Folge 8.17
„Betrayed Ones”
Autor: lion
Lily (V.O.): Bisher bei Buffy:
Giles: „Aus jeder Generation wird ein Mädchen auserwählt. Eine
Jägerin, die sich allein dem Kampf gegen Dämonen und Vampire, gegen die Mächte
der Finsternis stellen muss.“ – 1.01
Giles in der Bibliothek zu Buffy: „Die Jägerin jagt sie, und der Wächter...“ Buffy:
„...bewacht sie.“ Giles: „Ja, äh nein nicht doch. Er... Ich bin eine Art
Trainer, der dich vorbereiten soll.“ – 1.01
Giles spritzt Buffy ein Mittel, um ihre Kräfte zu rauben. Quentin
Travers und seine Leute, Giles trifft sich mit ihm. Buffy wird von Kralik
verfolgt, Giles rettet sie: „Steig ein!“
Giles verschränkt die Arme: „Ja. Allerdings interessieren mich die
Anweisungen des Rates in keiner Weise. Die Prüfung wird nicht stattfinden.“
Quentin Travers: „Nun, das ist gegen die Anweisungen des Rates,
wie sie wohl wissen. - Wir führen einen Krieg gegen das Böse. - Ich habe dem Rat
empfohlen, und er ist einverstanden, sie auf der Stelle von ihren Pflichten als
Wächter zu entbinden. Sie sind gefeuert.“
- 3.12
Quentin Travers vor versammelten Wächtern: „Meine Freunde, dies sind die Zeiten,
die uns formen. - Denn durch Überlegung gewinnst du den Kampf.“ Das Ratsgebäude explodiert. – 7.09
Die Anwärterinnen stehen vor Buffys Tür. – 7.10
Willow, wie sie den Zauber spricht, ihre Haare werden weiß. Die
Anwärterinnen werden Jägerinnen: „Von nun an wird jedes Mädchen, die eine Jägerin
sein könnte, eine Jägerin werden! Jedes Mädchen, dass die Kraft haben könnte,
wird die Kraft auch haben!“ – 7.22
Der neu aufgebaute Rat. Lily Usher: „Ordnung ist das richtige Wort. Die
Welt ist voller Jägerinnen. Das Gleichgewicht hat sich verschoben. Gut und Böse
hält sich gewissermaßen in einem leichten Gleichgewicht, aber wir Wächter sind
dafür zu wenige. Wir müssen neue rekrutieren, Wächteranwärter, die ihre
Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben, so sehr das einigen vielleicht widerstrebt.“ – 8.01
Lily: „Wir
haben es nie darauf angelegt einzelne Menschen zu retten, seit Anbeginn des
Rates nicht. Es war höchstens ein Nebeneffekt unserer Arbeit, unsere
eigentlichen Ziele sind höher, wir bewahren die gesamte Menschheit vor dem
Untergang, Jahr um Jahr, Tag um Tag. Wenn wir dabei Opfer bringen müssen, dann
müssen wir es eben! Es ist unvermeidlich, wie es unvermeidlich ist, dass jeder
Mensch irgendwann einmal sterben muss!“ Giles: „„Wir alle müssen Opfer bringen
in diesem Kampf, glaub mir, keiner weiß das besser als ich, doch was du
befürwortest ist Wahnsinn! Man kann nicht auf Verdacht hin tausende Menschen
töten!“ - 8.10
Lily lässt den Talisman in den Kanal gleiten: „Alles hat seinen
Grund und das war erst der Anfang. Als Jägerin war dir der Tod sowieso vorher
bestimmt. Und es war nicht meine Entscheidung, dich zu einer Jägerin zu
machen... eine von so vielen...” -
8.13
D´hoffryn. – 8.09
Kan Hsirg zu Mo: "Sollte es mir zu Ohren kommen, dass
die Jägerinnen Dinge erfahren, die sie nichts angehen, werden wir ihnen
unsererseits ein paar Geheimnisse flüstern. Und ich glaube nicht, dass es
Malkuth besonders gut bekäme…“ – 8.06
Der Kampf gegen die Statur die Thug'saha Dämonen – 8.13
Die Dämonen der Organisation. Regil, Mo´s Freund wird von Buffy in
der Gruft befragt. Tegul, der Leiter der Fischfabrik. Lily in der Höhle zu
Dawn: „Nennen wir es ... die Wiederherstellung der alten Gesetze. Eine
Jägerin in der Hand und unter der Kontrolle von vielen Wächtern. Sieh uns an...
wir haben nichts unter Kontrolle. Junge, unerfahrene Frauen und Männer werden
rekrutiert, um eben so unerfahrene junge Mädchen zu leiten und zu lenken, damit
sie das Böse auf der Welt bekämpfen. Rupert blickt optimistisch in die Zukunft,
aber übersieht dabei wie viele kleine, rote Fähnchen auf der Weltkarte in
London die blauen ersetzen. Tote Jägerinnen, tote Wächter – gestorben aus
Unfähigkeit. Nicht immer zählt Quantität im Kampf.“ – 8.15
Die
Zerstörungen der Reiter. Lily, die Lenhardt freundlich anlächelt. „Aber natürlich. Ich bin sehr
gespannt. Auf Wiederhören.“, Lenhardt legt den Hörer auf und blickt Lily
an, „Wo waren wir stehen geblieben?“ –
8.16
Teaser:
England, Notting Hill, Neues Ratsgebäude:
Lily (V.O.): „Wir alle lügen. Es liegt wohl ganz einfach in
unserer Natur, ist ein angeborener Trieb, wie so viele andere Dinge auch, die
unser Leben maßgeblich bestimmen. Wo wäre die Menschheit ohne ihre Triebe?
Längst ausgestorben!“
Die schwere Tür aus tiefrot lackiertem Holz wurde in Eile
aufgestoßen, und Lily nahm umringt von zwei niedrigeren Angestellten des Rates
die letzte Stufe der Treppe, sie betraten einen langen Flur. Die Dame an der
Rezeption unten warf ihnen einen beunruhigten Blick nach, als würde sie
überlegen zum Telefon zu greifen und den Besuch voranzukündigen. Mit einem
lauten Knall fiel die Tür hinter Lily wieder ins Schloss.
Lily (V.O.): „Ein Lüge ist etwas alltägliches, wir wachsen mit
ihnen auf, benutzen sie um uns selbst in einem besseren Licht erscheinen zu
lassen oder um Menschen, die wir lieben vor der Wahrheit zu schützen. Wir
benutzen sie um im Leben weiter zu kommen und um anderen gegenüber nicht
unfreundlich sein zu müssen. Was ist es also, was sie so an uns zehren lässt,
dass wir das Gefühl haben wegen ihnen keine Ruhe mehr zu finden?“
Der hohle Klang ihrer Schritte hallte im hohen, mit Mahagoni-Holz
getäfelten Gang wieder, während die ersten Strahlen der Morgensonne, die durch
die Fenster fielen ihren Weg in ein helles, durchdringendes Licht tauchten. In
ihrem Gesicht konnte man förmlich ihre Anspannung sehen, die Wörter, die sie
sich zurechtgelegt hatte liefen immer wieder vor ihrem inneren Auge ab.
Lily (V.O.): „Sicher, uns wird von der Kindheit an erzählt, dass
Lügen etwas böses sein, doch begreift wohl jeder schon bald, dass unser Leben,
wie wir es kennen nur mit Lügen funktionieren kann. Wir brauchen sie.“
Die beiden Angestellten warfen sich fragende Blicke zu, die Lily
keineswegs entgingen, sie schienen eine Antwort irgendeiner Art zu erwarten,
doch Lily hatte keine Zeit sich mit so kleinen Rädchen im Getriebe des Rates zu
beschäftigten; Zeit war es, woran es ihr generell mangelte.
Lily (V.O.): „Doch vielleicht ist es wirklich gerade diese
warnende Stimme unserer Eltern, die hinter unserem schlechten Gewissen steckt,
wer weiß.“
Sie bogen um eine Kurve, ihr Ziel rückte in greifbare Nähe, es war
zu spät für einen Rückzieher, es würde entweder klappen, all die kleinen
Rädchen würden sich in ihrem Rhythmus drehen, oder sie würde alles verlieren, was
sie je erreicht hatte. Das Getriebe war gut vorgeölt.
Lily (V.O.): „Womöglich kann man so die kleinen und großen Lügen
des Alltags vor sich selbst rechtfertigen, doch was ist wenn es eine andere Art
von Lüge ist? Lügen die unumgänglich waren, obwohl wir sie nicht aussprechen
wollten? Wie kann man sich rechtfertigen und von der Last befreien einen
Menschen angelogen zu haben, den man liebt? Einen Menschen für den man fast
alles getan hätte, außer die eigenen Prinzipien aufzugeben.“
Mit einem Schlag entspannte sie ihr Gesicht, ihr Schauspiel musste
authentisch wirken, sogar ihre Schritte, die auf den frisch gebohnerten
Marmorboden hämmerten, wurden langsamer und klangen nicht mehr so hektisch.
Lily (V.O.): „Dies sind wohl die Lügen, die man sich nie wird
selbst verzeihen können, egal wie viel Zeit vergeht. Man kann nur hoffen, dass
der den man liebt es kann. Nur hoffen und beten!“
Sie erreichten die Tür, der linke Angestellte trat etwas
ehrfürchtig hervor und drückte die Klinke langsam herab, und mit leisen Knarren
öffnete sich der rechte Flügel. Kaum merklich zeichneten sich auf Lilys Lippen
zwei letzte Worte ab, bevor sie die Höhle des Löwen betrat: „Verzeih mir!“
Die Wächter waren wohl gerade in eine Diskussion vertieft gewesen,
und blickten etwas verärgert auf, als die Tür geöffnet wurde. Einer schien kurz
davor zu sein laut loszubrüllen, dass sie jetzt nicht gestört werden wollten,
doch als er sah, wer in den Raum eintrat verkniff er es sich. Die anderen
verstummten ebenso und richteten ihre Blicke überrascht zur Tür.
Lenhardt, der am Ende des Tisches saß erhob sich, für einen kurzen
Augenblick bemerkte Lily ein aufmunterndes Lächeln in seinem Gesicht, was
jedoch schnell wieder einer aufgesetzten Überraschung wich: „Ms. Usher, wir
dachten sie wären in Amerika, bei Mr. Giles! Ist irgendetwas vorgefallen?“, in
einer übertrieben freundlichen Geste bot er ihr seinen Stuhl an, „Setzen sie
sich erst einmal, sie sehen ja völlig fertig aus!“
Idiot! Wenn man dieses Spiel spielte sollte man es auch beherrschen,
jeder der ein bisschen auf Mimik des gealterten Wächters geachtet hätte, hätte
sofort gemerkt, dass seine Überraschung nur gespielt war, doch keiner der
anderen schien darauf zu achten, vielleicht wollten sie es auch einfach nicht.
Lily warf
einen Blick in die Runde. Viele bekannte Gesichter von früher blickten sie
interessiert und etwas beunruhigt an. Doch sie waren so leicht zu durchschauen,
dass es ihr fast Angst machte. Man konnte all die Gedanken, die ihnen durch den Kopf
gingen, nur allzu einfach erraten.
Lily erhob ihre Stimme: „Bitte entschuldigen sie, dass ich sie
störe, doch die Angelegenheit, in der ich mich an sie wende, meine verehrten
Damen und Herren des Rates der Wächter, ist eine sehr ernste, und sie kann
keinen Zeitaufschub mehr vertragen.“
Inzwischen war diese Tatsache ihnen wohl auch klar gewesen.
„Es ist mir unangenehm, mich in dieser Angelegenheit zu äußern,
denn es geht um einen Mann, dem wir alle sehr viel verdanken, und in anbetracht
dessen scheint das was ich jetzt zu sagen habe noch weitaus unangebrachter, und
dennoch, dennoch muss es gesagt werden.“
Verhaltenes Schweigen. Einige warfen sich gegenseitig Blicke zu.
Unsicher, wie ihr Gegenüber das ganze auffasste.
„Rupert Giles.“, sein Name schmeckte bitter, als er über ihre
Zunge glitt, „Wie die meisten von ihnen wohl wissen habe ich Mr. Giles in den
letzten Monaten in den USA assistiert, eine neue Wächterzentrale aufzubauen.
Die Arbeiten dort liefen gut, wir kamen gut voran, nichts worüber man sich
ernste Sorgen machen müsste. Dennoch ist mir eine Entwicklung aufgefallen, die
mich sehr beunruhigt hat, und mich daran zweifeln lässt, dass wir Mr. Giles den
Rat in dem Maße anvertrauen, in dem wir es im Moment tun.“
Alle Blicke waren starr auf sie gerichtet.
„Was genau wollen sie damit sagen?“, fragte Lenhardt von der
Seite, seine Stimme klang etwas überzeugender, doch sein Schauspiel war immer
noch nicht ideal.
„Genau das, was ich gesagt habe. Ich hatte die Gelegenheit Mr.
Giles die ganze Zeit über zu beobachten, und es fällt mir schwer, gegen ihn
Anschuldigungen zu erheben, denn er war immer sehr zuvorkommend zu mir, doch
dennoch…“, sie blickte auf den Boden und schwieg für einen Moment, dann fuhr
sie fort: „Ich habe begründete Zweifel daran, dass Mr. Giles in seinem momentanen
Zustand kompetent genug ist um den Rat zu leiten. Er scheint...“
Sie schwieg für einen Augenblick, als ob sie es nicht über die
Lippen bringen würde, dann, mit einem gut platzierten Seufzer, überwand sie
sich doch dazu: „Ich glaube er hat ernste psychische Probleme, was man ihm
vermutlich auch nicht verdenken kann, nach all dem was ihm widerfahren ist,
doch trotzdem kann man ihn nicht weiter als Leiter des Rates tolerieren.“
„Was meinen sie konkret?“, wollte Roger Wyndham-Price von der
rechten Seite wissen.
„Nun ja, er ist über die Maßen paranoid, es verging kein Tag, an
dem er mir nicht von irgendwelchen Verschwörungen gegen ihn, oder anderen
Anschuldigungen gegenüber den Wächtern erzählt hat, einmal ging er sogar so
weit zu behaupten, dass einer aus unseren Reihen Ms. Rosenberg bewusst
physischen Schaden zufügen würde, und stellte Mutmaßungen darüber an, dass die
Wächter etwas damit zu tun hätten, dass keine Information über die Hüterinnen
mehr zu existieren scheint!“
Die Wächter schauten sie erwartungsvoll an, sie dachten wohl, dass
sie noch eins drauf legen würde, um ihre Vorwürfe zu untermauern, und das tat
sie.
„Er sieht in allem und jedem einen Feind, auch wenn es ihm die
Wächter besonders angetan haben, doch auch das Militär der USA ist für ihn ganz
klar in eine Verschwörung gegen ihn und seine Jägerin verwickelt gewesen. Aber
um auf seine Jägerin zu sprechen zu kommen: Er hat eine unglaublich starke
Bindung zu ihr, jegliche Distanz zwischen ihnen, die in einer Notsituation für
sie sowie auch für ihn selbst lebenswichtig sein könnte, scheint nicht mehr zu
bestehen. Wenn es um sie und ihren Freundeskreis geht wirft er einfach alle
unsere Prinzipien über Bord, sogar wenn es darum geht eine dämonische Bedrohung
einzudämmen ist er nicht dazu bereit die nötigen Mittel zu ergreifen!“
Margaret Elliot, eine etwas beleibtere, ehemalige Angestellte des
Rates erhob sich: „Und haben sie irgendwelche Beweise, um diese Vorwürfe zu
rechtfertigen?“
„Nicht direkt, doch wie sie sicher wissen hatte Mr. Giles schon
immer Probleme mit dem Rat, er wurde sogar bereits einmal aus dem Rat
ausgeschlossen, als er sich weigerte die alt bewehrte Reifeprüfung an seiner
Jägerin durchzuführen.“
„Das war aber was anderes!“, meldete sich die Tochter der Alten
Cromwells zu Wort, „Außerdem haben wir uns inzwischen selbst gegen diese
bestialische Prüfung entschieden!“
„Mag sein, doch es beweist, dass Mr. Giles noch nie bereit war
sich den Anweisungen des Rates zu fügen, wenn sie ihm nicht in den Kram passten
und er sich immer nur sich selbst gegenüber verpflichtet gefühlt hat! Nein,
beweisen kann ich meine Beobachtungen nicht wirklich, sie müssen sich wohl
entscheiden, wem sie eher vertrauen.“
Diese Anschuldigungen hatten gesessen. Sie atmete einmal kurz durch,
nächste Runde.
„Außerdem haben er und seine Jägerin regen Kontakt mit Dämonen
aller Arten, statt sie zu jagen verbünden sie sich mit ihnen und helfen ihnen
sogar. Erst vor wenigen Wochen habe ich selbst erlebt, wie sie einem bösartigen
und überaus gefährlichem F´rilar-Dämonen dabei halfen, eines seiner magischen
Augen wieder zu finden, was sich dummerweise einer von Mr. Giles „Freunden“
hatte transplantieren lassen! Ganz zu Schweigen von ihren ganzen dämonischen
Freunden und ihrem guten Ansehen unter der gesamten Dämonenwelt Clevelands. Mr.
Giles vertraut dahergelaufenen Dämonen mehr als uns Wächtern, was ihn als
Leiter das Rates vollkommen disqualifiziert!“
Sie blickte erneut in ihre Gesichter, Zahnräder knirschten,
Überlegungen gingen zu allen Seiten.
„Mr. Giles scheint, wie ich es sehe im Moment generell emotional
sehr verwirrt zu sein, einige male habe ich erlebt, wie er schreiend aus dem
Schlaf aufgewacht ist. Er schien die ganze Zeit über leicht erregbar und hat
mich einige male völlig grundlos angeschrieen, nur weil ich nicht seiner
Meinung war. Er erwartete von mir, dass ich alle seine Entscheidungen, egal wie
sinnlos sie waren unterstützte ohne sie zu hinterfragen; er konnte es einfach
nicht ertragen, nicht die totale Kontrolle im Rat zu haben und andere in seine
Entscheidungen einbeziehen zu müssen.“, beendete sie ihre Ausführungen.
„Sicher sind das schwere Anschuldigungen, doch vielleicht sollte
man mit ihm reden, ich bin sicher, Mr. Giles ist noch so weit bei Sinnen, dass
er uns zuhören würde, oder?“, wollte
Lenhardt wissen.
„Ich bezweifle, dass sie bei ihm Gehör finden würden, denn genau
das ist der Anlass, warum ich mich entschieden habe, mich an sie zu
wenden: Lange versuchte ich vor mir
selbst seine Fehlverhalten und Paranoia, auf Grund unserer alten Freundschaft
herunterzuspielen, doch schließlich war es mir nicht mehr möglich, ich
entschloss mich also, ihn in einem privaten Gespräch mit meinen Sorgen und
Beobachtungen zu konfrontieren. Darauf reagierte er zu erst ruhig und gefasst, hörte
sich an, was ich zu sagen hatte, ich
dachte, dass er sich meinen Rat zu herzen nehmen würde. Als ich aber mit dem
was ich sagen wollte fertig war reagierte er plötzlich völlig unkontrolliert
und sagte etwas davon, dass er von mir enttäuscht sei, und das ich genauso auf
der anderen Seite stehen würde, wie alle anderen Wächter auch. Er machte mir
Vorwürfe, dass ich irgendeinen Dämonen beschworen hätte, der für den Tod von
Vivian Claimore, einer seiner Jägerinnen in Cleveland verantwortlich war und dass
ich eine Dämonen-Mafia bezahlt hätte und damit Buffy und Dawn absichtlich in
Gefahr gebracht hätte; kurz er warf mir weitere völlig aus der Luft gegriffene
Anschuldigungen, die nicht den geringsten Sinn ergaben an den Kopf, und sagte
mir, dass er mich nie mehr sehen wollte. Ich nahm mir darauf hin den ersten
Flug nach England, um ihnen meine Beobachtungen persönlich berichten zu können.
Wie ich auf dem Flug von einem befreundeten Wächter erfuhr ging Mr. Giles sogar
so weit seine Geschichten über mich zu verbreiten und seine Jägerinnen auf mich
anzusetzen, deswegen wollte ich ihnen das ganze lieber persönlich berichten!“,
das Sahnehäubchen, das dem ganzen Kuchen einen viel süßeren Geschmack gab,
würden sie zugreifen und ihn probieren?
„Ich verstehe.“, sagte Lenhardt knapp, „Und was… Welches weitere
Verhalten würden sie in dieser Sache vorschlagen, Ms. Usher? Lily.“
„Das würde mich auch brennend interessieren!“, pflichtete Charles
Prescott ihm bei, scheinbar ohne das Spiel, das hier gespielt wurde, zu durchschauen.
„Nun ja, es wäre sicher falsch Mr. Giles nur auf Grund meiner
Anschuldigungen zu suspendieren, denn alles was ich ihnen erzähle, könnte natürlich
genauso an den Haaren herbeigezogen sein
wie seine Geschichten. Auch wenn sie mit Sicherheit wissen, dass dem nicht so
ist, wäre es nicht gerecht, und auch keinesfalls dem Kodex unseres Rates
entsprechend, wenn wir so verfahren würden. Aber dies ist nicht die Zeit für
einen in die Länge gezogenen Prozess, der Rat ist schwach, und könnte einer
neuen, bevorstehenden Apokalypse nicht standhalten, wenn er von jemandem wie
Rupert Giles geführt wird, genauso wenig könnte er es aber, wenn er
untereinander zerstritten ist. Und diese Bedrohung ist nicht nur hypothetisch:
Wer die Omen zu deuten weiß wird sehen, dass etwas großes, gefährliches bevor
steht; wir können es uns einfach nicht mehr leisten, schwach zu sein!
Daher schlage ich ein Misstrauensvotum meinerseits gegen Rupert
Giles vor, wenn zwei Drittel von uns hier meine Ansichten Mr. Giles betreffend
teilen wird er für unbestimmte Zeit aus dem Rat ausgeschlossen, bis wir genauer
wissen, was im Busch ist und uns darauf vorbereiten können. Nach einer abgelaufenen
Frist wird Mr. Giles vor einem Tribunal des Rates die Chance haben die hier
getroffene Entscheidung anzufechten. Wäre das in ihrem Interesse?“
Die anwesenden Wächter wechselten einige Worte, doch sie waren zu
leise, als dass Lily etwas verstehen könnte.
„Ja, ich denke das wäre wohl die effektivste Lösung.“, stimmte
Lenhardt ihr zu, er wirkte inzwischen wirklich fertig und am Ende mit seinen
Nerven, war er vielleicht doch ein besserer Schauspieler, als sie gedacht
hatte, oder spukten in seinem Kopf Sorgen, dass sie mit der ganzen Sache nicht
durchkommen würden? „Wer dem Misstrauens-Antrag von Ms. Usher zustimmt möge
jetzt bitte die Hand heben!“
Die erste Hand die sich mit einem tiefen Seufzer erhob war die der
alten Lady Ashcroft, deren Ehemann beim Attentat auf den Rat umgekommen war:
„Ich vertraue auf das, was sie sagen Mädchen, wir können es uns nicht leisten
nicht zu handeln!“
Lily warf ihr ein kaum merkliches Lächeln zu, das den anderen im
Saal wohl entging, doch Lady Ashcroft antworte nur mit einem kühlen Blick, der
die allgemein in ihrer Familie vertretene Meinung über die Ushers deutlich
wiedergab.
Ihr folgten unmittelbar die wenigen, die noch vom alten Schlag
übrig waren, so wie die neuen Mitglieder aus den alten Wächterfamilien, einige
der neuen Mitglieder, die Giles angeworben hatte guckten sich zu erst zweifelnd
um, fügten sich dann aber der Allgemeinheit.
Mit jeder Hand, die sich nach oben streckte wurde es für Lily
schwerer ein befriedigtes Lächeln zu unterdrücken, doch auch der fade Beigeschmack
in ihrem Mund wurde stärker, sie hatte es geschafft. Verzeih mir!
Cleveland, Wächterhaus, Morgen:
Es war ein herrlicher Morgen, die Sonne war gerade über den
Horizont gestiegen und tauchte die ganze Stadt in ein helles, freundliches
Licht. Der Zeitungsbote fuhr durch die kleine Wohnsiedlung, und trug die
Zeitungen aus und man konnte den heilen Familien in der Nachbarschaft durch die
Fenster dabei zu sehen, wie sie frühstückten. Wenig später machten sich die
Kinder auf zur Schule, und ihre Eltern guckten ihnen voller Stolz hinterher und
winkten ihnen zu.
Lily (V.O.): „Wieso muss das Leben nur so grausam sein, dass man
dazu gezwungen wird Lügen zu leben? Lügen die man gar nicht leben will.“
Als der Schulbus, voll mit den Kindern gerade um die Ecke gebogen
war, schob sich langsam ein tiefschwarzer Mercedes mit verdunkelten Fenstern in
die kleine beschauliche Straße hinein, der Fahrer hielt Schrittgeschwindigkeit,
während der Beifahrer mit dem Blick den Hausnummern nachging.
Lily (V.O.): „Wieso können wir nicht einfach mit den Menschen die
wir lieben zusammen sein, ohne das alles so kompliziert ist, warum müssen wir
sie anlügen und ihnen schließlich sogar so weh tun?“
Die Reifen drückten sich auf den durch die Morgensonne erhitzten
Asphalt und die schwere Karosse bewegte sich unerträglich langsam vorwärts, von
Haus zu Haus, bis sie schließlich stehen blieb.
Lily (V.O.): „Man wollte ihn nie anlügen, doch es blieb nichts
anderes übrig, es war der einzige Ausweg. Doch trotzdem hat man es getan und es
ist mehr als nur unverzeihlich.“
Die Tür öffnete sich und der Beifahrer stieg aus, ein
Brillenträger, förmlicher Anzug, er selbst wohl etwa Mitte 30, doch seine Haare
zeigten schon graue Ansätze. Er rief dem Fahrer noch etwas zu, dann ging er zum
Kofferraum und öffnete ihn.
Lily (V.O.): „Wie kann man mit dieser Last leben ohne sich selbst
anzulügen? Es ist schwer. Nahezu unmöglich, doch mit der Zeit lernt man es. Man
redet sich immer wieder ein, dass es für die gute Sache ist, dass er in dieser
Position genauso gehandelt hätte, man sagt sich, dass er es verstehen wird;
auch alles Lügen?
Ein Aktenkoffer auf dem in goldenen Lettern die Firma „Simons and
Partner“ verewigt war kam zum Vorschein. Geschickt öffnete der überaus korrekt
gekleidete Anwalt das Zahlenschloss, während er sich auf den Weg zur Haustür
machte, und zog ein Schreiben hervor, auf das ein Wachssiegel gepresst worden
war.
Lily (V.O.): „Ich denke nicht; ich hoffe dass nicht. Denn wenn all
das auch Lügen wären, wie sollte man sich dann vor dem den man liebt
rechtfertigen, wie sollte man ihm je wieder in die Augen blicken können?“
Er drückte die Klingel tief ein, einige Sekunden lang, dann
stellte er den Koffer neben sich ab und wartete.
Lily (V.O.): „Die Frage um die es hier wohl geht ist, welche Lügen
nötig sind, welche unumgänglich sind, und welche aber nur eigennütziger Natur
sind und nicht einem höheren Zweck dienen. Dies ist wohl die Frage, die mich
immer beschäftigen wird, bis ich ihm eines Tages wieder Angesicht zu Angesicht
gegenüber stehe.“
Mit einem etwas irritierten Ausdruck öffnete Giles die Tür, er
trug einen Morgenmantel und seine Haare sahen unordentlich aus. Er guckte den
Anwalt für einen Moment an, dann fiel sein Blick auf das Schriftstück in der
Hand des anderen Mannes und sein Blick verfinsterte sich. Eine düstere
Vorahnung, was im nächsten Moment über ihn hereinbrechen würde.
Vorspann
Akt 1:
Cleveland, College, Vormittag:
Mit einem leichten Brennen in den Augen warf Willow einen Blick
durch den Vorlesungssaal. Obwohl diese Unterrichtstunde vom Dozenten vorverlegt
wurde, hatte sich niemand gescheut sein Bett früher zu verlassen. Die Hüterin
blätterte in ihrem Notizblock, und suchte nach den letzten wichtigen Details zu
diesem Fach.
Mit einem Ohr versuchte sie dem Lehrstoff zu folgen, doch auch wenn sie sich
stark darauf konzentrierte, wurden ihre Überlegungen von dem zuerst leisen
Getuschel abgelenkt. Es war untypisch für den leicht grauhaarigen Dozenten, so
etwas zu dulden. In ein paar Tagen würde die letzte Prüfung für dieses Fach
abgehalten werden, also schob die Hüterin seine Lockerheit darauf, dass er sich
schon im nächsten Semester auf einige von ihnen freuen würde.
Die lauten Worte des Professors hallten durch den ganzen Saal. Insgeheim hoffte
sie dass ihre Mitstudenten sich doch noch disziplinierter verhalten würden, da
sie nur wenige Stunden geschlafen hatte, und sich an diesem Morgen bereits
leichte Kopfschmerzen zu Wort gemeldet hatten.
Mit einem Grinsen auf den Lippen schob der Dozent eine der beiden Tafeln
beiseite, und eröffnete den Studenten eine Vielzahl an mathematischen Formeln
die anscheinend um den letzten freien Platz auf der Tafel kämpften. Einige
Seufzer wurden vom Flüstern der Zuhörer untermalt, und als Willow die anderen
beobachtete, zog auch sie widerwillig ihren Kugelschreiber.
Doch wenn sie sich auf die Tafel konzentrierte, verschwommen die Ziffern vor
ihren Augen, und wurden immer unlesbarer. Der Versuch auf die erklärenden Worte
des Dozenten zu hören scheiterte kläglich, als das immer lauter werdende Reden
ihrer Kollegen nun eine etwas höhere Lautstärke erreicht hatte.
Als sie ihre Versuche aufgab, glitt ihr Blick in die Richtung aus der die
Stimmen zu kommen schienen. Etwas verwirrt stellte sie fest, dass es den
Anschein machte, als würden die ganzen Studenten nur stumm ihre Notizen
vervollständigen.
Sie schloss die Augen, und versuchte sich mehr auf die Stimmen zu
konzentrieren, um der Unterhaltung zu folgen.
„Ich krieg’ dich du Monster!“, eine jugendlich klingende Frauenstimme lies
Willow aufschrecken, mit einem leisen knackenden Geräusch fiel ihr
Kugelschreiber auf die Treppe, und rollte langsam die Stufen hinunter. Einige
warfen den Blick in ihre Richtung, wandten dann aber ohne Interesse ihre Köpfe
ab. Erneut sah Willow durch den Hörsaal, doch nun fühlte sie sich nur noch mehr
in ihrer vorher herausgefundenen Erkenntnis bestätigt.
Die Hüterin atmete tief durch, und konzentrierte sich auf die kaum leserlichen
Buchstaben auf ihrem Block. Ihre Finger, die sie vor ein paar Sekunden auf den
Rand des kleinen Pultes vor ihr gelegt hatte, fingen langsam an sich zu
verspannen und umklammerten das Holz.
„Das hat weh getan du Blutsauger!“, die Hüterin zuckte zusammen, und traute
ihren Ohren nicht. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie denken dass eine
Frau mittleren Alters direkt neben ihr stand, und zum Angriff ansetzen würde.
Auch wenn sie sich insgeheim sicher war, dass so etwas unmöglich war, fing ihr
Herz an schneller zu schlagen. Die Versuche, ihren Atem regelmäßig zu halten,
schlugen fehl.
‚Nein, nicht hier!’, Willow holte tief Luft, und versuchte sich einfach nur auf
den trockenen Lehrstoff zu konzentrieren, von dem aber in diesem Moment nichts
in ihrem Gedächtnis hängen blieb.
Ihr ganzer Körper verspannte sich. ‚Ich prügele dich windelweich!’
In dieser Sekunde hob Willow den Kopf, und sah direkt in die dunkelblauen Augen
eines Mädchens. Vielleicht etwas jünger als sie selbst. Ihr ganzer Körper war
gezeichnet von Wunden, und auf ihrem Kopf prangte seitlich eine Platzwunde.
Ihre blonden und verdreckten Stirnfransen hingen ihr ins Gesicht. Mit einem
Feuer in den Augen startete das Mädchen zum Angriff. Instinktiv versuchte
Willow sich zu ducken, doch bis auf einem kurzen Windhauch auf ihrer Haut war
nichts mehr von dem Mädchen zurückgeblieben.
Im nächsten Augenblick drangen weitere Stimmen in ihren Kopf vor. Schweiß rann
von Willows Stirn, und auch wenn sie sich einredete dass das alles nicht
passieren konnte, fing sie plötzlich an heftig zu zittern. Die Schreie, die
langsam aber stetig lauter wurden, ließen sie ihre Hände gegen ihre Ohren
pressen. Doch das einzige was sich an der Situation veränderte war, dass ein
stechender Schmerz ihre Wirbelsäule zur Erstarrung brachte. Als sie die Augen
schloss, wurde das blondhaarige Mädchen in ihre Richtung geschleudert.
Ein zerfressendes Stechen meldete sich zu Wort, und jeder einzelne Herzschlag
den sie hören konnte steigerte ihre Kopfschmerzen, die sich langsam zu einem
dumpfen und unangenehmeren Gefühl ausbreiteten. Als Willow Hilfe suchend ihren
Blick durch den Hörsaal warf, sich gleichzeitig aber ermahnte nicht laut los zu
schreien, verschwamm die Umgebung immer mehr. Als sie sich auf die Tafel
konzentrierte, verdunkelte sich der Hörsaal, und Graffiti auf den Wänden wurde
sichtbar.
Willow atmete tief durch, und legte ihren Kopf auf das Pult vor ihr. Insgeheim
war sie froh, dass die Stimmen in ihrem Kopf vom Regen der langsam auf ihren
Körper prasselte übertönt wurden. Doch als sie auf den Asphaltboden unter ihren
Füßen starrte, weiteten sich ihre Augen.
Ein weiterer, schmerzerfüllter Schrei ließ ihre Adern gefrieren. Mit einem
lauten Klirren wurde die Jägerin gegen die Feuerwehrleiter in der Seitengasse
geschleudert. Die Hüterin rang nach Luft, doch jeder Atemzug brannte in ihren
Lungen. Als Willow ihren Körper zitternd wieder aufrichtete fiel ihr Blick auf
den Gegner der Blondine. Ein großer wie breiter Vampir stand mit einem
siegessicheren Grinsen vor ihr. Seine vernarbte Vampirfratze strahlte nahezu,
als die Jägerin sich wackelnd aufrichtete, nicht ohne sich an der verrosteten
Leiter abzustützen.
Im nächsten Moment rannte er auf sie zu. Die Jägerin konnte gerade noch
rechtzeitig reagieren und den Angriff abwehren, wurde aber vom nächsten Schlag
des Vampirs genau in den Bauch getroffen. Willow wollte schreien, doch das
einzige was aus ihrer Kehle kam war das Blut, das die Blondine in der selben
Sekunde hustend ausspuckte. In Panik versuchte Willow die dunkelrote
Flüssigkeit abzuwischen, doch ihre noch immer zitternden verkrampften Hände
konnte sie nicht richtig bewegen.
Der Vampir griff erneut an, und ohne sich um die Angriffe seiner Gegnerin zu
kümmern, packte er ihren Hals, und hob sie hoch. Willow blieb der Atem stehen.
Das Blut schnürte langsam ihre Kehle zu. Gleichzeitig schmerzte ihr Rücken, und
die Wunde an ihrer Schulter der der Vampir der Jägerin soeben mit einem
gekonnten Schlag zugefügt hatte.
Ihr Herz pumpte das Blut wie wild durch ihren Körper, und ihre Schläfen
hämmerten gegen ihren Kopf.
Mit einem hysterischen Lachen wuchtete der Blutsauger seine zerkratzte Faust
erneut gegen die Jägerin.
Die Hüterin wurde nach hinten geschleudert, doch die Jägerin befand sich wie
vorher noch in der Klaue des Vampirs. Willows ganzer Körper brannte vor
Schmerz. Als sie auf die Stufen des Hörsaals neben ihr geschleudert wurde,
konnte sie ein schreien nicht unterdrücken.
Mit letzter Kraft packte die junge Jägerin den Holzpflock den sie an ihrem
Gürtel befestigt hatte. Es gelang ihr den Vampir mit einem Fußtritt ins wanken
zu bringen. Mit Schwung konnte sie ihren Gegner gegen die Wand schleudern. Sein
Griff lockerte sich, und dass nutzte das Mädchen, um den Vampir mit einem
weiteren Fußtritt zu schädigen. Seine Augen weiteten sich als er sie panisch
ansah, und spürte wie sich der Holzpflock der Jägerin in seinen Brustkorb
bohrte. Mit einem zerrissenen Schrei in Willows Kopf kam die Hüterin wieder zur
Besinnung.
Verwirrt starrte sie auf die Treppe unter ihr. Erst ein paar Sekunden später registrierte
sie, dass sie jeder im Hörsaal fixierte. Als sie spürte wie einige Tropfen Blut
aus ihrem Mund tropften, stand sie mit wackelnden Beinen auf, und packte so
schnell es ging ihre Unterlagen.
Belustigt über den so eben gehörten Schrei, drang Kichern in ihre Ohren,
welches dieses Mal wirklich durch ihre Mitstudenten verursacht wurde. Auch der
Dozent konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Doch Willow würdigte sie
keines Blickes, und lief einfach die Treppen hinauf. Es war etwas anderes was
sie zu Recht beschäftigte. Ihr ganzer Körper fühlte sich ungewohnt an, als wäre
es nicht ihr eigener. In ihren Gliedmaßen steckte noch immer die Furcht, und
auch ein Teil des Schmerzes den sie so eben erlebt hatte.
Als sie auf ihre Finger sah, wurde ihr bewusst dass es wirklich ihr Blut war,
und dass sich diese Vision sehr real angefühlt hatte. Noch leicht schwindelig
auf den Beinen machte sie sich auf den Weg zur Frauentoilette.
Als sie vor dem Spiegel stand, wurde ihr bewusst dass sie einfach fürchterlich
aussah. Dunkle Augenringe hatten sich unter ihren Augen gebildet, und ihr
ganzer Körper hatte eine ungesunde, weiße Farbe. Ihre zerzausten Haare sahen so
aus, als wären sie gerade frisch getrocknet.
Mit noch immer leicht zitternden Händen betätigte sie den Wasserhahn, und
kühlte ihr Gesicht mit dem frischen Wasser. Als sie erneut in den Spiegel
blickte, war sie sich nicht sicher ob der leicht blaue Schimmer in ihren Augen
wirklich da war, oder ob es ein Funken Farbe von den blauen Augen der Jägerin
war.
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als plötzlich ihr Handy vibrierte. Leicht
erschrocken holte es sie aus ihrer Hosentasche hervor.
„Hallo? Giles! Sie rufen gerade richtig an.“, der Wächter hatte wie auf Knopfdruck
angerufen. Doch in seiner Stimme spiegelte sich Verzweiflung wieder.
„Wie bitte? Lily hat den Rat übernommen?“, schockiert über diese Information,
und Giles Gemütszustand stellte sie ihr eigenes Anliegen zurück. Immerhin hatte
diese Jägerin den Vampir besiegt, und es war nicht so als würde sie immer noch
in Gefahr sein. Vorerst hatte Giles Vorrang.
„Ich komme.“, mit diesen Worten legte Willow auf, und machte sich auf den Weg
zu Giles, nicht ohne noch immer ein leichtes Stechen in ihren Gliedern zu spüren.
Außerhalb von London, Lilys Pferdegestüt, früher Vormittag:
Die Wächter waren noch dabei einige formale Kleinigkeiten zu
regeln, doch Lily hatte das getrost Lenhardt überlassen, der schwierigste Teil
des Unterfangens war vorüber, die wichtigeren Wächter waren mehr oder weniger
überzeugt, oder zumindest auf ihrer Seite, jetzt ging es nur noch darum eine
Fassade weiter aufrecht zu erhalten; ein Gebiet in dem sie bereits oft genug
geglänzt hatte.
Langsam trat sie in ihr altes Zimmer, hängte ihre Jacke auf und
setzte sich auf ihr übergroßes Bett. Wie lange war sie jetzt schon nicht mehr
hier gewesen? Es war komisch nach allem was vorgefallen war wieder „zu Hause“
zu sein.
Kritisch sah Lily ihrem
eigenen Spiegelbild entgegen und für einen Moment betrachtete sie ihr Gesicht –
das war die Lily Usher, die alle kannten und liebten. Sie ließ ihre Hand über
ihr Kinn gleiten und dabei nahm ihr Ausdruck etwas Müdes und angespanntes an,
als sie ihren Gedanken weiterspann: war es denn auch ihr wahres Gesicht, oder
auch nur eine Fassade, wie so vieles in ihrem Leben?
Sie streifte ihre Schuhe ab und griff zu einem mit einigen Notizen
bekritzelten Stück Papier, das auf ihrem Nachttisch lag. George ein alter
Freund ihres Vaters gab heute Abend zum Anlass ihrer Rückkehr einen kleinen
Empfang, und es war wohl besser, sich eine Rede und ein paar Antworten auf
Fragen zu Recht zu legen, denn es war kompliziert eine Lüge dieses Ausmaßes zu
verbergen, das wusste sie aus ihren Erfahrungen nur zu gut.
Details waren wichtig, man musste sich über die eigene, erfundene
Version der Ereignisse ohne irgendwelche Zweifel oder Ungenauigkeiten klar
sein, denn sonst brach ein mühselig gestricktes Netz aus Lügen schneller
zusammen als jedes Kartenhaus. Jede Lüge hatte ihre Schwächen, die nicht immer
in der Planung, sondern oft auch beim Lügner selbst lagen. Man konnte sich eine
noch so geschickte und glaubwürdige Geschichte überlegen, wenn man es nicht
schaffte sie überzeugend rüberzubringen war sie nutzlos.
Ihr Netz war sehr dicht und sie musste zu geben, dass sie ein
bisschen stolz darauf war, wie sie alles in so kurzer Zeit, nachdem ihr
Vorhaben mit Dawn in Cleveland gescheitert war, zusammengefügt hatte.
Allerdings war es eine Art von Stolz, die sie nur sehr schwer genießen konnte, denn
sie wusste wie viel sie mit diesen Lügen zerstörte.
Ohne richtig bei der Sache zu sein, hatte sie einige Worte auf den
Zettel geschrieben, sie dann jedoch wieder durchgestrichen, ihre Rede musste
etwas Feuriges haben, etwas, das die Wächter wieder wachrüttelte, ihre
eingerosteten Herzen weckte, sie an die alte Zeit erinnerte und sie für die
alte Tradition begeistern ließ.
Für einen Moment klang die Stimme ihres Vaters in ihrem Kopf
wieder, wie ein lang vergessenes Echo, doch sie verlor sich schnell wieder.
Wäre er doch an ihrer Stelle gewesen, er hatte es verstanden Menschen von
seiner Sache zu überzeugen. Vielleicht würden seine Worte ja bei der Rede
helfen?
Lily versuchte sich an ihn zu erinnern, seine Sprache, die Dinge, die er gesagt
hatte, und begann erneut Dinge zu notieren, die ihr für die Rede einfielen. Es
klappte eine Weile, doch dann kam sie ins Stocken, es ging aus irgendeinem
Grund nicht mehr weiter.
Frustriert legte sie ihre Kritzeleien bei Seite und lies sich
zurück fallen auf die weiche Matratze: „Verflucht Rupert, warum musstest du es
sein, der die Regeln geändert hat, warum konnte es nicht einer dieser normalen,
langweiligen Bürokraten sein, von denen der Rat sowieso überquillt? Jemand, den
man mit Leichtigkeit um den Finger wickeln und ohne irgendwelche Gewissensbisse
belügen kann? Warum du?“, sie seufzte. Und dann war es zu allem Überfluss und
wider ihren ursprünglichen Plänen auch noch so weit gekommen, dass sie den Rat
hatte an sich reißen müssen.
Eines Tages, da war sie sich sicher, würde er es verstehen, und
sie könnten zusammen glücklich werden. Eines Tages. Doch mit jeder Lüge rückte
dieser Tag in weitere Ferne.
Sie fragte sich, was er wohl gerade tat. Hatte er die Nachricht
des Rates schon bekommen? Dachte er genau so viel an sie, wie sie an ihn?
Vermutlich schon, doch seine Gedanken
waren wohl nur erfüllt von Wut und Verzweiflung über ihren Verrat.
Vor ihren Augen formte sich ein Bild von ihm, wie er in seinem
Arbeitszimmer saß, allein vor sich ein Glas Scotch, in seinem Gesicht ein
Ausdruck der Verletztheit. Sie schob dieses Bild so schnell wie möglich aus
ihrem Verstand heraus.
Über Giles könnte sie immer noch nachdenken, wenn das alles vorbei
war, sie könnte sich überlegen, was sie ihm sagen würde, und wie sie die Sache
wieder ins Reine bringen könnte, doch im Moment gab es Dinge, die wichtiger
waren als er, wichtiger als ihre Liebe, wichtiger als alles andere in ihrem
Leben. Denn noch immer galt es umzukehren, was eine eifrige Jägerin und ihr
höriger Wächter umgekrempelt hatten. Die Ziele, die ihr Vater gelehrt hatte
waren das, was im Moment zählte.
Sie schüttelte über sich und ihre Abgelenktheit den Kopf, ehe sie
wieder zu ihrem Entwurf der Rede griff und sich erneut zu konzentrieren
versuchte. Sie würde sich erst andere Gedanken gestatten, so bald sie ihre Rede
beendet hätte.
Cleveland, Wächterhaus, Mittag:
Stille. Allen Anwesenden war der Schock ins Gesicht geschrieben,
Andrew hatte aufgehört mit dem Handy zu spielen, und Xander hatte über diese Nachricht
beinahe den vorwurfsvollen Blick vergessen, den er seinem ehemaligen
Zimmergenossen unentwegt zuwarf. Kennedy hatte Willows Hand ergriffen, Buffy
starrte Giles an, als wäre es ein Scherz, den er gleich auflösen würde und Dawn
blickte befangen in die Runde, vom einen zum anderen.
Keiner von ihnen wollte der erste sein, der etwas sagte, und so
herrschte andächtiges Schweigen, seit Giles seinen Bericht beendet hatte. Der
alt gediente Wächter umklammerte die Nachricht des Rates immer noch, als ob sie
sein einziger Halt wäre.
Buffy warf einen flüchtigen Blick zu den anderen, alle schienen
abzuwarten, ob irgendjemand etwas sagen würde, also machte Buffy schließlich
den Anfang: „Kann Lily das denn so einfach entscheiden? Ich meine, sie haben
den Rat neu aufgebaut, für die Gelder gesorgt und das alles, da kann Lily doch
nicht einfach kommen und… Oder doch?“
Mit einem Schlag waren alle Blicke auf sie gerichtet, es war etwas
unangenehm, doch sie sah auch ihre Erleichterung, dass jemand etwas gesagt
hatte.
Langsam erhob Giles, der
sich dazu zwingen musste überhaupt noch irgendetwas zu dem Thema sagen zu
können, seine Stimme, um ihr zu antworten: „Sie hat einen Misstrauensantrag
gegen mich gestellt und dieser wurde von den anderen Wächter mindestens zu zwei
Dritteln angenommen. Das heißt, dass ich vorerst vom Rat ausgeschlossen werde,
bis ein Tribunal einberufen werden kann, das darüber entscheidet, ob der
Misstrauensantrag rechtmäßig war und ob die Entscheidung von Dauer ist, bis
dahin muss ich alle meine Rechte und Pflichten als Mitglied des Rates
aufgeben.“ Seine Stimme klang resigniert, als ob er über das Wetter oder etwas
anderes völlig belangloses Reden würde.
„Gab es so etwas auch schon als sie das erste Mal aus dem Rat
verbannt worden sind? Ich kann mich nicht erinnern, dass sie damals nach
England gefahren sind!“, fragte Xander etwas unsicher, er wusste nicht, ob es
nicht besser wäre, wenn er einfach seine Klappe halten würde. Immerhin hatte er
zu diesem Thema nicht viel zu sagen, und bevor er irgendwelchen Unsinn
plapperte, wäre es vermutlich besser gar nichts zu sagen, so sehr er Giles auch
helfen wollte.
„Nein“, räumte Giles zähneknirschend ein, die traurige Ironie
hinter seinen Worten entging wohl keinem, „um ehrlich zu sein habe ich diesen
neuen Verfahrensweg eingeführt, um mich im Notfall so schnell wie möglich von
alteingesessenen Wächtern mit gefährlichen Gedanken schützen zu können.“
„Und was passiert nun mit uns Jägerinnen?“, wollte Kennedy wissen,
sie hielt es für das Beste eine praktische Frage zu stellen. Bevor Giles
antworten konnte meldete sich Wood zu Wort, er sah nicht gerade glücklich aus:
„Ich erhielt heute morgen einen Anruf vom Rat: Lily hat mir die Stelle von Mr.
Giles in Cleveland anvertraut, vermutlich will sie vermeiden, dass jemand, der
Einfluss im Rat hat in Kontakt mit Giles kommt, und schiebt es deswegen
„großzügig“ mir zu.“
„Heißt das, dass sie jetzt nach ihrer Pfeife tanzen?“, rutschte es
Xander entrüstet heraus.
„Sie hat es befohlen, es gibt leider nichts, was ich tun kann,
außerdem ändert es am Endergebnis nichts. Ansonsten käme sie vielleicht noch
auf die Idee unsere Jägerinnen hier in Cleveland über den ganzen Globus zu
verteilen!“, Wood zuckte resigniert mit den Schultern, damit war das Thema für
ihn erledigt und selbst Xander musste einsehen, dass der Wächter recht
hatte.
„Und es gibt wirklich nichts, was wir dagegen unternehmen
können?“, Buffy starrte ihren Mentor entgeistert an, „Es kann doch nicht sein,
dass Lily ein grausames Spiel mit uns spielt – Menschen ermordet und andere
entführt - und dann von einem Tag auf den anderen den Rat übernimmt, sie
müssten sich doch wenigstens verteidigen können!“
„Ich bezweifle, dass ich den Rat dazu bringen könnte die Wahrheit
über Lily zu glauben, ihre Familie ist unter den Wächtern viel zu gut
angesehen, außerdem zweifle ich nicht daran, dass viele ihre Ansichten teilen
werden. Sie haben sich bisher nur nicht getraut etwas gegen mich zu sagen, doch
jetzt, wo ich in Ungnade gefallen bin werden sie aus ihren Löchern kriechen und
sich auf ihre Seite schlagen. Es war so klar, dass das geschehen würde, nachdem
ihre Pläne mit Dawn misslungen waren. Doch ich war zu blind, um schnell genug
zu handeln!“, Giles ballte seine Faust, „Ich war seit wir erfahren haben, wer
Lily wirklich ist zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt, um mich gut
genug um den Rat zu kümmern, das wusste sie, sie kennt mich einfach zu gut.“
„Und wenn ich versuchen würde, mit ihnen zu reden? Immerhin kennen
sie mich!“, schlug Willow vor, und Xander der neben ihr saß nickte zustimmend,
doch Giles wirkte den Vorschlag sofort ab: „Es hätte keinen Sinn, sie würden
dich nicht akzeptieren, außerdem schafft Lily es bestimmt auch sie davon zu
überzeugen, dass ich dich gegen sie aufgehetzt habe.“
„Nun sicher hat Lily einige Macht im Rat, aber es sind ja auch
einige unserer eigenen Leute in wichtigen Positionen, und ich bin mir sicher,
dass wir eine Chance hätten gegen Lily anzukommen, wenn wir einige wichtige
Wächter auf unsere Seite ziehen würden.“, schlug Wood vor.
„Ja, da muss doch irgendwie etwas zu biegen sein, sie haben
schließlich auch Freunde im Rat, sonst wäre es ihnen nie gelungen ihn alleine
wieder aufzubauen!“, pflichtete Buffy ihm bei, ohne die Situation wirklich einschätzen
zu können.
„Sicher. Sicher, das könnten wir wohl versuchen.“, Buffy bemerkte
erneut wie gleichgültig Giles Stimme klang, er wirkte gebrochen. Es tat weh ihn
so leiden zu sehen, ein Grund mehr Lily endlich in die Finger zu kriegen, und
ihr die selben Schmerzen zufügen, die sie ihnen bereitet hatte.
„Gut, dann werden wir das als erstes versuchen, das ganze muss
systematisch angegangen werden, wir brauchen eine Tafel oder so etwas, und eine
Liste von Wächtern.“, Wood wirkte sehr
angespannt.
Andrew, der sich bisher ruhig gehalten hatte, sprang auf: „Ich
habe da in Mr. Giles Keller was gesehen, einen Moment!“
Cleveland, ein Cafe, gleiche Zeit:
“Also, habe ich Sie richtig verstanden, Sie wollen einen Krieg führen...“,
D’Hoffryn nahm eine weitere Gabel von seiner Sachertorte nach original
wienerischem Rezept, “Sie haben keine Ahnung, wie mächtig ihr Gegner ist,
geschweige denn, wo er sich überhaupt aufhält, aber Sie wollen ihn bekämpfen.
Mit einer derzeit noch nicht existenten Armee...“
“Sie haben es erfasst.“, Kan Hsirg, oder besser gesagt, Mr. Romero – ein
öffentliches Café war sicher nicht der richtige Ort um sich in seiner wahren
Gestalt zu zeigen – zog mit einem bestätigenden Nicken an seiner Zigarre, “Ein
Krieg. Und wie Sie sicher mitbekommen haben, befinde ich mich noch im
Anfangsstadium meiner Planung.“
“Darauf wäre ich nie gekommen“, entgegnete der oberste Rachedämon mit feiner
Ironie in seiner Stimme.
“Nun, ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden, ich gebe offen zu,
dass ich mich hier auf Neuland bewege“, fuhr der Läufer des Htogrom Clans mit
seinen Ausführungen fort. “Natürlich führen ich und meinesgleichen einen Krieg
gegen die Menschheit, aber das ist ein völlig anderes Thema und hat nichts mit
dieser Sache zu tun. Hier geht es nämlich um einen Krieg im eigentlichen Sinne
– angreifen – zuschlagen – vernichten. Können Sie mir folgen?“
“Gewiss.“, D’Hoffryn nahm das nächste Stück Sachertorte und fragte sich, warum
er sich überhaupt auf dieses Treffen eingelassen hatte. Normalerweise
interessierte er sich nicht im Geringsten für die Geplänkel zwischen den
Dämonen in der irdischen Dimension. Seinen Informationen zufolge stand der
HtoGrom Clan irgendwo auf der langen, langen Liste der Dämonengruppierungen,
die sich um die Weltherrschaft in dieser Dimension stritten. Nichts
Erwähnenswertes, also. Abgesehen davon, dass diese Welt so rein gar nichts an
sich hatte, worüber es sich zu herrschen lohnte.
“Ich habe mir dieses Buch hier besorgt.“ Hsirg zog eine zerfledderte Ausgabe
von General Sun Tsu’s “Die Kunst des Krieges“ aus seiner Aktentasche hervor.
“Meinen Sie, dass es hilfreich sein könnte?“
“Gewiss.“ Am liebsten wäre der Rachedämon auf der Stelle nach Arashmaharr
zurückgekehrt, um sich dieses langweilige Geschwafel zu ersparen. Wäre es nicht
um dieses leckere Stück Kuchen gewesen, welches er auf keinen Fall im Stich
lassen wollte.
“Mit Hilfe dieses Buches habe ich bereits einen Schlachtplan erstellt.“, Hsirg
klappte seinen Laptop auf, “Punkt eins, mehr über meinen Gegner – Malkuth –
herausfinden. Punkt zwei, eine Armee aufstellen. Punkt drei, einmarschieren und
vernichten.“
“Na, das klingt doch großartig!“ D’Hoffryn verzog das Gesicht zu einem betont
jovialen Lächeln, als spräche er mit einem fünfjährigen Kind.
“Ja, das finde ich auch.“ Hsirg schien der Sarkasmus in den Worten seines
Gesprächspartners völlig entgangen zu sein. “Aufgrund einiger Probleme an
Informationen zu kommen, habe ich allerdings eine Kleinigkeit an meinem Plan
geändert, ich habe die Punkte 1 und 2 miteinander vertauscht. Ich konzentriere
mich nun zuerst darauf, die Armee aufzustellen und werde mich erst danach mit
Malkuth beschäftigen. Vielleicht habe ich mit dieser taktischen Änderung mehr
Erfolg.“
“Und wie soll ich Ihnen bei der Erstellung dieser Armee behilflich sein?“
fragte der Rachedämon mit hochgezogenen Augenbrauen. “Gehören Sie nicht zu
irgendeinem Kult oder einer Gruppierung, die Ihnen da weiterhelfen könnte? Ihr
habt doch immer irgendeinen Kult...“
“Wie ich Ihnen bereits sagte, diese Angelegenheit hat nichts mit den Zielen
meines Clans zu tun, “ entgegnete Kan Hsirg frostig. “Ich bin in dieser Sache
auf mich allein gestellt. Mehr noch, ich habe noch nicht einmal Unterstützung
von meinen Bauern, da ich der letzte Überlebende meines Spiels bin. Die
Jägerinnen haben alle anderen Figuren ausgelöscht...“
“Dann handelt es sich bei Ihrem so genannten Krieg um einen persönlichen
Rachefeldzug?“ wollte D’Hoffryn wissen. “Aber warum Malkuth? Warum nicht die
Jägerinnen, die für Ihr Leid verantwortlich sind?“
“Die Jägerinnen?“, der Iah K’uru nahm eine neue Zigarre aus seinem Etui und
zündete sie mit der alten an, “Aber ich bitte Sie. Jägerinnen und Dämonen sind
natürliche Feinde, das ist wie Schwarz und Weiß auf dem Schachbrett. Ein Dämon,
jedoch, der andere Dämonen an Jägerinnen verrät, das ist ein Frevel. Ein
Frevel, der nicht ungestraft bleiben darf...“
“Sie haben Recht,“ stimmte D’Hoffryn zu und diesmal meinte er es ehrlich.
“Trotzdem, ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen. Meine Rachedämonen sind
keine ’Armee’, die man so einfach in den Krieg schickt. Sie können zwar Wünsche
erfüllen, aber diese Macht gilt nur für Menschen, nicht für andere Dämonen.
Außerdem – aus Rache fängt man keinen Krieg an. Das ist einfach zu billig.
Rache muss vielschichtiger sein und natürlich subtiler.“
“Was wäre denn, Ihrer Meinung nach, ein Grund einen Krieg anzufangen?“ fragte
Kan Hsirg lauernd.
D’Hoffryn lächelte. “Warum nicht eine Frau?“
Wächterhaus, Giles Büro, früher Nachmittag:
Giles blickte von dem alten Prophezeiungsbuch auf, dessen letzte
Seite er noch immer nicht ganz entschlüsselnd übersetzt hatte, als Buffy in den
Türrahmen trat.
Sie beobachtete ihn für einen kurzen Moment, bevor sie leise und
bedacht das Wort ergriff: „Andrew ist mit seiner „Einsatzzentrale“ gleich
fertig, und dann können wir anfangen mit den Planungen.“, sie trat einen
Schritt vor, „Giles wir sollten reden.“
„Worüber, über die Wächter?“, er blickte nicht einmal von dem Buch
auf.
„Über Lily, aber vor allem über sie.“, sie zog einen der Stühle
zurück und setzte sich, „Bitte Giles, so kann es nicht weitergehen!“
„Ich möchte aber nicht mit dir darüber reden.“, die Worte klangen
sehr bestimmend, ohne dass sie einen Zweifel zulassen würden. Vorsichtig zog er
aus einem Fach eine Lupe heraus und betrachtete eine kleine Abbildung genauer.
„Wie sie meinen“, Buffy machte sich bereit wieder aufzustehen,
„ich finde nur, dass Lily schon genug angerichtet hat und sie sich nicht auch
noch alles von ihr zerstören lassen sollten. Ich weiß, dass wir eine Chance
haben, und wenn die Wächter erst einmal die Wahrheit über Lily kennen, dann
werden sie sie so oder so wieder in den Rat aufnehmen müssen! Dawn kann das
alles bezeugen!“
Giles ließ für einen Moment von seinem Buch ab: „Sie hat aber bereits
alles zerstört, was ich mir wieder aufgebaut hatte!“
„Das ist kein Grund nicht darum zu kämpfen, ich weiß, dass sie
stark sind! Mein Gott, wir haben das erste Böse zusammen zurückgeschlagen,
dagegen ist ein Haufen von unentschlossenen Bürokraten doch wohl eine
Kleinigkeit!“
„Vermutlich hast du Recht, doch es ist etwas anderes dieses mal,
es ist Lily.“, für einen Moment schien in seinen Augen etwas aufzublitzen, dann
richtete er seinen Blick wieder auf das Buch.
„Ja, ich weiß, wie nahe sie sich gestanden haben, und ich kann sie
mehr als nur gut verstehen. Ich weiß wie es ist, wenn jemand den man liebt
plötzlich ein anderes Gesicht zeigt, und man ihn bekämpfen muss. Es tut mehr
weh als alles andere! Doch sie sind mehr als Lily, und auch mehr als der Rat,
ich weiß, dass sie es schaffen werden! Wir werden es zusammen schaffen, und
irgendwann werden sie auch Lily vergessen können!“
„Ich denke nicht, dass ich sie vergessen werde, ich habe sie auch
vorher nie vergessen.“, Giles zögerte für einen Moment, etwas in ihm sträubte
sich dagegen Buffy die ganze Wahrheit zu sagen, doch wenn er es jetzt nicht
könnte würde er es vermutlich nie mehr können, „Immerhin war sie einmal meine
Verlobte und wir hatten wirklich vor zu heiraten, zumindest für eine Zeit lang.
Das war damals auch der Grund, warum ich den Verlobungsring für Jenny gekauft
hatte: Sie war die erste Frau nach Lily, die ich wirklich geliebt habe, und ich
dachte nur so könnte ich wirklich mit Lily abschließen. Wie ich damals als du
von dem Ring erfahren hast schon sagte, es war wirklich eine dumme, unüberlegte
und vor allem verfrühte Entscheidung!“
Buffy schwieg betroffen über das, was er ihr gerade offen gelegt
hatte. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte; sollte sie ihm sagen, wie
leid es ihr tat, dass es so schwer für ihn war? Er begann wieder sich mit dem
Text zu beschäftigen, doch sie hörte nicht auf ihn zu fixieren. Beide schwiegen
sich für eine Weile an, dann ergriff Buffy wieder das Wort: „Sie werden es
schon irgendwie schaffen, und es wird alles wieder gut werden! Wenn auch
natürlich nicht mit ihr…“
„Natürlich, das ist es!“, Giles sprang plötzlich auf und ließ die
Lupe etwas unsanft zurück in ihr Fach gleiten.
„Freut mich wirklich dass ich ihnen helfen konnte!“
„Nein, die Übersetzung!“
Wächterhaus, Besprechungszimmer:
Andrew hatte das Risiko Spielfeld aus dem Karton genommen und auf
dem Tisch ausgebreitet, nun war er dabei, die kleinen Figürchen nach Farbe und
Art zu ordnen: „Die Infanteristen stehen für einfache Wächter, die Reiter für einflussreichere,
und die Kanonen stehen für größere Bedrohungen und für andere „unbeteiligte“
Parteien.“, erklärte er beinahe beiläufig, während er die schwarzen Reiter
peinlich genau in einer Reihe anordnete, „Grün sind die Wächter auf unserer
Seite, Rot die auf Lilys und schwarz, die die Unentschieden sind!“
Als er mit der Reihe fertig war griff er zu der übergroßen
Plakatrolle, die neben dem leeren Spielekarton lag und begann sie zu entrollen,
eine farbige Frau, mit einem Afro-Haarlook der 60er kam zum Vorschein.
„Wow! So was liegt in Giles Keller rum?“, fragte Kennedy
irritiert, Andrew zuckte nur mit den Achseln: „Da unten sind noch viel mehr,
und die meisten sehen noch bizarrer aus, als das hier. Giles scheint wirklich
eine wilde Jugend gehabt zu haben!“
Kennedy lachte bei dem Gedanken, und selbst Faith konnte sich zu
einem kleinen Lächeln hinreißen: „Wir sollten unbedingt mal jemanden fragen,
der ihn früher gekannt hat!“, mit einem Schlag wurde ihr klar, was sie gerade
gesagt hatte. Sie kannten alle bereits eine Person, die Giles früher gekannt
hatte.
Unsicher warf sie Robin einen kurzen Blick zu, doch er erwiderte
ihn nicht. Verdammt, eines Tages würde sie Lily dafür töten, was sie ihnen
angetan hatte. Und dass sie auch noch die Kühle besaß Robin nach alle dem zu
„befördern“, hatte dem ganzen eine Krone aufgesetzt. Sie hielt sich wohl für
unbesiegbar, Faith hasste sie, hasste sie mehr als alles andere.
Es herrschte wieder Stille, und alle beobachteten Andrew dabei,
wie er vergeblich versuchte das Plakat zu glätten, ohne dabei an die Figuren zu
stoßen und die mühsam erlangte Ordnung wieder zu zerstören.
„Das ist doch nicht etwa mein original Marsha Hunt
Konzertposter?“, Giles betrat den Raum gefolgt von Buffy.
„Doch, ich dachte man kann auf der Rückseite gut Notizen machen!“,
Andrew gab schließlich auf es zu glätten und griff zu zwei Heftzwecken.
„Aber es ist… Es ist fast schon antik!“, Giles missbilligender
Blick wirkte fast schon schockiert, und Andrew stockte, doch schließlich
schüttelte Giles nur mit dem Kopf: „Nimm es ruhig, es ist nicht mehr wichtig.“
Als Andrew mit seinen Vorbereitungen endgültig fertig war nahmen
alle am Tisch Platz, Andrew selbst war der letzte: „ Willkommen in unserer
Einsatzzentrale, von hier aus werden alle Pläne geschmiedet werden und wichtige
Entscheidungen getroffen werden, für diesen globalen, alles bedeutenden
Konflikt.“
„Danke Andrew!“, Giles Stimme hatte einen sarkastischen Beigeschmack,
und Buffy bemerkte erfreut, dass er, wenn auch nur sehr langsam zu seinem alten
selbst zurückfindend, den Schmerz, dass Lily ihm den Rat streitig machte mit
der Zeit überwinden würde, da war sich Buffy sicher.
„Also wir haben hier sie, Giles, und dort unten in England Lily!“,
Xander platzierte einen grünen und einen roten Reiter auf dem Spielfeld,
„außerdem haben wir noch den Willow-Hüterinnen-Bonus.“, ein weiteres grünes
Pferd fand seinen Weg nach Cleveland.
„Dafür hat Lily aber fast alle Wächter in London, die
entscheidende Positionen tragen, in ihren Händen!“
Eine rote Kanone wurde bei Lily positioniert.
„Doch viel wichtiger sollten für uns die Wächter sein, die nicht
in England sind, die nicht direkt bei Lily sind, und die sie nicht so einfach
kontrollieren kann, denn ich denke davon gibt es viele, und wenn wir nur die
Hälfte von ihnen auf unserer Seite hätten, dann wären wir schon sehr
gestärkt!“, warf Wood ein, er verteilte einige schwarze Soldaten willkürlich
auf der Weltkarte.
„Ja, nur das wir sie nicht alle einzeln ansprechen können, wenn
wir einen Wächter in China haben, der uns unterstützt, und einen in Europa,
dann bringt uns das herzlich wenig, wir brauchen eine gute Basis, von der aus
wir Lily angreifen können!“, Giles Blick war starr auf die Weltkarte gerichtet.
„Was schlagen sie vor?“, Wood schaute Giles fragend an, doch er
blickte nicht einmal zu ihm auf, er begann zu erklären: „Wenn wir die Wächter
in Europa oder auch Nordamerika gegen Lily aufbringen können, dann müsste sie
uns Gehör schenken, eher, als wenn wir nur vereinzelte Wächter überall auf der
Welt auf unsere Seite ziehen!“
„Sicher, doch wie wollen wir das anstellen?“, mischte Willow sich
ein.
„Wir brauchen Wächter mit Einfluss auf unserer Seite, die uns
unterstützen und die Wächter in ihrem Umfeld überzeugen können: Romano Belussci
in Rom, Daniel Westmann in Deutschland, Anne Cargo in Russland und viele
weitere, sie alle sind alt eingediente Wächter, die schon ewig in ihren
Bereichen für die Geschäfte des Rates verantwortlich sind, auf sie werden die
Wächter in ihrem Umfeld hören!“, Giles Stimme war etwas leiser und
nachdenklicher geworden, und man konnte ihm an seinem entrückten
Gesichtsausdruck ansehen, dass er bereits
in Gedanken an Ort und Stelle weilte und die betreffenden Personen zu
überzeugen versuchte.
„Gut, dann wäre unser
Vorgehen ja schon etwas klarer. Aber vielleicht sollten wir uns einen
allgemeinen Überblick über Feinde, Verbündete und mögliche Freunde verschaffen?
Was das alles zum Beispiel mit den Reitern zu tun hat...“, warf Buffy ein,
„Zumindest ich denke, dass es einige Fragen zu beantworten gibt. Was haben sie
neues über die Reiter herausgefunden?“
Andrew guckte Giles etwas unsicher an, während er den schwarzen
Filzstift aufschraubte und die Rückseite des Konzertplakates bei Buffys Worten
in drei Spalten unterteilte: „Feinde“, „Verbündete“ und „potentielle
Verbündete“.
„Nun ja“, Giles nahm seine Brille ab und begann sie zu putzen,
„wenn man dem Buch „Die Reiter des Todes“ glauben schenkt, das im übrigen
unsere wichtigste Quelle ist, handelt es sich um vier Reiter, deren Ziel die
Vernichtung allen Übels ist, dazu tragen sie die Kraft der vier Urgewalten,
also Elementarkräfte in sich, was die beunruhigende Vermutung nahe legt, dass sie in irgendeiner
Weise mit den Naturkatastrophen zusammenhängen, von denen seit Tagen immer
wieder berichtet wird. Wie auch immer, scheinbar verfügen sie über noch eine
viel größere Kraft in sich, die frei wird, wenn sie sich alle vereinigen. Diese
Kraft wird in dem Buch als die eine Urkraft bezeichnet, und sie führt eine
große Reinigung unserer Welt von allem Bösen und Unreinen herbei, und zurück
bleibt nur reine Erde!“
Die vier Jägerinnen horchten mit einem Mal auf.
„Die Vernichtung alles Bösen in dieser Welt? Sie stehen also auf
unserer Seite!“, meldete Xander sich hoffnungsvoll zu Wort.
„Dann hätten wir wenigstens eine Sorge weniger!“, pflichtete
Kennedy euphorisch bei.
„Ich denke nicht“, musste Giles sie enttäuschen, „denn es heißt,
dass die vier Reiter vor Urzeiten von Magie gewandten Personen mit Hilfe von
reiner Energie verbannt wurden. Aus den verschiedenen Völkern übernahm je eine
kleine Gruppe die Verantwortung – Schamanen in Afrika, Medizinmänner in
Nordamerika, ein Zauberzirkel in Europa und in Asien ein alter, japanischer
Familien-Clan namens Tetsu. Auf diesen Namen bin ich früher schon öfters
gestoßen, “ sinnierte Giles nachdenklich weiter, schüttelte dann jedoch den
Kopf. „Ich schweife ab... Wie auch immer, ich glaube nicht, wenn sie auf
unserer Seite stehen würden, dass es einen Grund gäbe sie an einem sicheren Ort
zu verwahren.“
Dawn zuckte zusammen. Tetsu? Das war Shins Familien Name! Sie
müsste ihn bei Gelegenheit danach fragen, ob er und seine Familie in
irgendeiner Verbindung zu alle dem standen, vielleicht war es nur ein Zufall,
doch nach allem, was er ihr erzählt hatte war es vermutlich doch mehr als das.
Ohne einen wirklichen Grund musste sich Buffy plötzlich an die
Ninja aus dem chinesischen Tempel erinnern und auch an den mysteriösen Reiseleiter,
dem sie sowohl in China, als auch in Australien begegnet war, ihr
Jägerinneninstinkt sagte ihr, dass das alles irgendwie in Verbindung mit dem
ganzen gestanden hatte, doch es war wohl nicht der richtige Moment Giles mit
ihren wagen Vermutungen zu konfrontieren, er hatte andere Gedanken im Kopf. Sie
machte sich in ihrem Kopf eine kleine Notiz ihn irgendwann wenn die Dinge
besser standen, oder alles ruhiger war darauf ansprechen zu müssen.
„Definitiv Feinde!“, Andrew griff erneut zum Stift.
„Ich denke wir sollten die Bedrohung durch die Reiter sehr ernst
nehmen, doch im Moment können wir in dieser Sache wohl nur abwarten was
geschieht. Ohne den Rat auf unserer Seite können wir nur sehr schwer in
Erfahrung bringen, was überall auf der Welt vor sich geht.“, beendete Giles
seinen Vortrag.
„Es gebe da noch jemanden, an den wir bisher noch gar nicht als
Verbündeten gedacht haben – Angel!“, schlug Willow plötzlich vor.
Buffy sah langsam zu ihrer Freundin und machte ein nachdenkliches
Gesicht. Angel. ja.. er hatte ihnen beim Kampf gegen das Urböse geholfen.
Sicher würde er erneut auf ihrer Seite kämpfen. Auch wenn Cleveland und L.A.
nicht gerade nebeneinander lagen. Aber Angel bedeutete auch noch ein kleines
Gespräch mit Giles, dass sie seit einer Woche führen wollte und irgendwie in
den ganzen hektischen Tagen nach Dawns Rettung vergessen hatte. „Richtig..
Angel, “ Buffy sah zurück zu Giles. „Wollten sie mir wegen Angel nicht noch
etwas erzählen? Zum Beispiel, wieso er sie vor ein paar Tagen angerufen hat?“
Giles starrte sie für einen unendlich langen Moment an, dann gab
er langsam und betont eine Antwort: „Ich weiß. Ich bin dir deswegen noch eine
Antwort schuldig. Und sie ist nicht sehr aufregend - er wollte Willow sprechen.
Aber sie war gerade dabei Dawn zu retten und offensichtlich war es nicht
wichtig genug für Angel, um zu warten...,“ das war zwar so nicht ganz korrekt,
aber Giles hatte keine Lust auf eine lange Diskussion mit Buffy, „Und ich
glaube weniger, dass wir uns an ihn wenden sollten. Er arbeitet immer noch bei
Wolfram und Hart, und selbst wenn wir ihm vertrauen könnten, ihnen können wir
nicht vertrauen! Wenn wir Angel um Hilfe bitten würden, würden wir mit ihm auch
uralte, grausame und berechnende Dämonenlords, die diese Welt seit Anbeginn der
Zeit terrorisieren um Hilfe bitten; ein Pakt mit dem Teufel ist das was wir im
Moment noch am wenigsten gebrauchen können.“
Buffy wollte etwas erwidern, doch noch bevor sie angefangen hatte
zu sprechen, verstummte sie wieder, er hatte Recht, auch wenn es ihr sehr
schwer fiel sich damit abzufinden, dass Angel nun auf der anderen Seite stand,
doch wenn Giles es so sah, dann hatte er vermutlich auch recht damit.
Andrew der den Stift bereitgehalten hatte verschloss ihn wieder,
in seinem Gesicht zeigte sich ein leichter Ausdruck von Bedauern.
„Und was ist mit diesem mysteriösen Unsterblichen? Haben die
Nachforschungen schon was ergeben?“, Willow lehnte sich in ihrem Stuhl nach
vorne.
„Nein, dieser Name scheint unter Dämonen sehr beliebt zu sein, es
gibt wohl tausende „Unsterbliche“ unter den Dämonen, davon sind die meisten
aber bereits tot.“, berichtete Giles mit leisem, jedoch nicht wirklich
motiviertem Sarkasmus in der Stimme.
Buffy lächelte, und Kennedy und Faith stimmten mit ein: „Dämonen
neigen wohl generell dazu sich ein bisschen zu überschätzen!“
„Ja, doch das hilft unserer Sache wohl kaum weiter!“, Giles setzte
seine Brille wieder auf, „Es gestaltet sich eher schwieriger ihn zu finden, ich
werde aber mein Bestes tun, denn er spielt offensichtlich eine wichtige Rolle!“
„Naja, vielleicht hilft das mit den Dämonen unserer Sache schon,
wenn die Reiter zum Beispiel nur Steckenpferde hätten…“, Kennedy führte ihren
Gedankengang jedoch nicht zu Ende, als sie Giles ermahnenden Blick bemerkte:
„Ist dann soweit alles geklärt?“
Die Gruppe am Tisch schwieg
ihn an. Der eine oder andere nickte leicht mit dem Kopf.
„Gut, an die
Arbeit!“
Wächterhaus, später Nachmittag, Schulbus:
Ein Schrei, gefolgt von einem lauten Schlag hallte durch die Luft.
Robin sah besorgt auf, griff nach der Tasse Kaffee, die er sich bereit gestellt
hatte, und widmete sich dann wieder Giles Notizbüchern, die mit etlichen
hundert Telefonnummern von Wächtern und Mitarbeitern des Rates voll gekritzelt
waren. Er hatte freiwillig die Aufgabe übernommen, die Telefonnummern aller
Wächter auf der Liste heraus zu suchen. Die Ruhe kam ihm gut gelegen. Bei C blieb
er für einen Moment stehen, sein Finger fuhr über die Seite nach unten.
Ein weiterer Schrei ließ ihn allerdings hochfahren. Als ein lauter Knall
folgte, stellte er die Tasse auf den Tisch und sprang hoch. Ohne etwas anderes
als den Ausgang ins Visier zu nehmen, stürmte er durch den engen Bus, stieß die
Tür auf und trat hinaus in den Garten.
Erleichtert amtete er wieder ein, als er Faith alleine in dem Garten sah. Die
Besorgnis war jedoch nicht von seinem Gesicht verschwunden. Die Jägerin kniete
schnaufend am Boden, während ihr die Schweißperlen von der Stirn hinab liefen.
Robin trat langsam die kurze Treppe nach unten und näherte sich Faith
vorsichtig.
„Ich.. hab sie. getötet...“ sagte Faith plötzlich, starrte allerdings weiter
auf den Boden. Ein Windstoß wehte durch den Garten und ließ die dunkelhaarige
Jägerin kurz frösteln. Sie strich sich langsam die Haare aus dem Gesicht und
drehte den Kopf in die Richtung ihres Wächters.
“Ich hab sie. ruiniert...“ sagte sie wieder, völlig von Sinnen, starrte dann
jedoch wieder auf den Boden.
Robin ließ seinen Blick durch den Garten wandern und erkannte kurz darauf, was
seine Freundin überhaupt meinte. Völlig leblos und zersplittert lag die
Holzpuppe in verschiedenen Teilen am Boden verstreut herum.
Robin trat näher an Faith heran, reichte ihr seine Hand, die sie nach kurzem
Zögern ergriff und zog sie hoch.
„Was ist los?“ fragte er leise, und sah von den Bruchstücken der Trainingspuppe
zu Faith.
„Ich hab sie völlig zerstört. und ich fühle mich nicht besser...!“ sagte Faith
plötzlich verärgert. Sie schien langsam wieder zu sich zu kommen. Die Jägerin
war vorhin anscheinend in Rage verfallen, als sie voller Wut und Hass getrieben
auf die Puppe eingeschlagen hatte.
„Der Hass auf Lily wird auch nicht so schnell vergehen...“ erwiderte der
Wächter, hob die Hand und strich Faith eine Strähne aus dem Gesicht. Diese
zuckte sofort zurück, drehte sich um, griff nach der Wasserflasche und nahm
einen großen Schluck.
„Willow hat gesagt, dass es helfen würde…“
„Was machen die anderen?“, wollte Robin wissen, um Faith etwas
abzulenken.
“Sie diskutieren, recherchieren und verrücken kleine Figuren, statt etwas gegen
sie zu unternehmen!“, Faith stellte die Flasche wieder auf den Tisch, griff
nach einem Messer, welches auf dem Trainingstisch lag, und schleuderte es
direkt auf den Oberkörper der Puppe, der einige Meter von ihr entfernt auf dem
Boden lag.
„Willst du nicht wieder rein zu ihnen gehen? Du darfst deinem Hass und deiner
Wut nicht nachgeben. Sie leiten dich in die falsche Rich...“ sprach Robin,
wurde jedoch von einer wütenden Faith unterbrochen.
„Ach, und du denkst, dass ich das nicht weiß? Ihr seid alle so oberschlau. aber
eure Tipps helfen auch nur in der Theorie!“ schimpfte Faith wütend, trat auf
den Torso zu und zog genervt das Messer wieder heraus.
„Denkst du, dass nur du einen geliebten Menschen verloren hast?“ antwortete
plötzlich Robin harsch. Verwundert drehte sich die Jägerin um und sah den
Wächter erstaunt an.
“Du versinkst hier in Selbstmitleid und Trauer, die dir bestimmt zu einem
gewissen Grad zustehen, aber irgendwann ist genug. Reiß dich zusammen, Faith!
Du bist kein kleines Kind mehr. Wir alle haben schon geliebte Menschen
verloren. Ich meine Mutter, du deine Wächterin, den Bürgermeister. Es ist nicht
das erste Mal“
„Aber es ist anders...“ konterte Faith, trat näher an ihren Wächter heran und
sah ihm direkt in die Augen.
“Es ist verdammt noch mal anders! Ich .. ich kann ihren Killer nicht jagen,
weil diese blöde Schlampe menschlich ist! Ich.. ich weiß nicht wie ich damit
umgehen soll! Ich habe damals Kakistos getötet, für das, was er meiner
Wächterin angetan hat. Ich hab gegen Buffy gekämpft, wegen dem, was sie dem
Bürgermeister antun wollte, aber ich kann Lily nicht töten. Ich kann nicht
einmal an den Ort gelangen, an dem sie sich befindet!“
Faith funkelte ihn wütend an, trat genervt gegen die Holzstange, an der die
Puppe montiert war, und wartete auf eine Antwort, die ihr der Wächter jedoch
schuldig blieb. Ratlos blickte er sie besorgt an.
„WAS? Fällt dir jetzt nichts mehr ein?“
Wood trat ebenfalls an den Tisch, griff sich ein Messer und schleuderte es mit
voller Wucht an Faith vorbei direkt in den rechten, oberen Teil des Torsos der
ramponierten Puppe.
„Faith, du bist erwachsen. Es sind so viele Menschen hier, die dir ihre Hilfe
anbieten. Rede noch mal mit Willow. Oder sprich mit Giles. Rede mit Buffy wenn
du möchtest. Aber werde damit fertig, sonst wirst du noch mal drauf gehen, weil
du dich nicht konzentrieren kannst!“ sagte er, sah sie noch einmal besorgt an,
drehte sich dann um und ging wieder zum Bus zurück.
„Wie sollen sie mir denn helfen? Du kannst mir ja anscheinend auch nicht
helfen!“ schrie sie ihm wütend nach, bekam aber als Antwort nur das Knallen der
Tür zu hören, als sie ins Schloss fiel.
„Na toll...“ fluchte die Jägerin und brachte mit einem Fußtritt auch endlich
die Holzstange zu Bruch.
„Was ist denn hier los?“ hörte sie plötzlich Ronahs Stimme, und drehte sich
erschrocken um. Die dunkelhäutige Jägerin stand neben dem großen Baum und sah
Faith fragend an. Diese sah überrascht, dass Ronah nicht alleine gekommen war.
„Ach, übrigens, das hier ist Cliff.“ Ronah grinste zuerst den dunkelhäutigen,
groß gewachsenen, 17 jährigen Jungen und dann Faith an.
„Cliff?“ fragte Faith und verdrehte den Kopf. Sollte sie den Typen kennen?
„Wir haben uns vor ein paar Wochen in der Stadt kennen gelernt. Ich wollte ihm
mal zeigen, wo ich lebe. Er ist mein Freund.“ sagte Ronah stolz.
„Hi!“ sagte Cliff, trat einige Schritt auf Faith zu und hielt ihr die Hand
entgegen. „Schön sie endlich kennen zu lernen. Ronah sagt immer, dass sie wie
eine große Schwester für sie wären.“
Cliff lächelte Faith freundlich, aber etwas unsicher an, während diese verwirrt
seine Hand schüttelte.
„Ähm, ja. Sag doch du. Schön dich kennen zu lernen, Cliff“ grüßte Faith ihn
verwirrt. Ronah hatte einen Freund? War ihr da etwas entgangen? Und warum
musste sie gerade jetzt mit ihm hier auftauchen? Naja wenigstens war zwischen
ihm und Ronah wohl noch nicht mehr passiert, das konnte sie sich sicher sein,
nach der Sache mit dem Dämonen letzte Woche.
„Okay, Ronah du kennst dich ja hier aus. Ich muss leider... äh...
weg!“ Faith schnappte sich die Trinkflasche, nickte Cliff und Ronah noch einmal
zu, und lief dann am Haus vorbei auf die Straße Richtung Erie See. Sie brauchte
jetzt etwas Ablenkung.
„Sie ist ziemlich fit...“ sagte Cliff, während er Faith
nachstarrte.
„Ja, das ist sie. Und ich denke nicht, dass du Ärger mit ihr haben möchtest.“
sagte Ronah lachend, während sie auf Cliff zutrat, und ihre Arme um seine Hüfte
legte.
„Schön hier...!“ flüsterte er leise, während er sie an sich heran zog, und sie
langsam, leidenschaftlich küsste.
England, außerhalb von London, Landsitz der Martins, Abend:
Lily zog den zusammengefalteten Zettel aus ihrer Hosentasche und
überflog die Rede noch einmal, sie war gut geworden, verdammt gut, ihr Vater
wäre wohl stolz auf sie gewesen. Sie befand sich in Georges Arbeitszimmer, es
war sehr groß, sogar eine Hausbar war vorhanden, deswegen beschloss sie sich
einen Schluck zu genehmigen, sie könnte es wahrlich gut gebrauchen, zumindest
musste sie die Wächter heute Abend bei Laune halten.
Als sie sich einen Whiskey
eingoss fiel ihr Blick auf ein Foto, es zeigte sie, ihren Vater, ihre Mutter
und George mit seinem Sohn und seiner Frau, Maria, sie war vor zwei Jahren an
Krebs gestorben. Seit ihrem Tod war
George nicht mehr der Mensch gewesen, den sie gekannt hatte, zwar immer noch
sehr freundlich und zuvorkommend, doch in seinen Augen lag immer eine fast
greifbare Trauer, die Lily oft einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte.
Sie konnte sich noch gut an die Gelegenheit erinnern in der dieses
Foto entstanden war, in dieser Zeit waren sie und ihre Eltern noch oft weg
gefahren. In diesem Urlaub waren sie wohl in Schottland gewesen, Lily musste um
die zehn Jahre alt gewesen sein, Georges Sohn Leonard, der inzwischen die
Betriebe seines Vaters übernommen hatte, war gerade mal ein Jahr alt gewesen.
Sie konnte sich noch an den Klang des Meeres erinnern und an den
Geruch, der in der Luft gelegen hatte. Sie müsste unbedingt mal wieder mit
jemandem ans Meer fahren, doch sie bezweifelte, dass die einzige Person die
dafür in Frage käme je wieder darüber nachdenken würde mit ihr irgendwo hin zu
fahren.
Sie nahm einen tiefen Schluck aus dem Glas. Und stellte es als es
leer war wieder zurück.
Die Tür öffnete sich und George trat ein: „Lily, Kleines, ich
freue mich dich wieder zu sehen, tut mir Leid, dass ich im Rat nicht mit dir
sprechen konnte; wie ist es in Amerika gelaufen?“
Sein Haar schien noch grauer geworden und die Glatze noch größer
zu sein. Sein Gesicht war verschwitzt und auf den Wangen waren rote Flecken zu
sehen, dank der hektischen Vorbereitungen.
„Auch einen Schluck, Onkel George!?“, sie goss sich ein weiteres
Glas ein und guckte den alten Freund ihres Vaters fragend an, bevor sie die
Flasche zurück stellte.
„Nein danke, Lily, du weißt, mein Herz verträgt nicht mehr so
viel; und hör mich auf Onkel zu nennen, da fühle ich mich noch älter!“
„Du bist alt! Und ich auch, trotzdem nennst du mich noch
Kleines!“, ihr Protest klang nicht allzu ernst gemeint.
„Wie auch immer, wie ist es denn jetzt in Amerika gelaufen?“,
wollte der gealterte Wächter nun mit nachhaltigem Interesse wissen.
„Das meiste so, wie ich es geplant hatte, auch wenn es leider
einige kleinere Probleme gab.“, versuchte sie seine Frage mit einer knappen
Antwort abzuhaken, doch George ließ nicht locker: „Welche Art von Problemen?“
„Nichts, dass man nicht hätte bewältigen können, ich hatte Buffy
ein wenig unterschätzt, doch es ist alles mehr oder weniger gut ausgegangen,
abgesehen davon, dass ich mein Ziel nicht erreicht habe. Hör zu ich will jetzt
nicht darüber reden, lass uns lieber später darüber sprechen, an einem anderen
Ort, der dafür besser geeignet ist.“
George verstand ihre Andeutung und lenkte das Gespräch in eine
andere Richtung: „Hast du auch Schwierigkeiten gehabt, wieder mit ihm zusammen
zu arbeiten?“
Lily antwortete nicht, stattdessen nahm sie einen weiteren tiefen
Schluck und blickte George vorwurfsvoll an, weil er ein Thema angeschnitten
hatte, über das sie mit keinem sprechen wollte. Verdammt, es war ihre
Privatsache!
„Es tut mir Leid, wenn du nicht darüber sprechen willst, dann kann
ich es verstehen, ich wollte dir nur sagen…Jetzt wo dein Vater tot ist, du
kannst mir alles erzählen, ich werde dir so gut helfen, wie ich kann!“
Lily sah den alten Mann einen Moment ruhig an. Ein kleines Lächeln
formte sich auf ihren Lippen und ein warmer Glanz trat in ihre Augen. Es tat
gut, zu wissen, dass es noch immer jemanden gab, der zu ihr stehen würde, egal
was passierte. Trotzdem fiel es ihr nicht leicht, darüber zu reden. Auch wenn
sie wusste, dass es ihr hinterher sicher besser gehen würde. Nur widerstrebend
begann Lily: „Ich weiß das zu schätzen, aber ich will wirklich nicht darüber
reden, aber… Na ja, zu erst war es leicht. Wir waren einfach nur Kollegen mit
einer gemeinsamen Vergangenheit. Es war nett an alte Zeiten erinnert zu werden,
und auch darüber zu reden. Doch dann... als meine Pläne reiften, wurde es
schwieriger den Schein zu wahren. Ich musste mich verstellen - es war wie eine
Maske aufzusetzen, doch mit der Zeit…“, ihr letzter Widerstand war nun
gebrochen, „Mit der Zeit begann ich daran zu zweifeln, wie viel von der Maske
ich selbst war, wie viel von dem was ich sagte und tat nur gespielt war und was
die Wahrheit, und auf der anderen Seite, wenn ich frei war und mich nicht mehr
verstellen musste, dann war es nur wie eine weitere Maske, die ich aufzog. Ich
habe begonnen mich zu fragen, wer von den Rollen, in die ich schlüpfen musste
ich wirklich war? Bin ich die freundliche Wächterin? Der Dämonen beschwörende
Fiesling? Die liebende Tochter? Jemand, der das richtige tut? Ich weiß es
langsam wirklich nicht mehr.“
George starrte sie für einen schrecklich langen Moment an, dann
trat ein Lächeln in sein Gesicht: „Du wirst deinem Vater immer ähnlicher,
Richard hat mal etwas ganz ähnliches zu mir gesagt, nach dem Tod deiner Mutter;
ich bin mir sicher, auch du wirst es eines Tages herausfinden!“
Ein Klopfen an der Tür riss die beiden aus ihrem Gespräch, und
eine rundliche Haushälterin trat verlegen ein: „Verzeihung, Mr. Martin, die
Edinburghs sind eingetroffen!“
„Entschuldige mich bitte, Lily!“, so schnell wie er aufgetaucht
war, war er wieder zu den Vorbereitungen für den Empfang zurückgekehrt.
Lily blieb etwas ratlos zurück, die Fragen, die sie das erste Mal
laut ausgesprochen hatte schwebten ihr im Kopf rum, als ihr Blick auf das
Urlaubsfoto fiel und an dem glücklichen Gesicht ihres Vaters hängen blieb:
„Hast du es am Ende gewusst?“
England, Süden, Landsitz der Ushers, 1969:
Der Regen prasselte gegen die vorgeschobenen Fensterladen, während
die wenigen Lampen das Büro ihres Vaters in ein mattes Licht tauchten.
Es war ein Tag wie so viele, draußen trieb ein typischer
englischer Landregen sein Unwesen, der Nebel hing tief über der kleinen
Ortschaft, an die ihr Anwesen angrenzte
und die Sonne war keine einziges mal aus der dicken Wolkenschicht
hervorgekommen.
Lily saß im großen mit dunkel braunem Leder überzogenen Sessel und
wartete auf ihren Vater. Ihre rechte Hand umklammerte die Lehne, während sie
mit der linken ihre traditionelle, englische Schuluniform zurecht zupfte. Alles
sollte perfekt sein.
Sie war aufgeregt, wie sie
es noch nie zu vor gewesen war, nicht einmal an ihrem Geburtstag oder
Weihnachten. Dies war der Tag auf den sie so lange gewartet hatte, ihr Vater
hatte es ihr versprochen, seit sie fähig war ihn danach zu fragen.
Sie sah sich um, sie war nicht oft in diesem Raum gewesen nur
manchmal, wenn ihre Mutter sie schickte um ihren Vater zum Essen zu holen. Er
mochte es nicht, wenn man sein „Reich“ betrat, und er hatte sie immer irgendwie
komisch angeguckt, wenn sie ihn geholt hatte, ihr Blick war immer auf die
Dämonenschädel gefallen, die an seiner Wand hingen, und auf die abertausenden
Bücher in seiner eigenen kleinen Bibliothek.
Lily konnte nie aufhören ihm Fragen über Dämonen, Jägerinnen und
vor allem die Wächter zu stellen, manchmal konnte auch er gar nicht aufhören
begeistert von seiner Arbeit und dem Rat zu berichten, doch an anderen Tagen
war er sehr verschlossen, und wollte nicht auf ihre Fragen eingehen. Zum
letzten Geburtstag hatte er ihr ein großes Dämonenlexikon geschenkt, um alle
ihre Fragen zu beantworten.
Lily konnte sich daran erinnern, am Tag davor aus ihrem Bett
gekrochen zu sein, ihre Mutter und ihr Vater hatten sich bis zu letzt
gestritten, was sie ihr schenken sollten, ihr Vater war gegen das Lexikon gewesen,
er hatte gesagt, dass sie zu jung dafür sei und dass sie wenn sie einmal in
diese grausame Welt kommen würde ihr nicht mehr entkommen könnte, er sie also,
lieber erst so spät wie möglich an seiner Arbeit teilhaben lassen würde, doch
ihre Mutter hatte ruhig erwidert, dass es immer klar war, dass Lily eine
Wächterin werden würde und er nichts mehr daran ändern könnte, egal wie lange
er es herauszögerte, er solle lieber stolz darauf sein, dass seine Tochter
bereit wäre so eine große Verantwortung zu übernehmen.
In dieser Nacht hatte Lily davon geträumt, wie es wäre mit ihrem
Vater Seite an Seite in die Schlacht gegen das Böse zu ziehen. Heute war ihr
Traum in so greifbare Nähe gerückt: Ihre erste Lehrstunde zur Wächterin stand
bevor.
Die Tür schwang auf und ihr Vater trat ein, gefolgt, von einer in
schwere Umhänge gehüllten Gestalt: „Tut mir Leid, dass ich etwas länger
gebraucht habe, Schatz, aber ich musste Lekath hier abholen.“
Der Fremde lüftete seine Kapuze und ein rotes, etwas lang
gezogenes Gesicht mit kleinen Schwarzen Hörnern, einem schwarzen Bart und
weißen Haaren am Hinterkopf kam zum Vorschein, er reichte ihr sein rote,
knochige Hand und machte komische Zischlaute, während er sprach: „Sei gegrüßt,
kleine Lily Usher! Ich hab schon viel von dir gehört!“
Unfähig etwas zu entgegnen ergriff Lily seine Klaue, sie fühlte
sich rau und kalt an. Sie sah ihm nicht ins Gesicht und wand sich statt dessen
ihrem Vater zu: „Ein Lemurten-Dämon, vermutlich aus Sibirien, er ernährt sich
von Unglück und…“, sie stockte, als sie bemerkte, wie er für einen kurzen
Moment verunsichert guckte, doch dann fasste er sich wieder: „Kannst du mir
auch sagen, was für Fähigkeiten er hat?“
Lily überlegte krampfhaft, da war etwas gewesen, doch es fiel ihr
nicht mehr ein, schließlich guckte sie beschämt auf den Boden: „Nein, ich weiß
es nicht mehr.“
„Ist nicht so schlimm, selbst ich muss vieles nachschlagen und
weiß es nicht auf Anhieb, das gehört in unserem Beruf dazu! Ich kann dir
versichern, dass er nicht feindselig ist!“
Unser Beruf. Als sie ihren Vater diese Worte ganz beiläufig sagen
hörte, machte ihr Herz einen Sprung, es würde alles so werden wie sie es immer
gewollt hatte, seit sie ihn das erste mal von dem Rat hatte sprechen hören, und
wie wichtig und ehrbar seine Aufgabe war.
„Lekath ist hier, um dich über seine Spezies zu unterrichten,
damit du ein Gefühl dafür kriegen kannst, wie Dämonen leben und was sie die
ganze Zeit machen. Ich werde euch beide alleine lassen!“
Fragend schaute sie ihren Vater an, doch bevor sie sich
durchringen konnte etwas zu sagen hatte er schon die Türen hinter sich
zugezogen und sie mit diesem roten Ungetüm alleine zurückgelassen und dann
sollte sie sich auch noch mit diesem „Etwas“ unterhalten, von dem sie ihren
Vater immer nur abfällig reden gehört hatte, solche Kreaturen musste man töten,
nicht mit ihm reden.
„Zuerst will ich dir sagen, dass du keine Angst vor mir zu haben
brauchst, kleine Lily Usher. Wenn ich hier wäre, um dir zu schaden, wäre ich
nie an deinem Vater vorbei gekommen, geschweige denn mit ihm. Er beschützt dich
vor allem, so fern es in seiner Macht liegt.“
Lily nickte nur.
„Nun, vermutlich hast du trotzdem Angst, und das ist auch nicht
verwunderlich, denn ich bin wohl der erste lebende Dämon, den du zu Gesicht
bekommst.“, sein Blick fiel auf die Dämonenschädel an der Wand und sein Mund
verzog sich zu einem faltigen, freundlichen Lächeln, „Wollen wir es einfach so
machen, dass ich dir das beibringe, worum dein Vater mich gebeten hatte, ok?“
Lily nickte wieder und bemühte sich zu lächeln, doch es gelang ihr
nicht ganz.
„Wie du ganz richtig bemerkt hast bin ich ein Lemurten-Dämon,
genauer gesagt komme ich aus dem Khal-Stamm, wir leben in Wäldern, Erdlöchern
und Felsspalten, und sind in der Regel Einzelgänger, nur zur einer Zeit im Jahr
treffen wir uns mit unseren Artgenossen.“
„Zur Paarungszeit?“, fragte Lily und wurde plötzlich rot, als ihr
klar wurde, was sie diesen Mann, der einem Menschen gar nicht so unähnlich war,
gerade gefragt hatte.
„Ja, aber dieses Thema wollte ich eigentlich umgehen, es sei denn
du bist daran interessiert!“, er lachte, es war ein tiefes freundschaftliches
Lachen, und Lily antwortete mit einem ehrlich gemeinten Lächeln, ohne groß
darüber nachzudenken, wen oder besser was sie da anlächelte.
„Also ich denke einfach mal es wäre falsch zu sehr ins Detail zu
gehen, auf jeden Fall kannst du davon ausgehen, dass jedes Weibchen danach bis
zu neun Eiern legen wird. Aber es geht bei dem ganzen nicht nur um die
Fortpflanzung, es ist auch einfach nur ein Familientreffen, wir feiern, tragen
Turniere aus und betrinken uns; hast du schon einmal slawischen Blutsekt
getrunken?“
„Nein, ich glaube nicht, dass mein Vater das erlauben würde, ist
der aus echtem… ich mein…?“
„Er wird aus Ziegenblut gemacht, denkst du ernsthaft, wir würden
etwas vom Menschen essen?“
„Ich meine, warum nicht? Ihr seid doch Dämonen!“, Lily wirkte
etwas verlegen, sie hatte sich Dämonen immer nur als absolut böse Kreaturen aus
der Hölle vorgestellt, die kleine Kinder fraßen und Menschen Unglück brachten,
doch Lekath hatte dieses Bild relativ schnell zerstört.
„Denkst du wirklich wir sind alle böse? Die meisten von uns wollen
doch nur in Ruhe und Frieden leben, wie ihr auch. Und essen in dem Sinne, wie
ihr das Wort gebraucht tun wir auch nicht.“
„Ihr ernährt euch von Unglück, oder? Das hab ich zumindest
gelesen.“, sie wusste nicht wirklich, was sie sich darunter vorstellen sollte.
„Ja, das stimmt. Du musst nicht glauben, dass es mir Spaß macht,
eigentlich mag ich die Menschen, manchmal beobachte ich einige von euch über
mehrere Tage hin weg. Naja, auf jeden Fall müssen wir uns von eurem Unglück
ernähren, wie ihr anderes Leben zerstören müsst, um zu überleben. Es liegt in
unserer Natur, ist ein Teil von uns. Meistens tun wir es, während ihr schlaft
und zwingen euch uns von eurem Unglück zu berichten, wir brauchen es, wir haben
Hunger, genau wie ihr. Und du glaubst nicht, wie köstlich ein Mann sein kann,
der das Mädchen, das er liebt nicht bekommt, oder eine Mutter, die ihr Kind
verloren hat. Wir schüren ihr Leid nicht, genauso wenig, wie wir es ihnen
nehmen, wir stillen nur unseren Hunger daran, mehr nicht.“
„Bist du im Moment hungrig?“
„Nein, ich hatte gerade eine ganz gute Mahlzeit!“
Für einen Moment überlegte Lily, ob sie ihn fragen sollte, wovon
er sich ernährt hatte, doch als sie sich gerade entschied, dass diese Frage
unpassend war öffnete sich die Tür und ihr Vater trat wieder ein, er wirkte
versteinert: „Und hast du viel gelernt Lily, Schatz?“
„Ja, es war sehr interessant, Lekath hat mir viel erzählt von sich
und seinem Volk!“, Lily war ganz aufgeregt, ihrem Vater ihre Erfahrungen zu
berichten.
„Schön, Kind, ich befürchte nur, wir müssen jetzt auf Lekath
verzichten!“, er wand sich dem Dämon zu und reichte ihm die Hand, „Vielen Dank
für alles!“
Plötzlich ging alles so schnell, dass es schon fast vorbei war,
als Lily begriff, was vor sich ging, es dauerte nur wenige Sekunden. In der
linken Hand ihres Vater blitzte etwas auf, ein Messer, mit einem gezielten Stoß
trieb er es direkt in Lekaths Herz, schwarzes Blut spritzte, der freundliche
Dämon schrie auf vor Qual, ein Feuer entzündete sich und von einem Moment auf
den nächsten, war er nur noch ein Häufchen Asche.
Lily starrte entsetzt von der Stelle, wo eben noch ihr neuer
dämonischer Freund gestanden hatte zu ihrem Vater, der das Messer an einem Tuch
reinigte: „Warum hast du das getan?“ „Weil er ein Dämon war.“, seine schlichte
Antwort kam wie aus einer Pistole geschossen.
„Aber er war ein friedlicher Dämon, er hätte niemandem etwas
getan!“, Lily sprang aus ihrem Sessel auf, sie schrie ihren Vater fast an und
Tränen standen in ihren Augen.
„Er war ein Dämon, es ist unsere Aufgabe, Dämonen zu vernichten,
und wenn wir bei ihm einen Unterschied machen, wo fangen wir dann an? Wenn wir
uns schon fragen, welcher Dämon böse ist und welcher nicht, dann müssten wir
sie gleich hoch ansehen, wie Menschen, und nicht ohne Grund ist es einer
Jägerin strikt untersagt, sich in menschliche Angelegenheiten einzumischen,
weil sie einfach nicht das Recht hat solche Entscheidungen zu treffen.
Alle Dämonen sind unsere Gegner, weil sie einfach nicht in unsere
Welt gehören, wir können es uns nicht leisten, sie zu bemitleiden, es ist
einfach nicht möglich.“
„Aber die Wächter können es doch nicht für gut heißen, wenn
Lebewesen getötet werden, die vollkommen unschuldig sind!“, es wurden immer
mehr Tränen in ihren Augen, sie konnte sie nicht mehr aufhalten.
„Setz dich wieder hin und hör zu, Kind!“, seine Stimme klang
streng und gebieterisch. Lily zuckte zusammen, nahm aber wieder platz, „Willst
du wissen, warum ich ihn getötet habe? Wir Wächter müssen Dinge tun, die wir
nicht tun wollen, es ist unsere Bestimmung, wir haben die Verpflichtung, alles
zu tun, was getan werden muss um die Menschheit zu retten, dabei sind die
Dämonen unsere Feinde, seit alters her. Und glaub mir Lily, viele Menschen sind
grausamer, kaltherziger und gefährlicher, als es die meisten Dämonen je sein
könnten, und sie werden es mit Sicherheit irgendwann selbst fertig bringen sich
zu zerstören, doch unsere Aufgabe ist es nur sie vor Dämonen zu schützen, und
nicht vor sich selbst. Es geschehen so viele grausame Dinge in dieser Welt und
die wenigsten von ihnen haben mit Dämonen zu tun, doch was die Menschen betrifft
interessiert uns nicht. Ein Dämon ist ein Feind, egal wie freundlich er ist,
oder ob er Kinder hat, die um ihn trauern werden, sie sind Feinde und gehören
zur anderen Seite, das darfst du nie vergessen!“
Lily schaute ihren Vater an, sie wollte ihm glauben schenken, sie
wollte das kennen lernen, wonach sie sich schon ihr ganzes Leben sehnte, doch
sie konnte ihm nicht verzeihen, was er getan hatte.
„Wächter zu sein heißt Opfer zu bringen, um die heilige Pflicht zu
erfüllen, die uns gegeben wurde, es ist nie leicht, aber du wirst es lernen.
Diese Welt ist so komplex, das nur ein kleiner Tropfen das Fass zum Überlaufen
bringen kann, wir können es uns einfach nicht leisten, zimperlich zu sein, denn
wenn wir es an der falschen Stelle sind, wenn wir anfangen Kompromisse
einzugehen, werden wir irgendwann bitter dafür bezahlen und feststellen, dass
wir zu nachsichtig waren und dass wir uns aus Bequemlichkeit selbst angelogen
haben.
Wir sind das letzte Schild zwischen der Menschheit und ihrem
Untergang, Ordnung ist das was zählt, Chaos ist der Untergang, es wird
irgendwann der Tag kommen, an dem das Chaos über die Ordnung siegt und wir die
alles entscheidende Kontrolle verlieren. In dieser Zeit wird es auf mutige
Frauen und Männer ankommen, die sich dem Chaos stellen, und die Ordnung wieder
herstellen! Und wir, du und ich werden unter ihnen sein, wenn wir dann noch
leben.
Mitleid wäre etwas sehr menschliches, doch Menschen sind schwach,
und wir können es uns nicht leisten schwach zu sein. Menschen, wissen nicht was
sie wollen, unter einer Monarchie kreischen sie nach Freiheit, aber in einer
Demokratie sind sie nicht bereit einen Finger für andere zu rühren; wir können
es uns nicht leisten unentschieden zu sein. Wir sind Wächter. Wächter über die
Jägerinnen. Wächter über die Ordnung. Wächter über uns selbst! Wir müssen
Entscheidungen treffen, die keiner treffen will und Dinge tun, die keiner tun
will, bist du bereit eine Wächterin zu sein? Willst du diese Last wirklich
tragen?“
Lilys Herz rutschte in die Hose, das war es also gewesen, was ihr
Vater die ganze Zeit gemeint hatte, wieso er sie vor dem Rat schützen wollte.
Wie er so da stand sah er fast hilflos aus, irgendwie entblößt, Lily konnte die
Last, die auf seinem Rücken ruhte förmlich spüren: „Ich will eine Wächterin
werden, so wie du einer bist! Ich will dem Rat dienen, und seinen Idealen! Ich
will unserem Namen Ehre machen! Und vor allen Dingen will ich nie vergessen,
was du mich heute gelehrt hast!“
Sie stand auf und streckte ihre Hände aus, er schloss sie in seine
Arme: „Ich bin stolz auf dich kleines Mädchen! So stolz!“
In seinen Augen standen Tränen, doch sie würde wohl nie erfahren,
ob es Tränen der Freude oder Tränen der Trauer waren.
Der Regen hämmerte immer noch unerbitterlich gegen die hölzernen
Fensterläden.
England, Landsitz außerhalb von London, 2004:
„Ms Usher?“, mit einem Schlag wurde Lily zurückgerissen in die
Realität, die alte Haushälterin stand direkt hinter ihr, „Ms. Usher, es ist
alles so weit fertig, alle Gäste sind eingetroffen, Mr. Martin lässt sie
rufen!“
„Ja, ich komme gleich, einen Moment noch!“, Lily war gefasster,
als sie es erwartet hatte, „Sagen sie George, er kann auch ohne mich anfangen!“
„Wie sie meinen!“, als wäre es eine persönliche Beleidigung gewesen
machte die rundliche Angestellte eine Kehrtwende und verschwand irgendwelche
unverständlichen Worte murmelnd im Flur, Lily blickte ihr für einen Moment
nach, dann fiel ihr Blick wieder auf das Bild ihres Vaters: „Gib mir Kraft! Ich
werde sie brauchen, und mit ein bisschen Glück wird dort wo jetzt Chaos ist
bald wieder Ordnung sein. Deine Ordnung!“
Sie zog den Zettel wieder aus der Tasche und machte sich auf den
Weg.
Als sie die breite Treppe, die nach unten in den Empfangsraum
führte herunter schritt konnte sie förmlich spüren, wie die Blicke aller
Wächter auf sie gerichtet waren, sie alle hatten Fragen, wollten mit ihr
sprechen, sich mit ihr gut stellen oder auf Distanz stellen, eine wunderbare
Spielwiese, hier konnten Bündnisse geschmiedet und Zwietracht gesät werden,
genau das was jetzt von Nöten war.
Als sie die unterste Stufe der Treppe erreicht hatte, glitt sie in
das Meer aus Menschen hinein, dass sich im nicht allzu großen Empfangssaal
versammelt hatte, doch die Wächter machten es ihr nicht schwer, sie wichen zur
Seite und es schien, als ob sie ihr direkt einen Weg zu George frei machen
wollten, der am Buffet stand und peinlich genau darauf achtete, dass sich noch
niemand etwas nahm.
Aus den Menschenmassen trat eine Wächterin hervor. „Kathryn!“,
begrüßte Lily die Frau übertrieben freundlich, „Wie lange ist es her, dass ich
dich gesehen habe?“
Doch Kathryn, Erbin des Hauses Lionsbridge, schien sich nicht an
Lilys künstlicher Art zu stören: „Es ist nicht ganz so lange her, das letzte
mal auf der Beerdigung deines Vaters, doch davor eine ganz lange Zeit nicht,
ich hab dir immer Briefe geschrieben, aber du hast nie geantwortet!“
„Tut mir Leid, aber ich war fast nie zu Hause, du weißt ja, wie es
mit der Arbeit ist, man kommt einfach nicht dazu solche kleinen Dinge zu tun.“,
rechtfertigte sich Lily und die beiden Frauen lachten. Kathryns Lachen war
beinahe künstlicher, als Lilys.
„So, ich muss jetzt weiter, es gibt noch viele andere, die mit mir
sprechen wollen, und ich sollte George auch nicht zu lange warten lassen! Wir
können uns ja irgendwann einmal zum Tee
treffen und über alte Zeiten plaudern.“, mit diesen Worten ließ sie ihre alte
Jugendfreundin hinter sich, ohne eine Antwort zu erwarten. Kathryn war unwichtig,
sie war zu schwach, um sich gegen sie zu stellen, also fraß sie Lily so oder so
aus der Hand, ob sie nun freundlich zu ihr war oder nicht.
Zwischen den ganzen Wächtern erblickte sie für einen kurzen Moment
Lady Ashcroft, dicht gefolgt von ihrem Sohn Michael. Lily nickte ihr zu und die
alte Frau antwortete ihr auf die gleiche Weise. Auch wenn die Ashcrofts sich
noch nie mit den Ushers verstanden hatten, und auch wenn Marianne seit dem Tod
ihres Mannes eine verbitterte alte Frau war, würde sie keine Probleme machen,
dafür waren ihre Ansichten und Interessen zu ähnlich. Michael wäre schon eher
eine Gefahr gewesen, doch seine Mutter behandelte ihn wie einen Schoßhund an
kurzer Leine. Wenn seine Mutter es nicht erlaubte würde er sich nie trauen,
etwas gegen sie zu sagen.
Am Rand der Halle fielen ihr zwei düster blickende Frauen auf, sie
standen etwas abseits von der Menschenmasse, also bahnte sich Lily einen Weg:
„Ladys, das ist ein Empfang, es wäre sicher nicht falsch sich ein bisschen zu
amüsieren!“
Die beiden starrten immer noch finster drein, schließlich erhob
Laurel Cromwell das Wort: „Unsere Familien waren noch nie Freunde, doch mit
diesem abgekarteten Spiel werden sie nie durchkommen! Sie sind zu weit gegangen!“
Die Wächterin zu ihrer Linken pflichtete ihr bei: „Vielleicht
glauben sie heute feiern zu können, doch die Lust dazu wird ihnen vergehen, so
bald es zum Tribunal kommt!“
Lily hielt an ihrem künstlichen Lächeln fest: „Wir tun alle nur,
was wir für das richtige halten, kein Grund deswegen ausfallend zu werden, doch
wir sollten heute Abend wirklich nicht mehr über das geschäftliche reden, als
unbedingt nötig!“, scheinbar ohne Luft zu holen fuhr sie fort, „Claudia, wie
geht es eigentlich ihrer Familie in Thailand, ich habe gehört, dort unten soll
das Wetter im Moment ziemlich verrückt spielen!“
In dem charmanten Lächeln ging die unterschwellige Drohung kaum
unter: Sie kannte ihre Schwachstellen, und sie würde nicht davor
zurückschrecken, das schamlos auszunutzen, wenn sie nicht in ihrem kleinen
Spiel mitspielten.
„Ihnen geht es so weit ganz gut, so viel ich weiß.“, antwortete
Claudia trocken.
„Er ist auch ein Wächter, nicht war? Hoffentlich kommt niemand auf
die Idee ihn an den Untersuchungen dieser Phänomene zu beteiligen! Immerhin
haben sie schon eine Jägerin das Leben gekostet!“, legte sie noch eins drauf
und verabschiedete sich dann charmant mit einem kleinen Winken und stürzte sich
wieder in die Menge.
„Ms. Usher, haben sie kurz Zeit für mich?“, es war Charles
Prescott, seine Familie war schon vor langer Zeit nach Amerika übergesiedelt,
er stand Giles Ideen sehr offen gegenüber. Aufpassen!
„Charles, schön sie hier zu sehen, wir hatten leider nie die
Gelegenheit uns näher kennen zu lernen.“, ein freundlicher Anfang, wie immer.
„Nein, das hatten wir wohl nicht. Ich wollte noch einmal mit ihnen
über Mr. Giles reden, doch wenn es ihnen jetzt nicht passt, dann…“, Prescott
war nicht so direkt wie Lady Cromwell es gewesen war, doch er vertrat
offensichtlich die gleiche Ansicht, außerdem kam er Lily weit aus intelligenter
vor, als die junge Erbin.
„Nun ja, ich denke nicht, dass wir dieses Thema diskutieren
sollten, bis es zur Verhandlung kommt, sonst wirft uns nachher noch jemand
Vorverurteilung vor!“, sie blickte sich um und sah George, der auf seine Uhr
zeigte, sie formte mit ihrem Mund ein „Ich komme gleich.“.
„Wie auch immer, ich sollte jetzt wirklich meine Rede halten!“,
sie lies den etwas enttäuscht dreinblickenden Prescott zurück und bahnte sich
ihren Weg.
„Ms. Usher? Entschuldigen
sie bitte...“, sie drehte sich um und vor ihr stand Bernard Crowley, er war in
die Jahre gekommen, das sah man ihm an, auch wenn Lily ihn nur früher einige
Male flüchtig gesehen hatte: „Entschuldigung, Ms. Usher, wollte sie nur
begrüßen!“
„Mr. Crowley, es ist mir eine Freude sie zu sehen, sie sehen gut
aus, haben sie sich eigentlich überhaupt verändert!“
„Hören sie mit den Schmeicheleien auf, Ms. Usher, die durchschaue
ich, ich bin in die Jahre gekommen, wie wir alle, doch ich bin immer noch
bereit dem Rat zu dienen, so gut ich kann!“
„Ich denke, das sind wir alle!“, Lily ging nicht weiter darauf ein
und überlegte für einen Moment, ob dieser alte Mann vielleicht mehr verbarg,
als sie wusste, sie würde sich bei Zeiten darum kümmern müssen.
„Wenn sie mich jetzt entschuldigen würden!“, schaffte Lily es
schließlich ihm zu entkommen.
Als sie George erreichte wirkte ihr alter Freund sichtlich
gestresst: „Wo warst du? Ich habe schon die ganze Zeit auf dich gewartet, wo
warst du?“
„Ich habe ein paar alte Kontakte aufgefrischt, das wird doch nicht
verboten sein, schließlich ist das ein Empfang!“, George schien ernsthaft
aufgebracht, „Wenn schon, dann solltest du mit den wirklich Mächtigen reden; du
hast noch kein Wort mit den Edinburgh Geschwistern gewechselt, seit du hier
bist, genau so wenig wie mit Norman Oldcastle!“
„Warum soll ich meine Zeit mit sicheren Verbündeten
verschwenden?“, sie tat etwas entnervt, „Kann ich jetzt diese gottverdammte
Rede halten?“
Er nickt nur, also griff sie zu einem Glas mit Sekt und einer
Gabel. Das Klingeln riss die Wächter aus ihren Gesprächen, und der Lärm, der
sich langsam aufgebaut hatte verstummte abrupt.
„Meine Damen und Herren, ich will sie nicht lange aufhalten, ich
weiß, sie alle haben Hunger, Hunger und Durst, also werde ich mich kurz fassen:
Zuerst einmal möchte ich ihnen danken, dass sie zu zahlreich erschienen sind,
um mich zu begrüßen, Danke! Ich bin mir im klaren darüber, dass dies eine
schwere Zeit ist und zwar für uns alle, viele sind sich unsicher, was als
nächstes geschehen soll, wie es mit uns weitergehen soll, und das sollten sie
auch!
Ich selbst habe auch Zweifel, doch ich denke, wir können es uns
nicht leisten uns von diesen Zweifeln davon abhalten zu lassen Dinge zu tun,
die getan werden müssen, Dinge die man nicht aufschieben kann, bis sie
irgendwann zu so gewaltigen Problemen werden, dass sie alles, was wir aufgebaut
haben wieder zerstören!
Lassen sie uns auf eine gemeinsame, bessere Zukunft für den Rat
trinken, lassen sie uns auf alle trinken, die sich für unsere Sache geopfert
haben, unsere Väter und Mütter und so viele andere. Lassen sie uns darauf
trinken, dass sie genau das gleiche tun würden an unserer Stelle!“
Sie erhob ihr Glas und trank einen Schluck, die Nacht war jung und
es gab noch viel zu tun.
„Das Buffet ist eröffnet!“
Akt 2:
Cleveland, Buffys Wohnung, nächster Morgen:
Buffy hatte sich Zeit gelassen, aufzustehen, es war gestern Abend
sehr spät geworden, und Giles hatte ihr etwas Zeit zu gestanden. Auch wenn ihr
nicht danach war, und sie lieber nach ihm gesehen hätte, immerhin schien die
Sache mit dem Rat und Lily ihn verständlicher Weise ziemlich mitzunehmen,
genehmigte sie sich trotzdem ein ausgedehntes Frühstück, aber es würde wieder
ein langer, harter Arbeitstag werden, und es konnte sicher nicht schaden, wenn
sie ordentlich etwas in den Magen bekam, bevor sie anfing, denn sie
bezweifelte, dass sie später dazu kommen würde.
Genüsslich schmierte sie die Marmelade auf ihren Toast und wollte
es gerade zum Mund führen, als die Haustürklingel läutete. Sie blickte einmal
unentschieden zwischen dem Toast und der Tür hin und her, und entschied sich
dann schweren Herzens für die Tür.
Für einen kurzen Moment dachte sie darüber nach, dass sie nur
ihren Pyjama trug, doch dann war es schon zu spät, und vor ihr stand ein äußerst charmant
aussehender Postbote: „Ich habe Post für sie!“
Er hatte trotz seiner charmanten Art eine irgendwie komische, fast
bösartige Ausstrahlung, die Buffy für einen Moment an jemand anderen denken
lies, doch es verflog schnell. Ein Vampir konnte er wohl auch schlecht sein,
bei dem Beruf.
„Lady, ihre Post!“, er hielt ihr einige Briefe entgegen.
„Oh ja, natürlich.“, sie nahm sie entgegen, während ihr Blut in
ihren Kopf schoss.
Scheinbar merkte er es, denn er setzte ein schiefes, belustigtes
Lächeln auf: „Schicker Schlafanzug!“
„Danke!“
Er zog die Tür hinter sich zu und sie fiel ins Schloss. Schicker
Schlafanzug? Oh Gott! Sie müsste wirklich mal wieder mit Männern ausgehen, und
wenn nur um wieder ein bisschen mehr in Übung zu kommen! Das war ja
entsetzlich, früher hätte sie einen frechen Kontre bereit gehabt, doch heute
bedankte sie sich nur? Was war bei ihr so falsch gelaufen?
Sie setzte sich wieder an den Tisch und schmollte ein bisschen,
während sie die Briefe durch sah, Ermahnung des Zahnarztes, Rechnungen und
geschäftliches des Rates, das aber wohl nun überholt war. Es hatte sich nicht
wirklich gelohnt sich gegen den Toast und für die Tür zu entscheiden, selbst
wenn man die peinliche Situation nicht zählte.
Unwillig öffnete sie den Brief des Zahnarztes mit einem antiken
Brieföffner aus reinem Silber, der eigentlich mal für die Dämonenjagd hatte
herhalten sollen.
Sie überflog die Zeilen, dann stöhnte sie leicht auf, es war im
Moment nicht wirklich Zeit für so etwas.
Sie wollte sich gerade dem nächsten Brief von einem gewissen
Charles Prescott, wohl einem Wächter, widmen, als es erneut klingelte.
Mühsam stand sie ein weiteres Mal auf und schleppte sich zur Tür,
die Briefe immer noch in ihren Händen. Bevor sie öffnete warf sie einen kurzen
Blick durch den Spion, um nicht wieder von einem überaus gut aussehenden
Postboten überrascht zu werden. Doch was sie sah lies sie zurückschrecken: Vor
ihrer Tür stand ein ihr nur zu gut bekannter Dämon.
Regil, Mo´s Freund, den sie bei der Plünderung eines Grabmals
überrascht hatte, ein echsenartiger Dämon, der ein tiefer anzusiedelndes
Mitglied der Organisation war. Mit einem Schlag riss Buffy die Tür auf, packte
den Dämonen am Kragen und drückte ihn gegen die Wand: „Was machst du hier?“
Er rang nach Luft, während er versuchte zu erklären: „Wir beide sind
weiß Gott keine Freunde Jägerin! Nun ja, aber auf jeden Fall bist du Mo´s
Freund, und Mo ist mein Freund, und ich denke er wäre nicht gerade glücklich,
wenn dir etwas zustoßen würde, auch wenn ich nicht verstehen kann, warum. So
oder so: Ich schulde ihm noch einiges, und deswegen bin ich hier, auch wenn er
es nicht weiß und auch nicht wissen muss.“
Buffy starrte ihn fragend an, was wollte er hier? Konnte sie ihm
trauen? Vermutlich nicht, dennoch sollte sie sich anhören, was er zu sagen
hätte. Langsam und misstrauisch ließ sie ihn herunter und zupfte seinen Kragen
zu Recht.
„Also, Jägerin, ich werde dir jetzt etwas sagen, was du wirklich
wissen solltest, aber vorher musst du mir versprechen, dass danach jede Schuld,
die ich je bei dir hatte beglichen ist.“
„Ich verspreche es, wenn die Information wirklich so wichtig
ist!“, zog sich Buffy demokratisch aus der Affäre.
„Gut, mehr kann ich wohl nicht verlangen!“, er nickte, als ob er
es erst hätte mit sich selbst ausmachen müssen, dann streckte er die Hand aus
und machte ihr mit einer unmissverständlichen Geste klar, dass sie ihm die
Briefe geben sollte. Für einen Moment stockte sie zu erst, doch er meinte es
offensichtlich ernst, also gab sie die Post weiter.
Er nahm den schon geöffneten Brief vom Zahnarzt, legte die
restlichen bei Seite, und betrachtete ihn für einen kurzen Moment, dann hielt
er seinen Finger an eine Stelle und zeigte ihn ihr: „Hier sieht man es am
deutlichsten!“
Er hielt ihr den aufgeschnittenen Umschlag hin, doch Buffy fiel zu
erst nicht auf, was er meinte, doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den
Augen: Der Rand war eingerissen und es war eine deutliche Klebespur zu
erkennen.
„Jemand liest deine Post!“
Sie hielt den Umschlag zwischen ihren Fingern, ihr Atem ging
schneller, wer sollte sich für ihre Zahnarzttermine interessieren?
„Aber es kommt noch besser!“, er griff zu dem Telefon und öffnete
das Batteriefach, ein kleiner rot blinkender Sender kam zum Vorschein, „Sie
hören dein Telefon ab; kurz sie überwachen dich!“
„Wer sind sie?“
„Das kann ich dir nicht sagen, es ist schon riskant für mich
überhaupt hier zu sein, ich dachte nur, dass dich das vielleicht interessieren
würde, denn der, der hinter dem ganzen steckt wird nicht zurückschrecken, bis
er dir furchtbar wehgetan hat!“, erklärte der Echsendämon.
„Warte, ich kann dich beschützen, wenn du mir hilfst!“, Buffy
packte ihn am Arm, dass er ja nicht weg laufen konnte, doch er riss sich los:
„So, wie du Mo geholfen hast? Hast du bisher einmal den Finger für ihn krumm
gemacht?“
„Ich hab alles getan, worum er mich gebeten hat!“, Buffy begann
ein schlechtes Gewissen zu bekommen, obwohl die Anschuldigung ihrer Meinung
nach völlig ungerechtfertigt war.
„Du kennst ihn doch nicht einmal, du weißt nicht einmal etwas über
Malkuth!“, mit diesen Worten drehte Regil sich um und verschwand, für einen
Moment überlegte Buffy, ob sie die Antwort aus ihm herausprügeln sollte, doch
dann entschied sie sich dagegen, er hatte ihr schon einen großen Dienst
erwiesen.
Wächterhaus, wenig später:
„Ja, ich verstehe ja, dass sie nichts dazu sagen wollen, bevor sie
mit ihren Freunden in London sprechen können, doch Ms. Usher ist dort und sie
manipuliert den Rat, ich bezweifle, dass ihre Freunde eine unvoreingenommene
Meinung haben!“, Giles presste den Telefonhörer krampfhaft an sein Ohr. Die
Ringe unter seinen Augen machten deutlich, dass er die ganze Nacht kein
einziges Auge zu getan hatte, auch wenn er es Buffy versprochen hatte, und sie
selbst nach hause geschickt hatte.
Das ganze war frustrierend, immer wenn er jemanden anrief wurde er
mit vorgeschobenen Argumenten hingehalten, irgendwelche höheren Instanzen
mussten gefragt werden, Jägerinnen waren auf irgendwelchen gefährlichen
Missionen, oder die Verbindung war schlecht. Langsam war er es leid, immer so
abgewimmelt zu werden. Hatte, er wirklich so wenig erreicht, als er den neuen
Rat aufgebaut hatte, dass es ihm nicht mal möglich war die Ohren der Wächter
für die Wahrheit zu öffnen.
Einzig Kieran O´ Baley hatte sich kooperativer gezeigt und ihm
Gehör geschenkt, doch dieser eine amerikanische Wächter war nicht wirklich viel
Wert, dennoch war Giles froh, dass er wenigstens eine Person im Rat hatte, die
ihm Gehör schenkte, auch wenn er sich nicht sicher war, ob Kieran wirklich auf
seiner Seite war.
„Ja, ok, sie melden sich wieder, wenn sie etwas in Erfahrung
gebracht haben, ja!“, frustriert knallte er den Hörer in die Halterung: Es
würde nie etwas werden!
Er wollte sich gerade dem nächsten Namen auf seiner Liste
annehmen, als Buffy von hinten in den Raum gestürmt kam. Ihr Gesichts Ausdruck
war ziemlich aufgebracht und schien förmlich „Ich muss mit ihnen reden Giles,
jetzt!“ zu schreien.
„Buffy, was ist mit dir los? Ist irgendwas geschehen?“, er legte
sein Notizbuch auf den Tisch und trat einen Schritt in ihre Richtung.
„Lily, sie hat ihre Spitzel von der Dämonenmafia losgeschickt, um
mich zu überwachen!“, brauste Buffy auf, „Sie hat irgendwas mit uns vor!“
„Bist du dir da sicher?“, fragte Giles und bemühte sich besorgt zu
klingen, doch auch wenn er sich dafür schämte waren seine Gedanken im Moment an
einem anderen Ort, und er konnte sie nicht wirklich auf Buffys Ängste richten.
„Ja, ich habe eine Wanze gesehen und meine Briefe werden geöffnet
und gelesen“, sie reichte ihm den Umschlag, er betrachte ihn gründlich: „Nun
ja, ich muss leider zu geben, dass es in der Tat danach aussieht, aber was
willst du tun? Außerdem bezweifle ich, dass sie an deiner Zahnarztrechnung
interessiert ist! So Leid es mir tut das zu sagen, aber ich denke Lily kennt
uns gut genug und hat es nicht nötig uns zu überwachen! Von wem hast du
eigentlich die Information?“
„Regil, falls sie sich noch erinnern? Ich sehe keinen Grund wieso
er mich nach allem anlügen sollte. Vermutlich geht es Lily darum
herauszufinden, in wie weit wir Erfolg damit haben, gegen sie vorzugehen.
Vielleicht überwacht sie uns ja auch alle, um uns immer einen Schritt voraus
sein zu können?“, mutmaßte Buffy.
„Ok, dann sollten wir das einfach schnell überprüfen, um
festzustellen, ob du recht hast“, schlug Giles vor und zeigte zu seinem
Telefon, während er einen Brief von seinem eigenen Poststapel nahm. Buffy griff
nach dem Hörer und schraubte die Muscheln auf.
„Der Brief sieht ganz normal aus!“, stellte er schließlich
erleichtert fest, wenn er Buffys Sorge auch nicht wirklich geteilt hatte.
“Hm und hier ist auch keine Wanze drinnen, “ sagte Buffy nachdenklich.
„Komisch.“
„Hör zu Buffy... ich weiß nicht was das bedeuten soll, dass man
dein Telefon verwanzt hat, noch verstehe ich den Grund für Regils Tipp.
Vielleicht fragst du mal bei Mo nach oder suchst nach Regil, um mehr
Informationen zu bekommen. Ich bin im Moment wirklich mit ganz anderen
Problemen beschäftigt, um mich jetzt auch noch darum zu kümmern. Hör dich etwas
um, während ich mich weiter um die Sache mit dem Rat kümmere.“
„Ok! “ sagte Buffy gedehnt und fast ein wenig beleidigt. Der Rat
lief ihnen nicht weg, wenn aber jemand ihr Telefon überwachte, sah das doch
schon ganz anders auch. Aber sie verstand Giles und wollte nicht noch mehr Sand
ins Getriebe streuen. „Dann mach ich das und ihnen.... Viel Glück!“
„Dir auch!“
Und schon war sie verschwunden. Giles sah kurz zur Tür und
runzelte die Stirn. Vielleicht hätte er Buffys Problem gegenüber etwas mehr
Interesse zeigen sollen oder sich über die neuen Entwicklungen ernsthafte
Sorgen machen müssen, doch schließlich war Buffy erfahren genug für den Anfang
damit alleine zu Recht zu kommen. Sie verstand sicher, wieso er im Moment
einfach anderes im Kopf hatte.
Und wieso sich darüber den Kopf zerbrechen? Sie hatte ja nicht
einmal gefragt, wie er voran kam, doch das schlimmste war, dass er nicht
wusste, ob er sich darüber aufregen oder eher freuen sollte, weil er ihr nicht
die schlechten Nachrichten hatte überbringen müssen.
Er wollte sich gerade wieder seiner Liste zu wenden, als das
Telefon klingelte. Er hob ab so schnell er konnte: „Ja? Was sagen sie, wie ist
ihr Name?... Prescott? Charles Prescott?“
Kanalisation, unterirdischer Tempel, gleiche Zeit:
“Ein heiliger Krieg, sagst du?“ Der Thug'saha Dämon faltete seine vier Hände
über der bemalten Brust und blickte nachdenklich auf seinen Gebetsteppich
hinunter. “Wir werden das Orakel der Göttin befragen, “ entschied er
schließlich. “Sobald sie uns ihre Entscheidung mitgeteilt hat, werden wir
wissen, ob wir uns deinem Feldzug anschließen werden...“
“Wie lange wird das denn ungefähr dauern?“ erkundigte sich Kan Hsirg erschöpft.
“Bis wann kann ich mit einer Antwort rechnen?“
“Hm...Schwierig.“ Der Knochenkranz in den Händen des Thug’saha klackerte leise.
“Im Moment haben wir den Äon der heiligen Kuh, also können wir frühestens im
Äon des heiligen Esels das Orakel befragen. Normalerweise sind die Antworten
der Göttin jedoch recht schwierig zu deuten, also wird der Hohepriester wohl
zusätzlich die Eingeweide eines Dragnesi Hörnchens zu Rate ziehen müssen. Ein
Dragnesi Hörnchen darf allerdings nur im Äon des Affen geschlachtet werden...“
“Vielen Dank für deine Zeit.“ Kan Hsirg verbeugte sich, und wandte sich ab.
Auch hier würde er nicht weiterkommen. Man sollte nicht meinen, dass es so
schwierig wäre, aggressive blutrünstige Dämonen zu einem Krieg zu überreden!
“Eine Frage noch...“ Der Thug’saha zog an einer Wasserpfeife. “Warum bekriegst
du nicht die Jägerinnen, wenn diese doch deinen Klan auslöschen?“
“Natürlich bekriegen wir uns auch, “ seufzte Hsirg und öffnete sein drittes
Auge, um es einmal genervt zu rollen. “Aber das mit Jägerinnen und Dämonen ist
was völlig anderes, sie sind einfach natürliche Feinde...“
“Ich danke dir für deine Zeit, “
wiederholte er noch einmal und verließ mit raschen Schritten den
unterirdischen Raum.
London, Lilys Pferdegestüt, früher Vormittag:
Ein leises Klopfen an der Tür veranlasste Lily kurz
zusammenzuzucken, dabei griff sie sich leise stöhnend an den Kopf. Sie lag auf dem Bett, alle Gliedmaßen von sich
gestreckt. Lily hatte schreckliche Kopfschmerzen und die dummen Tabletten
halfen kein bisschen. Woher kamen sie nur? Die paar Gläser Sekt am vorigen
Abend konnten es unmöglich gewesen sein, vermutlich war es der Druck das
Richtige zu tun, und die ganzen Gedanken, die ihr die ganze Zeit im Kopf rum
schwirrten, selbst jetzt noch, wo sie es vor Schmerzen kaum aushalten konnte,
um nachzudenken.
„Herein, die Tür ist offen!“, Lilys Stimme klang matt, als George
die Tür aufschob und sie erblickte, die Haushälterin musste ihn wohl herein
gelassen haben: „Mein Gott, Lily, was ist denn mit dir los?“
„Kopfschmerzen, könntest du bitte die Tür hinter dir schließen?
Ich ertrage das Sonnenlicht nicht! Warum bist du gekommen?“
Der alte Mann schloss die Tür vorsichtig, kam dann rüber zu Lily,
setzte sich auf die Bettkante und fühlte ihre Stirn: „Fieber hast du jedenfalls
keins!“
„Oh bitte, Onkel George, ich bin kein kleines Kind mehr!“, sie
entzog sich seiner Reichweite.
„Erinnerst du dich noch, an die Nacht als deine Mutter in Ferien
war und dein Vater musste Geschäfte für den Rat erledigen? Du hattest hohes
Fieber und ich und Juliane sollten uns um dich kümmern, doch es wurde
irgendwann so schlimm, dass ich mit dir ins Krankenhaus fahren musste!“, man
sah seinen alten und traurigen Augen förmlich an, wie er immer mehr in der
Vergangenheit versank.
„Warum bist du gekommen?“, Lily bemühte sich möglichst entnervt
und abgeklärt zu klingen, denn sie konnte es sich nicht leisten, darauf
einzugehen, sie hatte schon genug eigene Probleme, um sich auch noch um Georges
Gefühlswelt zu kümmern.
„Ach ja richtig, ich wollte mit dir über unser weitere
Vorgehensweise reden!“, er rückte wieder etwas näher zu ihr.
„Und, was liegt dir auf dem Herzen, schieß los!“, Lily setzte sich
im Bett auf und strich sich ihre Haare aus dem Gesicht, so dass die Frisur
einigermaßen geordnet aussah.
„Nun ja, ich finde nur, dass du einige Dinge etwas anders
handhaben solltest, zum Beispiel die Edinburghs. Sicher mag es für dich unnötig
aussehen, Zeit mit Verbündeten zu verschwenden, doch wenn du dich nicht mit
ihnen beschäftigst solltest du dich langsam fragen, wie lange du sie noch als
Verbündete haben wirst.“, monierte er ihr Verhalten, „Ebenso Lady Ashcroft und
all die anderen, du verbringst einfach viel zu viel Zeit mit deinen Feinden,
die du natürlich, weiß Gott nicht unterschätzen solltest! Doch ich würde dir
nahe legen, die die du als deine Verbündeten siehst auch nicht zu
unterschätzen!“
„Sie sind dem Rat treu ergeben, so wie ich auch, ob sie mich nun
leiden können, oder nicht, sie werden mich unterstützen.“, erklärte sie ihm
geduldig, während sie in einem Spiegel einige widerspenstige Haare zurück an
ihre Stelle brachte.
„Trotzdem könnte es nicht schaden, wenn du dich etwas mit ihnen
beschäftigst!“, auch er war nun aufgestanden.
„Sag du mir nicht, was ich tun oder lassen soll!“, ihr Blick fiel
aus dem Fenster, es regnete in Strömen.
England, London, altes Ratsgebäude, 1973:
Lily spürte den warmen Atem ihres Vaters in ihrem Nacken, er stand
direkt hinter ihr und zupfte einige ihre Strähnen zu recht: „Alles ok bei dir?
Wie fühlst du dich?“
Das schwarze Kleid passte nicht zu ihr. Sie hätte es sich am
liebsten wieder heruntergerissen, doch wenn heute, an diesem Tag von ihr
verlangt wurde, dass sie es trug, dann musste sie sich wohl fügen, immerhin war
es der Tag auf den sie so lange gewartet hatte: „Ganz gut. Du hast mir
schließlich alles beigebracht, ich werde das schon schaffen!“
„Oh, unterschätze niemals die alten Giftschlangen, sie sind
gefährlicher für dich als viele Dämonen!“, er lachte resigniert, „Aber sie sind
unsere „Verbündeten“ und nicht unsere Feinde, das musst du dir immer merken.
Egal, wie sehr du sie hasst, du musst sie respektieren, genauso wie sie dich
respektieren müssen, wer nicht nach den Regeln des Rates spielt wird über kurz
oder lang dieses Spiel verlieren.“
„Wie lange versuchst du jetzt schon mir das einzubläuen? Ich bin
kein kleines Kind mehr, ich habe verstanden, was du gesagt hast!“, sie legte
ihre Hand auf seine, „Ich werde keinen Fehler machen, du wirst stolz auf mich
sein!“
„Das werde ich sowieso!“, er warf noch einen kritischen Blick auf
ihre Haare und zog eine letzte Strähne zu Recht, „Ja, jetzt ist es ok!“
Sie drehte sich um, und er betrachtete sie noch einmal von oben
bis unten: „Du bist wunderschön!“
„Hoffen wir nur, dass ich mehr als das bin, denn sonst bin ich
hier im Rat definitiv falsch!“, ein schmales Lächeln schlich ihr ins Gesicht,
das er mit einem breiten beantwortete: „Ich glaube, du hast wirklich gut
gelernt!“
„Dann lass uns mal los gehen, wir können es auch nicht ewig
aufschieben!“, schlug Lily vor und ergriff die Hand ihres Vaters. Während sie
langsam und andächtig durch die Gänge des Ratsgebäudes schritten wechselten sie
kein einziges Wort.
Schließlich erreichten sie das Bankett, die anderen waren alle
schon da.
Quentin Travers, den sie schon aus ihrer Ausbildungszeit kannte,
erhob sich. Er war für sein hohes Amt noch sehr jung, doch er hatte es nach dem
Tod seines Vaters mit einer überwältigenden Mehrheit im Rat übernommen: „Mein
sehr verehrten Damen und Herren, Kollegen und Freunde, wir sind heute zusammen
gekommen, um eine der wohl talentiertesten Anwärterinnen, die der Rat je gehabt
hat, in unseren Kreis aufzunehmen: Ms. Lily Usher!“
Wie von selbst, sie war diese Prozedur mit ihrem Vater hunderte
male durchgegangen, stand Lily auf und lächelte fröhlich in die Runde. Travers
fuhr fort: „Willst du, Lily Usher dem Rat der Wächter dienen, auf Lebenszeit,
und so gut du kannst, mit all deinen dir zur Verfügung stehenden Kräften?
Willst du bis zum Ende aller Tage diese Welt vor dem Bösen verteidigen, bereit
jedes Opfer zu bringen? Dann antworte nun mit einem Ja!“
Sie hob ihre Hand: „Ja, ich will und ich schwöre all dies zu
tun!“, es war vollbracht, ihr Traum hatte begonnen wahr zu werden, nun könnte
sie in seine Fußstapfen treten und versuchen ihren Vater stolz zu machen.
„Gut, dann ernenne ich dich hier mit zur Wächterin auf
Lebenszeit!“, er nahm einen Blumenstrauß, den er hinter sich abgestellt hatte
und überreichte ihn ihr: „Willkommen im Rat der Wächter!“
Ihr Vater nahm ihr die Blumen ab, während auf allen Seiten Leute
auf sie einstürmten, die ihr gratulieren wollten.
„Ich freue mich, dass sie endlich dabei sind, ihr Vater hat uns
schon viel von ihnen erzählt!“, eine überaus aufgeschlossene und fröhliche
Frau, die sie als Lady Ashcroft erkannte schüttelte ihr die Hand, und ihr
schweigsamer, streng dreinblickender Gatte tat es ihr gleich ohne ein weiteres
Wort zu sagen.
Lily erinnerte sich an die Worte ihres Vaters: `Die Ashcrofts sind
eine nicht zu Unterschätzende Macht, das waren sie schon immer. Sie mögen uns
nicht, aber sie stehen trotzdem auf unserer Seite, denn sie verfolgen die
gleichen Ziele wie wir. Du darfst es dir nicht mit ihnen verscherzen, hörst du
Mädchen? Sie sind gleichzeitig unsere schlimmsten Feinde und unsere besten
Verbündeten!´
„Vielen Dank, Mr. Und Mrs. Ashcroft, ich weiß das zu schätzen!“,
antwortete sie, immer noch das gleiche Lächeln im Gesicht.
Von links drängte sich mehr oder weniger höflich Roger
Wyndham-Price auf: „Lily, meine teuerste, herzlichen Glückwunsch! Ich wünschte
mein Sohn wäre nur halb so fähig wie sie, ich könnte mich glücklich schätzen!“
`Viel Geld, aber keinen wirklich Einfluss. Geld und Einfluss, das
sind zwei Dinge, die man nie verwechseln sollte. Sicher könnte Roger seinem
Sohn, den er selbst als Versager einschätzt, eine hohe Position im Rat
einkaufen, doch das heißt nicht, das die anderen ihn wirklich respektieren,
oder seine Meinung ernst nehmen! Der Respekt, den du durch Reichtum erhältst, ist
kein wirklicher; wenn du im Rat langfristig überleben willst brauchst du
beides, Geld und Einfluss!´
Etwas unerwartet umarmte George sie, Lily hatte ihn nicht mal
kommen sehen: „Ich wusste immer das du es schaffen würdest!“
„Danke, Onkel George!“
`Versteh mich nicht falsch, ich kann George gut leiden und wir
Ushers sind den Martins sicher zu viel Dank verpflichtet, dennoch muss ich
sagen, dass George sehr naiv ist, er würde alles machen, was wir ihm sagen. Er
vertraut uns, doch Vertrauen zu den falschen Leuten kann sehr gefährlich sein,
im Rat, wie auch sonst überall in diesem Leben!´
„Herzlich willkommen im Rat!“, gratulierte Edward Edinburgh, mit
dessen Kindern Barbara und Dean Lily früher oft gespielt hatte.
`Exzellente Taktiker diese Edinburghs, allesamt, doch leider haben
sie nicht genug Einfluss um ihr Talent innerhalb des Rates nutzen zu können,
wirklich sehr bedauerlich – für sie!´
Mr. Lenhardt trat vor und reichte ihr seine Hand, die sie sofort
ergriff: „Willkommen!“
`Eine Wächterfamilie aus Deutschland, sie haben sich damals nach
der Bombardierung des Ratsgebäudes im zweiten Weltkrieg sehr für den Rat
eingesetzt und genießen ein sehr hohes Ansehen unter den anderen Wächtern. Das
sollten sie auch bei dir! Gute Leute, ihnen könntest du wohl noch am ehesten
vertrauen, abgesehen von denen, die dir vertrauen, wie George. Trotzdem darfst
du es mit diesem Vertrauen nie zu weit kommen lassen, es ist ein bisschen wie
ein Drahtseilakt.´
Als nächstes war John Cromwell an der Reihe: „Ich freue mich schon
auf unsere hoffentlich gute Zusammenarbeit!“
`Vorsicht, liberal. Er gehört zu den Wächtern, die eine
Veränderung des Rates wollen, so etwas ist immer gefährlich. Auf ihn und seines
gleichen musst du achten, sonst werden sie den Rat reformieren, während du
gerade mit anderen wichtigen Dingen beschäftigt bist; wirklich sehr
gefährlich!´
Es waren noch so viele Leute, die ihr etwas zu sagen hatten, der
Abend würde lang werden!
Plötzlich spürte sie ihren Vater neben sich, er flüsterte ihr
etwas zu, doch zuerst verstand sie es nicht, er musste es noch mal wiederholen:
„Lass dir nicht zu viel Zeit mit ihnen, wir haben gleich noch etwas wichtigeres
vor!“
„Was wichtigeres?“
„Eine andere Einweihungsfeier, etwas privater.“
London, Pferdegestüt, 2004:
Wie kleine Fäden zogen sich die
Regentropfen vom Himmel hinab. Es waren so unendlich viele, dass es wohl
sinnlos gewesen wäre sie zu zählen. Lily beobachtete einige, wie sie auf dem
Boden des Balkons aufschlugen. Nach so einem langen Flug hatte das Schicksal
nichts Besseres für sie übrig, als solch ein hartes Ende. Sie hörten auf zu
existieren, waren einfach nicht mehr da, doch das Wasser aus dem sie bestanden
hatten blieb, und es würde nie ganz verschwinden, es war für immer ein Teil
dieser Welt.
Sie wand sich wieder George zu: „Ich weiß deine Hilfe wirklich zu
schätzen, und glaub mir, wenn die Dinge anders liegen würden, dann würde ich
mit dir über alten Geschichten plaudern, mit dir zusammen über sie lachen und
ich würde mit dir trauern um das, was wir verloren haben! Doch die Dinge liegen
nun mal so wie sie sind, und du musst mich nicht beraten. Der Rat der Wächter
ist schon zu lange meine Spielwiese, als dass ich ihn nicht einschätzen könnte.
Vermutlich sitzen die Edinburghs gerade bei Lady Ashcroft beim Tee und
verschwören sich gegen mich, und? Das haben sie schon immer getan, und das
werden sie auch immer wieder tun, doch im Moment habe ich rein gar nichts von
ihnen zu befürchten, denn ohne mich werden sie Rupert Giles nicht los! Das
heißt, dass es für sie eine Entscheidung zwischen mir und ihm ist, und sie
wären wirklich sehr dumm, wenn sie es darauf ankommen lassen würden. So lange
sie mich brauchen, weil ich das kleinere Übel bin, so lange werde ich mir um
sie auch keine Sorgen machen, und bis dahin werde ich noch Zeit genug haben, um
mir etwas einfallen zu lassen. So bald mein Plan gelingt werden sie mir so oder
so zu Füssen liegen!“
George schaute sie an, als ob er versuchte irgendetwas in ihr zu
sehen, als ob irgendwas auf ihrer Haut geschrieben stehen würde, er es aber
nicht entziffern könnte: „Du hast ja Recht, Lily! Doch ich will nicht einfach
nur in der Ecke stehen und nichts machen, ich will dir helfen so gut ich kann,
das bin ich dir und deinem Vater schuldig!“
„Ich weiß, was du meinst, und ich verstehe dich auch, doch ich
glaube für mich ist es das Beste, wenn du weiter den alten, gutmütigen Kauz
spielst, als der du im Rat bekannt bist. Ich schaffe das ganze schon
irgendwie!“, sie ergriff seine Hände, „So wärst du mir am wertvollsten, und würdest
mir und meinem Vater den größten Dienst erweisen.“
„Gut, wenn du meinst.“, gestand George schließlich widerwillig
ein, „Da ist aber noch etwas wegen dem ich zu dir gekommen bin: Ich denke, du
brauchst jemanden der für dich Arbeiten erledigt, Botengänge und ähnliches, du
weißt schon. Wie auch immer, wenn du für jemanden etwas zu tun hast, dass du
nicht selbst erledigen kannst, dann ruf einfach bei mir an und sag Mrs. March,
dass du jemanden brauchst. Sie wird dir dann so schnell wie möglich jemanden
vorbei schicken, ok?“
„Gut, für diese Art der Hilfe bin ich dir auch sehr dankbar!“, sie
umarmte ihn, „Doch ich befürchte, du musst jetzt gehen, ich habe noch einige
Besorgungen zu machen!“
„Und die Kopfschmerzen?“
„Die sind praktisch weg!“
Cleveland, Schule, gleiche Zeit:
"Mara warte mal." pustend kam Dawn ihrer Freundin
hinterhergelaufen.
"Was ist denn los??", wollte Mara irritiert wissen, als
sie Dawn endlich bemerkte.
"Mensch die alte McGoogle will uns am Montag eine Klausur in Politik
schreiben lassen. Ich werde bestimmt durchrasseln, wenn du mir nicht hilfst.
Hilfst du mir? Bitte, bitte!" Dawn versuchte einen Hundeblick zu Mara zu
werfen, sie sah dabei aber so komisch aus, dass beide Mädchen lachen mussten.
‚Er durfte sich nicht erwischen lassen.’
"Klar du Politiktrampel, ich helfe dir. Kann dich doch nicht durchrasseln
lassen.", munterte Mara sie auf.
"Prima.", freute sich Dawn.
"Was ist prima?" ertönte plötzlich eine männliche Stimme
im Hintergrund. Josh gesellte sich zu den beiden Mädchen.
"Ach wir schreiben Montag eine Politikklausur und unser Ass hier rettet
mich, indem sie am Wochenende mit mir lernen will.", erklärte Dawn.
‚So viele Kinder hier, hoffentlich bemerkte ihn keins von denen.’
“Klar.“, grinste Josh, „als wenn ihr beiden lernen würdet. Ihr werdet doch eh
nur die süßen Jungs der Schule und die Cheerleader durchhecheln. Dann noch ein
bisschen Keanu Reeves und der Lernnachmittag ist perfekt.", langsam zählte
Josh seine Finger ab. Kaum hatte er zu Ende gesprochen, fielen beide Mädchen
über ihn her.
‚Das musste Sie sein. Sein Boss hatte sie ihm genau beschrieben.’
"Das stimmt doch gar nicht!!" rief Dawn und versuchte wütend zu
klingen, während sie so leicht, wie es ihr als Jägerin nur möglich war auf seine
Schulter einhämmerte.
"Hilfe, ich werde geschlagen", jammerte Josh zwischen
seinen Armen hervor, die er zum Schutz über den Kopf hielt.
"Meine Damen, mein Herr. Ich verbiete mir das.", erklang plötzlich
eine herrische Stimme, Sam stand grinsend hinter den dreien. Sie hatten ihn
nicht bemerkt.
„Ach Sam, das ihr Männer immer zusammenhalten müsst.“, grinste Dawn. Plötzlich
bemerkte sie, dass sie sich beobachtet fühlte. Ihre Nackenhärchen stellten sich
auf. Unauffällig versuchte sie ihren Blick über den Schulhof schweifen zu
lassen.
‚Hatte Sie ihn etwa bemerkt?’
Da hinter der Ecke zur Cafeteria sah sie ihn. Er beobachtete sie und Dawn erschrak, als sie den Dämon erkannte: Es
war genauso ein Echsendämon wie bei ihrer Entführung. Diese Gesichter würde sie
sicher nie vergessen. Was wollte er wohl von ihr?
Die Sache würde sie mit den anderen besprechen müssen, doch erstmal hatte sie
etwas Wichtigeres vor.
Cleveland, Black Pearl, Nachmittag:
Mo war gerade dabei einige Kisten zu kontrollieren, als Buffy an
Deck trat, er war so damit beschäftigt, die Etiketten der Schnapsflaschen zu
überprüfen, dass er Buffy nicht bemerkte, bis sie direkt hinter ihm stand.
Erschrocken fuhr er herum: „Meine Güte, kleine Jägerin... willst du mich
umbringen?“
Buffy schmunzelte sanft. „Unseren besten Informanten? Nein. Aber
jetzt sind wir quitt.“
„Nur wenn ich dich auch einmal kurz über die Schulter werfen
darf“, Mo machte einen Schritt auf sie zu und grinste. Buffy hob abwehrend die
Hände. „Ich verzichte.“
„Ok, und was ist es dieses mal?“, wechselte Mo das Thema und kam
damit gleich zur Sache. In seinen Augen blitzte ein entnervter Ausdruck auf,
den er jedoch schnell wieder fallen ließ.
„Die Organisation. Wieder einmal. Nur dieses Mal wird mir Regil
nicht helfen können. Sie hören mich ab, überwachen mich... wir haben wirklich
ganz andere und gewaltigere Probleme, als uns jetzt mit diesem Kindergarten
herumzuärgern. Ich wüsste einfach nur zu gerne, was dahinter steckt, ob die
Organisation aus eigenen Stücken handelt.“, erklärte Buffy ihr Problem.
Mo´s Antwort kam rasch, gleichzeitig stemmte er die schwere Kiste,
die er vorher geprüft hatte hoch: „Ich verstehe, was du meinst, Jägerin, aber
ich befürchte ich kann dir nicht helfen, selbst wenn ich es wollte.“
Seine muskulösen Arme spannten sich an, während er sich auf den
Weg machte die Kiste runter in seine Bar zu bringen.
„Kein Hinweis? Nicht mal ein ganz kleiner?“, hakte sie nach, als
sie ihm nach unten folgte.
„Hör zu, ich weiß es wirklich nicht, aber wenn ich es wüsste wäre
es vermutlich so oder so zu gefährlich um es dir zu sagen. Aber ich habe etwas,
dass dir vielleicht weiter helfen könnte es herauszufinden: eine Adresse.“, er
stellte die Kiste in seinem Lagerraum ab und fingerte einen Block und einen
Stift aus seiner Hosentasche heraus.
„Wieder eine Hochburg der Organisation?“, wollte die blonde
Jägerin etwas misstrauisch wissen.
„Nein, ein ganz normaler Club“, erklärte er, „aber es kann gut
sein, dass du dort jemanden triffst, aus dem du die Antworten auf deine Fragen
herausprügeln kannst!“
„Oh, so etwas würde ich doch nie tun!“, entgegnete sie bestürzt,
bevor sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzufügte: „Es sei denn es geht
nicht anders.“
Der dämonische Barbesitzer guckte sie für einen Moment an, dann
schüttelte er verständnislos den Kopf und wand sich wieder dem Zettel zu. Als
er fertig war gab er ihn ihr, in kaum leserlicher Handschrift waren eine
Adresse und ein Name auf ihm notiert: „The Project 42“
„Danke Mo!“, für einen Moment ging ihr das durch den Kopf, was
Regil angedeutet hatte, „Sag mal, Mo, wenn du unsere Hilfe bei irgendwas
brauchst, würdest du es sagen, oder?“
„Natürlich Jägerin, sonst würde ich dir diese ganzen Informationen
doch nicht zukommen lassen!“, er lächelte freundlich. „Ich vergesse unser
Abkommen sicher nicht.“
„Gut!“, Buffy lächelte zurück, für einen Moment lag eine Frage auf
ihrer Zunge, doch vermutlich war das seine Privatsache. Wenn er wollte, dass
sie etwas darüber wusste, dann würde er es ihr früher oder später schon noch sagen
und bis dahin würde sie ihre Neugier zurückhalten.
„Ich würde ja gerne noch etwas plaudern, aber ich hab viel zu tun.
Noch einen schönen Tag Jägerin!“, verabschiedete er sich.
„Dir auch!“
Er blickte ihr nach und fragte sich, was mit ihr los war, sie
hatte sich noch nie wirklich für seine Probleme interessiert. Während er sich
auf den Weg nach oben machte, überlegte er, wie sie wohl reagieren würde, wenn
er ihr alles über Malkuth und sich erzählen würde.
England, London, Green Park:
Die Dunkelheit der Nacht begann sich am Horizont zu sammeln,
während auf der anderen Seite noch die tief gelben Strahlen der langsam aber
stetig untergehenden Sonne den von Regenwolken durchzogenen Himmel erhellten.
Alles schien nass zu sein und außer Charles Prescott war keine
Menschenseele weit und breit auszumachen. Er saß auf der durchnässten Parkbank,
sein Aktenkoffer neben sich und beobachtete die Vögel, wie sie vollkommen
unbeeinflusst von der Außenwelt auf dem nassen Rasen umherhüpften und nach
etwas essbarem suchten.
Langsam begannen sich Zweifel bei ihm einzuschleichen, - was wenn er nicht kam? Dann hätte er sich dem
ganzen Risiko umsonst ausgesetzt, ein Risiko, das er wohl nie hätte eingehen
sollen. Er wusste nicht, wie gefährlich Lily war, doch durch das was Mr. Giles
ihm erzählt hatte, hatte er einen Eindruck gewonnen, der nichts gutes erahnen
ließ.
Vermutlich wäre es das Beste, wenn er sich keine Sorgen machen
würde, aber dennoch konnte er nicht aufhören darüber nachzudenken. Auf der
anderen Seite war er sich aber auch sicher, dass es manche Dinge gab, die getan
werden mussten, denn wie oft in der Geschichte der Menschheit waren die
schlimmsten Katastrophen daraus hervorgegangen, dass sich niemand getraut hatte
etwas gegen sie zu unternehmen, bevor es zu spät war?
Plötzlich bemerkte er eine Gestalt, auf einen Gehstock gestützt,
die sich im trotzdem schnellen Schrittes näherte. Ja, das war er! Sein Herz
machte einen kleinen Sprung, und er stand auf um ihn zu begrüßen: „Ich freue
mich, dass sie gekommen sind, Mr. Crowley!“
Bernard Crowley, der inzwischen schon ziemlich in die Jahre
gekommen war galt unter den Wächtern als widerspenstig und eigenartig, dennoch
war Charles Prescott davon überzeugt, dass er mehr als nur ein guter Wächter
war, vermutlich einer der besten und weit besser als Prescott selbst.
„Ich freue mich auch sie zu sehen, danke! Auch wenn ich von ihrem
Anruf etwas überrascht war“, er lehnte seinen verzierten Gehstock gegen die
Bank und nahm Platz, „Was sagten sie noch mal worum es ging?“
„Die momentane Situation im Rat, und wie sie dazu stehen. Ich
meine, sie sind ja wirklich schon lange in dem Geschäft, und hatten selbst auch
schon einige Probleme mit dem Rat und seinen Ansichten, daher dachte ich mir
sie wären ein geeigneter Ansprechpartner!“, begann Prescott mir seinen
Ausführungen.
„Und jetzt wollen sie von mir, dass ich ihnen helfe die richtige
Entscheidung zu treffen?“, fragte der alte Mann, während er seinen Stock wieder
ergriff.
„Nein, das nicht: Ich habe mich bereits mit Mr. Giles in
Verbindung gesetzt, und er hat mir seine Version der Ereignisse geschildert,
die mir weit aus schlüssiger vorkam als Ms. Ushers!“
„Mag sein.“, Crowleys Blick richtete sich auf die Vögel, er wirkte
irgendwie abwesend.
„Mag sein? Mehr haben sie nicht dazu zu sagen?“, Prescott schien
aufgebracht.
„Nun ja, wem von uns war nicht klar, dass Lily Ushers Auftritt
eine Phrase war? Wir alle wussten, dass es im Endeffekt nur eine
Vertrauensfrage war, entweder sich für sie zu entscheiden oder für Mr. Giles.
Haben nicht sogar sie selbst den Finger für sie erhoben? Worüber beschweren sie
sich dann!“
„Ja, aber damals kannte ich die Umstände auch noch nicht! Fühlen
sie denn gar keine Loyalität zum Rat, können sie so etwas einfach hinnehmen
ohne es zu hinterfragen?“
„Hören sie, wenn ich keine Loyalität empfinden würde, wäre ich gar
nicht hier, doch was macht es schon für einen Unterschied, ob nun Ms. Usher
oder Mr. Giles den Rat leitet? Warum soll ich mir deswegen Ärger machen, wenn ich
es eh nicht ändern kann? Der Rat wurde schon immer von einflussreichen Familien
beherrscht, die noch nie mit offenen Karten gespielt haben, zuletzt Quentin
Travers. Was ist daran so schlimm, wenn es wieder so ist? Ich bin nicht wegen
Mr. Giles hier, oder wegen Ms. Usher, ich bin hier, weil ich hier eine Aufgabe
habe, die erfüllt werden muss, die Jägerinnen brauchen uns. Eine Jägerin, die
einsam stirbt irgendwo auf der Welt interessieren irgendwelche Ränkespiele im
Rat herzlich wenig, sie interessiert nur, warum sie nicht gut genug ausgebildet
wurde um überleben zu können, und dafür sind wir Wächter da! Lassen sie die
großen Familien doch einfach diese Spiele miteinander treiben, wenn wir uns da
einmischen, dann wird das auch nur die normalen Geschäfte des Rates
beeinflussen!“
Prescott lauschte den Ausführungen des alten Mannes, das meiste
ergab durch aus Sinn, dennoch hatte er noch einen Trumpf im Ärmel: „Sie hat
dafür gesorgt, dass Jägerinnen verschwinden, außerdem ist es ihre Absicht,
die…“
„Hören sie auf, ich will es gar nicht hören! Warum sollte ich Mr.
Giles abenteuerlichen Geschichten eher glauben, als denen von Ms. Usher? Fakt
ist, dass sie beide nur um die Kontrolle im Rat kämpfen, und Fakt ist auch,
dass weder sie noch ich etwas daran ändern könnten, selbst wenn wir es wollten.
Wir könnten einzig und allein zwischen die Fronten geraten, und glauben sie
mir, Ms. Usher schießt mit scharfer Munition!“, er machte sich bereit zu gehen.
„Also wollen sie einfach so aufgeben, obwohl sie wissen, dass es
falsch ist?“, Prescott lies die ganze Wut die sich angestaut hatte aus seinem
Bauch heraus.
„Warum einen Kampf kämpfen, den wir nur verlieren können, für eine
Sache, die am Ende doch keinen Unterschied macht?“, er zuckte mit den
Schultern, erhob sich und verschwand ohne ein weiteres Wort.
Cleveland, „The Project 42“, Abend:
„Oh Mann, jetzt merke ich erst, wie sehr ich das Bronze
vermisse!“, rief Buffy Faith zu, während sie sich durch die Menschmassen, die
sich, einige mehr, andere weniger, rhythmisch zur sehr laut aufgedrehten
Techno-Musik bewegten, „Ich könnte wirklich mal wieder einen Mann in meinem
Leben brauchen, nicht unbedingt was ernstes, und auf keinen Fall einen Vampir!“
Faith lachte, doch es klang irgendwie leer und hintergrundslos.
„Erst heute Morgen habe ich gemerkt, wie sehr ich aus der Übung
bin!“, sie stöhnte leise auf bei dem Gedanken an den Briefträger, „Naja, für
dich scheint das ja kein Thema zu sein, man sieht dir und Robin wirklich an,
wie sehr ihr zu einander passt.“
„Ja“, bestätigte Faith Buffys Beobachtung, „ich wüsste nicht, wo
ich heute stehen würde, wenn ich ihn nicht hätte, er ist wie ein Anker, der
mich vor jedem Sturm schützen wird, so lange er da ist.“
„Du wirst ihn schon nicht verlieren!“, Buffy musste langsam feststellen,
dass es irgendwie schwierig war ein tiefgründiges Gespräch zu führen, in mitten
von lärmender Musik und dazu tanzenden, nass geschwitzten Menschen.
„Nein, das werde ich wohl nicht.“, Faith schaute Gedanken verloren
in die Scheinwerfer, die im Nebel eine wilde Lichtshow bildeten.
„Wir sollten langsam damit anfangen das zu tun, weswegen wir
gekommen sind!“, sie wurden von einem etwas übergewichtigem Paar getrennt, das
sich in voller Ekstase der Musik hingab.
Als die beiden vorbei waren entgegnete Faith: „Vermutlich sollten
wir das! Und Mo hat wirklich nicht mehr gesagt?“
„Nein, nur, dass ich hier jemanden finden könnte, der mir
weiterhilft!“, bestätigte Buffy.
Faith warf einen prüfenden Blick in die Menge: „Hm, ich glaube
nicht, dass sich hier irgendwo ein Dämon aufhält unter den ganzen Leuten,
vielleicht sollten wir unser Glück lieber im hinteren Bereich versuchen?“
Buffy nickte nur, während sie versuchte den Tänzern so gut wie möglich
auszuweichen; so schlimm war es im Bronze aber nie gewesen!
Schließlich schafften sie es der kämpfenden Masse zu entkommen,
und Buffy wand sich erneut Faith zu: „Danke übrigens, dass du mitgekommen bist.
Man sieht gleich unauffälliger aus, wenn man in einem solchen Schuppen nicht
alleine aufkreuzt.“
„Kein Problem, B! Ich bin eigentlich ganz froh von Giles, Robin
und ihren ganzen Geschäften mit dem Rat wegzukommen.“, sie deutete auf eine
kleine, unauffällige Tür mit einem „Zutritt verboten!“ - Schild, die
offensichtlich in den hinteren Teil des Clubs führte, „Vielleicht sollten wir
dort unser Glück versuchen!“
Als sie die Tür erreichten, warf Buffy misstrauische Blicke in
alle Richtungen: „Okay, denkst du die Luft ist rein?“
„Lass es uns herausfinden!“, Faith griff nach vorne, drückte die
Klinke nach unten und ließ die Tür aufgleiten, „Siehst du, kein Problem!“
„Moment!“, eine tiefe, sehr männliche Stimme erklang von links und
eine Türsteherin, die sie schon vom Eingang kannten kam angerannt. Ihre roten
Haare hingen in Rastazöpfen von ihrem Kopf herab, ihr ganzer Körper war mit
Muskeln übersät. Ihr Gesicht glich eher dem eines Gorilla, als dem einer Frau,
kein Zweifel: Sie hatte genau den Beruf ergriffen der zu ihr passte.
„Können sie denn nicht lesen? Zutritt verboten!“, brauste die
Gorillafrau auf und funkelte Buffy und Faith dabei bedrohlich an.
„Oh, verzeihen sie, wir haben nur die Toilette gesucht!“, ergriff
Faith gerade rechtzeitig die Initiative, „Sie können mir nicht zufällig
erklären wie ich sie finde?“
„Natürlich kann ich das!“, begann die Türsteherin zu erklären,
Faith zwinkerte Buffy zu, die nun hinter dem Rücken der Gorillafrau vorsichtig
die Tür öffnete, eintrat und leise wieder schloss.
Diese Hürde war genommen, doch nun war sie allein. Der Gang war
dunkel, und sie wagte es nicht das Licht anzumachen. Ganz am anderen Ende, fiel
ein schwacher Lichtstreifen aus einer nicht ganz verschlossenen Tür. Aber nicht
nur das: Aus dem Raum drangen laute Stimmen und Gelächter.
Vorsichtig schlich sie weiter, bereit sich zu verteidigen, falls
irgendetwas Unerwartetes passieren sollte, doch es geschah nichts. Schließlich
erreichte sie die Tür und lauschte.
„Das war nicht fair, M´vrik, du hast die Karte im Ärmel gehabt,
gib es schon zu!“
„Was denn, Frank, nur weil ich ein Dämon bin kannst du mir nicht
vertrauen?“
Lautes Gelächter.
Das war wohl ihr Dämon! Sie machte sich bereit und stieß mit einem
gezielten Tritt(?) die Türe auf: „Ich befürchte ich muss dieses Spiel kurz
unterbrechen!“
Sechs Gesichter fuhren herum, fünf gehörten Menschen, eins einem
dieser Echsendämonen, die einen großen Teil der Organisation ausmachten, einem
ähnlichen Exemplar, wie auch Regil. Einer der Menschen griff nach etwas, doch
Buffy war schneller, mit einem Satz war sie bei ihm und hatte die Waffe aus
seiner Hand geschlagen: „Wagt es ja nicht!“
Offensichtlich hatte sie die lustige Gesellschaft gerade bei einem
Pokerspiel gestört, neben den Spielkarten stand auf dem Tisch noch eine aus
einem Totenkopf bestehende Wasserpfeife, die offensichtlich auch vor nicht
allzu langer Zeit benutzt worden war.
„Wie sind sie überhaupt hier rein gekommen?“, wollte ein etwas
massigerer Typ wissen, der verdammt reich und verschwenderisch aussah. Aus
seinem ausgeprägten Interesse schloss Buffy, dass er so etwas wie der Leiter
dieses Schuppens war.
„Ihren Gorilla ablenken, Tür öffnen und reingehen, es war nicht
wirklich schwierig!“, erläuterte Buffy ganz sachlich, „Aber sie müssen sich
wegen dem ganzen wirklich keine Sorgen machen! Ich will nur ihren Dämonenfreund
hier kurz entführen, und wenn er artig ist, dann haben sie ihn auch bald
wieder!“
Die Anwesenden wechselten einige viel sagende Blicke, schließlich
teilte der füllige Besitzer eine Entscheidung mit: „M´vrik, geh mit ihr, wir
können keinen Ärger gebrauchen!“
Der Dämon war offensichtlich sehr betroffen, dennoch nickte er und
stand auf, während er der Jägerin misstrauische Blicke zu warf.
Buffy war darauf bedacht die anderen am Tisch keine Sekunde aus
den Augen zu lassen, während sie dem Dämon folgte, bis sich die Tür hinter
ihnen schloss.
„Okay...,“ Buffy dehnte
ihre Stimme und kniff die Augen zusammen, als hätte sie mühe sich auf ihre
nächsten Worte zu konzentrieren. „M´vrik.. richtig, “ sie gab dem Dämon Zeit zu
nicken, während sie sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht
strich, „Sicher wird es dich nicht überraschen, wenn ich dir sage, dass ich
eine Jägerin bin und ich habe irgendwie das schlechte Gefühl, dass die überaus
freundliche Organisation mich beschattet und bespitzelt. Irgendeine Ahnung,
wieso?.“
Der Dämon starrte sie für einen Moment verwirrt an, dann
antwortete er: „Paranoia?“
„Ich bin nicht hier, um mich zum Narren halten zu lassen!“, ihre
Hand schnellte vor und schloss sich um seine Kehle, so dass er anfing zu
winseln und sie um Gnade zu bitten: „Bitte, ich will auch keine Spiele spielen,
wirklich! Außer Poker.“
„Dann erzähl mir alles was du weißt, hat die Organisation einen
Auftrag bekommen, mich zu beschatten? Vielleicht von Ms. Usher, die sie schon
einmal beauftragt hat?“
M´vrik rang nach Luft, während er versuchte zu antworten: „Nein,
nein bestimmt nicht! Davon wüsste ich! Aber ich weiß, wer dahinter stecken
könnte!“
„Wer?“, Buffy lockerte ihren Griff ein wenig.
„Tegul, der Leiter der McGregorian-Fischfabrik? Er könnte ein
Motiv und die Ressourcen haben!“, man konnte M´vrik förmlich ansehen, wie die
Räder in seinem Kopf ratterten.
„Ich dachte seine Bosse würden ihm das Versagen nicht verzeihen?
Das hat er zumindest zu mir gesagt, er wollte sich aus dem Staub machen, so
lange es noch ging!“, hakte Buffy nach.
„Nun ja, das wollte er auch, doch sie haben ihn gestellt, aber
statt ihn zu töten ließen sie ihn in seiner Position, ganz einfach weil sie
niemand besseren für die Stelle hatten, und sie sich bei ihm sicher sein
konnten, dass er alles tun würde, um ihr Vertrauen wiederzugewinnen, ja, ich
bin mir fast sicher: wenn es stimmt, was sie sagen, dann kann es eigentlich nur
er sein, der dafür verantwortlich ist!“
Buffy überdachte seine Antwort für einen Moment, dann löste sie
ihren Griff ganz: „Ich glaube dir!“
Sie beobachtete ihn noch, wie er sich auf den Weg zurück zu seinen
menschlichen Freunden machte, dann drehte sie sich um.
Als sie die „Zutritt verboten!“ – Tür wieder öffnete, sah sie,
dass Faith sich immer noch mit dem Gorilla unterhielt, also schlich sie sich
vorsichtig zu ihr hin, woraufhin die dunkelhaarige Jägerin sich von der
Türsteherin verabschiedete.
„Wie kann man sich nur so lange über den Weg zum Klo
unterhalten?“, wollte Buffy etwas belustigt wissen.
Faith setzte eine vollkommen irritierte Unschuldsmiene auf: „Aber
die Architektur dieses Gebäudes ist einfach ziemlich kompliziert!“
Beide Jägerinnen lachten schallend, doch dann wurde Faith wieder
ernst: „Was hast du herausgefunden?“
„Genug! Wir müssen etwas unternehmen, komm mit!“
Wächterhaus, gleiche Zeit:
Charles P. Prescott. Ein einziger Name hatte seinen Weg in die
Spalte „Verbündete“ gefunden, ein einziger, gegen die erdrückende Anzahl der Gegner.
Giles war versucht, Kierans Namen auch auf die Liste zu setzen, doch was hatte
es für einen Sinn, wenn er sich nicht sicher war, auf welcher Seite er stand?
Wenigstens hatte er durch Prescott einige Informationen über die
Lage in London erhalten, bedenkliche Informationen, aber wenigstens wusste er
jetzt, was dort vor sich ging und konnte darauf reagieren. Wenn er es denn
konnte.
Er machte ein kleines Kreuzchen in seinem Notizbuch, der Anruf bei
Romano Belussci, dem römischen Wächter hatte
ergeben, dass er im Moment im Krankenhaus war und keine Zeit hatte sich um
geschäftliches zu kümmern. Wenn es Giles gelingen würde mit ihm Kontakt
aufzunehmen und ihn auf seine Seite zu ziehen, dann wäre es ein großer Schritt
nach vorne, doch er bezweifelte, dass dieser Schritt sehr nahe war.
Scheinbar schienen alle Wächter in letzter Zeit im Krankenhaus, in
Ferien, oder wo auch immer zu sein, eine überaus interessante Erscheinung.
„Echsendämonen!“, Giles schreckte auf, er hatte Dawn, die sich von
hinten genähert hatte nicht bemerkt.
„Was ist passiert?“, fragte er verwirrt und etwas ungehalten, weil
sie ihn von seiner Arbeit ablenkte.
„Ich habe heute morgen in der Schule einen Echsendämonen gesehen,
so welche wie die von dieser Organisation, der mich beobachtet hat!“,
berichtete sie sehr dramatisch.
„Ach du auch? Buffy sagte schon so etwas.“, bemerkte Giles und
begann nicht sonderlich beeindruckt von ihrer Geschichte seine Brille zu
putzen, „Sie sollte gleich wieder da sein, dann kannst du ihr davon berichten!“
Er wand sich wieder seinen Notizen zu, ohne sie weiter zu
beachten.
„Und, wie läuft es?“, erkundete sie sich neugierig, „Ich meine der
Rat, haben sie schon etwas erreicht?“
„Nein, leider nicht wirklich viel, aber ich und Mr. Wood arbeiten
daran!“, erläuterte Giles, wenigstens eine die sie nach dem Fortschritt fragte.
„Lassen sie den Kopf nicht hängen, irgendwie kriegen sie das schon
wieder hingebogen! Ich habe die Wächter gesehen, sicher kann jemand wie Lily
sie auf ihre Seite ziehen, doch ich bin mir sicher, dass sie den Spieß genau so
gut umdrehen können und das werden sie auch!“, irgendwie klangen die Worte, die
aus ihrem Mund herauskamen für Dawn wie etwas, das Buffy genauso gesagt haben
könnte, Giles schien es auch zu bemerken, er lächelte sie für einen kurzen
Moment an.
„Es ist etwas ernstes, es ist persönlich!“, Buffys Stimme ließ die
beiden aufschrecken, gefolgt von Faith betrat sie Giles Büro.
„Was ist persönlich?“, wollte Giles jetzt vollkommen irritiert
wissen.
„Die Sache mit der Organisation, sie wollen mir persönlich Schaden
zufügen!“, erklärte sie kurz und knapp, „Wir müssen etwas gegen sie
unternehmen, auch wenn ich noch nicht genau weiß was sie vorhaben!“
„Vielleicht kann Dawn dir was deren Plan betrifft weiterhelfen!“,
regte Giles an.
„Dawn? Was ist schon wieder mit Dawn?“, fragend blickte Buffy
zwischen ihrem Wächter und ihrer Schwester hin und her.
„Ich habe heute Morgen in der Schule einen von diesen Echsenfreaks
gesehen, der mich offensichtlich beobachtet hat!“
„Du hast was? Warum erfahre ich das erst jetzt? Warum bin ich
immer die letzte, die so was erfährt!“
„Beruhig dich, ich bin erst vor wenigen Minuten hier angekommen,
ich war bei einem Freund!“, sie bemühte sich den letzten Teil des Satzes so
unauffällig wie möglich unterzubringen.
„Und warum hast du dich vorher nicht gemeldet? Du weißt doch, dass
diese Kerle verdammt gefährlich sein können!“, Buffy war nahe daran, sich
wirklich aufzuregen.
„Beruhig dich, ich wusste, dass ihr wichtigeres zu tun habt, außerdem
habe ich es ja jetzt erzählt!“, Dawn legte ihre Hand auf den Arm ihrer
Schwester, die darauf hin einsah, dass es keinen Sinn machte sich aufzuregen:
„Egal, auf jeden Fall ist die Sache mit der Mafia etwas, das wir nicht einfach
ignorieren können, gerade in dieser schweren Zeit nicht, wir müssen die
Situation irgendwie so schnell wie möglich beseitigen.“, resigniert blickte sie
in die kleine Runde und fügte schließlich hinzu: „Außerdem gefällt mir der
Gedanke, dass diese Organisation jederzeit bereit wäre uns in den Rücken zu
fallen auch nicht. Irgendwelche Ideen?“
Als keiner eine Antwort gab nahm sie selbst die Initiative,
ergriff den schwarzen Filzstift und trug die Organisation unter den Reitern als
Gegner ein: „Ok, ich werde mir schon etwas einfallen lassen, was wir machen
können, aber ich brauche Jägerinnen, mehr Jägerinnen, als wir hier in Cleveland
haben! Kriegen sie das hin, Giles?“
Ihr Wächter nickte gedankenverloren: „Ich kann dir nichts
versprechen, aber ich werde mein bestes geben, auch wenn es vielleicht schwer
werden wird!“
„Gut, tun sie das!“, dann wandte sich Dawn zu, „Und wir beide
gehen jetzt erst einmal zusammen nach Hause, ich will doch nicht, dass sich
diese Organisationstypen an dir vergreifen!“
„Danke, aber ich kann wohl auch auf mich selber aufpassen!“
Giles achtete nicht auf den kleinen Streit zwischen den
Schwestern, sein Blick fiel auf das Schaubild auf der Rückseite des Plakates.
Verdammt! Vier zu Eins, das war einfach zu wenig, und der eine Verbündete, war
auch nur ein kleiner Strohhalm, an den man sich klammern konnte, der einen
jedoch nie halten würde. Wie sollte man da nicht die Hoffnung verlieren?
Akt 3:
Wächterhaus, vor dem Schulbus, später Abend:
Faith
schloss die Tür des Wächterhauses hinter sich, und horchte auf, als sie
Schritte im Garten hörte. Sie hatte die Lampe auf der Veranda nicht
eingeschaltet, und so schlich sie in der Dunkelheit auf die Treppe zu, und
versuchte, jemanden, oder etwas, im Garten auszumachen, hatte aber zuerst kein
Glück.
Auf einmal trat eine dunkle Gestalt hinter dem Baum hervor, und Faith erkannte
erleichtert, dass es sich nur um Ronah handelte, die stumm im Garten stand.
„Ronah, was gibt’s?“ Faith trat auf sie zu, und legte ihrer jungen Freundin die
rechte Hand auf die Schulter, woraufhin sich diese umdrehte.
Unbehagen zeichnete sich in dem Gesicht der Jägerin ab.
“Was ist los?“
„Na ja… ich weiß, dass ich eigentlich versprochen habe, dass mich die Sache
keineswegs bei meinen Verpflichtungen stört, aber wir sind so viele, und ich sehe
nicht ein, dass immer nur ich die ganze Arbeit machen soll, während Dawn ihren
faulen Arsch nicht aus ihrer Wohnung bekommt. ... Und es ist auch nicht so,
dass es immer vorkommen würde... es ist nur... morgen Abend... und... ich
habe... keine Lust es abzusagen... aber.“ sprudelte Ronah los und sah Faith die
ganze Zeit bettelnd an.
„Wow.. wow... langsam. Ich bin ja kein Großrechner. Alles der Reihe nach. Was
ist denn überhaupt los?“ Faith sah Ronah besorgt an.
„Cliff hat mich morgen zu sich nach Hause eingeladen. Er möchte, dass ich seine
Familie kennen lerne... und deren Haus ist der Hammer. Es ist glaub ich doppelt
so groß wie das Wächterhaus hier, und sie haben einen riesigen Garten, mit
Pool, und all dem.“
„Und wo liegt das Problem?“ Faith musste lächeln. Ronahs erster, fester Freund.
Zumindest der erste, von dem sie wusste. Und wie man vor kurzem an der Sache
mit dem Dämonen gesehen, war Ronah in dem Gebiet ja noch nicht wirklich
erfahren.
„Na ja, Robin hat mich morgen für eine Streife eingeteilt. Schon wieder. Mir
geht das langsam auf die Nerven. Ich bin doch nicht sein Roboter. Wir haben
hier in Cleveland insgesamt 5 Jägerinnen, warum muss ich dann jeden Abend auf
Streife gehen. Miss „ich bin so arm, und klein.. lass mich bitte keine Jägerin sein“
- Dawn wurde noch nie auf Streife geschickt.“ verärgert dachte Ronah an Buffy’s
Schwester, die sich schon fast ein Jahr vor ihren Pflichten als Jägerin
gedrückt hatte. Dieser Waschlappen.
„Kein Problem. Ich übernehme dein Gebiet morgen. Mach dir einen schönen Abend
bei Cliff. Und schau dass du uns einige wertvolle Sachen heraus schmuggeln
kannst!“, Faith lachte, und öffnete dann die Tür des Busses.
Ronah starrte sie geschockt an.
“Das war doch nur ein Scherz“, Faith musste weiter lachen, und stieg dann in
den Bus.
England, außerhalb von London, dunkler Ort, selbe Zeit:
Durch eine Öffnung in der Wand trat Lily aus der Dunkelheit hinein
in ein schwach schimmerndes Licht. Die Quelle war ein antiker Brunnen aus
Marmor, der in der Mitte des großen Raumes stand und imposant mehrere Meter in
die Höhe ragte. Wasser sprudelte aus seiner Tiefe hervor und fiel an den runden
Seiten der Brunnenschale hinab in ein Auffangbecken, das zu Lilys Füssen begann
und in dem das Wasser einige Zentimeter hoch stand. Lilys Spiegelbild schwamm
verzerrt auf der Wasseroberfläche und wenn man genauer hinsah, konnte man
Goldfische darin schwimmen sehen.
Aber nicht nur das Wasser drang aus der Tiefe des Brunnens, sondern auch das
Licht. Es wurde in einem Strahl nach oben an die hohe Decke geworfen und verlor
sich in der Weite des Raumes, und warf lange Schatten an die Wände, die von
einem Säulengang geziert wurden. Ansonsten war der Raum leer und wirkte kühl
und nüchtern.
Lily presste das alte Buch, das ihr Vater in seinem Safe als Schatz gehütet
hatte, fest an ihre Brust und blickte fasziniert dem Licht- und Wasserspiel zu.
„Ihr seid gekommen, um mir eine Frage zu stellen.“
Die warme und sympathische Stimme riss Lily aus ihren Gedanken und sie blickte
sich überrascht im Raum um. Doch sie sah niemanden. Sie wusste nicht wirklich
was sie von einem Orakel erwartet hatte. Aber auf keinen Fall eine gestaltlose
Stimme, die von allen Seiten des Raumes widerhallte.
„Ja“, antwortete die Wächterin schließlich zögernd und als darauf das Orakel
schwieg, räusperte sie sich und hob das Buch etwas in die Höhe. Nur weil das
Orakel nicht zu sehen war, hieß das nicht, dass es nichts sehen konnte. „Ich...
habe hier eine Prophezeiung...nach ihr soll der Weg zu alten Gesetzen durch den
Schlüssel, reine Energie, geebnet werden. Ich dachte ich wüsste, wie ich die
Linie der Jägerin zu schließen habe. Ich glaubte ich hätte alles
berücksichtigt, als ich loszog, um die alten Gesetze wieder herzustellen, doch
wie es scheint, habe ich versagt. Was ist schief gelaufen?“
„Die Damaskus-Prophezeiung?“, sagte das Orakel sanft, nachdem es einen Moment
lang geschwiegen hatte und Lily vor Ungeduld begann, um den Brunnen
herumzulaufen. „Damit wolltet ihr die Linie der Jägerin schließen?“
„Beantwortet ein Orakel nicht nur Fragen?“, blieb Lily überrascht stehen,
schüttelte dann den Kopf und setzte ihren Weg fort. „Ich hatte noch ein zweites
Buch. „Die Reiter des Todes.“ Doch ist es mir gestohlen worden.“ Das entsprach
zwar nicht ganz der Wahrheit, aber das brauchte das Orakel nicht auch noch zu
wissen. „In diesem Buch war erneut die Rede von reiner Energie und von der
Schließung einer Linie, von der Wiederherstellung alter Gesetze, der Reinigung
des Neuen... aber ich brauche wohl jetzt Hilfe. Eine Jägerin steht mir mit
ihren Freunden im Weg. Was soll ich tun?“
Wieder schwieg das Orakel. Das Licht begann zu pulsieren, und als es wieder
sprach, nahm der Lichtschein an Intensität zu. „Ihr habt eine alte Macht
entfesselt, statt neues gegen das alte zu vertauschen. Mächtige Wesen wurden
befreit, die für immer verborgen hätten bleiben sollen und nun Unheil über
diese Welt bringen werden. Eine Katastrophe nach der anderen wütet, während
drei Reiter den einen suchen, der ihnen die Macht gibt, alles zu bereinigen.“
Lily blieb bei diesen Worten abrupt stehen und ihre Augen weiteten sich. Hatte
sie so daneben gelegen? Hatte sie etwas derart gefährliches beschworen? Oder
war es nur ein Übersetzungsfehler ihres Vaters gewesen? Hatte er am Ende mehr
gewusst, als er ihr je erzählt hatte? Oder war sie einfach nur falsch an die
Sache herangegangen? War nicht Dawn der Schüssel zur Bereinigung ihres
Problems, sondern eine alte, gewaltige Macht, gegen die selbst Buffy machtlos
sein würde?
„Was für Reiter“, hauchte Lily entsetzt und doch fasziniert zu gleich.
„Die Reiter des Todes.“
„Was für Ziele haben sie?“, Lily drückte das Buch enger an sich.
„Alte Gesetze wieder herzustellen.“
Lily musste nachdenken. Die Worte des Orakels waren geheimnisvoll und noch
einmal wollte sie nicht falsch interpretieren. Was hieß schon die Herstellung
alter Gesetze? Diente es ihrem Zweck? Oder hatten diese Reiter ganz andere
Ziele? Ziele die gefährlich waren?
Leider wusste sie zu gut, dass ein Orakel in Rätseln sprach und umso direkter man
fragte, umso geheimnisvollere Antworten erhielt man.
„Und mein Problem mit der Jägerin?“
„Sie ist der Schlüssel.“
Der Schlüssel... Lily seufzte frustriert. So weit war sie schon gewesen, als
sie hier her kam. Sie bekam nicht noch einmal eine Chance an Dawn ungehindert
heranzukommen, um den Zauber zu vollenden. Wobei.. wenn sie die Worte des
Orakels richtig deutete, hatte der Zauberspruch überhaupt keine Wirkung gehabt,
sondern nur diese Reiter des Todes erweckt. Sie musste unbedingt in der Literatur
nachschlagen und mehr über sie herausfinden.
„Ich spreche von Buffy. Die Jägerin die mir im Weg steht...,“ versuchte es Lily
noch einmal.
„Sie wird der Schlüssel sein. Lasst sie gegen die Reiter kämpfen und seht, was
passieren wird.“ Das Licht nahm an Kraft ab und reduzierte sich auf den
schwachen Schimmer, der aus dem Brunnen gegen die Decke strahlte.
Zurück blieb eine nachdenkliche Lily, die glaubte, sie habe das Orakel richtig
verstanden – nicht Dawn würde die Linie schließen, sondern ihre große
Schwester. Wenn sie Buffy töten würde, würde Willows Zauber vielleicht an Kraft
verlieren. Nein – kein vielleicht. Vielleicht war zu unsicher. Lily war auf
einmal fest davon überzeugt. Der Zauber war Buffys Idee gewesen, sie hatte
veranlasst, dass alle möglichen Jägerinnen die selben Kräfte bekamen wie sie.
Niemand wusste so recht, wie dieser Zauber funktionierte. Es waren sicher nur
geborgte Kräfte, die erloschen, wenn die Geberin starb. Aber es war wichtig
Buffy von ihren Freunden und Giles zu trennen und was das bedeutete, war ihr
schon in Cleveland bewusst gewesen.
Weniger euphorisch verließ Lily den Ort des Orakels mit der Gewissheit, dass
ihr Giles wohl sicherlich nie verzeihen würde. Denn egal wie es ausgehen
würde... Buffys Tod war bei jedem Szenario das Ende, das Lily ihrem Ziel näher
zubringen schien.
Cleveland, Wächterhaus, nächster Vormittag:
„Ich werde Ihnen helfen, doch glauben sie nicht, dass wir so etwas
wie Verbündete sind, Lily Usher ist einfach eine zu starke Macht im Rat, als
dass ich mir das leisten könnte ohne meinen Kopf zu riskieren!“, Kierans Worte
gingen Giles nicht mehr aus dem Kopf.
Hatte er überhaupt eine Chance, wenn die meisten Wächter so
dachten? Wenn sie ihre eigene Haut alle nicht riskieren wollten, war es sinnlos
gegen diese Wand aus Untätigkeit anzureden.
Wenigstens hatte Kieran ihm zwei seiner Jägerinnen für Buffys
Anliegen, was auch immer sie genau vorhatte, zur Verfügung gestellt. Die
restlichen waren wie er erklärt hatte mit einer Dämonen-Motorrad-Gang
beschäftigt und standen nicht zur Verfügung. Eine weitere Jägerin hatte er von
einem von Prescotts Brüdern, die in Amerika lebten, wenn auch nur widerwillig
und mit gutem Zureden von zwei Seiten, zugesichert bekommen.
Drei Jägerinnen. Das waren vermutlich zu wenige für Buffy.
„Ich hab die Briefe kopiert und zur Post gebracht, wie sie es
wollten!“, Buffy schien einigermaßen gut aufgelegt, als sie von ihrem kleinen
Auftrag zurückkehrte, „Wie läuft es mit den Jägerinnen!“
„Ich arbeite daran!“, war seine schlichte Antwort, während er das
Telefon zur Seite legte und sein Blick langsam über das Risikobrett glitt.
„Gut, ich wollte heute Abend zuschlagen, wenn sie bis dahin genug
Jägerinnen aufgetrieben haben!“, eröffnete Buffy ihm, doch er schien abgelenkt,
fast schon fanatisch betrachtete er die ganzen kleinen Figuren auf dem
Spielbrett: „Das ganze ist falsch, so ist es nicht richtig!“
„Was meinen sie?“, wollte Buffy wissen, sie ging in die Knie, so
dass die Figürchen auf ihrer Augenhöhe
waren.
„Die Farben sind falsch!“, er griff einen schwarzen Soldaten, der
einen Wächter in Südamerika darstellen sollte und ersetzte ihn durch einen
roten, „Die, die schwarz sind müssten alle rot sein, die Wächter sind nicht
unentschieden, sie sind gegen uns und zwar geschlossen!“
Mit einer raschen Handbewegung fegte er über das Spielbrett und
riss alle Spielfiguren mit. Ein regelrechter Regen aus schwarzen, roten und
ganz wenigen grünen Soldaten ging auf den Teppich nieder: „Wie ist Andrew
überhaupt auf diese schwachsinnige Idee gekommen? Er muss endlich begreifen,
dass das Leben kein Spiel ist, es gibt keine Gewinner!“
Buffy richtete sich auf und legte ihre Hände auf seine Schultern:
„Mag sein, doch das heißt noch lange nicht, dass man jeden Kampf gleich
verliert, es gibt viele kleine Siege, und irgendwann wird aus ihnen, wenn es
genug sind ein großer, richtiger Sieg, das geschieht jeden Tag, warum sollte es
uns anders ergehen?“
„Ich weiß es nicht!“, auch er richtete sich wieder auf und begann
völlig aufgelöst seine Brille zu putzen, „Doch ich kann langsam einfach keine
neue Hoffnung mehr finden. Es will sich mir einfach nicht erschließen, wie
alles was ich hatte, alles, was wir aufgebaut hatten, in so kurzer Zeit einfach
an sie übergehen kann, nur wegen einigen absurden Anschuldigungen!“
„Und genau das ist es Giles, es sind einige absurde
Anschuldigungen, Lily hingegen ist eine Mörderin und eine Verräterin, wenn wir
einen Weg finden das zu beweisen kann der Rat nicht mehr an ihr festhalten, und
diesen Weg werden wir finden bis das Tribunal ausgetragen wird. Lily wird sich
nicht ewig in dieser Position halten können und ihr Fall wird genauso schnell
kommen, wie ihr Aufstieg!“, sprach Buffy ihm Mut zu.
„Ich wünschte wirklich ich könnte es glauben.“, er lächelte, „Aber
es wird auch nicht besser, je öfter du es mir sagst!“
Sie lächelte zurück: „Und trotzdem werde ich nicht damit aufhören.
Tut mir leid, dass ich sie neulich nicht nach ihrem Fortschritt gefragt habe,
ich war in Rage, wegen der Organisation! Ich weiß, dass einiges zwischen uns
war und wir alle in letzter Zeit einige Probleme miteinander hatten, aber wir
sind trotzdem alle für sie da, so gut wir können, und ich hoffe das wissen
sie!“
„Ja, das weiß ich, auch wenn ich manchmal dazu neige es zu
vergessen!“, für einen Moment war eine sehr enge Verbindung zwischen ihnen da,
die beide schon lange nicht mehr gespürt hatten.
„Soll ich sie jetzt in den Arm nehmen?“, scherzte Buffy.
„Nein, ich denke, das wird nicht nötig sein!“, nicht nur dass er
lächelte, seine ganze Miene schien sich für einen Moment aufzuhellen, nur um
dann wieder düsterer zu werden: „Du bekommst deine Jägerinnen, damit du mit der
Organisation ein für alle mal abschließen kannst, ich weiß jetzt, was ich tun
muss!“
England, London, schlecht beleuchtetes Gewölbe:
Die Mauern waren sehr alt und das sah man ihnen auch an, hier und
da fehlten einige Steine und Risse bildeten sich. Das war jedoch kein Wunder,
vermutlich war dieses Gewölbe so alt wie der Rat der Wächter selbst. Wenn man
einmal darüber nachdachte war es eigentlich noch in einem top Zustand, immerhin
musste man sich wohl keine Sorgen machen, dass die Decke allzu bald
herunterkommen würde, dazu war es zu robust gebaut worden.
Lily hatte noch einige grobe Erinnerungen an diesen Ort, dennoch
war er ihr unheimlich, und trotz des geraden, einfachen Weges begann eine Angst
zu wachsen, sich hier unten zu verirren. Mit einem Kopfschütteln wischte sie
das alles bei Seite, es war lächerlich, streng genommen gehörte das ganze hier
sogar ihrer Familie, also was konnte ihr hier unten schon groß passieren?
Lily versuchte vergeblich mit ihren teuren Schuhen den dreckigen
Pfützen auszuweichen, die sich am Boden gebildet hatten. Doch nur selten gelang
ihr das Unterfangen – ein mehrmaliges, fast unheimliches Platschen hallte im
halbdunklen Gewölbe wieder und zeugte von Lilys Missgeschick.
Die Beleuchtung hier unten konnte man fast als modern bezeichnen
- vereinzelte Neonröhren waren
angebracht. Als Lily diesen Komplex das erste Mal betreten hatte, waren noch
Fackeln an den Wänden angebracht gewesen. Ach ja, die guten alten Zeiten!
Schließlich erreichte sie eine bereits rostende, schwere
Metalltüre, in die eine Klappe eingelassen war. Sie klopfte dreimal kurz.
Jemand zog die Klappe zur Seite und ein brutales, unrasiertes
Männergesicht kam zum Vorschein. Seine Haare waren tiefschwarz und hingen von
seinem Kopf hinab, dennoch war bereits der Ansatz einer Glatze und einige graue
Haare zu erkennen: „Sie wünschen?“
„Ich würde gerne eine kleine Inspektion durchführen!“, sie
strahlte über beide Ohren, „Ich habe gehört, es soll alles gut laufen!“
Das anfängliche Misstrauen verschwand aus dem Gesicht des Mannes:
„Willkommen zurück, Ms. Usher! Ja, es läuft alles hervorragend!“
Fast euphorisch streckte er ihr seine schmutzige Hand entgegen,
nachdem er alle Riegel gelöst und die Tür geöffnet hatte. Widerwillig ergriff
sie sie. Er wäre vom Erscheinungsbild wohl am besten als abgerissen einzuordnen
gewesen, hätte er nicht einen tadellosen Smoking getragen. In seiner Stimme lag
ein kaum überhörbarer Sadismus: „Darius Payne, mein Name! Nun ja, eigentlich
mein Künstlername. Wächter aus Leidenschaft! Willkommen zu unserem kleinen
Experiment, das ich in ihrer ganzen Güte für sie beaufsichtigen darf.“
Er wies ihr den Weg in den hinteren Teil des Raumes, aus denen
Schreie und dumpfe Kampfgeräusche drangen. Sie schaute Payne fragend an, doch
er beruhigte sie: „Oh keine Angst, Lady, sie trainieren nur.“
Er öffnete die Milchglastür, die den Blick auf eine bizarre Szene
freigab: circa zwanzig Mädchen, alles Jägerinnen, die verbissen auf Sandsäcke
einprügelten, sie alle folgten dabei genau dem gleichen Bewegungsablauf, als ob
sie nur Spiegelbilder ohne eine eigene Persönlichkeit wären.
„Sehr gute Arbeit!“, lobte Lily, während sie an ihrer Reihe von
Rekrutinnen vorbei schritt, die sie nicht einmal bemerkten.
Bei einem der Mädchen hielt Payne an: „Hier diese kennen sie!“, er
legte ihr die Hand auf die Schulter und zog sie sanft aber bestimmt vom
Sandsack weg, „Sieh mal Emma, wir haben Besuch!“
Die aufgeschlossene junge Jägerin, die Lily in Cleveland kennen
gelernt hatte, sah etwas dünn und blass aus, schwarze Ringe hatten sich um ihre
Augen gebildet, dennoch strahlte sie ihr entgegen: „Hallo, Ms. Usher! Danke,
dass sie mir diese Chance gegeben haben, es ist wirklich toll hier!“
Lily lächelte freundlich: „Nichts zu danken, das habe ich gerne
für dich gemacht!“, dann wand sie sich Payne zu, das Lächeln immer noch in
ihrem Gesicht: „Sie hätten ihr mehr von dem Zeug geben müssen, sie dürfte sich
im Moment nicht mal mehr an meinen Namen erinnern! Das müssen sie erst alles
loswerden, bevor wir es sie wieder finden lassen, natürlich in einer Richtung,
die eher in unserer Vorstellung liegt.“
Payne wirkte peinlich berührt und zog eine kleine Schatulle aus
seiner Jackettasche: „Entschuldigen sie, mein Fehler, ich werde ihn sofort
korrigieren.“
Er bereitete die Spritze vor, drehte Emmas Arm zu Recht und
injizierte die durchsichtige Substanz an der richtigen Stelle in ihre Ader. Die
Nachwuchsjägerin verzog ihre fröhliche Miene um keinen Millimeter, doch als
sich die Spritze näherte funkelte für einen ganz kurzen Moment der Gedanke nach
Widerstand in ihren Augen auf. Er verging schneller, als er gekommen war.
Sofort begann das Mittel auf ihr Gehirn einzuwirken, und mit jeder Sekunde
wurde ihr Ausdruck leerer, die Fassade eines Gefühls, das sie einmal gekannt
hatte.
„Das sollten sie bei ihnen allen öfter machen, offensichtlich
reicht es nicht ihnen das Mittel unters Essen zu mischen, trotzdem gute Arbeit,
wie ich sehe sind die Mädchen bei ihnen in guten Händen!“, lobte Lily, „Welche
von ihnen ist Dana?“
Er deutete auf eine Dunkelhaarige mit starrem Blick nach vorne,
die mit erschreckender Gleichgültigkeit auf den Sandsack einschlug: „Das Juwel
unserer Sammlung!“
„Gut, ich habe schon viel von ihr gehört, ich hoffe nur, sie hält,
was sie verspricht!“
Payne lächelte nur viel sagend.
Plötzlich begann Lilys Handy zu klingeln, eine der Jägerinnen
zuckte zusammen, die anderen schienen es gar nicht mitzukriegen. Sie nahm den
Anruf an: „Usher. Was sagst du? Verräter?“
Cleveland, Wächterhaus,
Mittag:
Xander zog die Tür hinter sich zu, als er eintrat. Er kam gerade
von der Arbeit zurück, und neben seinem teuren Anzug baumelte noch sein
Aktenkoffer an seiner rechten Hand: „Und wie geht es voran?“
Sein Blick fiel auf das verwüstete Risikobrett und glitt dann zu
den trüben Gesichtern von Buffy, Faith und Wood, die im Wohnzimmer saßen, ohne
irgendwelche Worte zu wechseln. Sie guckten ihn alle ein bisschen vorwurfsvoll
an, und seine mehr oder weniger unbetrübte Stimmung verging schnell.
„Was den Rat betrifft gibt es keine nennenswerten Veränderungen,
außer dass wir einen Informant in London gefunden haben“, begann Wood, „Was
Giles selbst betrifft…“
Buffy übernahm: „Er ist jetzt schon seit mehreren Stunden in
seinem Arbeitszimmer, und sagt wir sollen ihn nicht stören, aber er will uns
auch nicht verraten, was vor sich geht!“
„Hört sich ja sehr beunruhigend an.“, er stellte seinen
Aktenkoffer ab und nahm neben seiner alten Freundin Platz, „Denkst du, dass wir
uns deswegen Sorgen machen sollten?“
„Ich weiß es nicht, ich denke er geht eigentlich sehr gut mit der
Situation um, doch es macht ihn fertig, und manchmal hat er Momente“, Buffy
deutete auf das Risikobrett, „Momente, in denen er nahe daran ist aufzugeben.“
„Ich verstehe.“, Xander nickte, mehr für sich selbst als für
Buffy. Sie schwiegen.
Plötzlich drang aus Giles Arbeitszimmer ein wütender Schrei, Buffy
zuckte zusammen, und wollte instinktiv aufspringen, doch Xander hielt sie
zurück: „Was immer er auch tut, ich befürchte er muss alleine da durch. Wir
können ihm nicht helfen.“
Sie schwiegen.
Nach einer Weile stand Robin auf: „Ich habe auch noch Arbeit zu
tun, entschuldigt mich!“, Faith schloss sich an: „Ich habe heute Nacht ein paar
Vampire zu erledigen und will nicht unvorbereitet sein!“
„Und was ist mit der Organisation?“, fragte Buffy etwas
ungehalten.
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass Giles heute noch genug
Jägerinnen auftreibt, B? Und wenn doch kommt es auf eine mehr oder weniger auch
nicht an!“, versuchte sie sich zu rechtfertigen.
„Aber auf eine Erfahrene! Ich habe dich fest eingeplant!“, Buffy
schien ernsthaft betroffen, sie war davon ausgegangen, dass sie ihren Plan
heute durchführen könnte, um sich endlich keine Sorgen um die Organisation mehr
machen zu müssen.
„Wenn du es wirklich heute noch machst, dann werde ich so schnell
dazu kommen, wie ich kann, aber ich muss mich zu erst um diese Vampire kümmern,
das habe ich jemandem versprochen!“
Buffy gab sich schließlich zufrieden und winkte ab: „Aber beeil
dich!“
London, Ratsgebäude, unbenutzter Trakt, selbe Zeit:
„Wie schlimm sieht es aus?“, fragte Lily George nach der Lage,
während sie ihm schnellen Schrittes durch den leer stehenden, unbenutzten Gang
folgte.
„Jemand ist mit Mr. Giles in Kontakt getreten, von einem Telefon
in diesem Gebäude aus!“, erläuterte er ihr, „Wir sind uns nicht sicher, wer es
war, allerdings haben wir Grund zur Annahme, dass es sich bei dieser Person um
Bernard Crowley handelt, denn einer meiner Leute hat beobachtet, wie er sich
aus dem Ratgebäude geschlichen hat, und offensichtlich Angst hatte beobachtet
zu werden!“
„Crowley?“, sie hatte sich gleich gedacht, das dieser Mann Ärger
machen würde, ihre Nase hatte sie also
nicht getäuscht, doch sie hatte immer gehofft ihn aus dem Verkehr zu räumen,
bevor er irgendwelchen Ärger machte. Seine Vergangenheit alleine musste einem
schon zu denken geben.
George öffnete eine Tür und sie betraten einen Raum, der
hauptsächlich mit unbenutzten, abgedeckten Möbeln zugestellt war. In der Mitte
auf einem Stuhl saß Bernard Crowley, offensichtlich eingeschüchtert durch die
zwei muskelbepackten Bediensteten von George, die ihn hier her gebracht hatten.
Soweit Lily es beurteilen konnte hatten sie ihn nicht angerührt, noch nicht.
„Mr. Crowley, bitte entschuldigen sie die Unannehmlichkeiten, Mr.
Martin hat wohl etwas überreagiert, doch ich muss gestehen, ich war auch etwas
betroffen, als ich von ihrer kleinen Verschwörung erfuhr!“
Er schaute sie nur irritiert an: „Welche Verschwörung?“
„Wollen sie etwa leugnen, dass sie mit Mr. Giles Kontakt hatten?“,
ihr ohnehin schon gespannter Geduldsfaden begann zu reißen.
„Nein, ich hatte keinen Kontakt zu ihm, und ich kann ihnen
versichern, dass ich auch nicht gedenke mit ihm in Kontakt zu treten! Auch wenn
mir das Theater was sie hier aufführen, wohl endgültig klar macht, dass sie
nicht mit offenen Karten spielen!“, er brach kurz ab, als er merkte, dass er zu
weit gegangen war, „Ich will nur dem Rat dienen, auf Ärger oder Einmischung in
irgendwelche Machtspiele kann ich wirklich verzichten!“
„Ach kommen sie schon, das können sie mir nicht weiß machen! Jeder
kennt ihre Geschichte! Nikki Wood und ihr Versteckspiel mit dem Rat als ihr
Wächter, während sie schwanger war, ich weiß wie sie über den Rat und über mich
und meine Familie denken, sie brauchen nicht so zu tun, als ob sie keine
Probleme damit hätten!“, sie schrie ihn fast an, irgendetwas brachte sie
ungemein aus der Ruhe.
Er schwieg für einen Moment, dann setzte er zu einer Antwort an:
„Ja, ich war Nikki Woods Wächter, und ich kenne das wahre Gesicht des Rates,
doch wenn ich diesen alten Geschichten noch nachhängen würde, oder auf Rache
aus wäre, dann wäre ich nie zurückgekommen! Es geht mir nur darum meine Arbeit
zu machen, nicht mehr und nicht weniger.“
Für einen Moment überlegte sie, ob sie ihm wirklich trauen sollte,
doch es fiel ihr schwer, er passte einfach zu gut in das Bild eines Verräters,
außerdem hatte er vielleicht noch Kontakt zu Robin Wood in Cleveland, den er
immerhin bei sich aufgezogen hatte.
Während sie noch überlegte öffnete sich plötzlich wieder die Tür
und eine Angestellte trat ein, sie warf Crowley, der zusammen gekauert auf dem
Stuhl hockte, einen misstrauischen Blick zu, entschied aber, dass es
offensichtlich nicht das sein konnte, wonach es aussah: „Ms. Usher, da ist ein
Anruf für sie, es ist Mr. Giles!“
Bevor ihre inneren Alarmglocken klingeln konnten drückte sie schon
den Hörer an ihr Ohr: „Usher. Ja?“
„Ich bin es.“, Giles Stimme erklang von der anderen Seite, sie
wirkte gefasst, aber es klang sehr bemüht.
„Rupert, warum rufst du an?“, ihre Miene versteinerte sich, sie
musste die tausend Gefühle und Gedanken, die ihr auf einmal durch den Kopf
jagten zurückhalten! Verdammt, warum rief er ausgerechnet jetzt an?
„Ich will nicht über das sprechen, was du getan hast, denn ich
habe dir nichts dazu zu sagen. Normalerweise würde ich nie mit kaltblütigen
Mördern wie dir verkehren, doch es geht um etwas anderes!“, es war wie ein
Schlag in ihren Magen, seine Stimme das sagen zu hören. Ihre steinerne Fassade begann
zu bröckeln, ihre Stimme zitterte, wenn auch kaum merklich: „Du weißt, dass das
absolut irrationale Anschuldigungen sind, auf die ich nicht weiter eingehen
werde.“
„Ach du bist also nicht alleine im Raum?“, er lachte sarkastisch
und ihr wurde bewusst, wie verbittert er
sein musste. Sie warf Crowley einen kurzen Blick zu, der sie interessiert
anstarrte, als ob er durch sie hindurch blicken könnte.
Schließlich rang sie sich durch zu einem: „Was willst du von mir?“
„Wir haben hier in Cleveland einige Probleme, mit der
Organisation, an die du dich eigentlich noch sehr gut erinnern solltest. Wir
brauchen einige Jägerinnen, und leider will mir, warum auch immer, kein Wächter
welche zur Verfügung stellen. Daher wollte ich dich bitten, ob du nicht vielleicht
ein gutes Wort für mich einlegen würdest? Es geht hier bei nicht um die Sache
zwischen uns, sondern schlicht und einfach um die Bekämpfung von Dämonen, ich
hoffe das bedeutet dir wenigstens noch etwas!“, seine Worte waren scharf, wie
Messer, die in offene Wunden gerammt wurden.
Tausende
Antworten und Entschuldigungen schossen durch ihren Kopf, und sie spürte, wie
ihre Augen nass wurden, doch sie erlaubte es ihnen nicht: „Du kriegst deine
Jägerinnen, noch heute Abend!“
Sie legte auf.
George der das Geschehen bis zu diesem Zeitpunkt besorgt
beobachtet hatte schritt zu Lily vor: „Alles in Ordnung?“
„Ja, es geht schon.“, der Blick der beiden glitt zu Crowley und
George teilte Lily die Neuigkeiten mit, die ihm die Angestellte gerade
überbracht hatte: „Er ist nicht der den wir suchen!“
Lily überdachte die Lage für einen Moment, doch dann entschied
sie, dass zwei tote Wächter an einem Tag keine gute Sache wären: „Sie können
gehen, es tut mir Leid, dass wir ihnen Unannehmlichkeiten bereitet haben!“
Aber ihre Gedanken waren nicht wirklich bei Crowley, sie waren in
der Vergangenheit.
England, Oxford University, 1974:
Kerzen auf dem Fensterbrett, im Buchregal über einem der beiden Schreibtische
und in Weinflaschenhälse gesteckt, sowie zahlreiche Teelichter auf dem
schäbigen Teppichboden, erhellten das kleine Zimmer, das sich zwei junge
Studenten teilten. Die Flammen flackerten leicht, fast im Takt zu den leisen
Klängen von The Doors, die aus alten Boxen drangen.
Eines der Betten war ordentlich gemacht und der in der Halbdunkelheit stehende
Schreibtisch war ähnlich pedantisch aufgeräumt. Dahingegen zeugte der mit
Kerzen überladene Tisch von Unordentlichkeit und Chaos – Bücher stapelten sich
in zahlreiche kleine Berge in die Höhe. Dazwischen steckten mit Notizen
beschmierte Blätter oder häuften sich auf den einzigen freien Stellen auf der
Tischoberfläche auf. Dazwischen lag eine Gitarre, die alt und benutzt wirkte
und die irgendwie das Kunststück fertig gebracht hatte Platz gefunden zu haben,
ohne das einer der Stapel ins rutschen gekommen war.
Ein Kichern war plötzlich unter der Bettdecke des anderen Bettes zu hören, über
das ein großes Konzertplakat von Marsha Hunt hing.
Es kam Bewegung unter die Decke und wieder kicherte die klare, weibliche Stimme,
ehe sich zwei verschwitzte Köpfe unter der warmen Decke freikämpften.
„Rupert du bist unmöglich...“
„Du willst doch nicht behaupten, Lily, dass es dir nicht gefallen hat“, grinste
der junge Rupert breit und frech, während er sich im Einklang mit Lily weiter
rhythmisch unter der Decke bewegte.
„Das habe ich nicht behauptet... aber das ziemt sich nicht...“
„Wir sind verlobt, Lily“, verdrehte Rupert die Augen und küsste ihre Stirn.
Lily lächelte zu ihm hoch. „Ah ja, verstehe... ein Freibrief also... aber was
ist wenn Dean zurückkommt und uns...“
„Ich hab ihn in den Pub geschickt und ihm dazu noch zehn Pfund in die Tasche
gesteckt. So schnell kommt er nicht wieder... Also...soll ich noch einmal,“ das
diabolische Grinsen war wieder auf seinem Gesicht erschienen und er rutschte
bereits wieder unter die Decke nach unten, als das Telefon im Zimmer laut und
unnachgiebig aufschrillte. Lily und Rupert zuckten gleichzeitig zusammen und
während er wieder nach oben kam, starrten sie beide zu dem Apparat auf Ruperts
unordentlichem Tisch.
„Na prima,“ sagte Rupert als erster, frustriert und enttäuscht zu gleich, als
das Telefon weiterschrillte. „Erwartest du noch einen Anruf?“
„Nein... eigentlich nicht. Denkst du sie sind es?“, Lily sah besorgt zu Rupert
auf.
„Und wenn schon... wir könnten auch fort sein,“ Rupert begann ihre Lippen zu
küssen, doch Lily drehte ihren Kopf zur Seite.
„Du solltest ran gehen. Du weißt, dass sie immer alles wissen. Wir sollten die
Regeln einhalten.“
„Bist du dir sicher?“, und um seiner Frage Nachdruck zu geben, ließ er seine
Hüfte ein wenig kreisen. Doch Lilys Gesicht blieb angespannt und nahm Rupert
jeden weiteren Spaß.
„Natürlich bin ich mir sicher.“
Rupert seufzte laut auf und rollte sich von Lily auf die Seite hinunter. Sein
Gesicht drückte die Enttäuschung und Frustration mehr als deutlich aus. „Aber
nur weil du es bist.“ Er rutschte ans Fußende seines Bettes schlüpfte zurück in
seine Unterwäsche und ging zum Telefon. „Ja?... ja sicher Mr. Usher,“ Rupert
warf Lily einen strafenden Blick zu. Vom Rat beim Liebesspiel gestört zu werden
hätte er noch verkraftet, aber von seinem zukünftigen Schwiegervater.. das war
fast ein wenig peinlich. Auch wenn der alte Usher sicher nicht wusste was hier
gerade passiert war. „Für dich,“ sagte er überflüssig und hielt Lily den Hörer
entgegen.
Sie wickelte Ruperts Decke um sich und stand mit einem entschuldigenden Blick
zu ihm auf.
„Was ist Daddy?,“ sie kehrte Rupert den Rücken zu und es war ihm schwer zu
erkennen, ob die Mitteilung etwas Gutes oder weniger Gutes bedeutete.
„Wir haben hier ein Problem. Ich brauche dich dringend hier im Zirkel.“
„Oh ich verstehe.. ja natürlich.. ich komme sofort. Was ist genau los?“ Der
Zirkel also... sie würde Rupert nicht unbedingt die Wahrheit sagen können,
wieso sie so dringend los musste.
„Wir haben eine Schrift gefunden, die uns auf die Spur der letzten Hüterin
führen könnte. Aber niemand ist in der Lage sie zu übersetzen. Außer dir. Und
wir brauchen dringend eine neue Spur, wenn unsere Geldgeber nicht langsam
abspringen. Ist Rupert ein Problem... oder kannst du ohne Bedenken los?“
„Rupert? Ja, ja doch er wird das verstehen.“ Sie drehte sich dabei zu Rupert
herum und lächelte ihn gewinnend an, aber er sah zur Seite und lehnte sich an
die Wand. „Bis gleich,“ und damit legte sie langsam auf.
Rupert hatte genug gehört, um zu wissen, dass sie gehen musste...und Lily
brauchte nichts mehr zu erklären. Der Ausdruck in seinem Gesicht sagte alles.
Sie bückte sich rasch nach ihren Kleidern und fühlte sich sehr unbehaglich
unter seinem beobachtenden Blick. Schließlich hielt sie die Stille nicht mehr
aus. „Es tut mir leid, Rupert. Aber was soll ich denn machen? Es ist ein
Notfall. Der Rat braucht mich und mein Wissen... irgendetwas wegen einer jungen
Anwärterin. Mein Vater braucht mich. Du würdest doch das gleiche tun, wenn dich
deiner anrufen würde. Auch wenn wir unterschiedliche Meinungen über unsere
Pflicht dem Rat gegenüber haben.“
Rupert schwieg weiterhin und beobachtete sie. Schließlich war sie fertig und
suchte nach ihrer Handtasche. „Könntest du mir wenigstens deinen Wagen leihen?“
Rupert griff nach dem Schlüsselbund auf dem Nachttisch und warf ihn Lily zu.
„Danke.. ich.. ich beeile mich und komme sofort zu dir zurück..
versprochen...“, sie ging begleitet von den enttäuschten Augen von Rupert. Es
war schwer zu gehen, nicht nur weil sie einen so schönen Abend vor sich gehabt
hätten, sondern auch weil Rupert seit dem Anruf nichts mehr gesagt hatte. Das
war das schlimmste daran.
Drei Stunden später öffnete Lily leise die Tür zu Ruperts und Deans Zimmer. Es
war dunkel, die Kerzen brannten nicht mehr, aber der beißende Geruch des
Rauches stand noch im Zimmer. Sie schlich sich leise zwischen den Kerzen
hindurch zum Fenster und öffnete es. Erleichtert stellte Lily dabei Deans
leeres Bett fest. Allerdings musste sie enttäuscht herausfinden, dass Rupert
bereits schlief. Ohne Decke, nur mit seinen Shorts begleitet und auf dem
Rücken. Ein Buch lag aufgeklappt mit dem Deckel nach oben auf seiner nackten Brust
und sie nahm es vorsichtig auf. „Handbuch für Wächter-Anwärter“, stand auf dem
Einband und mit einem kleinen Lächeln legte sie es auf seinen Nachtisch. Sie
bedauerte, dass es länger gedauert hatte und sie bedauerte, dass er bereits
schlief. Ihr liebevolles Lächeln verschwand von ihrem Gesicht und machte einem
verschlossenen, sorgenvollem Ausdruck platz. Ihre Beziehung würde nie einfach
sein. Und wenn sie erst einmal geheiratet hätten, würde alles nur noch
komplizierter für sie werden. Denn sie würde Rupert immer wieder anlügen
müssen... daran führte kein Weg vorbei... so wie heute Nacht... sie hatten zu
verschiedene Ansichten, zu verschiedene Pflichtgefühle.
Cleveland, Wächterhaus, Abend, 2004:
Misstrauisch blickte ihr das Rudel von jungen Frauen entgegen, das
sich vor Giles Haustür versammelt hatte, so als wartete in diesem Haus die
größte Gefahr auf sie, die sie in ihrem noch jungen Leben als Jägerin bisher
erblickt hatten.
Buffy bemühte sich möglichst freundlich zu gucken, was ihr aber
gar nicht so einfach fiel, bei den unfreundlichen Blicken. Kennedy und die
anderen waren bei ihrem ersten Treffen weit aus freundlicher gewesen, auch wenn
sie sie regelrecht überfallen hatten: „Kommt doch rein!“
Sie drehte sich um, bevor sie die Reaktionen sehen konnte. Mit so
einer Ablehnung hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Es war erschreckend.
Den Geräuschen nach wagten sich einige Mutige vor in die Höhle des
Löwen und die anderen folgten vorsichtiger und langsamer.
Es waren etwa zwanzig Mädchen, die Giles irgendwie aufgetrieben
hatte, jedoch hatte er vermieden mit irgendeiner Silbe zu erwähnen, woher.
Liz, Angela und Lena, die Jägerinnen von Kieran O´Bailey und
Robert Prescott saßen bereits im Wohnzimmer und warteten geduldig auf die
Neuankömmlinge, die die drei nun etwas unsicher beäugten.
„Setzt euch irgendwo hin, ich will euch in eure Aufgaben
einweisen!“, bat Buffy sie, es war gut, dass Giles bei der Post war, um die
restlichen Briefe loszuschicken. Es war besser, wenn er das hier nicht mit
ansehen musste.
Was mussten ihre Wächter ihnen nur erzählt haben, damit sie so
ängstlich und unsicher waren, und vor allem wie hatte Giles sie dann überzeugt
ihre Jägerinnen dennoch zu ihm zu schicken?
Kennedy betrat das Besprechungszimmer. Sie war die einzige der Cleveland-Jägerinnen,
die Buffy mitnehmen würde. Faith und Ronah waren nicht da, und Dawn hatte Buffy
nicht erlaubt mitzukommen, denn der Gedanke, dass die kleine Schwester eine
Jägerin war, war ihr noch immer fremd. Auch wenn es ein kleine Familienkrise ausgelöst
hatte.
„Sind inzwischen alle angekommen?“,
fragte Kennedy
„Ja, ich denke schon, es müssten genug sein!“, Buffy überflog die
Neuankömmlinge mit einem kurzen Blick, wenigstens sahen sie gut trainiert aus.
Eine von ihnen trat nach vorne. Sie hatte kurze blonde Haare,
einen etwas kräftigeren Körperbau und war für die anderen wohl so etwas wie
ihre Anführerin: „Damit das klar ist, wir werden nicht an irgendwelchen
Selbstmordmissionen teilnehmen, oder irgendetwas tun, dass dem Rat oder anderen
Jägerinnen schadet! Wir sind hier, weil es von uns warum auch immer verlangt
wurde. Wir sind nicht hier, weil wir mit ihnen und Mr. Giles in irgendeiner
Weise sympathisieren oder weil wir hier sein wollen!“
Langsam begann Buffy der Kragen zu platzen: „Ihr denkt also
wirklich, dass wir euch absichtlich mehr gefährden würden, als es unbedingt
nötig ist? Ihr denkt wir würden euch für einen Kampf gegen andere Jägerinnen
einsetzen wollen?“, sie funkelte die Meute von jungen Frauen wütend an, „Doch
wisst ihr was? Wenn Mr. Giles nicht gewesen wäre würde vermutlich die Hälfte
von euch heute bereits unter der Erde sein! Dieser Mann hat es fertig gebracht
den Rat der Wächter in Rekordzeit wieder aufzubauen, er hat dafür gesorgt, dass
so viele Jägerinnen wie möglich mit Wächtern versorgt wurden und nicht mehr auf
sich allein gestellt waren! Und ich kann
euch versprechen, dass er sich mehr um das Leben einer Jägerin sorgt, als Ms.
Usher es je könnte!“
Die Mienen der Jägerinnen schienen etwas aufzuklaren, auch wenn
immer noch mehr Zweifel als Zustimmung durchkam. Die blonde Anführerin nickte
nur stumm und setzte sich zurück zu den anderen.
„Und nun zu dem wofür ich euch brauche: Es wird nicht wirklich
einfach werden, aber ich denke, wenn ihr alles so macht, wie ich es euch sage
werden wir es ohne große Probleme schaffen!“
London, dunkle Seitenstraße, etwas später:
Charles Prescott war umringt von George´s Bediensteten, als Lily
eintraf, er drückte sich gegen eine Wand und schaute ihr missbilligend
entgegen.
„Das sie so weit gehen hätte ich nie gedacht, das war ihr
Todesurteil, ihr Einfluss im Rat wird nicht mehr haltbar sein!“, platzte es aus
ihm heraus, er war offensichtlich ängstlich, und versuchte sich mit Drohungen
davon abzulenken. Typisch menschlich, er tat Lily fast leid.
„Entschuldigen sie die Grobheit meiner Freunde hier, doch sie
werden, wie ich auch, leider immer sehr wütend, wenn sie erfahren, dass jemand
den Rat hintergeht! Wir wissen, dass sie von einem Telefon im Ratsgebäude aus
mit Mr. Giles telefoniert haben!“, Lilys Stimme klang beherrscht und kühl wie
immer, doch in ihrem Kopf hallte immer noch Giles Stimme und die Worte, die sie
mit ihm gewechselt hatte wieder. Es tat weh, mehr als sie gedacht hatte.
„Wer von uns hat den Rat verraten? Sie haben mehrere Jägerinnen
getötet, versucht die Linie zu schließen, und haben Mr. Giles hintergangen. Und
sie wollen dennoch behaupten, ich sei der jenige, der sich falsch verhalten
hat?“, er schüttelte den Kopf, als ob er es nicht glauben konnte, „Wie kann
jemand nur so eine verdrehte Weltanschauung haben?“
„Verdreht? Ich habe begriffen, was für unsere Aufgabe getan werden
muss, wenn sie das nicht können, dann haben sie im Rat der Wächter nichts
verloren!“, entgegnete sie mit fester Stimme, ihre Gesichter waren nur noch
wenige Zentimeter von einander entfernt.
„Seit wann fällt Mord darunter?“, fragte er gerade heraus, nur um
mit einer direkten Antwort konfrontiert zu werden: „Schon immer! Es kommt bei
diesen Dingen nicht auf irgendwelche allgemeingültigen Wertevorstellungen an,
es kommt nur darauf an, was getan werden muss, um die Ordnung zu halten. Wenn
ein Mord nötig ist, dann ist es halt so, und es liegt nicht an mir oder
irgendeinem anderen Wächter das zu ändern. Selbst wenn wir tausende Menschen
töten müssten, um den Rest der Menschheit vor dem Untergang zu bewahren, dann
kann es für den Rat der Wächter nur eine zu treffende Lösung geben!“
„Aber ihre Taten haben sie nicht begangen, um eine Bedrohung für
die Menschheit aufzuhalten, sondern nur um eine veraltete Ordnung wieder
herzustellen!“
„Ordnung! Was wir im Moment haben nennt man ein Chaos, und Chaos
ist die größte Bedrohung von allen. Es bedeutet, dass wir die Kontrolle
verlieren, und ohne Kontrolle verlieren wir auch unsere Macht; Kontrolle ist
das einzige, was zwischen uns und dem Ende dieser Welt steht!“
„Wenn wir bereit sind für unsere Ziele so weit zu gehen, dann sind
wir auch nicht besser als jeder Dämon!“, er schien sich inzwischen so in den
Streit mit Lily hineingesteigert zu haben, dass er George´s Leute gar nicht
bemerkte.
„Habe ich je behauptet,
dass wir es sind? Wir müssen unseren Gegner gnadenlos und ohne zu zögern mit
den gleichen Mitteln bekämpfen, die sie auch verwenden würden um uns zu
zerstören, Rücksicht wäre unser Tod.“
„Was hat sie nur zu dieser schrecklichen Person gemacht, die sie
heute sind?“, erstaunlich, seine ganze Angst schien dem Zorn gewichen zu sein,
wirklich sehr erstaunlich.
„Sie wollen wissen, was mich zu dem gemacht hat, was ich heute
bin? Die Welt in der wir leben, die Welt des Rates und der Dämonen! Wer in
dieser Welt lebt, kommt irgendwann zur gleichen Einschätzung der Lage wie ich,
oder wird daran kaputt gehen. Es gibt immer Leute, die nicht bereit sind, das
zu tun, was getan werden muss. Ich bin jemand der immer alle nötigen Dinge
unternimmt, und die meisten der Wächter werden mir dafür danken, dass ich ihnen
so unangenehme Entscheidungen abnehme; was glauben sie, warum ich so schnell
die Kontrolle hatte? Sie alle wissen, wofür ich stehe, und dass ich nie dabei
zögern werde dem Rat zu dienen. Auch wenn sie es vielleicht nicht sehen wollen,
sie wissen, dass jemand all diese Dinge tun muss und sie billigen es! Mein
Vater hat mir all das beigebracht, und es gibt kein größeres Geschenk, was er
mir hätte auf meinen Weg mitgeben können!“
Er starrte sie an, als sei sie der schrecklichste Alptraum, den er
je zu Gesicht bekommen hatte, dann wandte er sich von ihr ab, so dass er ihre
Augen nicht mehr sehen musste: „Was werden sie jetzt mit mir tun?“
Sie dachte für einen Moment über ihre Antwort nach, dann entschied
sie sich: „Sie können gehen, die anderen Wächter werden sie für genauso
verrückt halten, wie Rupert! Ich werde sie leben lassen, schließlich bin ich
kein Monster!“
Er atmete auf, auch wenn er sichtlich misstrauisch war. Ohne ein
weiteres Wort oder einen Blick zurück bahnte er sich seinen Weg an George´s
Leuten vorbei und durch die dunkle enge Gasse. Er ging sehr schnell und fing
dabei beinahe an zu rennen.
Traurig blickte Lily ihm nach, es tat ihr in der Seele weh, einen
Menschen, der sich so an seine naiven Weltvorstellungen klammerte zu
beseitigen, doch als er mit Giles in Kontakt getreten war hatte er seine
eigenes Todesurteil unterzeichnet.
Ein einzelner Tropfen schlug auf der rauen Straße vor ihr auf. Es
würde wieder einen Schauer geben. Dies war England, sie war zu Hause!
Langsam wandte sie sich einem der Männer zu, der etwas unsicher
wirkte: „Keine Angst, ich habe die Sache schon im vornhinein geregelt! Wissen
sie zufällig, ob George alles bereit gemacht hat, für meine kleine Reise?“
Cleveland, dunkle Gasse:
Laut hallten die langsamen Schritte der jungen Frau von den alten,
modrigen Wänden wieder, während sie Schritt für Schritt weiter in die
Dunkelheit der Gasse eintrat. Sie kramte kurz in ihrer kleinen Handtasche, nahm
sich einen dunkelroten Lippenstift heraus, und bedeckte sich damit ihre Lippen,
während sie weiterhin langsam in der Dunkelheit der Gasse verschwand.
Als sie mit der Auffrischung fertig war, steckte sie den Lippenstift wieder in
ihre Tasche, hängte sich diese um ihre Schultern und strich sich eine lose
Strähne aus dem makelosen Gesicht, die sich aus dem straffen, schwarzen
Pferdeschwanz gelöst hatte.
Plötzlich vernahm sie ein lautes Knurren. Überrascht verlangsamte
sie daraufhin ihren Schritt, wobei sie versuchte, wenigstens einige Umrisse in
der Finsternis auszumachen.
Ohne eine weitere Vorwarnung ertönte ein weiteres Knurren, woraufhin etwas auf
sie zuflog, sie an der Schulter packte, und gegen die Wand schleuderte.
Sie holte tief Luft, und schrie daraufhin wie verrückt um Hilfe, als der Vampir
sie fest gegen die Wand drückte, und seine scharfen Eckzähne in ihre Haut
bohrte.
Er knurrte auf, ließ dann von ihr ab und sah sie verwundert an. Er legte den
Kopf schief und versuchte, sich umzudrehen, als sie ihn an seinem Handgelenk
fasste.
“Streng dich gefälligst etwas mehr an!“ flüsterte sie, zwinkerte ihm zu, und
riss ihn gewaltvoll an sich heran. Sie hob ihre rechte Hand und drückte seinen
Kopf fest gegen ihren Hals. „Mach deinen Job!“ flüsterte sie und begann wieder
schrill zu schreien.
Plötzlich sauste ein Pfeil durch die Luft, und der Vampir wimmerte noch kurz,
bevor er zu Staub zerfiel. Die junge Frau sah geschockt auf, und blickte auf
Faith.
„Oh mein Gott... was.. was war das?“ stammelte sie, und ging langsam auf Faith
zu, wobei sie stolperte, und Faith sie gerade noch auffangen konnte, bevor sie
im Dreck gelandet wäre.
„Ein Alptraum..!“ antwortete die Jägerin und sah die Frau verwundert an. „Du
solltest echt einen anderen Weg nach Hause nehmen… einen der vielleicht etwas
mehr beleuchtet ist.“ sagte Faith, drehte sich um, und wollte die Gasse schon
wieder verlassen, als sie auf einmal die kalte Hand der jungen Frau auf ihrem
Ellbogen spürte.
„Ja?“ Faith drehte sich um und sah sie fragend an.
„Ich,.. ähm.. es ist mir .. ein bisschen.. peinlich..“ sie lächelte gespielt,
wischte sich eine Träne aus dem Gesicht und sah die Jägerin hilfesuchend an.
„Könntest du mich bitte.. nach Hause begleiten?“
Cleveland, Hinterraum eines Reisebüros, Nacht:
“Ich denke, ich kann dir weiterhelfen.“
“Tatsache?“, Kan Hsirg traute seinen Ohren kaum. Wie lange hatte er auf diese
Worte gewartet?
Das Grinsen des zerfledderten M’ Fashnik Dämon wurde noch eine Spur
schmieriger. “Es ist alles nur eine Frage der ...hm...richtigen Bezahlung.“
“Geld stellt kein Problem dar.“ Hsirg dachte an sein Nummernkonto in der
Schweiz und an die Gewinne der Barker Cooperation, die er bis Ende letzten
Jahres hatte beiseite schaffen können. Das sollte wirklich reichen, um sich
sämtliche Schlägerdämonen von dieser “Organisation“, oder wie immer sich die
Kerle nannten, zu mieten.
“Das hört man gerne.“ Der M’Fashnik wollte offensichtlich noch mehr sagen,
wurde aber in diesem Moment von einem schrillen Telefonklingeln unterbrochen.
“Hör zu, hier hast du meine Visitenkarte, damit gehst du am besten gleich zu
meinem Boss. Tegul ist sein Name, er leitet die McGregorian Fischfabrik. Er
kann dir Schlägertrupps zu einem vernünftigen Preis beschaffen...gute Leute.
Damit könntest du sogar die Jägerinnen persönlich fertig machen... warum willst
du dich nur mit ein paar Dämonen zufrieden geben?“
“Ich bin dir zu Dank verpflichtet.“ Kann Hsirg rollte mit allen drei Augen,
erhob sich, und wollte sich gerade abwenden, als der M’Fashnik ihm zurief:
“Moment, das ist mein Boss, der grad anruft, wir können das gleich
besprechen...“
“Natürlich.“, Mit einem Seufzer ließ sich Hsirg wieder in seinen Stuhl fallen.
Akt 4:
Cleveland, McGregorian Fischfabrik, selbe Zeit:
Der Schreibtisch quoll über vor Dokumenten, Bildern und kleinen
Notizzetteln und im Raum selbst waren überall Tafeln aufgestellt, die mit
Gebäudeplänen und Bildern von Personen oder Orten behangen waren. Die drei
Dämonen, die außer Tegul im Raum standen, hatten durch sie kaum noch Platz.
Teguls Finger fuhren nervös durch die Unordnung, bemüht, irgendetwas zu finden,
dass ihm helfen konnte. Der Dämon fühlte sich hin und her gerissen in seinem
Zorn über die Jägerin und seiner Verzweiflung darüber, dass sie ihm alles
genommen hatte.
Einmal abgesehen davon, dass er sich seines Lebens nicht mehr sicher sein
konnte. Sicher, die Organisation hatte an ihm festgehalten, aber deren
Ansichten konnten sich schneller drehen als man Wind buchstabieren konnte.
Immerhin hatte er ständig versagt. Und daran war nur diese verfluchte Jägerin
schuld. Sie musste bestraft werden...aber wie?
Ihre Freunde waren vielleicht ihre einzige Schwachstelle. Doch es gab ein
Problem: Sie waren fast alle zu mächtig. Sie zu überraschen mochte möglich
sein, aber dann müsste man sie alle direkt nacheinander erwischen. Teguls Augen
leuchteten auf, als ihm eine Idee kam.
Schnell griff er zum Telefon, wobei er die Hälfte der Papiere auf seinem Schreibtisch
zu Boden fegte, und wählte eine Nummer. Seine Finger trommelten nervös auf die
Tischplatte, als sich nach dem fünften Klingeln noch niemand meldete.
„Verdammt, geh ran“, zischte er unruhig.
„Zehj’ran“, meldete sich plötzlich eine Stimme, die irgendwie an das Knarren
von morschen Türen erinnerte.
Tegul atmete auf: „Na endlich. Ich bin es, Tegul. Hör zu, du musst da was für
mich erledigen. Ist ziemlich wichtig.“
„ Klar, Boss... schießen Sie los.“, sein Bediensteter klang etwas zu unterwürfig.
Für einen Moment überlegte Tegul, ob es vielleicht nur Show war, mit der
M’Fashnik jemand anderen beeindrucken konnte, doch dann drangen seine
Rachegedanken wieder zu stark vor, als dass er sich näher mit diesem Gedanken
hätte beschäftigen können.
„Das muss aber auch klappen. Wenn irgendwas schief geht, sind wir
alle geliefert.“, nicht, dass ich das nicht auch so schon wäre, dachte er,
behielt diesen Gedanken aber lieber für sich.
„Boss, Sie können sich auf mich verlassen. Was gibt’s denn nun?
Soll ich jemanden zum Schweigen bringen? Oder brauchen Sie Geld? Sie wissen
doch, der alte Zehj erledigt das. Keine Spuren, keine Zeugen, keine Probleme.“
„ Ja ja, schon gut, weiß ich ja. Hör genau zu...“, wollte er
beginnen, doch er brach sofort irritiert wieder ab, als ein lauter Knall an
seine Ohren drang. Vor Schreck ließ er das Telefon fallen.
Es folgten weitere ähnliche Geräusche.....Schüsse, wie er erst jetzt bemerkte.
Was war da los? Er wollte gerade zur Tür eilen, als diese so heftig aufschwang,
dass er zurücktaumelte. Entsetzt riss er die Augen auf, als die blonde Jägerin,
gefolgt von mehreren Mädchen, in den Raum trat. Die drei Wächter stürmten auf
sie zu, doch sie kamen nicht weit.
Der erste von ihnen verlor seinen Kopf durch einen Schwung von Buffys Axt, ein
anderer starb durch einen Messerwurf genau zwischen die Augen. Der dritte
erhielt einen Schwertstich ins Herz.
„Die Sicherheit lässt hier aber auch immer mehr zu wünschen übrig. Sie sollten
schnellstens mal etwas dagegen unternehmen. Schließlich leben wir in unsicheren
Zeiten.“, bemerkte Buffy sarkastisch.
Tegul spürte, wie Zorn in ihm brodelte. Wie konnte sie es wagen,
ihn auch noch zu verspotten? Hatte sie ihm denn nicht bereits genug Schaden
zugefügt?
„Von wegen“, zischte er, „ ich hab sie nur anders aufgeteilt Jeden Moment
werden meine Leute hier sein. So einfach ist das nicht, Jägerin. Auch wenn du
mich umbringst...so leicht kommst du hier nicht mehr raus.“
„Stimmt. Leicht wird’s bestimmt nicht. Auch wenn ich nicht mit Wachen rechne“,
stimmte sie ihm zu und der gleichgültige Gesichtsausdruck auf ihrem Gesicht
ließ ihn zögern, „Wissen sie, worauf man achten sollte, wenn man explosive
Stoffe lagert, wie sie? Dass sie nicht explodieren!“
Was ging hier vor? Welche Teufelei hatte sie geplant?
Plötzlich bebte die Erde und ein lauter Knall erschütterte die Fabrik. Die
Fensterscheiben im Büro erzitterten kurz und zersprangen dann mit einem lauten
Klirren.
Buffys Mund verbreiterte sich zu einem Lächeln, als sie das
entsetzte Gesicht von Tegul sah: „Das war Lager Nummer eins.“
Es krachte erneut, lauter diesmal. Und noch einmal. Und ein drittes Mal. Jedes
Mal zählte die Jägerin mit sichtlicher Genugtuung mit. Es war ein schwacher
Sieg in Anbetracht der momentanen Lage, vielleicht war es sogar ein unnötiger
Einsatz gewesen, aber es war zumindest etwas gewesen, dass Buffy tun konnte, um
nicht einfach nur rum zu sitzen, während Giles und Robin versuchten alles zu
unternehmen, um Lily zu stürzen. Sie hatte zumindest dafür gesorgt, dass dieser
Dämon nun wusste, wie mächtig die Jägerinnen am Ort waren.
„Götter des Abgrunds, nein!“ kreischte Tegul, als er den Brandgeruch wahrnahm.
„Doch. Ich habe meine Jägerinnen in ihren Waffenlagern ein kleines
Feuer legen lassen. Hier geht gleich alles den Bach runter.“
„Nein...nein...“, Tegul hatte das Gefühl, ihm würde der Boden unter den Füßen
weggerissen.
Sie hatte ihm soeben jede Möglichkeit genommen, wieder auf die Beine zu kommen.
Nichts war ihm geblieben. Absolut nichts.
„ Das...das...kann nicht sein“, stammelte er. Das Entsetzen hatte ihn dermaßen
gelähmt, dass er nicht reagierte, als ihre Axt auf seinen Kopf zusauste. Sein
Gestammel brach sofort ab, Blut spritzte und er sackte mit gespaltenem Schädel
zu Boden: „Um ehrlich zu sein: Ich hab mich schon ewig darauf gefreut das zu
tun, nicht böse gemeint, aber du jammerst einfach zu viel!“
Buffy wollte sich gerade abwenden, als sie noch eine Stimme hörte: „Hallo?
Hallo? Tegul? Ist da irgendwer?”
Buffys Augen spähten suchend durch den Raum, bis sie den Telefonhörer
entdeckte, der auf dem Boden lag. Vorsichtig nahm sie ihn auf: „Mit wem spreche
ich?“
„Oh, eine Frau? Tja, nachdem, was ich grade gehört habe, sieht es wohl so aus,
als hätte Tegul...sich verabschiedet. Ich schätze, Sie schmeißen jetzt den
Laden, was? Na, dann will ich mich gleich vorstellen. Ich bin Zehj’ran. Wenn
Sie was brauchen, einfach anrufen, der alte Zehj kann alles kriegen. Kann
alles, weiß alles, macht alles, da können Sie Gift drauf nehmen. Also, was kann
Zehj für Sie tun? Champagner, um den Führungswechsel zu feiern? Oder...“,
begann die Stimme am anderen Ende zu erzählen.
„Sie können was für sich selbst tun“, unterbrach Buffy den knarrenden Monolog.
„Huh? Was denn?“, wollte er interessiert wissen.
„Verschwinden Sie aus der Stadt bevor ich raus finde, wer Sie sind.“, die
Drohung saß.
„Oh....gründliche Flurbereinigung, was? Sie brauchen vor Zehj
keine Angst zu haben, ich arbeite gern für Sie. Ich will nur hin und wieder...“
Buffy seufzte und schmetterte den Hörer gegen die Wand. Zehj’rans
Stimme verstarb.
Plötzlich wackelte der Boden erneut und Staub rieselte von der Decke. „Wir
sollten dringend raus hier“, sagte sie zu den anderen Jägerinnen und gab ihnen
ein Zeichen, dass sie ihr aus dem Raum heraus folgen sollten.
Dunkle Gasse:
„Okay, kein Problem!“ sagte Faith, nachdem sie einen kurzen Blick
auf ihre Uhr geworfen hatte.
„Danke sehr. Mein Name ist übrigens Gretchen..“ sagte die Frau, während sie die
Jägerin freundlich anlächelte, für einen kurzen Moment stockte sie, das Lächeln
verschwand: „Es.. es ist nämlich so. Meine .. meine kleine Schwester, sie hieß
Claire, wurde vor einem Jahr von so einem Monster getötet. Und.. und ich.. ich
habe das total verdrängt. Es war genau dort in dieser Gasse. Ich weiß nicht
einmal, warum ich in die Gasse hinein gegangen bin..“ erzählte die Frau mit
zitternder Stimme, während sie in ihrer Handtasche ein Taschentuch hervorkramte
und sich die aufkommenden Tränen aus dem Gesicht wischte.
Faith schluckte und sah Gretchen kurz an, dann sah sie wieder zu Boden. Was
sollte sie schon sagen?
Gretchen warf Faith einen raschen Blick zu, ehe sie wieder nach vorne blickte
und weiter erzählte.
“Und es ist noch immer sehr schmerzhaft. Ich sehe sie ständig vor mir. Überall.
Ich weiß nicht warum. Ich kann einfach nicht mit ihrem schrecklichen und
sinnlosen Tod abschließen. Du musst
wissen, dass ich sie gefunden habe. Wissen Sie, wie schrecklich es ist, seine
eigene Schwester zu finden, blutüberströmt?“
Faith sah auf, entschied sich, nichts zu sagen, sondern die Frau einfach nach
Hause zu bringen, ohne auf sie einzugehen. Einfach weiter gehen, das würde das
Beste sein. Besser auf jeden Fall als sich dadurch an Vi erinnern zu müssen.
„Was ist denn passiert?“ fragte Faith schließlich doch und sah sie fragend an.
„Das Herz wurde ihr von so einem… Monster… heraus gerissen...“ schluchzte
Gretchen weiter, während sie sich weiterhin mit dem Taschentuch die Wangen
trocknete.
„Kannst du dir vorstellen, wie das ist?“ sie sah Faith durchdringend an.
‚Na ja, was soll’s?’ ging es Faith durch den Kopf, als sie tief Luft holte, und
mit dem Erzählen begann.
„Vor einigen Wochen ist eine sehr gute Freundin von mir gestorben..“ sagte
Faith, und ihre Gedanken begannen, abzugleiten. Jetzt war es doch passiert, die
Erinnerungen kamen hoch.
Gretchen sah die Jägerin mit großen Augen erwartungsvoll an, während sie an
einer aufwendig verzierten Kette spielte, die um ihren Hals hing.
Cleveland, McGregorian Fischfabrik, selbe Zeit:
Es war wirklich allerhöchste Zeit, dass sie aus dem Bürogebäude herauskamen.
Durch den Boden zu ihren Füssen zog sich bereits ein recht breiter Riss und ein
Stück Decke löste sich über ihnen. Das riesige Trümmerstück raste direkt auf
Buffy zu, die nur dank ihrer übernatürlichen Reflexe die Gefahr rechtzeitig
spürte, nach oben blickte und zur Seite springen konnte. Der Betonbrocken
krachte auf den Fußboden und riss ein gewaltiges Loch hinein, ehe er in die
Tiefe stürzte. Buffy sah mit geweiteten Augen hinterher und spürte helfende
Hände, die ihr auf die Füße halfen.
„Das war knapp und Glück gehabt,“ murmelte sie ein wenig
schockiert. „Okay.. lauft los... wir müssen raus hier.“
Während sie losrannte, stellte sie fest, dass andere dieses Glück wohl nicht
gehabt hatten.
Mehrere tote Dämonen lagen unter einem großen Stahlträger und rührten sich
nicht mehr während ihr dunkles Blut den Boden bedeckte.
„Kommt schon...“, rief sie noch mal nach hinten gewandt. Die anderen ließen es
sich nicht zweimal sagen und rannten, so schnell sie konnten.
Mehr als einmal kamen sie an völlig aufgelöst umher rennenden Dämonen vorbei,
die sich jedoch keinen Deut um die Jägerin und ihre Gruppe scherten, sondern
eher ihr eigenes Überleben im Sinn hatten.
Ähnlich erging es ihr selbst und den anderen. Nur einmal, als einer der Dämonen
halb blind vor Panik praktisch direkt in ihre Gruppe hineinrannte, trennte ihm
eine der Jägerinnen den Kopf ab.
Um sie herum fiel die Fabrik langsam in sich zusammen, vom schnell
ausbreitenden Feuer verzehrt und von weiteren, leichteren Explosionen
erschüttert. Es krachte mehrmals, als ein weiteres, wohl versteckt liegendes
Lager vom Feuer erreicht wurde. Metall- und Betonteile wurden durch die Luft
gewirbelt.
Buffy sah, wie sich die Augen einer recht jungen Jägerin vor Entsetzen weiteten
und konnte sie gerade noch rechtzeitig zur Seite stoßen, bevor das glühende
Metallrohr sie erreichte. Sie selbst zog sich dabei allerdings eine höllisch
schmerzende Brandwunde an der Schulter zu.
Mit dem Gedanken, den Jägerinnen vielleicht vor ihrer Abreise eine zusätzliche
Trainingsstunde zukommen zu lassen – man blieb nicht stehen, wenn irgendwas auf
einen zugeflogen kam – half sie dem jungen Mädchen auf.
„ Los, weiter!“ rief sie, doch das war leichter gesagt als getan, als sie
nämlich um eine Ecke bogen, baute sich vor ihnen eine gewaltige Feuerwand auf.
Die Hitze war atemberaubend.
Buffy fluchte leise. Das war ihr einziger Fluchtweg gewesen. Sie mussten sich
schnell umstellen. Wohin nur?
„ Zurück!“ rief sie und sprang danach zur Seite, um der kreischenden lebenden
Fackel, die mal ein Dämon gewesen war, aus dem Weg zu gehen.
Wo sollten sie jetzt hin?
Es gab wirklich keinen Ausweg. Um sie herum stürzte bereits alles zusammen.
Eine rothaarige Jägerin wurde von einem herabfallenden Betonstück getroffen, bevor Buffy etwas tun
konnte; eine ziemlich übel blutende Armwunde war die Folge.
Die Zeit wurde knapp. Buffy sah noch einmal hinter sich, dann wieder auf die
Feuerwand und nickte.
Es würde nicht angenehm sein und es war ziemlich waghalsig, aber
sie hatten keine Wahl. Jeden Moment konnte hier die Decke komplett
herunterkommen.
„Ok, wir müssen da irgendwie durch. Ich weiß, das klingt jetzt
verrückt, aber wir müssen da durch. Konzentriert euch ganz fest und versucht so
hoch und weit zu springen wie es geht. Anders kommen wir hier nicht raus. Bitte
vertraut mir...wir schaffen das.“
Sie wusste genau, dass viele der anderen Jägerinnen sie jetzt für wahnsinnig
halten würden. Aber viele von ihnen waren sich ihrer eigenen Kräfte immer noch
nicht komplett bewusst.
„Gut...jetzt gilt es....“ murmelte sie, holte noch einmal tief Luft, nahm
Anlauf...und sprang in einem einzigen Anlauf über die Flammen hinweg. Nun blieb
ihr nur noch, zu warten. Sie hoffte nur, dass die anderen es schaffen würden...
Die Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten, als Buffy wartete....und dann kamen
sie.
Eine nach der anderen wagte den Sprung durch die Flammen. Viele kamen nicht so
hoch wie sie und manche versengten sich wohl auch, aber wie durch ein Wunder
blieben die meisten relativ unverletzt. In Gedanken zählte Buffy mit, als ein
Mädchen nach dem anderen auf dieser Seite des Feuers erschien. Schließlich
waren sie alle durch und Buffy atmete auf.
Das wäre geschafft.
„Weiter! Ausruhen können wir erst draußen!“ rief sie und wie zur
Bestätigung krachte ein metallenes Geländer scheppernd zu Boden.
Sie rannten weiter und schließlich, nach einem schier endlosen
Lauf durch Flammen, Lärm und Rauch, kamen sie nach draußen und stockten.
„Das war klar“, murmelte Buffy, als sie und ihre Gruppe sich
plötzlich von rothäutigen Dämonen mit Maschinenpistolen umringt sahen.
Auf dem Vorplatz, etwas hinter der Gruppe, stand eine große
schwarze Limousine, deren Türen sich gerade öffneten.
Ein massiger Dämon mit einer Haut deren Farbe so glühend rot war
wie Lava stieg aus und ging langsam auf die Gruppe zu. Er war sehr elegant
gekleidet und hatte irgendwie sogar einen Schneider gefunden, der ihm einen
Anzug verpasst hatte, in dem er trotz seiner Körperfülle nicht lächerlich
wirkte.
Grinsend schritt er durch die Reihen seiner Leute hindurch und
stand nun vor Buffy.
„Die Jägerin. Das hatte ich erwartet. Erschießt sie!“
Dunkle Gasse:
“Und sie wurde einfach so vor deinen Augen erschossen?“ fragte
Gretchen, als sie mit Faith zusammen über eine kleine Brücke ging, und danach
an einer Ampel stehen blieb.
„Von einer deiner Vorgesetzten? Das ist ja schrecklich!“ sie hörte auf an ihrem
Anhänger zu spielen und warf das Taschentuch in den Mülleimer, dann suchte sie
sich wieder ihren Lippenstift, und zog ihn ein weiteres mal nach, bis die Ampel
endlich auf Grün umschaltete.
Faith hatte die ganze Zeit geschwiegen, und daher ergriff Gretchen wieder das
Wort: „Wieso, denkst du, hat sie das gemacht? Hatte es irgendeinen Grund?“
„Nein, ich glaube sie ist einfach durch gedreht…!“ log Faith, stärkte ihren
Griff um die Armbrust, und sah Gretchen verzweifelt an.
“Und weißt du, was das schlimmste ist. Ich würde sie liebend gerne töten. Sie
verdient den Tod, und nichts Besseres. Aber als Mensch kann man ja anscheinend
nicht einfach andere Menschen töten. Das nennt sich Selbstjustiz. Ich frag mich
echt was daran so schlecht ist. Würde dem Staat ne Menge Geld sparen.“
„Oh ja, als würde es dir ums Geld ge...ähm… Entschuldigung.“ Gretchen sah
verwirrt zu Boden, ärgerte sich kurz über sich selbst und lächelte dann die
Jägerin wieder freundlich an.
“Da vorne, in dem großen Haus, neben dieser Lagerhalle, da wohne ich.“ Gretchen
deutete mit der Hand nach vorne. Wieso wohnte eine Person wie Gretchen in so
einem heruntergekommenem Viertel?
„Ab und zu ist es echt.. beschissen. Ich wünschte wirklich, dass..“ Faith
machte eine Pause und schien zu überlegen.
Gretchen blieb stehen, drehte sich zu Faith und sah sie erwartungsvoll an.
„JA?“
Cleveland, McGregorian Fischfabrik, selbe Zeit:
Die Jägerinnen sahen sich verunsichert um. Gegen Kugeln konnten
sie nichts ausrichten, wie gut ihre Reflexe auch sein mochten. Umso überraschender
war es, dass Buffy ziemlich ruhig blieb, selbst als die Dämonen ihre Waffen
hoben.
„Ganz ruhig bleiben, Leute...ich hab so etwas erwartet“, flüsterte
sie.
„Ganz ruhig? Spinnst du? Die knallen uns gleich ab!“ erwiderte die
blonde Jägerin, die sich wie eine Anführerin benommen hatte, zugleich verwirrt,
wütend und leicht panisch.
„Nein, machen sie nicht“, gab Buffy zurück und als wäre dies ein
Kommando gewesen regte sich plötzlich etwas hinter den Dämonen
Sie sahen sich verwirrt um...und erstarrten, als sie sahen, dass
hinter ihnen eine Menge Mädchen aufgetaucht waren, die Armbrüste auf sie
gerichtet hatten. Buffy erkannte Kennedy, die ihre Waffe direkt auf den
Dämonenboss gerichtet hielt, in ihrem Gesicht war Trauer und Wut zu erkennen,
und auch die anderen hinzugekommenen Jägerinnen sahen mitgenommen aus. Jemand
von ihnen hatte es nicht geschafft, das wurde Buffy mit einem Schlag klar.
„Waffen weg“, befahl Buffy, und versuchte den Gedanken an Opfer zu verdrängen.
Die meisten Dämonen zögerten nicht lange. Waffe um Waffe klapperte zu Boden und
Buffy lächelte flüchtig.
Der große Dämon sah sich verwirrt um, gewann aber erstaunlich schnell seine
Fassung wieder.
Er lächelte Buffy breit an, entblößte dabei ein Gebiss das an einen Haifisch
erinnerte: „Und jetzt? Du kannst diese Trottel vielleicht erschießen, aber mich
stören Bolzen nicht. Meine Haut ist zu dick für so etwas.“
Buffys gezwungenes, verbittertes Lächeln näherte sich erschreckend
seinem an als sie kurz auf ihre Axt und dann in sein Gesicht blickte: „ Ich
habe Äxte, Schwerter, Wurfdolche...suchen Sie sich was aus.“
Aber sie winkte ab, bevor er etwas erwidern konnte. „ Ich will Sie nicht
umbringen. Mit Toten kann man schlecht verhandeln.“
„Verhandeln?“, zischte Kennedy, ihre Verwirrung war offensichtlich, „ Warum
bringen wir den Kerl nicht einfach um?“
„Weil dann mehr kommen. Und jetzt lass mich bitte in Ruhe reden“,
gab Buffy zurück, bevor sie sich an den Dämon wandte.
„Soweit ich das sehe, seid ihr eine Bande von ziemlich gewöhnlichen
Verbrechern.“
„Gewöhnlich? Ich muss doch sehr bitten“, murmelte der Dämon leicht
pikiert.
„Verbrecher seid ihr auf jeden Fall. Und die Jägerin jagt keine
Verbrecher. Immerhin besteht ein nicht zu kleiner Teil eurer „Organisation“ aus
Menschen, außerdem seid ihr weder auf den Weltuntergang aus, noch darauf Leid
zuzufügen, euer Hauptinteresse ist Profit; ihr seid für mich also nicht mehr
als ganz normale Verbrecher - wenn ihr uns in Ruhe lasst natürlich nur. Oder
aber ich könnte ihnen und allen ihren Freunden das Leben zur Hölle machen. Sie
sehen schon an dem was hier vorgefallen
ist, wozu ich in der Lage bin, und das ist nur der Anfang einer sehr langen,
und immer noch erweiterbaren Skala, die wohl keiner von uns beiden weiter
erforschen will.“, um ihre Worte zu unterstreichen, deutete sie auf die Fabrik,
die nunmehr ein Haufen rauchender Trümmer war.
„Pfff! Wenn ich wollte, könnte ich dich einfach ausradieren,
Jägerin...genau wie all die anderen.“, der Dämon schien sehr von sich überzeugt
zu sein, doch jeder hätte bemerkt, wie unsicher er war. Es gelang ihm nicht
wirklich zu verbergen, dass er über den Verlust der Fabrik eigentlich ziemlich
erschüttert war.
„ Jaja...lassen Sie das großspurige Getue. Sie lassen uns in Ruhe
und ich behandle Sie wie ganz normale Verbrecher und lasse Sie und ihre ganze
Bande in Ruhe.“
Der Dämon runzelte die Stirn und schien ernsthaft zu überlegen.
Einer der anderen Dämonen blickte ihn an und flüsterte: „ Boss?
Sie wollen doch nicht wirklich...“
Weiter kam er nicht, denn der Dämonenboss packte ihn und brach ihm mit einer
schnellen Handbewegung das Genick, was die anderen merklich zusammen zucken ließ.
Der große Dämon wandte sich jetzt wieder Buffy zu: „Ich nehme an.
Du lässt uns in Ruhe und wir behelligen euch nicht weiter. Ich hab sowieso
besseres zu tun als mich mit einner Horde junger Mädchen rum zu schlagen.“
Ohne auf eine Reaktion zu warten drehte er sich herum und
verschwand zwischen den zerstörten Gebäuden, um sich den Schaden genauer
anzusehen.
In den Gesichtern der Jägerinnen spiegelte sich Verwirrung. Sie konnten noch
immer nicht ganz begreifen, was gerade geschehen war. Hatten sie wirklich
Frieden mit einem Dämon geschlossen?
Die anderen Dämonen nutzten die Gelegenheit und verdrückten sich. Niemand
verfolgte sie.
„Das glaub ich einfach nicht“, fluchte Kennedy und packte Buffys Schulter, „ Du
hast mit einem Dämonen...Geschäfte gemacht! Noch dazu mit so
einem....Mafiatypen.“
„ Ja… so sieht es wohl aus“, gab Buffy zurück, sie bemerkte, wie die Blicke der
Jägerinnen sich auf sie richten, „Ich hatte keine andere Wahl, es war das
einzige, was ich tun konnte. Tegul war eine Bedrohung, doch, wenn ich nur ihn
ausgeschaltet hätte, dann wäre die Mafia auf mich aufmerksam geworden, und das
wäre der Situation nicht gerade dienlich gewesen. Nein, ich musste ihnen
zeigen, wozu ich in der Lage bin, um sie einzuschüchtern, denn auf einen Krieg
konnten wir uns in dieser jetzigen Situation nicht einlassen!“
Es war wichtig, dass sie nun Entschlossenheit zeigte, obwohl ihr das alles
nicht leicht gefallen war. In ihrem Kopf schrie alles, dass es die falsche
Entscheidung gewesen war, was sie gerade getan hatte. Doch sie konnten sich
einfach nicht auf die Probleme mit Lily, den Reitern und was auch immer sonst
noch kommen mochte, konzentrieren und sich gleichzeitig mit der Dämonen-Version
der Mafia rumschlagen. Es war einfach nicht möglich. Zweifrontenkriege gingen
nie gut aus.
„Verdammt, für diese Aktion sind zwei unschuldige junge Mädchen gestorben!“, zischte Kennedy,
„Wie willst du das ihren Wächtern das erklären? Wie?“
Dunkle Gasse:
Faith schossen tausende Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Sie
starrte ohne jegliche Emotionen in die Dunkelheit, während Gretchen, die immer
noch an ihrer Kette spielte beinahe die Zahnräder in Faith’s Kopf rattern
hörte.
„Faith?“ fragte die junge Frau ungeduldig nach, und biss sich danach
unabsichtlich auf die Lippen, „Was würden sie sich wünschen?“
Eine weitere, für Faith fast unendliche Sekunde verging, bevor sie alles von
sich abschüttelte, tief Luft holte, und Gretchen dann direkt in die Augen sah.
“Ich bin eine Jägerin. Du bist doch nicht wirklich so bescheuert zu glauben,
dass ich nicht erkennen würde, dass du ne Rachedämonin bist, Flittchen!“, Faith
zog ihr Messer und hielt es drohend hoch.
„Ich hätte mich niemals auf eines deiner falschen Spiele eingelassen! Wünsche…
pah! DU dachtest wohl ich kann der Verlockung nicht widerstehen!“
Die Jägerin funkelte Gretchen böse an, die überrascht einige Schritte nach
hinten machte.
Plötzlich begann sie zu lächeln, zuckte mit den Schultern und trat dann wieder
auf Faith zu.
„Ja klar.“ sie lachte wieder, “Es ging nur um einen Sekundenbruchteil… dann
hättest du mir gehört… und das weißt du genau! Menschen sind so witzig, wenn
sie versuchen sich selbst etwas einzureden! Du weißt genau, dass das hier deine
einzige Chance auf Rache war. Große Dinge kündigen sich an, und sie bedeuten
unendliche Schmerzen für dich. Du hast davon geträumt, nicht wahr? Dies war
deine letzte Chance, die Welt zu verändern, nun wirst du mit ihr leben müssen,
so wie sie ist. So wie sie bald sein wird.“
Gretchen zwinkerte der dunkelhaarigen Jägerin noch zu, bevor sie sich noch ihre
Haare richtete, und in einem aufblitzenden Feuerwirbel verschwand.
Faith blieb alleine auf den dunklen Straßen zurück. Sie starrte auf die Stelle,
an der Gretchen vor einer halben Minute noch gestanden hatte, und steckte das
Messer dann wieder in die Scheide, die sie in ihrer Tasche eingesteckt hatte.
„Niemals wäre ich auf dieses Angebot eingegangen…“ sagte die Jägerin zu sich
selbst, während sie sich an die Wand lehnte und sich zu Boden sinken ließ.
„Niemals...“.
Straßen von Cleveland, nicht allzu weit entfernt:
Kennedy ging so schnell, dass Buffy fast rennen musste um auf einer Höhe zu
bleiben. Sie hatte kein Wort mehr gesprochen, seit sie sich von den anderen
Jägerinnen getrennt hatten, die es vorgezogen hatten direkt nach Hause zu
fahren.
„Kennedy, warte mal, was ist denn los?“, wollte Buffy wissen.
„Was los ist?“, Kennedy blieb stehen, „Du fragst mich nachdem du
das alles durchgezogen hast, was los ist? Wenn du dir das nicht denken kannst,
dann kann ich dir auch nicht mehr weiterhelfen!“, sie wollte weitergehen, doch
Buffy hielt sie zurück: „Warte, lass uns darüber reden, ok?“
„Dann sag was du sagen willst, ich bin gespannt!“, sie
verschränkte ihre Arme und setzte eine vernichtende Miene auf, verdammt, was
hatte Buffy sich nur dabei gedacht?
„Es war nötig, wir haben keine Zeit uns wegen der Organisation
Sorgen machen zu können, wir haben schon genug mit dem Rat zu tun, außerdem
sind sie wie ich ja schon gesagt habe normale Verbrecher, und das fällt nicht
in unseren Aufgabenbereich!“, versuchte Buffy ihre Entscheidung zu verteidigen,
auch wenn die Stimme ihres schlechten Gewissens in ihrem Kopf langsam begann
noch lauter zu werden. Die ganze Zeit über war sie sich sicher gewesen, dass
ihr Plan der einzige Weg war, um sich den Rücken frei zu halten, doch jetzt wo
sie ihr Vorhaben durchgeführt hatte fühlte es sich einfach nur noch falsch an.
„Es geht mit nicht darum, ob es nun richtig war oder nicht, aber
du hättest es mir sagen können, damit ich weiß für was ich diese Mädchen in den
Tod führe! Verdammt! Aber meine Meinung scheint dich ja nicht einmal zu
interessieren.“, beklagte Kennedy sich.
„Ich war mir nicht sicher, ob du es so gesehen hättest wie ich,
deswegen konnte ich es nicht riskieren dich einzuweihen.“, mit jedem Wort war
sie sich selbst weniger sicher, es klang alles nur nach vorgeschobenen
Rechtfertigungen.
„Also ist es besser mich gar nicht einzuweihen, und zusammen mit
den anderen Jägerinnen als Puppen in deinem Spiel zu benutzen? Aber ok, wenn du
es so siehst.“, war Kennedys einzige Antwort, dann drehte sie sich um und
stürmte weiter.
„Das ist die falsche Richtung, wir müssen in die andere…“,
begann Buffy nur um wieder von ihr
abgewürgt zu werden: „Ich will nicht zu Giles!“
Wohnheim, Willow´s Zimmer:
Willows Augen waren weit aufgerissen. Ihre Pupillen hatten sich
erweitert, und das Weiße in ihren Augen wurde von rotem Blut gezeichnet. Das
Pochen ihres Herzens drückte gegen ihre Schläfen, und sie hatte das Gefühl dass
ihr Blut langsam ihre Adern aufplatzen lassen würde.
Insgeheim fragte sie sich, ob es sich für Warren so angefühlt hatte, als seine
Haut von seinem Körper gerissen wurde. In ihren Ohren hallten die Schreie von
Jägerinnen. Todesschreie. Sie war sich nicht sicher ob es zwei oder mehr waren.
Willows ganzer Körper verkrampfte sich.
Mit einer plötzlichen Bewegung wurde sie auf ihrem Bett nach hinten gerissen,
und krachte mit dem Kopf gegen das Kopfende und die Mauer. Es kam der Hüterin
so vor, als würde dieser unglaubliche Schmerz in ihrem Inneren sie ganz und gar
auffressen und zerstören wollen.
Es war ihr nicht klar, ob sie nicht vorher sterben wollen würde, als diese
Qualen erneut über sich ergehen zu lassen.
Diese zerfressenden Schmerzen bohrten sich in ihren Brustkorb. Vor ihren Augen
tauchten lodernde Flammen auf. Der Geruch von Schwefel hing in der Luft. Willow
versuchte sich zu beherrschen und ruhiger zu atmen. Doch auch wenn sie sich
genau darauf konzentrierte konnte sie es nicht. Nach ein paar anstrengenden
Versuchen schaffte sie es, ihre Hand zu bewegen. Doch nach ein paar weiteren
Millimetern wurde ihr klar, dass sie nie die Schublade erreichen würde.
Außerdem konnte sie ohne Hilfe den Zauber sowieso nicht durchführen.
In ihrem Bauch breitete sich immer mehr Panik aus, und langsam schnürte sich
ihre Kehle zu. Ein weiterer, quälender Schmerz kroch durch ihre Adern, gefolgt
von einem erneuten Schrei der Jägerinnen, bis diese langsam verstummten. Wenn
sie genauer hinhörte, konnte sie nur noch das Knistern der Flammen wahrnehmen.
Ihr ganzer Körper fühlte sich so an, als würde er zerbersten. Doch im nächsten
Moment schaffte sie es, tief durchzuatmen. Ihre Finger krallten sich an der
Bettdecke fest, und langsam rann Blut aus ihren Nägeln. Ihr Herz schlug lauter,
aber doch wieder regelmäßiger.
Nach ein paar Minuten richtete sich die Hüterin langsam auf, und fuhr sich mit
einer Hand durch die schweißnassen Haare. Mit wackelnden Beinen ging sie
Richtung Waschbecken, und sah mit halboffenen Augen in den Spiegel. Ihr Körper
hatte sich wieder beruhigt, aber dennoch wackelte ihr Spiegelbild noch.
Nachdem sie ihr Gesicht gekühlt hatte, öffnete Willow mit zitternden Händen das
Fenster ihres Zimmers. Was sie gerade dringend brauchte war Sauerstoff. Es war
nicht gerade angenehm gewesen, dieses Brennen auf der Haut zu spüren, die noch
immer leicht gerötet war. Mit einer Hand wischte sie sich den Schweiß von der
Stirn, die andere umklammerte noch immer den Fenstergriff.
Sie konnte nicht sagen wie viel Zeit vergangen war, als ein Klopfen sie
plötzlich aus ihren Gedanken riss. Im nächsten Moment betrat Kennedy mit einem
Lächeln das Zimmer. Die Hüterin zwang sich, ebenfalls ein Lächeln aufzusetzen.
Kennedys Lippen verzogen sich zu einer besorgten Miene, als sie Willow
musterte.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte die Jägerin besorgt, und ging mit ein paar
Schritten auf ihre Freundin zu.
Die Hüterin zwang sich, nicht mehr zu zittern. „Ja, ist es. Wie geht’s dir
Süße?“, antwortete sie, und legte behutsam ihre Hände auf Kennedys. Damit sie
ihr nicht mehr in die Augen sehen musste, lehnte sie ihren Kopf an Kennedys
Schulter. Auch wenn sie noch immer diesen grauenhaften Schmerz in ihren
Gliedern wie einen Muskelkater spüren konnte, wollte sie kein Wort darüber
verlieren. In letzter Zeit hatten sie sich noch seltener gesehen, und da wollte
sie die Zeit mit ihrer Freundin anders verbringen, als über Schmerzen zu reden.
„Bist du dir sicher? Mir geht es ganz gut... jetzt wo ich bei dir bin.“
Doch insgeheim sah Kennedy noch immer die gequälten Augen der beiden
Jägerinnen, die sie vorhin gesehen hatte. An die schmerzerfüllten Schreie der
beiden konnte sie sich noch immer erinnern. Sie hatte so eine unglaubliche Wut
auf Buffy, und in ihrem Inneren tobte wahrlich ein Sturm. Wenn sie genauer
darüber nachdachte, hätte sie selbst eine der beiden Jägerinnen sein können,
und durch Buffys Schuld hätte sie selbst krepieren können.
Kennedy wollte es einfach nur verdrängen. Sie schloss für einen kurzen Moment
die Augen, und küsste Willows Stirn.
„Ja bin ich. Ich habe nur im Moment so einen unglaublichen Stress.“, Sie drehte
sich zur Seite, und ließ ihre Freundin einen Blick auf ihre Unterlagen werfen,
die zum Teil auf dem Boden lagen.
„Wenn du dieses Semester nicht schaffst, machen wir einen Urlaub und tauchen
einfach unter.“, sie lächelte die Hüterin verschmitzt an. Diese hob den Kopf.
„Ich schaffe das schon. Aber Urlaub könnte ich trotzdem gebrauchen.“, sie
seufzte leise. „Nachdem wir bei meiner Abschlussparty einen drauf gemacht
haben.“, Willow funkelte ihre Freundin an. Diese erwiderte Willows Blick mit
einem zögernden Kuss.
Langsam, so dass Willow es kaum spüren konnte, streichelte Kennedy Willows
Rücken, während sich ihr Oberkörper dem von Willow entgegendrängte. Mit der
anderen Hand spielte sie mit den roten Haaren ihrer Freundin. Sie liebte diesen
Duft.
Willow sah gleichzeitig so wunderschön und verletzlich aus. Kennedy war sich
sicher, dass irgendetwas nicht stimmte. Aber vielleicht würde sich das
Wohlbefinden ihrer Freundin ja steigern lassen...
Wächterhaus, gleiche Zeit:
Das Wohnzimmer war voll gestellt mit Kartons, Giles hatte sich die
Zeit genommen, während Buffy und die anderen weg waren, Lilys Sachen ins
Wohnzimmer zu bringen, damit er sie morgen endlich auf den Sperrmüll geben
konnte. Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass er in der Wohnung, die vor nicht
allzu langer Zeit noch für vier Leute hatte herhalten müssen, nur noch alleine
lebte.
Er stellte gerade den letzten Karton ab, als das Telefon zu
klingeln begann, was ihn aufspringen ließ. Er hechtete an den gepackten Kisten
vorbei zu seinem Telefon, vermutlich war es Prescott, der ihm Neuigkeiten mitzuteilen
hatte.
Er sah, dass es eine englische Nummer war, jedoch nicht die, die
Charles Prescott immer benutzt hatte. Vielleicht war er gezwungen gewesen von
irgendwo anders anzurufen? Etwas besorgt nahm Giles ab: „Cleveland
Wächterzentrale, Mr. Giles.“
„Was sagen sie ist passiert? Wer spricht da?“
Er lauschte dem, was der Anrufer ihm zu erzählen hatte, mit jeder
Sekunde wurde seine Miene dunkler: „Ja, ich verstehe. Tragisch.“
In ihm schien sich etwas zusammen zu ziehen, das gleich
explodieren würde, doch dann war da plötzlich nur noch Leere: „Ja, ihnen auch
noch einen schönen Tag.“
Er legte auf.
Wie in Trance schleppte er sich in das Besprechungszimmer, sein
Blick glitt über das verwüstete Risikobrett zu dem Marsha Hunt Poster aus
seiner Jugend. Der Rat, Lily, die Reiter und schließlich noch die Organisation
waren unter Feinde eingetragen worden, auf der anderen Seite unter Verbündete
aber ausschließlich Charles Prescott.
Er trat vor, griff nach einem schwarzen Stift, strich den Namen
des Wächters von der Liste und trat wieder einen Schritt zurück, um das Bild
erneut zu betrachten. Ernüchternd. Sehr ernüchternd.
Wächterhaus, Eingang:
Faith saß auf der untersten Stufe und blickte nach oben in den
Sternenhimmel. Die Nacht war ganz klar, und man konnte hunderte kleine Lichter
aufblinken sehen, über den ganzen Himmel verteilt.
Der Wind kühlte die Luft ab und strich über ihr Gesicht, es gäbe
so viele bessere Dinge, die sie nun tun könnte. Robin wartete bestimmt schon
auf sie, müde von der ganzen Arbeit, oder sie hätte Buffy zur Hilfe eilen
können, wie sie es versprochen hatte, doch statt dessen saß sie alleine hier
draußen und dachte nach.
Hätte sie es tun sollen? Sie war so kurz davor gewesen, der
Gedanke der Rache war in verführerischer Nähe gewesen, zu verführerisch. Und
dennoch war ein zu großer Teil von ihr bereit gewesen es zu tun; was wenn es
wirklich ihre einzige Möglichkeit gewesen wäre jemals Rache zu nehmen? Was wenn
ihre kryptischen Prophezeiungen stimmten, und nicht nur ein Anfall von Wut
gewesen waren, weil Faith nicht auf das Angebot eingegangen war?
Sie schämte sich für den Gedanken, doch sie konnte ihn nicht
verdrängen, genauso wenig, wie sie sich einreden konnte, dass die Entscheidung,
die sie getroffen hatte die einzige richtige gewesen war.
Warum musste das Schicksal ihr so übel mitspielen und sie dann
auch noch in Versuchung führen? Verdammt, es war nicht fair.
Buffy war wohl auch ohne sie erfolgreich gewesen: irgendwo in der
Nähe des Hafens stieg eine Rauchsäule auf, und immer wieder waren die Sirenen
von Polizei und Feuerwehr zu hören. Wenigstens in dieser Beziehung musste sie
sich wohl keinen Vorwurf machen.
Als sich gerade aufraffen wollte, um Robin Gesellschaft zu leisten
hörte sie plötzlich Schritte, die auf sie zu stürmten. Für einen Moment spannte
sie sich instinktiv an, auf einen Angriff vorbereitet, doch dann tauchte Buffy
vor ihr auf.
„Faith?“, sie wirkte irgendwie aufgewühlt, so als sei etwas nicht
nach Plan gelaufen, „Wieso bist du nicht mehr gekommen?“
„Ich habe ewig gebraucht, bis ich Vampire gefunden habe, und dann
war es gleich ein ganzes Nest; ein harter Kampf!“, log Faith.
Buffy merkte, dass es ein
bisschen gezwungen klang, als sei es nur vorgeschoben, doch es war so oder so
egal, vielleicht sollte sie sogar froh sein, dass Faith nicht dabei gewesen
war, auf diesem Weg hatte sie es sich wenigstens nicht auch noch mit ihr
verscherzt.
„Wollen wir reingehen und gucken, was Giles so treibt?“, schlug Buffy
vor, um vom Thema abzulenken. Faith nickte nur, auch sie hatte nicht das
Bedürfnis über die Ereignisse dieser Nacht zu sprechen.
Als sie das Haus betraten sahen sie Giles zuerst nicht, bis sie
ihn schließlich fanden: Er saß in seinem Ohrensessel, in der einen Hand ein
Glas, in der anderen eine halbleere Flasche Scotch, um ihn herum waren Kartons
mit Lilys Sachen aufgestapelt, die er verträumt anstarrte. Als er sie bemerkte
blickte er auf: „Buffy, Faith. Guten Abend. Wie ist es gelaufen?“
„Alles ist so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte.“, gab
Buffy zurück.
„Gut, das ist sehr gut.“, er wandte den Blick wieder auf die
Kisten, als gebe es nicht mehr dazu zu sagen. Buffy und Faith wechselten
besorgte Blicke.
„Vielleicht sollten wir eben unser Schaubild ändern, es ist sicher
aufbauend, wenn wir wenigstens die Organisation wegstreichen können!“, schlug
Buffy vorsichtig vor, sein Reaktion genau abschätzend.
Sein Blick blieb immer noch stur auf die Kartons gerichtet: „Ja,
das wäre vermutlich gut.“, einige endlose Sekunden vergingen, bevor er sich
aufrichtete und lustlos runter ins Besprechungszimmer schleppte. Die beiden
Jägerinnen folgten ihm zögernd.
Als sie die Rückseite des Posters sah, wurde ihr mit einem Schlag
klar, wieso Giles so abwesend wirkte: Der Name seines einzigen Verbündeten in
London, war durchgestrichen, sie hatten keinen Verbündeten mehr!
Giles entfernte die Organisation aus seiner Liste, und
kommentierte es mit einer kaum versteckten Verbissenheit: „Drei zu Null sieht
doch gleich viel besser aus als Vier zu Null.“
„Ja.“, Buffy bemühte sich seinen überdeutlichen Unterton zu
überhören, „Wir schaffen das schon irgendwie!“
„Ganz bestimmt!“, pflichtete Faith ihr bei, doch ihre Gedanken
waren an einem anderen Ort, einem Ort, an dem all das hier bedeutungslos war
und sie ihre Rache haben konnte, einem Ort, dem sie heute Nacht sehr nah
gewesen war, „Sehen sie es mal positiv: Es kann kaum noch schlimmer werden!“
Cleveland, angemietetes Büro:
“Und wie geht es ihrem Krieg, mein Bester?“
“Könnte nicht besser sein.“ Kan Hsirg nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarre
und grinste D’Hoffryn an. “Ich denke, ich kann Punkt 1 – ich meine natürlich
Punkt 2 – auf meiner Liste als abgehakt betrachten.
“Tatsächlich?“ D’Hoffryn zog eine Augenbraue hoch. “Wenn mich meine
Informationen nicht täuschen, wurde die letzte Armee, die Sie anwerben wollen,
von den Jägerinnen vernichtet.“
“Allerdings, das ist wahr.“ Hsirg erhob sich, strich seinen Anzug glatt, und
begann in seinem neuen Konferenzzimmer auf und ab zu gehen. Im Vergleich zu den
Räumlichkeiten, die ihm in der Barker Cooperation zu Verfügung gestanden
hatten, war dies hier nur provisorisch, doch für den Moment sollte es genügen.
Er wollte sein Schweizer Nummernkonto schließlich nicht zu sehr strapazieren.
“Aber genau genommen sind es die Jägerinnen, die mich auf die entscheidende
Idee gebracht haben, deshalb sollte ich ihnen dankbar sein. Sehr dankbar.“
“Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen...“
Hsirg nahm wieder Platz und legte seine Zigarre im Aschenbecher ab. “Die Lösung
all meiner Probleme lag die ganze Zeit über direkt vor meiner Nase, aber ich
war zu blind, um sie zu erkennen. Sehen Sie, ich will einen Krieg gegen Dämonen
führen. Womit führt man einen Krieg gegen Dämonen?“
In diesem Moment konnte man draußen im Gang das Klacken halbhoher Absätze
vernehmen und einen Augenblick später öffnete sich die Schiebetüre zum
Konferenzzimmer. D’Hoffryn’s verwirrte Miene hellte sich sofort auf, als er
erkannte, wer dort im Türrahmen stand. Kan Hsirg hatte vollkommen Recht gehabt,
die Lösung lag wirklich auf der Hand.
Die beiden männlichen Dämonen sprangen zu ihren Füßen, als die Dame eintrat,
setzten ihr jovialstes Lächeln auf und sanken abwechselnd in tiefe
Verbeugungen.
“Willkommen, Gnädigste, ich bin überaus entzückt, dass Sie uns mit ihrem Besuch
beehren.“ Kan Hsirg führte sie zu ihrem Platz und D’Hoffryn rückte ihr den
Stuhl zurecht. “Ich hoffe, die Reise aus England war nicht zu beschwerlich? Was
darf ich Ihnen denn zu trinken anbieten?“
“Trinkt man in einem solchen Fall nicht Champagner?“ fragte Lily Usher mit
einem Hauch von Ironie in ihrer dunklen melodiösen Stimme. “Schließlich haben
wir mehr als nur einen Grund zum Anstoßen. Der Beginn unserer Zusammenarbeit,
den baldigen Triumph über unsere Feinde...“
“Die Vernichtung Malkuth’s!“ zischte Kan Hsirg leise.
Tief unter der Erde, gleiche Zeit:
“Wenn du mir sagst, dass wir es schaffen, dann werd’ ich dir
glauben!“
Der Gong schlug, die Zeiger rasten, das archaische Kupferpendel der großen
Unruh’ schwang surrend hin und her. Sein Glanz ließ die seltsamen
Schriftzeichen rötlich aufleuchten, als es an den beiden Gestalten vorüber zog.
“Reloaded. Nein, Quatsch, Revolutions, natürlich. Trin zu Neo in Revolutions.
Der war zu einfach!“
Schon bald konnten sie das Rattern endloser Zahnräder hören, die kreisend
ineinander griffen.
Federn spannten sich, Ketten wurden angezogen und Hebel wechselten quietschend
ihre Position.
“Ach ja? Lass’ dir ’nen besseren einfallen!“
Dann verklang es hinter ihnen. Das Ticken und Rattern erlosch.
“Ich bin ein Killer! Ein mordender Bastard. Und wenn man das Herz eines
mordenden Bastards bricht, dann hat das Konsequenzen...“
Nur das Geräusch ihrer Schritte hallte noch im Gang wieder, wurde von den
Wänden zurückgeworfen und von der Dunkelheit verschlungen.
“Duh! Bill zur Braut, wie langweilig! Knack den: Von all den hastigen und
mitternächtlichen Versprechungen im Namen der Liebe, wird’s keins so schnell
gebrochen, wie ’Ich werde dich nie verlassen!’“
“Das ist der Anfang von Cabal, du Bakakopf! Und das zählt nicht, denn es ist
aus dem Buch und nicht vom Film!“
Der strahlende Feuerschein tausender Fackeln erhellte den Gang, als die
mächtigen Torflügel aufschwangen und den Weg zur Halle von Tipharet freigaben.
Turmartige Säulen ragten hoch zur Decke hinauf, verloren sich in den Schatten
ihrer gotischen Spitzbögen. An den Seiten wanden sich Gänge und Wendeltreppen
in alle Richtungen, dazwischen klapperten Türen und Fenster, um die seltsamsten
Wesen auszuspucken, die ein menschliches Auge je erblickt haben mochte.
Schlangengleiche Naga Dämonen glitten um die Säulen herum, ihre schillernden
Schuppen brachen das Licht der Flammen. Wendigos huschten vorbei, und ließen die
Planen der zahllosen Marktstände unter ihren Windstößen erzittern. Ein wilder
Fyarl stritt sich mit einem zischenden Kappa um den Preis von etwas, das aussah
wie ein Fisch mit Tentakeln. Eine bildschöne, menschlich wirkende Frau drehte
ihren Kopf um 180° Grad, um einem potentiellen Kunden zuzulächeln, der
interessiert die Insekten betrachtete, die auf ihrem Stand herumkrabbelten.
Lily (V.O.): „Keiner kann wohl behaupten, dass jede Lüge etwas
Schlechtes sei, denn wer würde einer Mutter einen Vorwurf machen, die ihr Kind
vor dieser grausamen Welt beschützen will, oder einem Arzt, der seinem
Patienten verschweigt, dass er keine Hoffnung mehr hat?“
Die Halle war erfüllt von Stimmengewirr in Hunderten verschiedener
Sprachen...Lachen, Rufen, Schimpfen, Singen, dem schrillen Klang einer Flöte
begleitet vom ohrenbetäubenden Jaulen eines Höllenhundes. Gerüche aller Arten
mischten sich in der stickigen Luft, stiegen empor, legten eine Spur durch die
endlosen, sich verzweigenden Gänge der Stadt.
Lily (V.O.): „Doch es gibt so viele verschiedene Lügen in dieser
Welt? Wer hat da das recht zu entscheiden, ob eine Lüge richtig ist oder nicht?
Wer kann das schon sagen?“
Andere Orte:
Der russische Junge traute seinen Augen nicht, als er auf der
anderen Seite des Tales undeutlich die Gestalt eines fremdartigen Reiters
erkannte, die sich ihren Weg durch die Nebelschwaden bahnte. Er wandte seinen
Blick ab, und rannte so schnell er konnte, er wollte zurück zu seinem Haus, in
dem ein warmer Ofen auf ihn wartete, und eine Mutter, die ihn vor allen
Schatten der Nacht beschützen könnte.
Lily (V.O.): „Oft sind
es nicht mal andere, die wir anlügen, sondern nur wir selbst. Wir reden uns
ein, dass Dinge nur Einbildungen sind, und das wir sie nicht wirklich gesehen
haben, wie sonst ist es zu erklären, dass ein großer Teil der Menschheit nicht
an die Existenz von Dämonen glaubt? Verdrängung, eine weitere, tückische Form
der Lüge!“
Als Faith den Schulbus betrat schlief Robin schon, sie legte sich
neben ihn, jedoch ohne ihn zu berühren. Wie hätte er wohl entschieden? Doch
tief in ihrem Inneren wusste sie es, er hätte nicht einmal einen Gedanken daran
verschwendet, doch warum fiel es ihr dann so schwer?
Lily (V.O.): „Zweifel.
Jeder hat sie, doch viele versuchen sie mit Lügen wegzuwischen, sich
einzureden, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, auch wenn sie tief in
ihrem Herzen wissen, dass sie diese Entscheidung nicht treffen wollten, egal ob
sie richtig waren oder nicht.“
Buffy drehte den Schlüssel um, doch die Tür zu ihrer Wohnung
öffnete nicht. Sie versuchte es erneut, wieder das gleiche. Noch einmal, dieses
mal mit all ihrer Kraft, das Schloss ächzte, doch es blieb nach wie vor
standhaft. Verdammt! Sie konnte ihre Faust gerade noch bremsen, doch man hörte
ihren Schlag gegen die Tür wohl trotzdem noch zehn Blöcke weiter. Von innen
öffnete plötzlich eine verschlafen aussehende Dawn: „Was ist denn los?“
„Nichts, tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken, die Tür hat
nur geklemmt und ich habe ein bisschen die Nerven verloren!“, ihr
Gesichtsausdruck sprach Bände.
Lily (V.O.): „Zweifel
sind sehr gefährlich, wenn man über wichtige Dinge entscheiden muss. Wer sich
in so einer Situation zu einer Lüge hinreißen lässt, und sei sie nur gegen ihn
selbst gerichtet, muss immer die Konsequenzen tragen, so viel steht fest,
deswegen sollte man nur Entscheidungen treffen, mit denen man wirklich leben
kann.“
Die zwei rothäutigen Dämonen prügelten auf den am Boden liegenden
Mann ein, er wand sich unter ihren Tritten und Schlägen auf dem kalten Asphalt
der Straße. Einer der Dämonen zog eine Pistole. Todesangst zeichnete sich in
seinen Augen ab, während er um sein Leben winselte: „Nein, bitte nicht! Bitte!“
Lily (V.O.): „Was ist
mit Lügen aus Liebe? Wenn wir anderen Menschen, die wir lieben nicht die
Wahrheit sagen, um sie nicht damit zu belasten?“
Willow kuschelte sich an Kennedy, ihre Augen waren geschlossen,
und sie schien zu schlafen. Die Augen der jungen Jägerin waren weit geöffnet,
Willow war nicht bei der Sache gewesen, genauso wenig wie sie selbst, so als ob
sie beide an anderen Orten gewesen waren. Sie küsste sanft ihre Stirn:
„Nächstes mal sprechen wir darüber, versprochen!“
Lily (V.O.): „Ist Liebe vielleicht der einzige Grund, der eine
Lüge wirklich rechtfertigen kann?“
Gedankenverloren saß Lily an ihrem Fenster und blickte hinaus in
die Nacht. Der Schrei einer Eule hallte durch die allgegenwärtige Dunkelheit,
weit am Horizont konnte Lily sehen, wie sie ihre Kreise zog. Es würde nicht
mehr lange dauern bis die Sonne aufging und ein neuer Tag begann.
Lily (V.O.): „Auf jeden Fall ist es ein guter Grund, aber
rechtfertigt er auch eine Lüge?“
Giles nahm noch einen Schluck Scotch, das Glas wurde immer leerer
und leerer, als die Flüssigkeit seinen Hals hinab rann. Er müsste Lilys Sachen
so schnell wie möglich loswerden, sie waren einfach mit zu vielen Erinnerungen
behaftet, als dass er es ertragen konnte die ganzen Kisten weiter um sich zu
haben.
Lily (V.O.): „Ich denke nein! Doch was ist es dann, was eine Lüge
rechtfertigt?“
Die Blitze der Fotografen erhellten die dunkle Gasse, die Polizei
hatte den Tatort abgesperrt. Ein Leichenwagen war vorgefahren, um den leblosen,
übel zugerichteten Körper von Charles Prescott abzuholen. Auf dem Pflaster
waren noch einige Spuren von Blut zu erkennen, doch das meiste hatte der Regen
bereits weggewaschen.
Lily (V.O.): „Wonach sollte man gehen? Nun ja, wenn jemand nicht
davon überzeugt ist das richtige zu tun und Zweifel hat, wenn er eine Lüge nur
ausspricht um sich selbst zu schützen, dann kann es sich hierbei wohl nicht um
ein gute und nötige Lüge handeln!“
Bernard Crowley saß allein in sich zusammen gesunken in einem
Sessel, neben ihm ein Telefonhörer. Verdammt er hatte sich raushalten wollen,
doch nach Ms. Ushers Vorstellung und dem was mit Prescott geschehen war, war er
sich nicht mehr sicher, was er überhaupt wollte. „Von Dämonen überfallen.“,
immer wieder hallten die gleichgültigen Worte der Angestellten in seinem Kopf
wieder, wer würde wohl als nächstes „von Dämonen überfallen“ werden? Langsam
griff er zum Hörer.
Lily (V.O.): „Wenn aber das Gegenteil der Fall ist, was ist dann?
Wenn wir absolut davon überzeugt sind das richtige zu tun, und das aus reinstem
Gewissen heraus? Diese Art einer Lüge könnte man wohl niemandem vorwerfen; und
von welchen Lügen kann man das behaupten, wenn nicht von meinen?“
Mit einem leeren Blick hämmerten Emmas Fäuste auf den Boxsack ein,
immer im gleichen Rhythmus, ohne Pausen. Es war das einzige was noch für sie
zählte, es war ein Befehl gewesen. Wer sie war? Unbedeutend, wenn man ihr einen
anderen Namen geben würde, würde sie ihn tragen. Sie war eine von vielen,
darauf programmiert zu dienen.
Grrr... Arrrgh...