu Dämonen, sie hatte ihn auch nie sonderlich gestört, da er schließlich genauso über die Menschen dachte. Aber dieses dauernde Gemeckere und Gezetere, das ging ihm entschieden zu weit.

 

Nur leider war ihm vollkommen klar, dass Ms. Usher ihn in der Hand hatte. Es war ihre Armee, sie konnte den Krieg jederzeit absagen, und seine Rache wäre vollkommen nutzlos. Hinzu kam, wie er mit einem nervösen Stirnrunzeln bemerkte, dass ihre Jägerinnen überall im Gebäude herumrannten, und gegen zu viele Gegner konnte selbst ein mächtiger Dämon nichts ausrichten.

 

Vielleicht war die ganze Sache mit dem Krieg doch keine so gute Idee gewesen. Natürlich wollte er Rache, und natürlich wollte er seine eigene Genialität bewundern, mit der er einen solch gewaltigen Plan hatte ausbrüten können, aber letztendlich würde die Zerstörung Malkuth’s doch nur eine geringe Befriedigung bedeuten. Der neue Virus mit dem der Clan drüben in Europa experimentierte, war viel interessanter, außerdem hatte eine Gruppe in China beide Läufer verloren, und der König hatte so etwas angedeutet...vielleicht gab es doch wieder Verwendung für ihn...

 

 

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Bürogebäude

Teeküche,

selbe Zeit

Kan, Lily und D’Hoffryn? Was hatten diese drei miteinander zu schaffen? Worum ging es in dem Streit?

 

Fieberhaft überlegte Dawn, was zu war, schließlich konnten sie es nicht mit allen dreien aufnehmen, vor allen Dingen nicht mit D’Hoffryn. Shin schien ebenfalls verwirrt. Er zeigte auf Kan und machte mit der anderen Hand die Geste für telefonieren. Dawn nickte und beide schlichen sich aus der Teeküche raus, um außer Hörweite zu gelangen.

 

Am liebsten wäre sie geblieben, um dem Gespräch weiter zu lauschen, aber auch ihr war klar, dass es jetzt wichtiger war, so schnell wie möglich Verstärkung zu bekommen. Überall liefen Jägerinnen herum, es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sie entdeckt wurden. Und wer konnte schon genau wissen, über welche Kräfte ein Dämon wie D’Hoffryn verfügte. Vielleicht wusste er schon längst, dass sie da waren...

Aus einem Büro das ein wenig weiter entfernt war rief Shin per Handy seine Eltern an. Er teilte ihnen mit, dass sie den Läufer gefunden hätten und der Kampftrupp losgeschickt werden könne.

 

 

 

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Bürogebäude

Konferenzraum,

selbe Zeit

“Mein Dame, mein Herr, ich empfehle mich.“ D’Hoffryn verneigte sich spöttisch vor den beiden anderen. “Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt und was mich betrifft, so ist unsere Zusammenarbeit hiermit beendet. Gutes Gelingen für Ihren Krieg und nehmen Sie sich nach Möglichkeit vor übereifrigen Jägerinnen und Männern in Schwarz in Acht. “

 

Lily und Kan konnten ihm nur noch mit offenem Mund hinterher starren, als er in einem Feuerwirbel verschwand.

 

“Ich werde mich ebenfalls empfehlen.“ Lily wandte sich zur Tür. “Natürlich nur, um bei den Vorbereitungen nach dem Rechten zu sehen. Im Gegensatz zu gewissen anderen Geschöpfen halte ich mich nämlich an Vereinbarungen.“

 

“Das habe ich auch nicht anders von Ihnen erwartet,“ entgegnete Kan spitz. Er machte eine Pause und fügte ein wenig unsicher hinzu. “Sie haben nicht zufällig eine Ahnung, was D’Hoffryn mit seiner letzten Bemerkung gemeint hat?“

 

“Leider nicht.“ Gespielt unschuldig blickte Lily den Dämon an. “Ich werde in spätestens einer halben Stunde zurück sein.“

 

Sie verzog die Lippen zu einem Lächeln, als sie die leeren Flure entlang ging. Natürlich hatte sie nicht die geringste Absicht hierher zurückzukehren. Wenn sie D’Hoffryn’s Bemerkung richtig deutete, dann befanden sich Buffy und ihre Freunde bereits auf dem Weg hierher. Zwar war es noch nicht lange her, dass sie die E-Mail an Dawn geschrieben hatte, aber normalerweise waren Giles und seine Bande relativ gewandt darin, Hinweise schnell zu entschlüsseln. Und sollte Buffy dabei so ganz zufällig Kan Hsirg erledigen, so sollte ihr das nur recht sein. Sie brauchte den albernen Dämon schon längst nicht mehr. Wichtig war nur, dass Buffy hierher kam. Am besten ohne die Hüterin, und mit möglichst wenig Verstärkung...

 

“Öffnen,“ befahl sie der dunkelhaarigen Jägerin, welche reglos wie eine Statue vor dem Überwachungsraum stand. Rasch schritt sie hinein und machte sich daran, die verschiedenen Bildschirme zu beobachten. Die Kameras waren überall, also konnte sie Buffy gar nicht verfehlen. Falls die Jägerin das Gebäude betreten hatte, musste sie hier irgendwo auftauchen.

 

Moment mal, was war das? Angestrengt kniff sie die Augenbrauen zusammen.

 

Was in aller Welt suchten diese merkwürdigen schwarzgekleideten Kerle hier? Das waren nicht Buffy und ihre Truppe.

 

War ihre Mail etwa bei den falschen Leuten gelandet?

 

 

+++

 

Wächterhaus,

etwas später

Buffy lehnte sich zurück, und spielte nervös mit einem Bleistift. Es war so...seltsam. Mo hier, im Wächterhaus, das konnte sie sich immer noch nicht wirklich vorstellen. Er gehört zu seinen Kumpels ins Black Pearl, genau wie eine Couch vor den Fernseher, oder...die Milch auf die Cornflakes, oder was auch immer. Nicht hierher. Nicht in ihre Welt.

 

Er passte nicht einmal wirklich auf den Stuhl, auf dem er hockte, er war zu groß. Und zu dämonisch.

 

“Soll das bedeuten, diese Stadt ist die ganze Zeit da gewesen, und keiner von uns hat je etwas davon bemerkt?“ fragte Robin stirnrunzelnd. “Unter uns, unter dem See lebt eine riesige Ansammlung von Dämonen und wir...wie ist das möglich?“

 

“Die meisten Dämonen schaffen es richtig gut, sich vor den Menschen zu verbergen.“ Faith dachte an L.A. zurück. Offenbar bot die Anonymität einer Großstadt wirklich eine bessere Möglichkeit für Dämonen, unerkannt zu bleiben. “Aber normalerweise leben sie allein, oder in ihren Clans mit den eigenen Artgenossen. Eine Stadt, mit so vielen verschiedenen, das hab’ ich echt noch nicht gehört.“

 

“Ja, irgendwie kann man sich das schwer vorstellen,“ stimmte Ronah ihr zu.

 

“Und du willst uns wirklich erzählen, ihr dreht da unten Däumchen, und singt Lieder, und alles ist wunderschön und friedlich?“ Das Misstrauen in Xander’s Stimme war nicht zu überhören.

 

Mo stieß hörbar die Luft aus. “Deine Besorgnis verwundert mich nicht. Immerhin waren die meisten Dämonen, denen ihr bisher begegnet seid, eure Feinde, und die Feinde der Menschen. Wir dagegen haben es größtenteils aufgegeben, den Kontakt zu Menschen zu suchen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, und den Konflikt nicht noch zu verschärfen. Wir wollen nichts weiter, als unser Leben leben, und in Ruhe gelassen werden.“

 

“Aber genau, das können sie nicht mehr, seit Lily und ihre durchgeknallten Jägerinnen hier sind,“ warf Kennedy ein. “Diese Psychozicken hauen gnadenlos alles nieder, was ihnen in den Weg kommt! Ihr hättet erleben müssen, was sie aus dem Black Pearl gemacht haben! Es ist unvorstellbar, sie machen nicht einmal vor Kindern halt.“

 

“Wir haben Grund zu der Annahme, dass meine Tochter ihnen ebenfalls zum Opfer gefallen ist,“ fügte Mo hinzu. “Chava war erst sechzehn. Wenn ich mich nicht irre, ging sie auf die gleiche Schule wie deine Schwester Dawn,“ wandte er sich an Buffy.

 

Willow erinnerte sich an den Bericht über das ermordete Mädchen, den sie am Vormittag im Radio gehört hatten. War es dasselbe Mädchen? Oder nur ein weiteres namenloses Opfer?

 

“Nun, es bringt nichts mit Lily zu reden,“ überlegte Buffy. “Sie ist eine Psychopathin, und mit Vernunft erreicht man sie nicht. Aber vielleicht wäre es das Beste, wenn du und deine Leute sich in eure Stadt zurückziehen würden, bis sie und die Jägerinnen wieder weg sind. Sie werden ja nicht ewig in Cleveland bleiben.“

 

“Das haben wir auch vor,“ nickte Mo. “Aber auch unsere Geduld wärt auch nicht ewig. Lange Zeit haben wir uns an unsere Gesetze gehalten, entgegen unserer Natur haben wir nicht einmal zurückgeschlagen, wenn wir angegriffen wurden. Wer unser Gesetz gebrochen hatte, musste mit schweren Strafen rechnen...“

 

“Davor hast du diesen kleinen Echsendämon gewarnt, nicht wahr?“ Unwillkürlich erinnerte sich Buffy an Lily’s damaligen Handlanger zurück. “Und ich hab’ mich gefragt, wie du es so einfach geschafft hast, die Infos aus ihm rauszukriegen. Sag mal, Mo, hat deine Stadt dich eigentlich beauftragt, für uns den Informanten zu spielen? Oder hast du das aus eigenem Antrieb getan?“

 

“Es geschah im Auftrag unseres Rates,“ erklärte Mo. “Wir selbst versuchen uns aus allen Konflikten herauszuhalten, aber Dämonen, welche Menschen angreifen, sind auch für uns ein großes Risiko. Sie verstärken den schlechten Ruf der Dämonen, und sie machen die Menschen auf uns aufmerksam. Da es die Aufgabe der Jägerinnen ist, solche Dämonen zu jagen, erschien es uns sinnvoll, mit ihnen zusammenzuarbeiten, und ihnen Informationen zu geben.“

 

“Das heißt, ihr habt uns nur benutzt!“ rief Kennedy aufgebracht. “Ihr habt uns benutzt, um feindliche Dämonen loszuwerden?“

 

Mo blieb trotz der Vorwürfe ruhig. “So würde ich es nicht nennen, Kenny.“ Mit traurigen Augen blickte er sie an. “Es lag in unser beider Interesse, diese Dämonen zu vernichten. Und meine Unterstützung hat euch dabei geholfen, Menschenleben zu retten, vergiss dass nicht.“

 

“Und Sie glauben, dass die Bewohner Ihrer Stadt nun ebenfalls gegen die Jägerinnen kämpfen werden?“ brachte Giles das Gespräch aufs ursprüngliche Thema zurück. Der Wächter hatte bisher geschwiegen, und der Diskussion der anderen zugehört.

 

Mo nickte. “Es wäre durchaus möglich. Viele von ihnen sind aufgebracht, wütend oder verzweifelt. Das könnte zu einem wirklich bösen Konflikt mit vielen Toten auf beiden Seiten führen.“

 

Sein Blick wanderte von einem zum anderen. Die beiden Wächter, die vier Jägerinnen, die Hüterin mit den Ringen unter den Augen. Und der junge Mann, bei dem er sich nicht sicher war, welche Funktion er erfüllte. “Deshalb habe ich mich entschlossen hierher zu kommen, und mit euch zu sprechen. Der Rat Malkuth’s wird diese Entscheidung möglicherweise als Verrat auslegen, doch es blieb keine Zeit für Diskussionen. Ich muss tun, was für meine Leute das Beste ist.“

 

“Nun, das klingt alles sehr nobel, doch ich fürchte, wir können Ihnen nicht helfen.“ Giles runzelte die Stirn. “Wir haben im Moment genügend eigene Probleme zu bewältigen, einige von ihnen größer, als Sie sich vorstellen können.“

 

’Aber mit Lily wollten Sie gemeinsame Sache machen,’ dachte Buffy wütend, aber sie sprach es nicht aus. Für Vorwürfe war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. “Giles, Sie können nicht ernsthaft von uns erwarten, dass wir die Hände in Schoß legen, und tatenlos zusehen, wenn es da draußen ein Gemetzel gibt. Es muss eine Möglichkeit geben, das zu verhindern.“

 

“Willst du dich auf die Seite von Dämonen stellen, und gegen unsere eigenen Leute kämpfen?“ fragte der Wächter fassungslos.

 

“Oh, ich hatte bereits das Vergnügen mit einigen Jägerinnen,“ lachte Buffy bitter. Faith blickte sie prüfend an, um herauszufinden, ob das etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun haben könne, doch Buffy’s Gedanken waren bei der japanischen Jägerin, die sie vor Lily’s Handlangern hatte retten wollen.

 

Der Kampf mit diesen Mädchen ging ihr nicht aus dem Kopf, etwas war seltsam an ihnen gewesen, der Ausdruck ihrer Augen, ihre mechanischen, fast ein wenig roboterhaften Bewegungen. Und doch hatten sie etwas von wilden Tieren an sich gehabt, so rasend und unberechenbar.

 

“Willow?“ fragte Buffy leise. Die Angesprochene zuckte zusammen, sie schien gerade innerlich weit weg gewesen zu sein.

 

“Glaubst du, es gäbe für dich irgendeine Möglichkeit, diese Jägerinnen geistig zu erreichen? Ich meine, als Hüterin hast du doch eine Art Verbindung zu ihnen?“

 

“Gerade jetzt, wo sie es endlich geschafft hat, diese Verbindung einigermaßen zu blocken?“ fragte Kennedy misstrauisch. “Ich werd’ auf keinen Fall zulassen, dass Willow etwas tut, das sie gefährdet.“

 

“Keine Angst ich geb’ auf mich acht,“ Willow ergriff Kennedy’s Hand, und drückte sie. “Buffy, ich glaube, es gäbe tatsächlich einen Zauber, der eventuell funktionieren könnte. Als ich damals nach einer Möglichkeit gesucht habe, die Schmerzen zu blockieren, hab’ ich die Verbindung zwischen mir und den Jägerinnen mit verschiedenen Zaubern untersucht, und...“

 

“Buffy,“ versuchte Giles sich Gehör zu verschaffen. “Buffy, ich bin strikt dagegen. Wir haben einfach keine Zeit für so etwas!“

 

“Na ja, wir haben Mo vor langer Zeit mal versprochen, ihm zu helfen,“ wandte Faith ein, “aber wenn ich mich recht erinnere, galt das nur für seine Familie...“ Sie dachte an die Sache mit dem Virus zurück, als Mo ihnen nicht hatte helfen wollen, und es erst nach dem Versprechen getan hatte. Vor solch mächtigen Gegnern wie dem HtoGrom Clan hatte wohl selbst diese Dämonengemeinschaft Angst.

 

“Malkuth ist meine Familie,“ sagte Mo mit fester Stimme. “Allerdings wollte ich diese Schuld nicht einklagen, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Ich bitte lieber um Hilfe, anstatt sie zu fordern.“

 

“Wie lobenswert,“ Giles’ Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. “Eigentlich dachte ich, eine drohende Apokalypse wäre genug, um euch klarzumachen, dass wir keine Zeit für andere Dinge haben, aber wenn es nicht anders geht, muss ich wohl doch deutlicher werden...“

 

Entschlossen blickte er den bärtigen Dämon an. “Das geht nicht gegen Sie persönlich, Mo. Trotzdem glaube ich nicht, dass eine Stadt voller Dämonen unbedingt ein Segen für Cleveland ist. Im Gegenteil, eine organisierte Gemeinschaft verschiedener Dämonrassen stellt für uns Menschen ein nicht tragbares Risiko dar. Ich kann es den Jägerinnen nicht verdenken, dass sie gegen diese Dämonen kämpfen wollen. Es ist ihre Aufgabe. Und ich denke nicht, dass es die unsere ist, sie daran zu hindern.“

 

“Oh doch, Giles, das ist es!“ Buffy war aufgesprungen. “Wir sind für diese Jägerinnen verantwortlich. Für das, was sie tun, und auch für das, was ihnen angetan wird.“

 

“Das waren wir einmal,“ entgegnete der Wächter mit bitterer Stimme. “Jetzt hat sich alles geändert.“

 

 

+++

 

Fantasy Convention

Hotel

etwas später

Er musste wohl eingedöst sein, so wirklich genau konnte er sich daran nicht erinnern. Er wusste ja noch nicht einmal, wie und wann er überhaupt vom Boden ins Bett gekommen war, aber in seinem watteweichen Dämmerzustand fehlte ihm auch jede Energie für einen klaren Gedanken. Alles, was er spürte, war Wärme und Wohlbehagen und eine angenehme Müdigkeit.

 

Warren’s Geruch war noch immer in seiner Nase, sein Geschmack in seinem Mund...

 

Mit einem zufriedenen Maunzen kuschelte sich Andrew tiefer in die Kissen, und wäre vielleicht auch wieder eingeschlafen, wenn aufgebrachte Stimmen ihn nicht plötzlich wach gerissen hätten.

 

Warren stritt sich mit jemandem, genauer gesagt, einer Jemandin, und der Lautstärke, und dem Schall nach zu urteilen, waren sie drüben im Bad.

 

“Verdammt, das könnt ihr nicht machen! Wir hatten einen Deal!“

 

“Na dann hab’ ich Neuigkeiten für dich, Kleiner,“ entgegnete die schrille Mädchenstimme. “Lord D’Hoffryn kann alles machen, was er für richtig hält. Und der Deal, der ist gestorben! Was du auch tun wirst, wenn du nicht sofort aufhörst, mir auf die Nerven zu gehen.“

 

“Aber ich hab’ die restlichen Infos. Über den Rat, die mächtigsten Dämonen von Malkuth, und welche Kräfte sie besitzen. Es ist alles auf meinem Laptop!“

 

Malkuth? Informationen über Malkuth? Aber...was?

 

“Ist ja schön und gut, aber Lord D’Hoffryn interessiert sich nicht mehr dafür. Du besitzt nichts, wofür es sich lohnen würde, dir noch mehr von seiner kostbaren Lebensenergie zu geben. Sei damit zufrieden, dass er sie dir nicht wieder nimmt.“

 

Sie kicherte hämisch. “Ich an seiner Stelle hätte das getan.“

 

 

+++

 

Bürogebäude,

etwas später

„Wann kommen denn deine Leute?“ wisperte Dawn.


Shin drehte sich zu ihr und deutete ein Schulterzucken an. Sie saßen nun schon seit einiger Zeit in der Teeküche fest und beobachteten Kan Hsirg. Der Dämon schien tief in Gedanken versunken, und rührte sich nicht vom Fleck. Was immer dieser Streit mit Lily und D’Hoffryn zu bedeuten hatte, es schien ihn tief getroffen zu haben.

 

Von Lily und D’Hoffryn fehlte jede Spur. Sie mussten das Büro verlassen haben, während sie mit Shin beim Telephonieren gewesen war. Das war ärgerlich, hatte sie doch gehofft, die drei noch ein wenig belauschen zu können.


Ungeduldig blickte Dawn auf die Uhr, sie wollte loslegen. Sie wollte dem Dämon eins auswischen oder besser noch, ihn selbst auslöschen. Warum auf die ganzen Ninjas warten? Es war nur ein einzelner Dämon, mit dem konnte sie selbst fertig werden. Shin sollte sehen, was eine Jägerin leisten konnte.

 

Mit einigen Zeichen machte sie Shin klar, dass sie rausgehen wollte. Sie verließen die Küche und einige Meter weiter, außer Hörweite meinte Dawn: „Es wird Zeit anzugreifen. Wie lange wollen wir denn noch warten. Wir sollten schon mal loslegen. So schlimm wird es schon nicht sein. Wir sind immerhin zwei gegen einen!“

 

Shin hielt sie fest. “Nein, wir werden auf die Kämpfer warten. Es ist genauso ihr Recht gegen den Läufer zu kämpfen wie meines.“


Wütend blickte Dawn ihn an: „Und meines nicht?“


Shin nahm sie sanft in den Arm: „Nein deines nicht.“ Und er berührte ihre Stirn mit einem kleinen Blatt Papier. Dawn sah ihn erstaunt an und sackte in sich zusammen. Er legte sie sanft auf den Boden.


In diesem Moment spürte er einen leichten Luftzug. Hinter ihm standen die vier Krieger seiner Familie. Ihr Anführer war sein Cousin, der älteste Sohn des Bruders seiner Mutter Yui. Wortlos reichte er Shin ein Päckchen mit seiner Kampfkleidung.

 

Shin sah ihn an und schüttelte den Kopf. Er wies auf Dawn und bedeutete seinem Verwandten, dass er sie nach Hause bringen würde. Er würde nicht an dem Kampf teilnehmen. Der Kämpfer schien traurig zu sein. Er legte Shin die Hand auf die Schulter und ging an ihm vorbei zum Büro des Dämons.

 

Einen Augenblick lang blickte der junge Japaner den Kämpfern hinterher, er wusste, dass seine Familie sehr enttäuscht von ihm sein würde. Aber die Gesundheit und das Wohlergehen seiner Liebe waren ihm jetzt wichtiger. Hiermit hatte er mit seiner Familientradition gebrochen. Er mochte sich im Moment nicht ausdenken, was ihn zu Hause erwartete. Zuerst einmal würde er Dawn in Sicherheit bringen und sich dann seinen Eltern stellen.

 

Während er den schlaffen Mädchenkörper aufhob, um ihn fortzubringen, ertönte hinter ihm lautes Kampfgeschrei. Der Kampf würde hart werden und die Krieger erarbeiteten sich damit große Ehre für ihre Familie. Mit hoch erhobenem Kopf ließ er den Kampflärm hinter sich und brachte Dawn nach Hause, in Sicherheit!

 

Den Todesschrei des Iah Kuru Dämon hörte er bereits nicht mehr.

 

 

+++

 

Wächterhaus,

etwas später

“Es geht hier nicht um den Rat, Giles!“ Nur mit Mühe konnte Buffy ihren Aufruhr beherrschen. “Es geht nicht um Lily, den Ausschluss, oder Ihren verletzten Stolz. Es geht einzig und allein darum, dass wir für diese Mädchen verantwortlich sind, weil wir sie zu dem gemacht haben, was sie jetzt sind. Wenn wir nicht gewesen wären, wenn Willow damals nicht auf meinen Vorschlag hin, das Ritual durchgeführt hätte, dann wäre keine von ihnen jetzt eine Jägerin. Dann wäre keine von ihnen Lily’s Spielzeug!“

 

“Sie sind so verblendet,“ murmelte Faith. Sie dachte an Kimberly, ihre Verwirrung, ihre Verzweiflung ihre Tränen. Wollte sie, dass Kimberly sich diesem sinnlosen Kampf stellte. Niemals!

 

“Nicht nur verblendet,“ verbesserte Buffy. “Etwas stimmt nicht mit ihnen, Sie haben es selbst gesagt, Giles. Lily hat etwas mit ihnen gemacht. Sie verhext, oder ihnen irgendwelche Medikamente gegeben.“

 

“Wenn ich etwas dazu sagen dürfte,“ wandte Mo ein. “Die Mädchen, welche das Black Pearl angegriffen hatten, nun...sie...“

 

Spuck’s schon aus,“ rief Faith ungeduldig.

 

“Ihre Aura war nicht mehr ganz menschlich. Nun, das ist die Aura einer Jägerin normalerweise auch nicht, da ihre Kräfte etwas Dämonisches an sich haben, aber bei diesen Mädchen ist es mehr als das...sie tragen einen Teil Dämon in sich.“

 

“Bist du dir sicher?“ fragte Willow. Die anderen blickten den bärtigen Dämon geschockt an, und dieser nickte.

 

“Daher also kommt es,“ murmelte die Hüterin. “Etwas ist in ihrem Wesen, ihren Gefühlen und Gedanken, etwas das ich nicht erfassen kann. Etwas Nicht-Menschliches. Ich dachte, ich bilde mir das vielleicht nur ein, weil ich langsam den Verstand verliere. Aber das tue ich nicht, es ist wirklich da.“

 

Das Klingeln von Kennedy’s Handy schrillte durch die unheimliche Stille. Die Jägerin warf einen Blick auf die Anzeige, und hob schließlich ab. “Ja?“

 

’Lily...oh Gott, wie konntest du nur?’ Fassungslos starrte Giles auf seine ineinander verschränkten Hände. Er hätte schon längst wissen müssen, dass diese Frau vor nichts zurückschreckte, doch ihre Skrupellosigkeit überraschte ihn immer wieder. Sie hatte diese unschuldigen Mädchen...war es wirklich möglich, dass jemand so wenig Respekt vor dem Leben anderer hatte? Jemand, den er einmal geliebt hatte? Und er wollte noch vor wenigen Stunden mit ihr ein Bündnis eingehen. Was für ein Narr war er gewesen!

 

“Wir können diese Mädchen nicht ihrem Schicksal überlassen!“ Xander stand als erster auf, gefolgt von Robin und Faith. Auch Ronah schloss sich ihnen an.

 

“Vielleicht finde ich wirklich eine Möglichkeit.“ Willow’s Stimme klang müde, aber entschlossen. “Wir müssten nur eine Gelegenheit finden, dass ich nahe bei den Jägerinnen bin, ich glaube nicht, dass der Zauber über weite Strecken funktioniert.“

 

Buffy blickte fragend zu Giles, der bis jetzt noch nichts gesagt hatte. Schließlich nickte er und stieß hörbar die Luft aus.

 

“Ich tue das nicht für Sie, oder Ihre Stadt,“ wandte er sich an Mo. “Ich tue es nur, um die Jägerinnen zu retten. Und weil die Erfahrung mich gelehrt hat, dass es in solchen Situationen besser ist, auf Buffy’s Instinkt zu vertrauen.“

 

“Also gut.“ Ein schwaches Lächeln huschte über Buffy’s Gesicht. “Dann lasst uns überlegen, wie wir möglichst viele Jägerinnen an einem Ort versammeln können, während Willow den Zauber vorbereitet.“

 

“Das wird nicht nötig sein,“ entgegnete Kennedy mit tonloser Stimme, und legte das Handy beiseite. “Andrew sagt, Malkuth ist nicht mehr sicher. Die Stadt wurde verraten.“

 

 

+++


Cleveland

Hotel,

selbe Zeit

“Hey, bist du endlich wach, Schlafmütze? Mit wem telephonierst du denn schon wieder?“ fragte Warren lässig, als er zurück ins Schlafzimmer geschlendert kam. Andrew zuckte zusammen, das Handy rutschte ihm aus der Hand, und fiel mit dumpfem Aufprall zu Boden. Die Anzeige wurde dunkel.

 

“Ach nichts Wichtiges,“ wehrte er ab, und machte einen kläglichen Versuch zu lächeln.

 

“Hey! Klamotten!“ Warren grinste und strich verspielt über Andrew’s T-Shirt. “Gewöhn dich besser nicht dran!“

 

“Hm...“ Hastig hob Andrew das Telephon auf, und legte es auf sein Nachtkästchen. “Warst du unten auf der Con?“

 

“Yep, war ich.“ Locker und ohne die geringste Röte kamen die Worte von seinen Lippen. “Ich hab’ nachgesehen, ob sie schon mit der Kinonacht angefangen haben, aber im Moment läuft im Hauptsaal noch ein Pannel. Woll’n wir wieder runtergehen und es angucken?“

 

“Vielleicht später.“ Andrew wandte sich ab, und ging zum Fenster. Gedankenverloren stützte er den Kopf in seine Hände und starrte er nach draußen.

 

“Hey, was ist denn los mit dir?“ Verwirrt folgte Warren ihm, aber sein Freund schien ihn überhaupt nicht wahrzunehmen. Was in aller Welt war denn jetzt schon wieder los? Irgendwie stand der Kleine grad total neben sich, oder?

 

Sein Laptop. Sein Laptop war aufgeklappt. Hatte Andrew etwa...? Er würde doch nicht...?

 

Ein leises Misstrauen stieg in ihm hoch, doch es verflog sofort, als er in Andrew’s Gesicht blickte. Andrew’s Augen waren groß und blau und unschuldig, und als sie näher und immer näher kamen, verschwammen sie vor seinem Gesicht wie ein Sommerhimmel, der in der Hitze flirrte.

 

Hm... heiß und feurig ...brennende Glut eines kalifornischen Sommers ...hm, hm, hm... bittersüßer Salzgeschmack... dabei ist es doch schon einige Stunden her, dass...

 

Bis er plötzlich einen eisigen Schauer verspürte, der seine Zunge lähmte, und ihm wie beißender Frost die Kehle hinunter ran.

 

Er versuchte etwas zu sagen, doch seine Lippen gehorchten ihm nicht. Stattdessen knickten die Beine unter ihm ein, als ob sie plötzlich nicht mehr fähig wären, ihn zu tragen. Arme fingen ihn auf, bevor er zu Boden fallen konnte, und legten ihn behutsam aufs Bett.

 

Er versuchte sich zu bewegen, doch sein Körper war wie gefroren.

 

“Gnarl Gift,“ sagte Andrew, als er sich abwandte, und den Rest davon auf den Boden spuckte. Seine Stimme war glatt und kühl, und sie schien von weit her zu kommen. „Keine Angst, es ist nur ein bisschen. In spätestens einer halben Stunde ist die Paralyse vorbei, und du kannst dich wieder normal bewegen.“

 

Die Dateien...oh, Gott, er hatte die Dateien gefunden... muss es ihm erklären... es war doch nicht meine Schuld...D’Hoffryn hätte mich...

 

“Hör mir jetzt genau zu!“ Andrew beugte sich über ihn, zwischen dem matten Schimmer seines hellen Haares konnte er gerade noch ein Stück Decke sehen. “Du musst so schnell wie möglich von hier verschwinden, und du darfst nicht zurückkommen. Wenn die Dämonen von Malkuth dich finden, dann werden sie dich auf der Stelle töten. Hörst du mich, Warren? Sie werden dich töten, oder Schlimmeres...“ Seine Stimme zitterte, und Warren fühlte etwas Warmes auf sein Gesicht tropfen.

 

Nein, Andrew, geh’ nicht weg...das kannst du nicht tun...war nicht meine Schuld...hör doch zu...

 

“Mach’s gut, Warren.“ Andrew wandte sich ab und ging zur Tür. Als er an der Garderobe vorbeikam, wo sein Elbenkostüm hing, blieb er einen Augenblick stehen, und strich mit einer beinahe zärtlichen Geste über den Stoff.

 

Dann verließ er das Zimmer. Er blickte nicht mehr zurück.

 

 

 

Akt 4

 

 

Malkuth,

Halle von Tipharet

etwas später

Tagesanbruch

’Wir brauchen noch Iruatnec Nüsse für den Nachtisch, und viel viel Honig.’ Gedankenverloren blickte Sundari auf ihren Einkaufszettel. Da sie Frühaufsteherin war, übernahm sie gerne die Einkäufe für die Familie, ganz besonders am Sonntag, wenn auf dem Markt am meisten los war. Sie liebte den Trubel, die bunte Menge, die verschiedenen Geräusche und Gerüche, die auf sie einströmten.

 

Ihre silbernen Armreifen klirrten, als sie die Liste wieder in das buntbestickte Täschchen schob, und sich zwischen zwei Ständen hindurchschlängelte. Bei dem Gedränge musste sie gut Acht geben, dass niemand auf ihren Schlangenkörper trat, oder darüber stolperte. Doch sie war es gewohnt, sich inmitten all dieser verschiedenen Geschöpfe zu bewegen. Sie hatte Malkuth noch nie verlassen, das erlaubte Mama nicht.

 

“Grillen, leckere Grillen, köstliche Käfer, geröstete Libellenlarven!“ überkreischte die Stimme der Gottesanbeterin den Lärm um sie herum. Sundari huschte an ihrem Stand vorbei, doch zu spät, sie hatte sie schon gesehen. “Willst du nicht eine Tüte gerösteter Käfer, kleines Fräulein? Sehr bekömmlich, und für Naga auch sehr gesund.“

 

“Nein, danke, ich bevorzuge Honig mit Nüssen zum Nachtisch,“ lachte Sundari, und duckte sich, als etwas über ihren Kopf hinwegzischte. “Und am liebsten...“

 

Ein Feuerpfeil steckte in der Brust der Gottesanbeterin. Sie röchelte, kippte hinüber, und im nächsten Moment standen ihre gerösteten Käfer in Flammen.

 

Sundari schrie und wich zurück, als weitere Pfeile um sie herum durch die Luft sausten. Fast hätte sie sich zu Boden geworfen, doch dann wäre sie unweigerlich ein Opfer der in Panik trampelnden Füße, Pfoten und Klauen geworden. Hastig fuhr sie herum, suchte die schnellste Möglichkeit zu einem der Ausgänge zu kommen.

 

Und dann erstarrte sie. Scharen von Mädchen strömten durch die unteren Ausgänge in die Halle. In ihren Händen blitzten Schwerter, Äxte, und lange Messer.

 

Blut spritzte auf, und die Schreie wurden lauter als alles andere.

 

 

+++

 

Straße des Universums,

etwas später

“Eine Uhr?“ fragte Buffy verwirrt. “Wir sollen durch eine Uhr gehen? Das ist kein Disneyfilm, oder?“

 

Der Spruch erstarb auf ihren Lippen, als das gewaltige Pendel beiseite schwang, und den Weg in die Mitte einer Höhle freigab, die sich zu beiden Seiten in der Dunkelheit verlor. Fackeln leuchteten an den Wänden, und warfen ihren unheimlichen Schein auf die kleine Gruppe. Buffy und Mo gingen voraus, gefolgt von Kennedy. Faith und Ronah bildeten das Schlusslicht, während Giles, Xander, Robin und Willow vorsorglich in die Mitte genommen worden waren. 

 

“Bleibt zusammen,“ ermahnte Giles. “Wir machen alles so, wie wir es geplant haben.“

 

“Ich glaub’ die da werden etwas dagegen haben!“ Faith nickte zu einer Gruppe Jägerinnen, die ohne jede Vorwarnung um die Biegung gerannt kamen, die Waffen gezückt, die Augen voller Kampfeslust.

 

“Kümmert euch um Willow,“ raunte Buffy, den anderen zu, als sie kehrtmachte, und den Mädchen entgegentrat. “Hört mir zu, Jägerinnen! Dies ist nicht euer Krieg!“

 

“Ach ja?“ Eines der Mädchen lachte spöttisch.

 

Buffy kannte diese Stimme...

 

Einen Moment lang überlegte Faith, ob sie umkehren, und Buffy zur Seite stehen sollte, aber für den Moment war es wichtiger, Willow an einen sicheren Ort zu bringen. B kam klar, sie war schon mit Schlimmerem fertig geworden, und wenn alle Stricke reißen würden, so blieb ihr immer noch der Fluchtweg durch diese seltsame Uhr.

 

Eilig hasteten sie weiter, vertrauten sich Mo’s Führung an, in der verzweifelten Hoffnung, der Dämon werde einen Ort finden, welcher die nötigen magischen Schwingungen für Willow’s Ritual besaß, einen Ort von dem aus es ihr leichter fiel, die Jägerinnen zu erreichen. Mo schien zu wissen, wohin er wollte, er führte sie durch eine riesige Halle in eine weitere Höhle, und dann...

 

Was für eine Stadt! Sie trauten ihren Augen kaum, wie konnte es so etwas geben? Hier in Cleveland. Unerkannt, vor neugierigen Augen geschützt. Eine letzte Zuflucht für all diejenigen Geschöpfe, die nicht von irdischem Blut waren...

 

Normalerweise wäre dieser Ort unsagbar faszinierend gewesen mit seinen mächtigen Säulen und Standbildern, Brunnen und Bogengängen, seltsam geformter Häuser, und Geschöpfen, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatten. Aber jetzt breitete sich Feuer aus, hallten Kampf- und Schmerzensschreie durch die mächtigen Gänge, die Standbilder waren umgestürzt, die Häuser verwüstet. Ein kupfriger Geruch lag in der Luft, überlagert von anderen noch weitaus unangenehmeren Gerüchen.

 

Sie schraken zurück, als sie vor einer weiteren riesigen Halle standen, ihrem Aussehen nach das Zentrum und die Markthalle der Stadt. Vor ihnen lag Chaos, etwa fünfzig, oder sechzig Jägerinnen waren mit mehreren hundert Dämonen in eine tödliche Schlacht verstrickt. Der Blutgeruch war unerträglich geworden, die Schreie gellten wie Glockenschläge in ihren Ohren. Das letzte Mal...

 

Das letzte Mal, dass sie etwas Ähnliches erlebt hatten, war vor einem Jahr gewesen. Die Schlacht gegen die Turok-Han.

 

Aber dies hier war schlimmer. Viel schlimmer.

 

“Bleibt zusammen,“ wiederholte Giles, doch dies schien mehr als unmöglich.

 

“Seht zu, dass ihr sie hier raus bringt,“ schrie Faith zurück, vorsichtshalber ohne Willow’s Namen zu nennen. “Wir bahnen euch einen Weg frei!“

 

Dann wurden sie mitten in eine Gruppe Dämonen hineingedrängt, und konnten zwischen den gewaltigen Leibern nichts mehr sehen.

 

 

+++

 

Straße des Kaisers,

etwas später

Unerschrocken vom Chaos um sie herum, hatte Mo Tipharet durchquert und jagte jetzt die Straße des Kaisers hinauf, um für die junge Hüterin einen Ort zu finden, an dem sie sicher war, und die nötige magische Aura hatte. Diese würden sie nur in einer der drei heiligsten Hallen finden, wobei Kether ausschied, da es der Hüterin ja nicht möglich war, ihren Körper in diese Halle mitzunehmen. Also blieben nur noch Chockmah und Binah, und der Dämon hoffte, dass die Jägerinnen die oberste Ebene noch nicht erreicht hatten. Hier auf der Straße schienen sie im Moment nicht zu sein, aber vielleicht...

 

Wenn es eine Möglichkeit gab, diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten, wollte Mo jedes Risiko auf sich nehmen. Auch wenn er natürlich lieber bei seinen eigenen Leuten geblieben wäre, um bei der Flucht zu helfen. Doch die Menschen hatten sehr überzeugend geklungen, und er glaubte, dass ihr Plan funktionieren würde. Auch wenn er immer noch damit rechnete, dass der Rat diese Entscheidung nicht unterstützen würde.


Dicht hinter ihm folgte Willow, die durch die Last der notwendigen Utensilien für ihr Ritual keine freie Hand und auch keine Kraft mehr für eine Waffe hatte. Daher bildeten Kennedy mit ihrer Axt, und Giles mit einem Schwert in der Linken das Schlusslicht und gaben darauf Acht, dass sich ihnen niemand in den Weg stellte oder sie gar aus Versehen mit dem Feind verwechselte. Zwar hatten sie Mo als Begleitung dabei, aber in dem Chaos, das um sie herum herrschte, rechnete Giles mit allem. Zudem konnten sie jeder Zeit auf eine Abteilung von Lilys Jägerinnen stoßen. Was dann passieren würde, wusste Giles nicht zu sagen.

 

Die anderen hatten sie verloren, er konnte nur hoffen, dass diese sich in dem Durcheinander behaupten konnten, aber schließlich hatten sie noch Faith bei sich. Zu anderen Zeiten hätte Giles ihr nicht genügend Vertrauen entgegen gebracht, aber das hatte sich inzwischen geändert. Er glaubte fest daran, dass die zweite Jägerin alles tun würde, um auf Xander, Robin und Ronah in diesem Chaos achtzugeben.

Plötzlich kam Willow vor ihm ins Straucheln, als sie gerade noch im letzten Moment einer kleinen Gruppe Dämonen ausweichen konnte, die panisch aus ihren Häusern flohen, nur das Notwendigste mit sich schleppten und kleine, weinende Dämonenkinder, die nicht verstanden was um sie herum geschah, mit sich schleiften. Willow fiel bei der hastigen Seitwärtsbewegung die Umhängetasche zu Boden und als sie sich nach den Büchern bückte, die sofort einen Weg in die Freiheit gefunden hatten, blickte sie direkt in die fiebrigen Augen eines verwundeten, gelbgesichtigen Dämons, dessen Haut übersät war, mit schwarzen Flecken. Die ebenso gelb, schwarz gescheckte Hand drückte er sich auf den verletzten Bauch, aus dem Blut hervorquoll.

 

Mit einem leisen, entsetzten Schrei prallte Willow zurück und kam auf die Beine, nur um gegen Giles zu stoßen, der sie eingeholt hatte. Kennedy stand noch ein paar Schritte hinter ihnen, wandte sich panisch nach links und rechts, während ihre Augen nach feindlichen Jägerinnen suchten.

„Wir müssen weiter,“ drängte der Wächter, nicht sonderlich beeindruckt von Willows Entdeckung neben dem Treppenaufgang des Hauses. Als Willow noch immer versteinert da stand, bückte sich der Brite und sammelte die Bücher hastig ein, steckte sie in Willows Tasche und reichte sie ihr. Für einen kurzen Moment trafen seine Augen die des sterbenden Dämons und für einen Augenblick spielte Giles mit dem Gedanken, dem Leiden ein schnelleres Ende zu bereiten, doch Mo’s Schatten fiel auf sie und riss ihn aus seinem Gedanken.

„Kommt weiter. Hier ist es nicht sicher und bei der ganzen Flucht der Bewohner kann ich nicht garantieren, dass wir zusammenbleiben.“

Willow nickte blass und streifte sich die Tasche wieder über.

„Für ihn können wir leider nichts mehr tun,“ murmelte Mo niedergeschlagen und wandte sich rasch wieder Richtung Gasse um.

Willow blieb nichts anderes übrig, als zusammen mit Giles und Kennedy zu folgen. Vielleicht hätte ein Heilungszauber noch helfen können, doch sie brauchte ihre ganze Kraft und durfte sie nicht leichtfertig verbrauchen. Die vielen Empfindungen der Jägerinnen, die hier unten auf einen Haufen versammelt waren, setzten ihr sowieso schon viel zu sehr zu.

Weiter ging es durch das Gedränge auf der breiten Straße, welche stetig nach oben führte. Von überall her hörten sie Kampfgeräusche, Schreie und das Klirren von Waffen.

Umso mehr sich Willow Gedanken machte, umso unsicherer wurde sie über ihr Vorhaben. War es wirklich klug ihre Hüterinnenkräfte dazu zu verwenden, um mit den Jägerinnen geistigen Kontakt aufzunehmen? Sie wussten ja nicht einmal genau, was Lily mit ihnen angestellt hatte, damit sie so folgsam und gehorsam waren. Es war ein Risiko das sie eingingen, aber sie konnten nicht zulassen, dass diese Jägerinnenarmee Wesen abschlachteten, die ihnen doch gar nichts getan hatten. Dem nicht genug – diese Jägerinnen stellten sich auch gegen ihre kleine Gruppe und verrieten damit alles, für das Buffy so viele Jahre alleine auf sich gestellt hatte kämpfen müssen.

 

Und wie viele von ihnen würden selbst abgeschlachtet werden? Wie viele dieser verblendeten jungen Mädchen würden in diesem Kampf den Tod finden?

 

+++

 

Straße des Universums

selbe Zeit

“Emma! Erkennst du mich nicht mehr!“

 

...

 

„Hey.. alles soweit in Ordnung bei dir?“ Buffy steckte die Pflöcke unter ihren Mantel, und wandte sich an das zitternde rothaarige Mädchen.

“Abgesehen davon, dass ich eben fast draufgegangen wäre und ich gerade tatsächlich gegen Vampire kämpfte?“

 

Buffy nickte ernst.

 

„Ganz gut...denke ich. Und hi, ich bin Emma,“ sagte die Rothaarige etwas gefasster und lächelte schwach.

„Buffy, die Jägerin. Und wie es scheint, bist du auch eine von uns.“

 

...

 

Buffy wurde durch einen Tritt des rothaarigen Mädchens herumgerissen, konnte sich jedoch mit dem Schwung mitdrehen, wodurch sie den Aufprall verringerte – allerdings schmerzhaft gegen die Wand prallte.


Mit einem lauten Keuchen ließ sie die Luft aus ihren Lungen entweichen und wirbelte wieder herum. “Verdammt, Emma, rede mit mir!“

Sie steckte in der Klemme, soviel war sicher. Um sie herum tobte das Chaos – fliehende Dämonen, amoklaufende Jägerinnen und die allgegenwärtigen Zeichen der Zerstörung und des Blutvergießens erzeugten eine wahrhaftig apokalyptische Vision.

Aber mit so was wurde sie eigentlich fertig. Schließlich war das ja nicht die erste Katastrophe, die sie aus nächster Nähe miterleben durfte.

 

Aber die erste, in der es kein Gut und kein Böse gab....


Sie zwang ihre Gedanken zurück auf ihre eigene Situation. Emma und drei weitere von Lilys Jägerinnen hatten sie in die Enge getrieben und setzten ihr wirklich schwer zu. Buffy war noch immer verwirrt über die außergewöhnliche Kraft, über welche diese Jägerinnen verfügten.

Ebenso konnte sie kaum begreifen, wie diese kaum ausgebildeten Jägerinnen über derartig ausgefeilte Kampftechniken verfügen konnten. Sie hatte bereits mehrere Treffer eingesteckt, die einen normalen Menschen vermutlich getötet hätten.

Aber trotz allem würde sie den Kampf vermutlich gewinnen – wenn sie bereit wäre, bis zum Äußersten zu gehen. Dieser Gedanke verschwand aber jedes Mal wieder, wenn sie in die jungen Gesichter ihrer Gegnerinnen sah.

...

 

“Eine Frage habe ich noch, wenn es so viele Jägerinnen auf der Welt gibt...brauchen Sie da tatsächlich jede einzelne? Ich meine.. falls ich der Meinung wäre, dass ich keine Lust darauf habe die Nächte auf Friedhöfen zu verbringen... würde das gehen? Schließlich flippt meine Mutter schon aus, wenn ich nur einmal schwarzen Nagellack benutze und gar nicht dran zu denken, wie für lange sie mich wegsperrt, wenn ich die Nächte draußen verbringe.“

 

„Es ist das beste, wenn deine Eltern davon nichts wissen,“

 

„Oh je, immer passieren mir solche Dinge. Und das alles ausgerechnet kurz vor meinem 18. Geburtstag...“

 

...


Sie hielten sich zwar für ihre Feinde, aber es waren noch immer Menschen. Jägerinnen. Mädchen wie sie. Trotz Lily’s Gehirnwäsche und ihrer finsteren Methoden.

 

Warum erkannte Emma sie nicht mehr? Sie schien nicht die allergeringste Ahnung zu haben, wer Buffy überhaupt war, ihre glasigen Augen schienen sie überhaupt nicht wahrzunehmen, außer als einen Gegner, den sie bekämpfen musste. Was zum Teufel hatte Lily mit ihr gemacht?


Erneut trat eines der Mädchen nach ihr, doch Buffy hatte sich auf den Angriff vorbereitet.
Sie duckte sich und packte das heransichelnde Bein noch in der Bewegung.

Bevor die andere Jägerin reagieren konnte, hatte Buffy sie von sich gestoßen – genau in eine ihrer Kampfgefährtinnen hinein. Beide fielen zu Boden, waren aber schnell wieder auf den Beinen, während Buffy dem vierten Mädchen eine schwere Axt aus den Händen wand.
Sie verpasste der Jägerin einen Hieb mit dem Ellenbogen, kassierte jedoch als Reaktion einen Schlag mit dem Handrücken.


Buffy keuchte und taumelte zurück. Schon näherten sich die beiden, welche sie umgeworfen hatte, von neuem. Sie zeigten noch kein Anzeichen von Erschöpfung, im Gegensatz zu Buffy, deren Arme und Beine langsam schwer wurden.


Wieder wich sie einem Schlag aus und setzte mit einem schnellen Tritt ihrerseits nach, wodurch sie ihrer Angreiferin die Beine weg schlug.

Noch während die Jägerin fiel, spürte Buffy plötzlich ein Stechen in ihrer Schulter.
Ein kleiner Pfeil steckte in ihrer Haut, geworfen von Emma, die sich seit wenigen Augenblicken aus dem Nahkampf zurückgezogen hatte.

 

Starr und emotionslos blickte sie ihre frühere Freundin an, und hob einen weiteren Wurfpfeil.

 

...

 

„Es ist wunderbar, dass meine Eltern mir dieses Austauschjahr in England erlauben. Stell dir vor, ich werde nach England gehen, und dort lernen, was es bedeutet, eine Jägerin zu sein. Ms. Usher hat alles für mich arrangiert. Ich freu mich so...“

 

...

 

Buffy zog das Wurfgeschoß mit einer schnellen Bewegung heraus – und konnte mit der flachen Hand gerade noch ein weiteres Geschoß zur Seite schlagen. Sie duckte sich wieder unter einem Angriff hinweg, doch irgendetwas stimmte mit ihren Bewegungen nicht. Buffy hatte das Gefühl, als würde die Luft um sie herum fester werden.


Ein erneutes Stechen, diesmal in ihrem Bein, machte ihr klar, dass sie erneut getroffen worden war.


Sie drehte sich Emma entgegen, doch ihr Bild verschwamm vor ihren Augen. Der nächste Pfeil traf sie in den Bauch – und die Knie knickten ihr weg, während ihr schwarz vor Augen wurde.

 

 

+++

 

Halle von Tipharet,

selbe Zeit

„Wahnsinn.. murmelte Ronah und konnte nicht fassen, was sich hier abspielte. Wie irrsinnig war die ganze Szenerie eigentlich? Hier kämpften Lily’s Jägerinnen gegen die Dämonen von Malkuth, und sie selbst sollten weder auf der einen Seite noch auf der anderen Seite zu viele Verluste verursachen.

“Ich glaube, Giles und die anderen haben diesen Weg genommen,“  Ronah lief auf eine Treppe zu, die auf einen verschlungenen Pfad führte, welcher sich um Säulen und durch viele kleine Brunnenhöfe stetig nach oben wand. Das Bild über dem Tor zeigte zwei seltsame bunte Wesen, die einander innig umschlungen hielten.

 

Auf dem Pfad selbst, wimmelte es nur so von Jägerinnen und Dämonen, die sich gegenseitig abschlachteten.

 

„Ja, das ist möglich, passt gut auf euch auf!“ sagte Robin und blickte dabei zwischen den Mädchen hin und her, bevor er Ronah folgte. Faith stürmte ebenfalls die Treppe hoch, und betrat einen der kleinen Höfe.

 

Ronah war bereits etwas höher gelaufen, Faith wollte ihr schon folgen, als sie plötzlich von Robin am Arm erfasst wurde und er in eine andere Richtung deutete. „Dort, siehst du? Das ist Kimberly. Wir sollten uns um sie kümmern!“ schrie er ihr zu, um das laute Kampfgetümmel, welches rund um sie herrschte, zu übertönen. Faith nickte, gab ihm noch schnell einen flüchtigen Kuss und lief dann auf die Gruppe Dämonen zu, die sich rund um die junge, blonde Jägerin versammelt hatten.

Kimberly’s Gesicht zeigte keinerlei Regung, als sie einem jungem R’Tunihr Dämonen das Genick brach und den toten Körper daraufhin einige Meter von sich schleuderte. Sie bückte sich, um einem weiteren Angriff auszuweichen, machte eine Rolle nach vorne und rammte daraufhin dem Dämon das Schwert in die Brust, welches sie vor einigen Minuten von Rachel, einer Jägerin aus England, wenige Sekunden vor ihrem Tod zugeworfen bekam. Ihre Augen waren fast vollkommen schwarz, als sie ihr Schwert in einen weiteren Körper trieb und das dunkelgelbe Blut der Kreatur in ihr Gesicht spritze.

„Kimberly?“ hallte plötzlich eine Stimme durch das Getümmel. Kimberly hörte sie kaum, als sie plötzlich von hinten gepackt und mit einer unglaublichen Wucht gegen eine Steinsäule geschleudert wurde. Schmerzen durchzuckten ihren Körper. Kimberly richtete sich wieder auf, strich sich ihre Haare aus dem Gesicht, in dem sich ihr Schweiß mit dem Blut ihrer Opfer mischte, und blickte ihren Angreifer an. Die Schmerzen ließen schon wieder nach. Sie mussten. Schmerzen machten einen schwach. Schmerzen waren irrelevant. Sie war stark.

„Kimberly, verdammt noch mal!“ hörte sie wieder eine Stimme. Irgendwie kam sie ihr bekannt vor, aber was machte das schon? Plötzlich stand jemand, eine ältere Jägerin neben ihr, und schlug dem Dämon, der sie gegen die Säue geschleudert hatte, ihre Faust ins Gesicht.

„Faith?“ Kimberly sah Faith kurz verwundert an, für einen Moment schien das tiefe Schwarz aus ihren Augen zu verschwinden und für diesen einen Moment schien sich ihr Gesicht aufzuhellen. Doch nur für einen Moment.

„Hör damit auf! Die Dämonen sind nicht unsere Feinde!“ schrie Faith, duckte sich vor einem weiteren Angreifer und stieß diesen daraufhin wieder in die Menge.

“Ach nein?“ schrie Kimberly, riss ihr Schwert hoch und trennte einem weiteren Dämon den Kopf ab. Schreiend ging der tote Körper in Flammen auf, steckte zwei weitere Dämonen dadurch in Band, die daraufhin panisch auf die zwei Jägerinnen zuliefen.

“Pass auf!“ schrie Faith, die zur Seite sprang, und gegen Robin stieß, der einige Meter neben ihr ebenfalls versuchte, eine der Jägerinnen zu überzeugen, endlich mit dem Kampf aufzuhören.

Sorry,“ nickte Faith ihm zu, drehte sich dann wieder zu Kimberly und musste beobachten, wie die Jägerin mit ihrem Schwert die zwei brennenden Dämonen enthauptete.

„Gott.. fluchte Faith und stürmte wieder auf die junge Jägerin zu. Während sie lief, erblickte sie eine Etage höher auf einem Rondell mit umgestoßenen Parkbänken und zertrampelten Blumenbeten, Ronah, die auf eine asiatische Jägerin einredete und ebenfalls versuchte, so wenig Schaden wie möglich anzurichten. War das Mädchen Chao Ahn? Faith konnte es nicht erkennen.

„Kimberly, hör mir verdammt noch mal zu!“ schrie Faith, als sie sich endlich bis zu der Jägerin vorgekämpft hatte.


„Verschwinde, Faith. Was machst du eigentlich hier? Du falsche Schlange. Wir sind hier um diese Dämonenbrutstädte auszuschalten, die ihr einfach so ignoriert habt. Ihr seid ja solche schwachsinnigen Idioten. Wisst ihr denn gar nicht... „ Kimberly musste ihre Ansprache kurz unterbrechen, als sie einem sehr jung wirkenden Dämon das Schwert zwischen die Augen steckte, es wieder herauszog und ihm danach noch den Kopf abschlug. Weiteres, diesmal leicht bläuliches Blut verteilte sich auf ihrem Shirt.

„.., dass solche Städte ein nicht kalkulierbares Risiko bergen. Sie trainieren hier sogar ihre Kinder, um uns Menschen eines Tages auszulöschen!“

Faith trat nach einem Dämon, der sich zwischen sie und Kimberly stellte, und schleuderte ihn über eine der Leichen, woraufhin er stolperte und laut zu Boden knallte.

„Das ist doch absoluter Schwachsinn, und das weißt du auch!“ schrie Faith, trat einen weiteren Schritt auf Kimberly zu und fasste sie an ihren Schultern.

„Kim, schau mir in meine Augen und hör mir zu.. sagte Faith scharf und blickte der jungen Jägerin dabei tief in ihre Augen. Es war erschreckend und beunruhigend, was die ältere Jägerin in den dunklen, tiefschwarzen Augen sah. Sie wirken fast nicht mehr menschlich. Was hatte Lily nur mit den Mädchen gemacht?

 

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Straße des Universums,
etwas später

Inmitten des Chaos lief eine kleine Familie um Ihr Leben. Clem hatte seine Tochter im Arm und Bonita hatte sich an seiner Kleidung festgekrallt. Verängstigt rannten sie durch die Straßen und versuchten sich unauffällig an den Kämpfenden vorbei zu schleichen. Als der Kampf begann, hatte Clem nur seine Tochter geschnappt und seine Frau an die Hand genommen: „Wir müssen aus Malkuth raus. Nur im Freien sind wir sicher.“ Der sonst so verspielte Dämon zeigte sich von seiner ernsten Seite.


Er musste seine Familie hier raus bringen. Malkuth war verloren, er konnte nicht helfen. Aber seine Familie sollte überleben und nicht von diesen Kampfmaschinen abgeschlachtet werden.
Als ob sie um die Gefahr wüsste, war die kleine Clementine still und schaute sich nur mit großen Augen um. Sie verstand nicht, was um sie herum geschah, wie sollte man einem Kind auch den Krieg erklären?

 

Clem schaute auf seine Tochter herab. Im gleichen Moment schaute sie hoch und in ihren Augen sah Clem ein unzerstörbares Vertrauen. Er war ihr Fels und sie wusste, dass er alles für sie tun würde. Darum hatte sie keine Angst. Im dem Moment in dem Clem diese Erkenntnis traf, hatten sie einen der Ausgänge erreicht. Clem nahm seine Tochter, gab ihr einen Kuss und drückte sie seiner Frau in die Arme.


„Geht raus und lauft zu Buffy. Sie wird wissen was zu tun ist. Du weißt noch, wo sie wohnt, oder?“

„Clem, was ist mit dir?“ Ängstlich schaute Bonita ihren Mann an.


„Ich muss zurück und den anderen helfen. Für Clementine.“


„Pass auf dich auf,“ flüsterte seine Frau mit Tränen in den Augen.


Sie stieg durch die gewaltige Uhr und drehte sich noch ein letztes Mal um. Aber ihr Mann war schon auf dem Weg ins Zentrum Malkuth’s.


Tränen liefen über ihre faltigen Wangen und sie machte sich auf den Weg zur Wohnung der Jägerin.
Ihr Kind hielt sie fest an sich gedrückt.

 

+++

 

Halle von Chockmah,

selbe Zeit
Sie stürmten die breite Straße hinauf, und durch ein Tor in eine der mächtigen Hallen. Wenn Willow sich nicht irrte, musste dies Chockmah sein, eine der drei heiligsten Orte in Malkuth. Doch falls Mo geglaubt hatte, dass sie hier etwas Ruhe finden würden, so hatte er sich getäuscht. Ein heftiger Kampf tobte dort zwischen einigen von Lilys Jägerinnen und jungen, mutigen Dämonen, die ihre Stadt nicht so leicht aufgeben wollten.

Sie hatten keine Zeit sich darüber zu informieren, wie viele junge Leben auf beiden Seiten bereits den Tod gefunden hatten, noch wer am Siegen war, denn Mo rannte bereits an dem Brunnen mit der schwarzen Kugel vorbei, und verschwand für ein, zwei Sekunden im Gedränge um sie herum. Auch für sie war es sicherer und ratsamer, nicht zu verweilen und als sie Mo wieder entdeckten, war er ein ganzes Stück weiter gekommen. Hastig winkte er ihnen zu. Sie folgten schnell und kamen kurz darauf durch einen zweiten Eingang auf eine Skyway, wo es ein wenig ruhiger zu sein schien.

„Hier müsste es einen Ort geben, der geeignet für euch ist,“ erklärte Mo etwas außer Atem und führte sie die schmale Skyway entlang. Es kamen ihnen nur wenige Dämonen entgegen, die auf der Flucht zu sein schienen. „Die Halle von Binah wird nur für Rituale genutzt, und dürfte jetzt verlassen sein. Die Jägerinnen sind auch noch nicht bis hierher vorgedrungen.“

 

Willow gab sich äußerste Mühe, nicht nach unten zu schauen. Die Skyway führte hoch über eine weitere Straße, und auch von dort hörte sie Kampfeslärm und Schmerzensschreie.

 

Während Mo ihnen noch alles erklärte, waren sie bereits vor dem Tor am Ende der Skyway angelangt und er öffnete es, nachdem er noch einen Blick zurück geworfen hatte. Von weiten hörten sie Lärm, der auf sie zukam und alarmiert blickten Giles und Kennedy in die entsprechende Richtung. „Beeilt euch. Damit euch niemand sieht,“ drängte Mo weiter, als auch ihm klar wurde, dass die Jägerinnen die Dämonen inzwischen bis auf die Skyway hinaus gedrängt haben mussten.

Willow blickte unsicher zu Giles, welcher nickte. Mo hatte Recht, es war besser, wenn sie von hier verschwanden. Der Lärm war inzwischen um einiges näher gekommen und es bereitete nicht nur ihm Sorge. Auch Mos Gesicht verriet größere Anspannung als bisher. Kennedy war neben sie getreten, und drückte ihre Hand.

„Okay...,“ vorsichtig machte Willow einen Schritt über die Schwelle und wurde auf einmal von Giles hastig ins Innere geschoben. Ihre Hand löste sich von Kennedys, ihr blieb gerade noch Zeit sich herumzudrehen und mit einem erstaunten „Was ist los...,“ zu protestieren, als ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde.

 

Was war draußen geschehen? Was war mit Giles, Kennedy und Mo, warum kamen sie nicht hinterher?

 

Sie hämmerte von innen gegen die Tür, jedoch vergebens. Ob ein Zauberspruch Abhilfe schaffen würde?

 

Schon wollte sie ihre Kräfte sammeln, doch dann überlegte sie es sich anders. Sie brauchte jetzt all ihre Kräfte für das Ritual, und mit Sicherheit hatten Giles, Mo  oder Ken, die Türe nicht umsonst zu geschlagen. Sie wollten sie beschützen.

 

Das Einzige, was sie jetzt für sie tun konnte, war so schnell wie möglich mit dem Ritual zu beginnen...

 

 

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Halle von Geburah

selbe Zeit,

“Wach auf,“ flüsterte Zaddik Lakshmi verzweifelt, und strich mit ihren menschlichen Händen über die zähe, inzwischen hart gewordenen Masse, welche die junge Frau umhüllte. “Wach endlich auf.“

 

Leise, ganz leise drang von draußen der Kampfeslärm an ihre Ohren. Die teuflischen Jägerinnen, welche in die Stadt eingefallen waren, um das Volk Malkuth’s niederzumetzeln. Und Bartholomew, dieser Narr, wollte mit ihnen zusammenarbeiten. Ha! Sie hatte schon immer gewusst, dass er schwach war, und leichtgläubig. Anstatt ihre Brüder und Schwestern zur Verteidigung aufzurufen, suchte er Hilfe bei diesen Menschen. Und diejenigen, die ihnen wirklich helfen könnten, die wies er zurück.

 

“Wach auf,“ flüsterte sie ein weiteres Mal. Sie war jetzt allein mit dem Großen Alten, die beiden dämonischen Magier hatten die Höhle verlassen. Aber das war nicht wichtig, dieses Geschöpf würde auf ihr Kommando hören, auf ihres allein. Es würde die Jägerinnen vernichten, ihre Brüder und Schwestern rächen. Und dann, dann würde es die Tore der Dimensionen öffnen, und weitere Mächtige freilassen. Sie würden die Menschen wie Ameisen zertreten, diese Dimension unterwerfen, und ein neues gewaltiges Reich begründen.

 

Das Zeitalter der Menschheit war vorbei.

 

Das Zeitalter der Dämonen war zurückgekehrt.

 

“Wach auf!“ schrie sie, ein Zischen entfuhr ihrer Kehle, und ihr mächtiger Schlangenschwanz schlug gegen die kalte Masse. Die Zaddikim des Rates, sie hatten sich für weise gehalten, und doch hatten sie nicht den Mut gehabt, das Angebot anzunehmen. Sie waren feige gewesen, sie hatten es nicht gewagt, die Zeichen der Zeit zu deuten. Sie allein war bereit gewesen nach vorne zu blicken. Für sich selbst, ihre Brüder und Schwestern, für die...

 

Zwei schlanke Hände legten sich um Lakshmi’s Hals und brachen ihr das Genick.

 

 

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Straße der Liebenden,

selbe Zeit
„Kim, du musst sofort hier raus. Du wirst hier sonst sterben, verdammt noch mal. Ihr seid zahlenmäßig doch total unterlegen. Und diese Dämonen haben keinem etwas getan. Das sind keine mordenden Monster, sondern mehr oder minder friedliche Wesen, die versuchen, hier ihr Leben zu verbringen.. „ auch Faith musste kurz innehalten, als ein weiterer Dämon rechts neben ihnen herantrat und sie anzugreifen versuchte. Sie parierte seinen Schlag, schlug ihm ihre rechte Faust ins Gesicht, woraufhin er in eine andere Richtung weg torkelte. Sie erfasste Kimberly wieder, die sie gefasst, allerdings ohne jegliche Gefühlsregung anstarrte und anscheinend kurz nicht wusste, was sie tun sollte. Diesen Moment musste sie unbedingt nutzen.
„… Lily hat euch nur benutzt. Folge mir, ich bring dich hier raus!“

„Einen Scheißdreck werd’ ich tun!“ schrie Kimberly plötzlich, holte aus, löste sich aus Faith’s Griff und schlug der älteren Jägerin daraufhin mit der Faust mitten ins Gesicht. Überrascht stolperte Faith nach hinten, stieß gegen einen Dämon, der sie mit seine roten Augen anvisierte, sie herumriss und ihr in den Magen schlug.

Völlig perplex versuchte sich Faith aus dem Griff des Dämons, der anscheinend vier Arme hatte, zu befreien, merkte aber, dass sie dies nicht tun können würde, ohne ihn zu töten. Sie holte tief Luft, sammelte ihre Kräfte und brach ihm daraufhin das Genick. Seine Arme ließen locker, sie kam wieder frei und der tote Körper sank zu Boden. Daraufhin ließ sie ihren Blick durch den Raum gleiten.

Robin redete nun mit einer anderen Jägerin, einige Sekunden später erkannte sie, warum. Die vorherige lag anscheinend tot vor dem Treppchen, das Ronah benutzt hatte, um auf das höher gelegene Rondell zu kommen. Sie sah nach oben und erblickte dort Ronah, die nun anscheinend alleine gegen eine Gruppe von Dämonen kämpfte. Alles lief hier aus den Rudern. Die Dämonen waren in Rage verfallen und griffen alles an, was menschlich aussah. Nun mussten sie wohl selbst auch um ihr Leben kämpfen, um hier lebendig heraus zu kommen.

Faith fuhr herum und blickte wieder zu Kimberly. Eine weitere Jägerin hatte sich zu ihr gesellt, eine die sie ebenfalls kennen gelernt hatte. In Sunnydale, als sie gegen das Urböse kämpften. Wenn sie nicht alles täuschte, so hieß das Mädchen Shannon.

„Shannon, pass auf!“ schrie Kimberly, als drei große Dämonen auf sie zuliefen. Shannon riss ihre Armbrust hoch und feuerte die Pfeile ab. Doch zum Nachladen kam sie nicht. Sie wurde von zweien erfasst, wobei ihr die Armbrust aus der Hand viel. Sie schrie, als sie von den zweien eine Etage tiefer geschleudert wurde, und dort auf dem harten Boden aufschlug.

„SHANNON?“ schrie Kimberly, jedoch noch immer ohne wirkliche Emotionen im Gesicht zu zeigen. Sie köpfte den Dämon, der ihr am nächsten stand, trieb daraufhin dem nächsten das Schwert zwischen die Rippen, sprang hoch und kickte dem dritten mit einem kräftigen Tritt gegen das Genick. Sie hörte etwas brechen, woraufhin der bullige Dämon zu taumeln begann, etwas rückwärts stolperte und dann ebenfalls über den Rand fiel. Kimberly machte eine Rolle, hob die Armbrust auf, lud nach und schoss auf weitere Angreifer.

Ahhhh!“ hallte plötzlich ein Schrei von Ronah durch die Halle. Faith fuhr herum und erblickte ihre junge Freundin, die inmitten der Dämonen mit einer blonden Jägerin auf dem Rondell kämpfte, wobei sie gefährlich weit über das Geländer der Balustrade gedrückt wurde.

 

Die blonde Jägerin wandte sich zur Seite und blickte Faith mitten ins Gesicht.

 

Faith kannte dieses Bild. Und diesen Blick...

 

Das Gesicht aus ihrem Traum. Nur, dass sie dort ein Vampir gewesen war. War es wirklich dasselbe Mädchen? Oder bildete sie sich das nur ein? Eine falsche Erinnerung? Träume änderten sich in der Erinnerung, das wusste sie.

 

Oder war es eine Vision gewesen?

 

Ihr Atem stockte. Sollte Ronah hier sterben?

 

 

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Halle von Tipharet,

etwas später

Einen schrecklichen Augenblick lang, hätte Andrew am liebsten wieder kehrt gemacht, und die Beine in die Hand genommen. In diesem Chaos gab es nichts, was ein gewöhnlicher Mensch ausrichten konnte, jeder einzelne Dämon und jede einzelne Jägerin war stärker als er, und konnte ihn ohne größere Anstrengungen töten.  

 

Aber er durfte nicht fliehen. Malkuth war sein Heim, und davor konnte er nicht die Augen verschließen. Im Moment war alles andere unwichtig, seine Angst, seine Verzweiflung, der reißende Schmerz über Warren’s Verrat. Er war hierher zurückgekehrt, um zu helfen. Auch wenn er sich noch nicht wirklich im Klaren war, wie er das konnte.

 

Im nächsten Augenblick hätte er am liebsten das Gesicht in den Händen vergraben und losgeheult, aber auch das konnte er jetzt nicht tun. Er musste jetzt einen klaren Kopf bewahren. Er durfte nicht einfach dabei zusehen, wie um ihn herum Leute starben, die er gekannt, und gemocht hatte.

 

Ob Buffy und die anderen auch hier waren? Oder hatten sie genug mit ihren eigenen Problemen zu tun? Er konnte es ihnen nicht verdenken, wenn es so wäre, schließlich ging es nicht um ihr Zuhause.

 

Hatte Kennedy seine Warnung rechtzeitig an Mo weitergeben können? Hatte es noch etwas bewirken können?

 

Oder war es für alles schon zu spät gewesen?

 

Fast hätte er aufgeschrieen, als ihn jemand am Knöchel packte. Er sah zu Boden, und erblickte eine kleine Gestalt, welche zusammengekauert unter einem umgestürzten Stand lag. Riesige, ängstliche Augen blickten ihn an.

 

“Sundari!“ Er warf sich zu Boden, und rollte sich ebenfalls unter die Stoffplane. “Alles okay mit dir? Bist du verletzt“

 

“Nein.“ Das kleine Mädchen schüttelte den Kopf.

 

“Bleib’ ganz ruhig, ich bring’ dich hier raus. Wir müssen an ihnen vorbei schleichen, okay? Kannst du das?“

 

“Nein.“ Sie verbarg das Gesicht in ihren Händen.

 

Scht, keine Angst. Es ist wie in einer Geschichte, verstehst du? Wir sind die Guten, und müssen uns vor den bösen Feinden verstecken. Es ist gar nicht schwer, gib’ mir einfach deine Hand.“

 

Sie zögerte noch, doch schließlich nickte sie zaghaft. Er warf einen hastigen Blick um sie herum, sie mussten eine Möglichkeit finden, im Gedränge voranzukommen, ohne von den Jägerinnen gesehen zu werden. Sie konnten von ihrem Versteck aus bis zu der umgestürzten Säule dort rennen, und dann weiter zum nächsten Versteck. Überall lagen Trümmer und zerstörte Marktstände herum. Es konnte wirklich nicht so schwer sein, sich verborgen zu halten.

 

“Okay, Sundari, wie zählt man in deiner Sprache bis drei?“

 

Ek, do, tiin,“ begann sie aufzuzählen, und er nickte. “Wir werden jetzt gemeinsam bis drei zählen, und dann laufen wir los, unter die Säule dort drüben. Das geht ganz schnell. Du darfst einfach meine Hand nicht loslassen, und dich nicht umsehen!“

 

Unter die Säule zu kommen, war nicht das Problem, doch ab jetzt wurde es schwieriger. Fast alle Tore zu Tipharet waren von Jägerinnen blockiert. Zwar konnten sie vielleicht schaffen, sich in eine der oberen Straßen zu retten, doch diese würden sie nur weiter in die Stadt hinein führen, und nicht zu einem Ausgang.

 

“Nach Chesed,“ murmelte Sundari. “Mama hat gesagt, wenn es einen Notfall gibt, sollen wir in die Halle von Chesed, und uns dort verstecken. Da wird uns dann jemand abholen.“

 

Andrew wusste nicht, ob in all dem Chaos jemand Zeit haben würde, sich um Sundari zu kümmern, doch ihre Mutter war eine Zaddik und wenn sie ihrer Tochter Anweisungen für Notfälle gab, so musste da was dran sein. Hier konnten sie jedenfalls nicht bleiben, und die Straße des Eremiten, welche von Tipharet nach Chesed führte, schien zumindest noch nicht von Jägerinnen überflutet zu sein. Es wäre vielleicht eine Möglichkeit.

 

“Okay, wir machen das gleiche Spiel jetzt noch mal, verstehst du?“ Eindringlich sah er die Kleine an. “Wir zählen bis drei, und wenn wir bei drei angekommen sind, laufen wir los, und unter den nächsten Marktstand...“

 

 

+++

 

Halle von Binah,

selbe Zeit

Erschöpft ließ Willow ihre Umhängetasche und den Rucksack zu Boden gleiten und bückte sich, um aus dem Rucksack das Tuch mit den mystischen Zeichen hervorzuholen. Sie breitete das mit einem satten violett getönten Tuch aus, dessen Mitte von einem goldenen Kreis beherrscht wurde. Um diesen Kreis waren weiß die Sternzeichen eingestickt worden. Andere Zeichen und Runen, die eine Hexe zu deuten und zu lesen wusste, verzierten den restlichen Stoff.


Willow blickte skeptisch darauf nieder. Jede Jägerin hatte ein anderes Geburtsdatum und ein anderes Sternzeichen. Dafür sollten die Symbole stehen. Der Kreis bildete die Einheit, die sie mit ihnen zusammen bilden wollte. Ob es wirklich funktionieren würde, müsste sich erst noch zeigen.

Dem Ganzen fehlten jedoch noch einige Zutaten und Vorbereitungen, also bückte sie sich erneut und entnahm ihrem Rucksack weiße Kerzen, von denen sie auf jedes Sternzeichen eine stellte. Anschließend entzündete die Hexe sie mit einer raschen Handbewegung.

 

Sie hielt inne, und ließ die Atmosphäre des Raumes auf sich wirken. Mo hatte recht gehabt, die Halle von Binah war für einen Zauber wie geschaffen. Um sie herum herrschte eine tiefe warme Geborgenheit, und nur das leise Plätschern des Brunnens unterbrach die Stille

 

Nun griff sie nach einem der Bücher in ihrer Umhängetasche, schlug die markierte Stelle auf, las rasch nach, was sie als nächstes tun musste und bückte sich nach einigen Plastikbeuteln, die verschiedene Kräuter und Zauberpulver enthielten. Eines mit auffälligen, gelben Kristallen öffnete sie und streute davon eine Handvoll in den Kreis.


Die Flammen der Kerzen begannen unruhig zu zucken und als die Kristalle das Tuch berührten stieg gelber Rauch aus den Flammen auf. Es folgte eine Handvoll zermahlener Krähenfüsse, die Willow begeleitet von einem monotonen Gemurmel in den Kreis warf. Es gab einen kleinen Knall, als sich das Pulver mit den Kristallen vermischte und Willow zuckte erschrocken zusammen. Doch der Lärm vor der Tür war noch immer lauter, als alle anderen Geräusche.

Im Kreis entwickelte sich ein gelb, grauer Rauch, der aufstieg.

Die Hexe entnahm ihrer Tasche eine Flasche mit Tierblut und entkorkte sie. Es war ein speziell geweihtes Opfertier, mit dessen Blut sich Willow auf die Handrücken magische Runen aufmalte, die sie auf der Handinnenfläche wiederholte. Dieselben Zeichen malte sie sich auf ihre beiden Wangen. Jetzt war sie vorbereitet und stieg langsam in den neblig rauchigen Innenkreis auf dem Tuch.


Der Geruch war streng und trieb ihr fast die Tränen in die Augen, doch überraschend gut gewöhnte sie sich daran und nahm inmitten der Kerzen, Pulver, Rauch und Kristallen im Schneidersitz Platz.

Sie schloss ihre Augen, um sich konzentrieren zu können. Mit dem Versuch alle Gedanken an die Umwelt auszuschließen, wollte Willow nur die Gefühle der kämpfenden Jägerinnen in Malkuth zu lassen. Im ersten Moment durchströmte sie eine Welle von Schmerzen, die ihren Körper wie unter Strom zucken ließen.

 

Ihre Augen flatterten, doch blieben die Lider geschlossen. Schmerz zeichnete sich auf Willows Gesicht ab, als sie nach und nach nur noch die Jägerinnen spürte und ihre Sorge um Giles und ihre Freunde in der Stadt verdrängte. Als nichts mehr da war, nur noch Schmerz, Kampfeslust, Siegestaumel und wieder Schmerz, öffnete Willow langsam ihre Augen und begann die Formel aufzusagen, die die geistige Verbindung umkehren sollte, so dass nicht nur sie die Jägerinnen spürte und hörte, sondern die Jägerinnen auch sie hören und fühlen konnten.

Willows Augenlider öffneten sich schlagartig, begleitet von einem Windstoss, der verursacht von der Magie, durch den Raum fuhr. Ihre Pupillen weiteten sich, während der mystischen Worte, zogen sich wieder zusammen und nahmen langsam eine dunkle Farbe an, bis ihre Augen in tiefstem Schwarz dominierten.


Die Zeichen auf ihren Handrücken begannen weiß aufzuglühen und sie drehte die Innenflächen nach oben. Auch sie begannen zu glühen. Willow’s Stimme wurde lauter, als schließlich die Zeichen auf ihren Wangen zuletzt aufleuchteten. In diesem Moment glaubte Willow etwas zu spüren, das sie sich selbst schwer beschreiben konnte, aber sich ganz anders anfühlte als die sonstigen Empfindungen, die sie in Verbindung mit den Jägerinnen hatte:

Es war tatsächlich so, als wäre sie auf einmal eins mit den Jägerinnen, anstatt nur stumme Beobachterin. Sie hörte die einzelnen Gedanken nicht mehr als monotones Flüstern in ihrem Kopf, sondern klar und einzeln waren sie zuortbar und auch die Schmerzen, die Gefühle von Niederlage, von Sieg, von Hass und Gehorsam durchfluteten sie viel heftiger.

Schnittwunden erschienen plötzlich auf Willows Oberarme, Stirn und auf ihrer Wange, doch sie bemerkte es kaum. Blut rann aus ihrem linken Fuß, färbte ihren Schuh rot. Mit dem Gefühl, dass sie verbunden waren, wollte sich Willow jetzt darauf konzentrieren, den Kontakt aufzubauen. Sie sammelte sich erneut und sendete ihre Gedanken los:

„Jägerinnen! Hört mir zu! Ihr müsst mit dem Morden aufhören! Ihr befindet euch im Irrtum. Ihr seid geblendet worden von Lily und ihren Anhängern. Sie haben diesen Kampf geplant, um euch zu vernichten. Sie will die alte Wächterwelt wieder herstellen. Ihr müsst sofort aufhören, diese unschuldigen Wesen zu töten. Ihr...“

Ein Schmerz, als würde man Willow ein Schwert durch die Lunge rammen, entriss sie ihrer Konzentration. Sie schrie auf, bäumte sich auf und fiel nach vorne über. Die Kerzen erloschen und der Rauch verzog sich rasch.


Schwer keuchend richtete sich die Hexe wieder auf. Schweiß stand ihr auf der Stirn, der sich mit den Wunden und dem Blut vermischte und ihr in die Augen lief.


Willow drückte ihre Hand gegen ihre Brust und spürte Blut. Entsetzt sah sie auf ihre Hand hinunter und begriff zu spät, dass sie sich wohl zu weit nach vorne gewagt hatte... und ob es funktioniert hatte, wusste sie nicht mit Bestimmtheit. Vielleicht waren ihre Worte zu den Jägerinnen vorgedrungen, vielleicht auch nicht. Alles was sie im Moment wusste, war, dass sie die Jägerinnen in Malkuth viel zu deutlich in ihrem Kopf hören konnte und ihre Schmerzen nicht nur fühlte...

Seit ihrer Gefangenschaft in Arashmaharr waren genau fünf Tage vergangen...

 

 

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Halle von Tipharet,

selbe Zeit

Xander hielt sich eng an die Säule gedrängt, und verwünschte seine eigene Unachtsamkeit, und die seiner Freunde. Wieder einmal hatte er geschafft, sich in eine ausweglose Situation zu bringen, bravo Harris! Ganz prima gelaufen!

 

Was nun? Sollte er schreiend durch die Halle rennen, weil sie ihn vergessen hatten? Oder sich irgendwo verstecken, und darauf warten, dass ihn jemand rausholte?

 

Er wandte die Augen nach links und rechts, um sich zu orientieren, und einen Moment lang vermeinte er einen bekannten Blondschopf am Boden entlang huschen zu sehen. Doch das war ganz unmöglich, selbst Andrew konnte nicht so dumm sein, und sich mitten in dieses Chaos stürzen. Er war irgendwo weit weg, in einem Hotel in Sicherheit, aber doch niemals hier.

 

Wohin führten nur alle diese Gänge? Gab es irgendwo noch einen Ausgang? Der, durch den sie hereingekommen waren, konnten sie nicht wieder nehmen, dort wimmelte es von Jägerinnen. Außerdem konnte er die Stadt nicht verlassen, ohne erst nach seinen Freunden zu suchen.

 

Er blickte zur anderen Seite und erstarrte, in einem der Gänge vermeinte er eine bekannte Gestalt zu sehen, doch es war eine Täuschung, sie konnte noch weniger hier sein, als Andrew. Sie am allerwenigsten...

 

Was hätte Eve auch ausgerechnet hier zu suchen gehabt?

 

 

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Straße der Liebenden,

selbe Zeit

Nein, nicht wenn sie etwas dagegen machen konnte. Kurz blickte Faith wieder zu Kimberly, die ohne größere Verletzungen, von einer Unmenge von dämonischen Leichen umgeben, weiter kämpfte. Sie blickte zu Robin, der es anscheinend wirklich geschafft hatte, seine Jägerin zum Aufhören zu bewegen, denn sie standen etwas abseits und reden aufgebracht miteinander. Immer wieder bedeutete er dem jungen Mädchen, sich doch endlich auf den Ausgang zuzubewegen.

Ein weiterer Schrei erinnerte Faith an Ronah, woraufhin sie Kimberly links liegen ließ und auf die Treppe zulief. Sie musste über einige tote Körper springen, bis sie endlich auf der oberen Ebene angekommen war. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, lief sie über das Rondell auf Ronah zu, die mittlerweile von der blonden Jägerin gefährlich weit über das Geländer gedrückt wurde. Faith erkannte im Laufen, dass die junge Asiatin mit eingeschlagenem Schädel an einer Säule lehnte.

Die Dämonengruppe um sie herum, packten alle beide Jägerinnen, ohne sich um deren Kampf zu kümmern. Faith’s Augen weiteten sich, als die Kreaturen die jungen Mädchen über das Geländer schleuderten. Ronah schrie, schaffte es aber, sich mit beiden Händen an einem Mauervorsprung gleich unter dem Geländer festzuhalten. Für die Blonde kam jede Hilfe zu spät, mit einem Wimmern stürzte sie nach unten, und schlug auf dem Boden der Halle auf.  

„Ronah, halt dich fest!“ schrie Faith, als sie beim Geländer angekommen war, und die junge Jägerin unten hängen sah. Sie drehte sich um, machte einen Flip nach vorne, ergriff eine Axt, die am Boden lag, und schlug damit einem großen, dunklen Dämon den Kopf ein. Nun spritzte auch Blut auf ihr Shirt. Sie drehte sich links weg, wich dabei dem Schlag eines weiteren Dämons  aus, und zog dabei die Axt wieder heraus. Faith sprang hoch, trat dem zweiten Angreifer gegen das Brustbein und brachte ihn ebenfalls gefährlich nahe an das Geländer. Ronah’s Hand tauchte von unten auf, erfasste das Bein des Dämons, zog ruckartig daran und schleuderte ihn damit in die Tiefe.

Faith duckte sich unter einem weiteren Angriff hinweg, sprang hoch, um einem Tritt auszuweichen, und schlug die Axt einem dritten Angreifer ins Gesicht, welcher zurücktaumelte. Die Axt saß fest, sie rutschte ihr aus der Hand, doch sie griff in ihre Gesäßtasche und zog einen Pflock heraus.

“Sag gute Nacht!“ schrie sie, sprang auf den letzten Dämon zu und trieb ihm das Holzteil ins Herz. Schreiend fiel der Angreifer zu Boden.

Ohne eine weitere Sekunde zu zögern lief Faith zum Geländer, bückte sich, ergriff Ronahs Hand und zog sie nach oben.

„Gott, ich dachte schon ich hätte dich verloren.. sagte Faith und sah Ronah glücklich an, während sie die Hand ihrer Freundin festhielt.

“Danke..“ antwortete Ronah, erfasste aber plötzlich Faith’s Pflock, riss ihn ihr aus der Hand und schleuderte ihn auf einen Dämon, der wieder auf die Beine gekommen war, um Faith von hinten anzugreifen. Schockiert drehte sich die ältere Jägerin um, sah aber nur mehr, wie der Angreifer tot zu Boden stürzte.


Ahhh.. hallte plötzlich ein weiterer, menschlicher Schrei durch die Halle. Faith und Ronah drehten sich geschockt um und blickten zum Brunnenhof hinunter. Der Schrei war von Robin gewesen, da waren sie sich ziemlich sicher. Er stand unten, doch sie konnten nur seinen Rücken sehen. Das Kampfgetümmel schien unten nun etwas langsamer zu verlaufen, und Faith erkannte, dass auch Kimberly nur mehr ruhig dastand. Und ihre Armbrust deutete auf...

„Oh mein Gott, ROBIN!“

 

 

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Cleveland
Buffy’s Apartmentgebäude,

selbe Zeit

Vorsichtig schlich Caridad durch den Flur zu Buffy’s Wohnung. Sie würde ganz sicher nicht versagen. Lily sollte es nicht bereuen, dass sie ihr diesen wichtigen Auftrag erteilt hatte. Sie würde das Amulett finden. Wenn dabei etwas zu Bruch ging, umso besser! Die Verräterin Buffy sollte nichts mehr vorfinden, außer Zerstörung.


Obwohl sie die Wohnungstür locker hätte eintreten können, öffnete die Jägerin sie mit einem speziellen Dietrich. Nur keine Aufmerksamkeit erregen, hatte Lily ihr eingeschärft. Wenn man Aufmerksamkeit erregt, können unvorhersehbare Dinge geschehen.


Leise, als ob sie über Reispapier laufen müsste, bewegte Caridad sich durch die Wohnung. Sie öffnete Schubladen, Schränke und durchwühlte sämtlichen Papierkram. Dann schlitzte sie das Sofa auf. Wer wusste schon, wo die Jägerin ein solches Artefakt verstecke würde. Sie suchte nach geheimen Tresoren oder ähnlichem. Sie hatte schon fast die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt und immer noch nichts gefunden.


Vor dem letzten Zimmer stockte sie kurz, ein Schild zierte die Tür. „Chaos Area? So was Kindisches,“ murmelte die Jägerin verächtlich, als sie die Tür öffnete.

 

Ihr Atem stockte, die Schwester der Jägerin lag auf dem Bett und schlief. Was machte sie hier?
Laut Caridad's Informationen sollte sich zu dieser Zeit niemand in der Wohnung aufhalten. Hatte Ms. Usher das nicht so gesagt?

Caridad wunderte sich über den tiefen Schlaf des Mädchens. Warum hatte sie von dem ganzen Lärm nichts mitbekommen? Warum war sie nicht aufgewacht? Sie hatte nicht einmal gezuckt.

 

Vorsichtig näherte sich Caridad dem Bett. Egal, Ms. Usher hatte ihr doch gesagt, was in einem solchen Fall zu tun sei. Und sie musste ihr gehorchen, es war wie eine dunkle Wolke in ihr...

 

Nein, sie wollte ihr gehorchen! Ms Usher hatte Recht, sie wusste das. Dieses Mädchen war eine Verräterin....

 

Sie zog ihren Dolch. Ms. Usher würde stolz auf sie sein.

 

 

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Malkuth

Straße der Kaiserin,

selbe Zeit

Hört mit diesem Wahnsinn auf,“ brüllte Giles inmitten des Kampfes, der ihn, Kennedy und Mo einfach überrollt hatte. Er wusste zwar nicht genau, an wen er diese Worte richtete, noch war er ernsthaft davon überzeugt, dass ihn jemand hören würde, doch er musste irgendetwas tun. Wenigstens war Willow in Sicherheit. Aber das bedeutete nicht, dass er vorhatte, selbst ein Opfer der Jägerinnen zu werden, die die Dämonen verfolgten und auf jeden und alles wahllos mit ihren Waffen einschlugen.

„Wir müssen hier weg,“ brüllte Mo, der noch in der Lage war, seine Stellung neben dem Briten zu halten, obwohl die fliehenden Dämonen in ihrer Panik mit ganzer Kraft an ihnen vorbei stürmten und sie mitzureißen drohten. Einige drängten tatsächlich an ihnen vorbei, und hämmerten in Panik an das geschlossene Tor der Halle von Binah, andere stürzten sich verzweifelt über die Brüstung der Skyway, weil es keinen anderen Ausweg gab.

 

„Selbst, wenn Sie die Tür aufkriegen, wir können nicht zu Willow rein,“ rief Giles zurück.  “Vielleicht führt sie das Ritual gerade aus.“

„Ja, das Risiko wäre zu hoch,“ stimmte Kennedy zu. Mit klopfendem Herzen dachte sie an ihre Freundin hinter dieser Tür.


„Dann kehren wir zu den anderen zurück,“ schlug Mo vor und wollte sich in Bewegung setzen, um für sich, Giles und die Jägerin einen Weg frei zu bahnen. Er sah dabei nicht, wie die Fluchtwelle, die bisher auf sie zugeströmt war, plötzlich wieder kehrtmachte, um zurück nach Chockmah zu fliehen, und Giles Warnung kam zu spät. Mo wurde einfach von den flüchtenden Dämonen gepackt und mitgerissen.

Ohne lange nachzudenken, drängte sich Kennedy hinterher, doch sie kam nicht weit. Eine der Säulen, welche die Brüstung hielten, war umgestürzt, und die Jägerin wurde dagegen gedrängt. Für den Moment schien sie dort jedoch sicher zu sein, die Säule schützte sie gegen den Ansturm der Masse.


Hilflos stand der Wächter auf der schmalen Stufe vor dem Tor, wohin er zurückgewichen war, und wusste nicht, was er am besten tun sollte. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als er entdeckte, dass Mo genau auf die Jägerinnen zu getrieben wurde, welche inzwischen aus Chockmah nachgerückt waren. Sie griffen die Gruppe der Dämonen gnadenlos an. Mo war viel zu sehr damit beschäftigt, nicht zu fallen, um nicht unter den Füssen der anderen tot getrampelt zu werden, als dass er die Gefahr vor sich erblickte. Giles musste etwas tun, um dem Dämon zu helfen. Eine Hand wusch gewöhnlich die andere. Und da Willow in dieser Halle sicher war, gab es für Giles keine andere Wahl.

Er sprang von der Stufe, versuchte sich durch die Menge zu drängen, und schaffte es tatsächlich ein Stück weit auf die Straße. Seine Rippen schmerzten von den vielen Stößen, die er hatte einstecken müssen, aber Schlimmeres war nicht passiert. Giles drückte sich rasch gegen die Brüstung und schob sich so am Rand des Gedränges auf die Kampfgruppe zu. Als er sie schließlich erreichte, musste er mit ansehen wie Mo sich inzwischen verzweifelt gegen die bewaffneten Jägerinnen wehrte, während der größte Teil der Mitkämpfer blutend, verletzt oder gar tot am Boden lagen.

Die Jägerinnen hatten wieder diesen sonderbaren leeren Ausdruck in ihren Gesichtern, die Giles unweigerlich an ferngesteuerte Roboter erinnerte, aber trotzdem waren es Jägerinnen und es widerstrebte Giles sie anzugreifen und im schlimmsten Fall sogar zu töten. Eine von ihnen hätte genauso gut Buffy oder Dawn sein können.

Schlimmer noch – er rechnete sich nicht wirklich eine Chance gegen sie aus. Als Wächter wusste er leider nur zu gut Bescheid über ihre Kräfte, trotzdem blieb ihm keine wirkliche Wahl. Er brauchte Mo, um den Weg zurück zu den anderen zu finden und später wieder zu Willow.
Doch Mo nahm ihm jegliche Entscheidung ab, als er den Fehler begann, die Jägerinnen auf den Briten aufmerksam zu machen: „Verschwinden Sie, Giles. Ich komme schon klar.“

Drei der Mädchen wandten sich von Mo ab und blickten zu dem Wächter hinter ihnen. Sie hoben ihre Waffen und machten zwei Schritte auf ihn zu, während Giles versuchte sich seine Angst nicht anmerken zu lassen und den wenigen Platz dazu ausnutzte, um sein eigenes Schwert schützend vor sich zu halten.

 

Kennedy klammerte sich noch immer an der Säule fest, als plötzlich ein Schwert durch die Luft zischte, und sie ums Haar erwischt hätte. Sie ließ sich zu Boden fallen, und spürte plötzlich einen schmerzhaften Tritt im Rücken.

 

“Verräterin,“ zischte eine Stimme, und eine hochgewachsene Jägerin mit einem langen weißblondem Zopf über dem Rücken stieg über die Säule, gefolgt von einem zweiten, dunkelhaarigen Mädchen. Kennedy versuchte, auf die Beine zu kommen, doch ein zweiter Kick verhinderte das.

 

Ein einziger Schlag einer kräftig gebauten, schwarzen Jägerin hatte ausgereicht, um Giles mit einem Kriegshammer das Schwert aus der Hand zu prellen. Es flog über seinen Kopf weit nach hinten in die Menge. Er hoffte, dass niemand dabei verletzt wurde und hätte fast über den Gedanken lachen müssen, angesichts der Gefahr, wenn nicht in diesem Moment eine der drei mit ihrem Schwert zu vollenden versuchte, was die Schwarze begonnen hatte. Giles konnte sich unter dem Schlag zu seinem Kopf hinwegducken, nur um die hammergleiche Waffe gegen die Beine geschlagen zu bekommen. Er ging in die Knie, unfähig sich zu verteidigen und blind vor Schmerzen. Da trat die dritte Jägerin auf ihn zu und hob ihre Axt zum letzten Schlag....

 

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Straße der Lust

selbe Zeit

“Eve?“ fragte Xander fassungslos.

 

Die blonde junge Frau kam langsam auf ihn zu. Verloren wankte sie den Gang entlang, doch es war zu dunkel, um ihr Gesicht zu erkennen.

 

Verdammt, sie konnte es nicht sein. Sein Verstand spielte ihm einen Streich. Und außerdem, dies war auch gar nicht ihre Art, sich zu bewegen. Dieser seltsame schleppende Gang, das war...

 

“Xander?“

 

Sie flüsterte seinen Namen, und er spürte wie ihm das Herz bis zum Hals schlug. Es war ihre Stimme, zweifellos, und es war auch ihr Gesicht welches im Schein der brennenden Fackeln langsam aus dem Schatten auftauchte. Er wollte auf sie zu rennen, sie in die Arme schließen, sie fragen, was zum Teufel sie überhaupt an einem solch gefährlichen Ort zu tun hatte, aber irgend etwas hielt ihn zurück...

 

“Nein!“

 

Ein Pfeil zischte über ihn hinweg, senkte sich, und bohrte sich mitten in Eve’s Brust. Er schrie auf, als sei er selbst getroffen worden, und im nächsten Moment drängten einige Jägerinnen an ihm vorbei, auf sie zu.

 

“Xander?“

 

Sie flüsterte seinen Namen ein zweites Mal, blickte an sich hinunter und betrachtete den Pfeil in ihrer Brust, als wäre er ein mäßig interessantes Kunstobjekt. Dann blickte sie wieder auf, und ihre Augen begannen zu glühen.

 

Ein leuchtend gelbes Licht ging von ihnen aus, während Eve wuchs und wuchs, bis sie beinahe die Höhlendecke erreichte. Ihr ganzer Körper verfärbte sich dunkel, ihre Haut wurde seltsam glitschig. Die großen gelben Augen, die aus dem nun schwarzen Gesicht hervorstachen musterten Xander genau.

 

Vor ihm stand ein Ding, das definitiv böser war, als alles, was ihm bisher in dieser Stadt begegnet war, und als es einer Jägerin mit einer Hand das Genick brach, und eine zweite wie eine Puppe von sich wegschleuderte,  wusste Xander nicht mehr, ob er es hier wirklich mit Eve zu tun hatte...

 

 

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Halle von Chesed

selbe Zeit

“Hier sind wir sicher!“ Bevor Andrew das Mädchen aufhalten konnte, war Sundari schon auf das Tor der Halle zugelaufen, und begann eifrig dagegen zu hämmern. “Macht auf,“ schrie sie und wiederholte die Worte noch einmal in mehreren dämonischen Sprachen. “Lasst uns rein!“

 

Andrew hielt den Atem an, was war, wenn die Jägerinnen schon in die Halle eingefallen waren? Gut, die Tür war nicht aufgebrochen, aber die Halle hatte schließlich mehrere Zugänge. Einer davon kam von der Straße des Glücks, wo sich Andrew’s Wohnung befand, dort hatte er Sundari und ihren Bruder das erste Mal getroffen. Ob seine Wohnung noch stand? Oder war sie bereits von den Jägerinnen verwüstet, und in Brand gesteckt worden?

 

“Sundari!“ Das Tor öffnete sich, und ein weiteres kleines Mädchen erschien, dem Aussehen nach eine Bakram. Ihr Blick verhärtete sich, als sie Andrew sah, doch Sundari beruhigte sie sofort. “Der Mensch ist unser Freund, er beschützt uns. Lass uns rein!“

 

Sie schien immer noch misstrauisch, doch schließlich nickte sie und trat beiseite. Kaum hatten Sundari und Andrew die Halle betreten, verschloss sie sofort wieder die Tür.

 

Der Junge blickte sich um. In der Halle, welche zu Friedenszeiten als Spielzimmer diente, hielten sich etwa zwanzig Kinder verschiedenster Dämonarten verborgen. Einige von ihnen hatten Schrammen, oder blaue Flecken, doch es schien niemand von ihnen ernsthaft verletzt zu sein. So, wie es aussah, hatten die Jägerinnen sie noch nicht gefunden.

 

“Bist du ein Mensch?“ fragte ein kleiner Junge vorsichtig, als Andrew näher kam. “Du hast die gleichen Hände wie Sundari, und auch den gleichen Kopf, nur dass dein Fell heller ist, als ihres.

 

Andrew musste gegen seinen Willen grinsen, und fuhr sich durch sein blondes Haar. Dann streckte er seine Hände aus, um sie allen zu zeigen. Die Kinder streckten ebenfalls die Hände aus, und es gab eine allgemeine Vergleichsrunde. Am meisten Bewunderung schienen wohl die Klauen eines kleinen Fyarl zu ernten.

 

Bei so vielen verschiedenen Wesen fiel ein Mensch gar nicht weiter auf. Während seiner Zeit in Malkuth war Andrew dies schon öfters bewusst geworden.

 

Ein Geräusch von draußen ließ die Kinder hochfahren, und ängstlich rückten sie alle näher aneinander. Sie hielten den Atem an, und die vielen Hände und Arme streckten sich aus, um einander festzuhalten.

 

Im nächsten Moment brach die Tür aus den Angeln, und eine einzelne Jägerin stand vor ihnen.

 

Sie mochte vierzehn, oder fünfzehn Jahre alt sein, so genau konnte man das nicht sagen. Sie trug eine Schuluniform mit Bluse und Faltenröckchen, und ihr langes schwarzes Haar war ordentlich gescheitelt.

 

Ihr Gesicht wurde von einem seltsam irren Lächeln verzerrt, und unter ihren Augen lagen tiefe Schatten. In ihrer Hand hielt sie die tödlichste Waffe, welche den Kinder je unter die Augen gekommen war. Eine mächtige Eisenkugel voller messerscharfer Spitzen, die mit einer langen schweren Kette an einem Stab befestigt war, einem Stab, den sie nun zwischen ihren zierlichen Fingern drehte

 

 

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Halle von Binah

selbe Zeit

„Mein Gott,“ murmelte Willow keuchend und bäumte sich gleich darauf unter einem neuen, glühenden Schmerz auf. Blut bildete sich auf ihrer Bluse in Höhe ihres Unterleibs und Willow presste instinktiv ihre Hände darauf. Egal was gerade draußen vor sich ging... die Jägerinnen schienen im Moment Niederlagen zu erleiden.

 

Ein Geräusch dröhnte dumpf durch ihren geschwächten Geist, das Scharren einer Tür, aber vielleicht war es auch nur eine Einbildung. Hatte jemand eines der anderen Tore zu Binah geöffnet? War das ein Lichtstrahl, der in die Halle fiel? Oder nur eine Halluzination?

 

Doch Willow konnte nicht mehr klar denken, die Schmerzen übermannten sie und machten jeden zusammenhängenden Gedanken unmöglich. Da war jemand, zumindest seine Aura, eine Gestalt, die sich über sie beugte. Ein menschliches Gesicht, Augen so dunkel, wie die Finsternis, um sie herum...aber das konnte nicht sein...oh, Göttin...

 

“Warren...?“

 

Ihre Augenlider begannen zu flattern und sie verdrehte die Pupillen nach oben, ehe sie bewusstlos nach vorne flog und auf die Seite rollte. Sie spürte bereits nichts mehr, als sich ihr Körper unter einer neuen, tiefen Wunde an der rechten Schulter von selbst auf den Rücken drehte....

 

 

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Straße der Liebenden,

selbe Zeit

Faith wartete keine weitere Sekunde. Sie lief los, sprintete den Weg nach unten und sprang die letzten Meter über die Stufen der Treppe. Sie schleuderte einige Dämonen und auch eine von Lily’s Jägerinnen aus dem Weg, bis sie endlich bei Robin angekommen war.

“Robin, was ist los?“ Er stand noch immer mit dem Rücken zu ihr. Langsam drehte er sich um.

Schockiert sah er ihr in die Augen. Ihr Blick wanderte nach unten, und da erkannte sie den Grund für seinen Schrei. Ein Pfeil steckte mitten in seinem Brustkorb. Blut lief an seinem Körper nach unten. Seine Hände zitterten.

Er wollte etwas sagen, bekam aber nichts heraus. Als seine Füße nachließen, sprang Faith nach vorne, fing ihn auf und glitt mit ihm zu Boden.

“Robin.. oh Gott.. !“ Faith wusste nicht, was sie tun sollte. Sie konnte den Pfeil nicht heraus ziehen, dann wäre er sofort tot.

„Ich.. ich..“ Robin versuchte sie zu fixieren, doch sein Blick glitt immer wieder von ihr ab.

Ronah schien neben ihr anzukommen, doch das war gerade irrelevant. ALLES war gerade irrelevant. Robin lag in ihrem Armen, und er lag im Sterben.

„Ich.. liebe.. quälte er hervor, es schien ihn unendlich viele Schmerzen zu kosten.

Scchht.. flüsterte sie, beugte sich nach unten und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. Sie löste sich wieder von ihm und strich ihm sanft über die Wange. Tränen bildeten sich in ihren Augen, liefen über ihre Wangen und ihr Kiefer begann leicht zu zittern.

„Ich liebe dich auch.. flüsterte sie, während er ihr für einige Sekunden wieder tief in die Augen sah, sein Blick dann aber wieder in die ferne streifte.

„Oh mein Gott.. hörte Faith Ronah schluchzen, die hinter ihr zusammen gebrochen war.

„V… Versprich mir... dass.. du..“ Robin musste stark husten, wobei ihm Blut aus dem Mund kam. Er schloss kurz die Augen, schien sich zu konzentrieren und öffnete sie dann wieder.

“.. auf dich und Ronah Acht gibst. Auch auf die anderen. Leb dein Leben, Faith. Für..“ Robin musste wieder husten, diesmal stärker als vorhin, und sein Blick schien noch weiter abzugleiten. Faith’s Gesicht war vollkommen mit Tränen überseht. Sie drückte Robin an sich, war aber nicht in der Lage, noch etwas zu sagen.

Ein letztes Mal blickte er sie an. Er schien alle Kräfte zu sammeln, die er noch hatte. „.. für mich. Ich liebe dich.. dann wurde sein Blick leer. Die Spannung in seinem Körper ließ nach. Er war tot.

Faith’s Blick verfinsterte sich von einer Sekunde auf die andere, als sie aufsah und Kimberly erblickte, die einige Meter entfernt, umgeben von toten Dämonen, sie und Robin völlig perplex anstarrte.

„Dafür wirst du bezahlen, du Miststück!“ schrie Faith, nachdem sie Robin’s Kopf von ihrem Schoß auf den Boden gelegt hatte und aufgesprungen war.

„Faith.. nein.. hörte sie leise Ronah schluchzen, die hinter ihr saß und nun an Robin heran gerutscht war.

Doch für Faith war nun alles egal. Mit einem Mal breitete sich wieder eine Dunkelheit in ihr aus, die sie schon lange nicht mehr so stark gespürt hatte. Sie zuckte kurz zusammen, als sie glaubte, Eve hinter Kimberly stehen zu sehen, wie sie der Jägerin über den Nacken strich, sie daraufhin dort küsste und Faith dunkel angrinste. Einen Augenblick später war sie aber wieder verschwunden, und Faith dachte nicht weiter darüber nach.

Schreiend, voller Wut, lief die Jägerin auf Kimberly zu. Die junge Jägerin ließ zitternd die Armbrust fallen. Das tiefe Schwarz schien aus ihren Augen verschwunden sein.

“Oh nein…“ flüsterte Kimberly, als sie nach hinten stolperte, dabei über einen toten Körper fiel und hart auf dem Hintern landete. Faith war nun bei ihr angekommen.

Diese blieb vor Kimberly stehen und blickte sie hasserfüllt an. „Dafür wirst du bezahlen...“ wiederholte sie noch einmal, dann holte sie aus und schlug zu.

 


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Halle von Daath,

selbe Zeit

Das erste, was Buffy spürte, als sie die Augen aufschlug, waren die Ketten, die sie vollkommen unbeweglich in der Luft hielten.


Sie sah sich um. Zwar klärte sich ihr Gesichtsfeld schnell, doch dieses Gefühl wurde von furchtbaren Kopfschmerzen begleitet, die ihr den Schädel zu spalten schienen.

Die Höhle war nur spärlich beleuchtet, doch die flirrenden Lichter stachen wie mit tausend Nadeln in ihre Augen. Welches Teufelszeug war an den Pfeilen gewesen?

Sie hing an der Decke einer großen, natürlich geformten Höhle. Die Wände und die Decke waren tiefschwarz, und wenn man genau hinsah, konnte man einen schmalen in den Stein gehauenen Pfad erkennen, welcher sich spiralförmig an dem schwarzen Fels entlang wand.

 

Unter ihr befand sich allerdings kein Boden, sondern ein gewaltiger Abgrund. Von ihm ging das spärliche Licht der Höhle aus, seltsame Energiewellen in den verschiedensten Farben liefen ineinander und auseinander, wie ein Feuerwerk aus Wasser, um an den Wänden von silbrig schimmernden Elektroden aufgenommen zu werden.

 

Würde sie nicht genau darüber hängen, umschlungen von Ketten, die ihr keinen Zoll Bewegungsfreiheit erlaubten, so hätte sie diesen Anblick sicher wunderschön gefunden.

 

„Du bist wach. Gut, das freut mich.“

Die Stimme war ihr nur zu gut bekannt. Buffy blickte nach oben.

 

Schräg über ihr endete der gewundene Pfad in einer Plattform, und auf dieser Plattform stand Lily. Sie war in eine lange schwarze Robe gekleidet und hatte mit irgendeiner Farbe verschlungene blaue Linien auf ihr Gesicht gemalt. In ihrer rechten Hand hielt sie einen langen, mit Runen versehenen Dolch.


„Das hätt’ ich mir doch denken können“, murmelte Buffy.

Lily sah ihr direkt in die Augen. „Vielleicht...ich muss sagen, du hast dich länger gehalten, als ich vermutet habe. Sie haben dich später gebracht als geplant.“ Sie lächelte, ein Gesichtsausdruck, der fast gütig gewirkt hätte, wenn Buffy sie nicht mittlerweile besser gekannt hätte.

„ Es ehrt dich, dass du versucht hast, ihr Leben zu schonen. Mit so etwas habe ich gerechnet. Immerhin konnte man dich so ohne größere Probleme überwältigen. Deine Ehrenhaftigkeit macht dich berechenbar...Ein großer Vorteil für mich.“


Buffy interessierte sich nicht sonderlich für das Eigenlob von Lily. Es gab eigentlich nur eine Frage, die ihr auf der Seele brannte. „Was haben Sie mit den Jägerinnen gemacht?“

Lily zuckte scheinbar gleichgültig mit den Schultern. „Gehirnwäsche, ein paar Medikamente und die Verschmelzung mit Schattendämonen.“ Sie sagte diese Worte, als sei es nichts besonderes, nur eine Routineangelegenheit. Es brachte Buffy auf die Palme – was es auch sollte.


„Sie haben den gleichen...“ begann sie.


„Plan durchgeführt wie die Schattenmänner, ja. Wusstest du, dass es eine Jägerin sehr anfällig für Suggestionen macht? Sie sind sehr nützlich gewesen. Natürlich werden sie bald nur noch Geschichte sein, wenn die Reiter eintreffen.“


„ Die Reiter? Die Reiter kommen hierher.“

 

„Allerdings. Es gibt jemanden, der hier auf sie wartet.“ Ein Lächeln huschte über Lily’s Gesicht, als sie mit dem Finger nach unten zeigte. „Weißt du denn immer noch nicht, wo du dich befindest, meine Liebe?“

 

Buffy lief es eiskalt den Rücken hinunter. Das bodenlose Loch unter ihr, die Energiefluktuationen, die davon ausgingen, das alles ließ nur einen Schluss zu. Der Höllenschlund. Dies war der Höllenschlund von Cleveland, nachdem sie so lange gesucht hatten. Er befand sich hier, im Herzen von Malkuth.

 

„Der vierte Reiter,“ murmelte sie, „der vierte Reiter ist dort unten...“

 

„Nicht mehr lange.“ Lily’s Stimme war ein hysterischer Singsang. „Warum glaubst du denn, dass wir hier sind?“

 

Die Erkenntnis traf Buffy wie ein Faustschlag. Lily selbst wollte den vierten Reiter beschwören. Alle ihre Behauptungen über eine angebliche Dämonenverschwörung, ihre Beteuerungen, dass sie trotz allem auf derselben Seite stünden, all dies waren nur weitere Lügen gewesen. Sie hatte diesen Krieg angezettelt, um sich den Weg zum Höllenschlund freizukämpfen.

 

„Sie wollen den vierten Reiter...“


Buffy konnte die Frage nicht vollenden. Sie war fassungslos. Begriff Lily nicht, welche Zerstörung sie anrichten würde?

„Freilassen. ja. Bei den ersten dreien war es nur ein Versehen...aber ich habe mich inzwischen ein wenig informiert. Und dabei einiges herausgefunden, beispielsweise, dass ich dich für die letzte Beschwörung brauche, nicht deine Schwester. Und dass diese Reiter mir nur dienlich sein können.“

„Ich wusste ja, dass Sie irre sind, aber Sie schaffen es immer wieder, noch eins draufzusetzen!“ Buffy zappelte in ihren Fesseln. „Haben Sie jetzt vollkommen den Verstand verloren? Ich dachte, Sie wollten die alten Regeln wieder in Kraft setzen, aber doch nicht die ganze Welt zerstören.“


 
„Die Welt zerstören?,“ eine Spur Irritation verriet sich in Lilys Stimme, ehe sie mitleidig den Kopf schüttelte. „Aber nein, mein Kind. Da verstehst du etwas falsch. Die Reiter werden die Welt nicht vernichten. Sie werden sie reinigen. Alles Unreine wird vergehen. Verstehe doch, sie sind zwar Dämonen, aber nicht das, was wir normalerweise unter Dämonen verstehen. Sie sind wie Naturgewalten. Wenn sie ihren Ritt vollendet haben, wird eine schöne neue Welt entstehen, eine strahlende, reine Erde. Auf der wieder die alten Gesetze gelten. Sie bringen die Dinge wieder in Ordnung.“

Buffy konnte es immer weniger glauben. Lily war vollkommen durchgedreht....

„Und dabei riskieren Sie den Tod von Millionen?“ Sie schrie nun zu Lily hinauf, die auch kurz zusammenzuckte, wie unter einem Hieb.

„Millionen? Vielleicht, aber was für Millionen wären das denn? Dämonen, Halbdämonen, Jägerinnen...unreine Kreaturen. Die Menschen dagegen haben nichts von ihnen zu befürchten, im Gegenteil! Die Welt wird endlich ihnen gehören. Sie werden sich nachts auf den Straßen bewegen können, frei von Angst. So wie es schon immer das Ziel des Rats der Wächter war. Und wenn dieses Ziel erreicht ist, werden auch keine Jägerinnen mehr notwendig sein, da alles, was sie einst bekämpften von dieser Erde verschwunden ist.“

Buffy konnte nur noch den Kopf schütteln. Jemand musste Lily aufhalten! Jemand musste diesen Wahnsinn verhindern.

 

Leider kam sie dafür nicht gerade in Frage. Lily hatte sie wirklich perfekt verschnürt.


Die Wächterin hatte sich von ihr abgewandt und begann nun, mit dem Dolch Symbole in die Luft zu zeichnen. Wo sie die Waffe durch die Luft zog, blieben rot schimmernde Linien zurück.

Langsam schritt Lily die Balustrade entlang, wobei sie mit tiefer Stimme einzelne Worte murmelte, Satzfetzen, die aus jeder nur denkbaren Sprache zu kommen schienen: Latein, Spanisch, Russisch, Japanisch.... Die Worte verschwammen in einem kaum zu entziffernden Einheitsbrei und ein tiefes Grollen drang aus den Eingeweiden der Erde hervor.

Lily war jetzt wieder vor ihr angekommen. Während sie noch immer sprach, nahm sie den Dolch und schnitt sich schnell und geschickt tiefe Wunden in die Arme.

Der Schmerz schien sie kaum zu berühren. Ohne ein einziges Mal innezuhalten, hob sie die blutenden Arme über den Abgrund und ließ das Blut in die in allen Farben schimmernden Tiefen hinabtropfen. Bei jedem Blutstropfen, der in das Lichtermeer fiel, wurde das Grollen eine Spur lauter. Schließlich hob Lily den Dolch in die Luft und Buffy sah entsetzt, wie die Klinge sich erhob und langsam auf sie zuschwebte.

Sie zuckte zusammen, als der Dolch ihr blitzschnell in die Arme schnitt. Während der Dolch zu seiner Besitzerin zurückschwebte, tropfte nun Buffys Blut in den Abgrund.

 

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Cleveland,

selbe Zeit

Die Erde bebte.

Von irgendwo brauste ohne Vorankündigung ein gewaltiger Eishagel über Cleveland hinweg und brachte Dachziegel zu Bruch, schlug Fensterscheiben ein und trieb die Menschen von den Straßen eilig in die Gebäude, die für sie erreichbar waren. Die, die es nicht rechtzeitig schafften, fielen von den großen Hagelkörnern getroffen zu Boden oder kamen nur mit blutigen Verletzungen in Sicherheit.


In Sekunden verwandelte sich der Verkehr in ein heilloses Chaos, das Unfälle verursachte und das Vorankommen für die Polizei unmöglich machte. Dazwischen fielen die faustgroßen Hagelkugeln auf den Asphalt, zerbeulten Motorhauben, drückten Autodächer ein oder verletzten ungeschützte Fahrradkuriere und all die wagemutigen Autofahrer, die nach den Schäden an ihrem Wagen schauen wollten. 

 

Doch das Eis war nur die Vorhut. In ihm ritt eine hünenhafte Gestalt, verborgen unter schweren Fellen und einem Lederumhang. Sein Kopf wurde gekrönte von einem gehörnten Wikingerhelm, während er in seiner Hand ein Mann hohes Breitschwert schwang und damit den Eissturm mit sich trieb. Der lange, blonde Schnauzer war von Eiskristallen durchsetzt und in den strahlend blauen Augen war nur Entschlossenheit, aber kein Mitleid zu erkennen. Wo der Reiter vorbeikam, verebbte der Sturm genauso überraschend schnell, wie er aufgekommen war. Die wenigen, die Zeit hatten zu erkennen, was da gerade eben an ihnen vorbeigestürmt war, erkannten auch die Richtung, in die der unheimliche Reiter preschte – der See!

Eine Feuerwalze krachte durch die Wälder, schlug eine einzige verbrannte und verkohlte Schneise durch die Bäume und das Gebüsch. Vor ihr war nichts sicher – kein Tier, keine Pflanze, keine einsame Waldhütte, alles was schutzlos war, das wurde zu Asche.

Inmitten der Feuerwalze, da ritt einer, der war schwarz wie die Nacht, bekleidet mit einem einfachen Lendenschutz und Lederbände an den Oberarmen, an denen Federn und mit Perlen verzierte Lederschnüre hingen. Weiße Fellringe an seinen Waden und eine geschnitzte Schamanenmaske rundete das erschreckende Bild ab. Auf seinem Rücken über den rechten Arm gezogen hing eine lange Holzscheide, deren Waffe, ein mächtiges, afrikanisches Kriegsschwert aus Elfenbein in der Hand des Reiters lag. Er schwang das Schwert mit ganzer Kraft und trieb die Feuerwalze mit sich. Wo der Reiter vorbeikam, erlosch das Feuer, genauso überraschend schnell, wie es entfacht war.


Als der Riese auf seinem Pferd aus dem Wald ausbrach lag der Erie-See vor ihm...


Eine Flutwelle ließ die Flüsse und Seen um Cleveland beängstigend rasch ansteigen, so dass sie in Sekunden schnelle über die Ufer traten und die Boote und Kähne auf ihrer Mitte zum Kentern brachten. Stege wurden zerschmettert und Brücken brachen ein. 

 

Doch in einer der Wellen, da ritt eine riesige Gestalt mit einer chinesischen Dämonen-Maske, gekleidet in einer chinesischen Rüstung einer längst vergangenen Kaiserdynastie, mit wehendem, schwarzen langen Haar und einem Dao-Schwert in der Rechten, das er schwang und die Flutwelle mit sich trieb. Wo er vorbeikam, sank der Wasserspiegel und das Wasser kam zur Ruhe...

Die drei Wesen trafen sich über dem See. Die Hufe ihrer Pferde berührten nicht das Wasser, sondern schwebten darüber wie ein Marionettenspiel aus der Hölle.

Sie sahen sich lange an. Dann reckten sie die Waffen in die Höhe und stießen ein Gebrüll aus, das seit Urzeiten kein Mensch mehr gehört hatte. Aus ihren Waffenspitzen erhob sich ein einziger gewaltiger Blitzstrahl, der den Erie-See aufwühlte und den Wasserspiegel nach oben trieb, Eishagel ging hernieder und brachte die kleinen und mittleren Boote unter den Reitern zum Kentern, während eine Feuerwalze größere Lastkähne in Brand steckten. Am Hafen und am Ufer des Sees, brach Panik aus, als auch dort die Flut der Zerstörung begann – Wassermassen, die den Hafen überflutete, bekleidet von Faust großen Hagelkörner, die alles zerstörten, was ihnen sich in den Weg stellte, um gleich darauf alles unter einem Flammenmeer zu begraben....

Doch der gewaltige Blitz prallte inzwischen unbemerkt von den Menschen weit oben im Himmel wie von einer unsichtbaren Wand ab, kehrte nach unten zurück und zuckte tief in das Wasser und tiefer...tiefer...tiefer....

 

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Malkuth,

Halle von Daath

selbe Zeit

Buffy sah mit Entsetzen, wie eine Entladung aus purer Energie aus der Decke in den Abgrund fuhr. Es krachte und ein Windstoß, wie sie noch nie einen erlebt hatte, fuhr aus der Tiefe nach oben.

 

Dann hörte sie das Brüllen und blickte hinunter.

Von dort kam einer geritten, dessen Haut war rötlich braun, vom Wetter gegerbt und seinen Kopf zierte ein breiter Kranz aus blutigen Federn. Über seiner nackten Brust trug er einen Schutzpanzer aus Knochen, eine Bärenzahnkette schmückte seinen Hals  und seine Beine waren unter einer braunen Lederhose zum Schutz vor dem Pferdekörper verborgen. Sein Gesicht war unter weißer, schwarzer und roter Kriegsbemalung verdeckt.


Der vierte und letzte Reiter schwang einen Tomahawk, dessen Schneide von Blut glitzerte und seine Augen versprachen tausendfachen Tod, als er aus dem Loch herausstürmte – direkt auf die wehrlose Buffy zu...

The End..

Two to go...

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